Thüringen – Besondere Leistungsfeststellung Deutsch 2015 Aufgabe 1: Nichttextgebundene Erörterung „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Antoine de Saint-Exupéry (1900 –1944) Quelle: de Saint-Exupéry, Antoine: Die Stadt in der Wüste. Übersetzung: von Nostitz, Oswalt. Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 1956. Arbeitsauftrag Erörtern Sie die Aussage. 2015-1 Lösungsvorschlag r Die Aufgabe verlangt von Ihnen das Verfassen einer freien Erörterung und lässt r offen, ob diese linear oder dialektisch anzulegen ist. Sie müssen daher prüfen, ob r das Zitat des französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry die Qualität r einer allgemeingültigen These hat, die durch einschlägige Argumente und Beir spiele aus unterschiedlichen Lebensbereichen belegt werden kann. In der Schiffsr bau-Metapher wird behauptet, dass man Ziele besser erreichen könne, indem r man Begeisterung für eine Sache weckt bzw. lehrt als durch das bloße Ausführen r und Delegieren notwendiger Arbeitsschritte. Freier formuliert: Die innere Motir vation des Menschen ist der Schlüssel zum Erfolg. Überlegen Sie, ob und inr wiefern Sie dieser Aussage zustimmen können, und legen Sie stichpunktartig eine r Stoffsammlung mit Begründungen an. Im vorliegenden Lösungsvorschlag wird r der These zugestimmt. Um in der linearen Erörterung zu überzeugen, ist es notr wendig, verschiedene Aspekte und Beispiele auszuführen, die die Behauptung r stützen. Oftmals sind dabei jene Begründungen besonders eingängig, die dem r eigenen Erfahrungshorizont entstammen. r In Ihrer Einleitung führen Sie zum Thema hin und erläutern die metaphorische r Aussage in ihrer übertragenen Bedeutung und Reichweite. Anschließend komr men Sie zum Hauptteil, der Ihre Argumentation beinhaltet und die Begründungen r nach steigender Wichtigkeit anführt. Zum Schluss können Sie Ihre Ausführungen r z. B. in einem Ausblick, persönlichen Fazit oder Appell abrunden. Der französische Autor Antoine de Saint-Exupéry (1900 –1944) ist Jung und Alt vor allem durch sein liebevoll illustriertes Werk „Der kleine Prinz“ bekannt. In diesem modernen Märchen finden sich viele gesellschaftskritische und philosophische Gedanken umgesetzt, wie etwa in dem berühmten Ausspruch „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ In ähnlicher Weise erhebt auch das vorliegende Zitat aus de Saint-Exupérys Buch „Die Stadt in der Wüste“ (dt. 1956) den Anspruch, eine allgemeingültige Wahrheit oder Weisheit darzustellen. Hier ist sie jedoch in eine antithetisch angelegte Metapher gekleidet, die den Sachverhalt exemplarisch veranschaulichen soll. Der Sprecher formuliert als Appell: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ 2015-2 Einleitung Hinführung zu Autor und Thema Überleitung Übertragen kann dies bedeuten: Der beste Motor, um Ziele zu erreichen bzw. Erfolg zu haben, ist die Faszination und persönliche Begeisterung des Menschen für eine Sache. Der Sprecher empfiehlt deshalb, zunächst diese zu lehren, nicht die notwendigen Arbeitsschritte. Da hier ein sprachliches Bild gewählt wurde, das den Gedanken beispielhaft ausführt, ist kein konkreter Geltungsbereich für die Behauptung vorgegeben. Der Leser dieser Handlungsanweisung, der sich im „Du“ unmittelbar angesprochen fühlt, ist vielmehr aufgerufen, ihre Tragweite zu prüfen. In diesem Sinne ist es das Ziel der folgenden Ausführungen, de Saint-Exupérys Denkanstoß zu folgen. Auf welche Bereiche des Lebens kann er angewendet werden, welche Beispiele lassen sich benennen, in denen er sich bewahrheitet? Grundlegend soll aufgezeigt werden, dass Leidenschaft und Begeisterung eine sehr gute, wenn nicht die beste Voraussetzung für das Erreichen von Zielen sind. Es liegt nahe, den Gedanken zunächst auf den Bereich zu übertragen, der unser Schülerdasein in großen Teilen bestimmt: auf Unterricht und Lernen. In der Schule geht es ständig darum, kleine und große Herausforderung zu meistern und Ziele zu erreichen – sei es bei der wöchentlichen Algebra-Aufgabe, dem nächsten Biologie-Projekt oder den Abiturprüfungen am Ende der Schulkarriere. Von Lehrern werden wir dabei stets angehalten, methodisch bewusst in der Bearbeitung einer Aufgabe vorzugehen, das heißt, an alle notwendigen Arbeitsschritte zu denken und sie gewissenhaft auszuführen. Dies kann mit dem Zusammentrommeln der Männer zum Holzbeschaffen und dem Aufgabenverteilen verglichen werden. Dieses planvolle und arbeitsteilige Vorgehen wird im Zitat nicht generell verworfen, in der Gegenüberstellung geht der Rat aber vielmehr dahin, dass für das Erreichen von Zielen als Erstes innere Motivation beim Menschen geweckt werden solle. Dennoch ist eines klar: Aus Liebe zum Meer allein entsteht kein Schiff. Dafür braucht es durchaus ausreichend Material, es braucht Pläne, wie ein Schiff zu bauen ist, Männer, die Arbeiter anleiten, und Arbeiter, die das Handwerk fachgerecht ausführen. Haben diese Männer aber einen eigenen, persönlichen Antrieb, nämlich die Liebe zum weiten Meer, können all die notwendigen Arbeitsschritte leichter bewältigt werden. Auch gute Lehrer haben diesen Zusammenhang offensichtlich verinnerlicht. Sie wollen uns zunächst für ein neues Thema begeistern, ehe sie Aufgaben verteilen und Lösungen fordern. Da2015-3 Erläuterung der Metapher als Themafrage Hauptteil Prämisse Argumentation Lebensbereich: Schule und Lernen gute Lehrer begeistern für ihr Fach
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