Quelle/Publication: Farbe & Lack 08/2004 Ausgabe/Issue: 41 Seite/Page: Zwerge im Lack "Nanotechnologie in der Lackpraxis" in Stuttgart. Am 5. Mai und 28. Juni war Stuttgart Schauplatz der Konferenz "Nanotechnologie in der Lackpraxis". Mit jeweils mehr als 100 Teilnehmern, vorwiegend Lackhersteller, war die Konferenz, die vom Stuttgarter FPL und Vincentz Network erstmals veranstaltet wurde, an beiden bisherigen Terminen vollständig ausgebucht. Offenbar ist das Bedürfnis groß, die tatsächliche Leistungsfähigkeit von Nanoprodukten und auch die mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten einschätzen zu können - dazu einen Beitrag zu leisten, hatte sich die Konferenz auf die Fahnen geschrieben. In der Tat wurden die insgesamt neun Fachbeiträge sehr intensiv und teils kontrovers diskutiert. Dr. Philipp Öchsner (FPL) zeigte als Eröffnungsredner zunächst, dass Nanodimensionen in Lacken durchaus nicht neu sind, wie transparente Eisenoxide, Perlglanzpigmente, Pigment-Oberflächenmodifizierungen und organische Haftschichten auf Metallen belegen. Nano-TiO2 und -SiO2: Vielfältige Möglichkeiten Generell sind Nanopartikel wegen ihrer Kleinheit optisch transparent, sedimentieren nicht, und ihre mechanischen Eigenschaften werden durch die riesige Oberfläche kontrolliert, was normalerweise dazu führt, dass sie die Rheologie von Lacksystemen dramatisch verändern. Damit haben solche Partikel nicht nur Vorteile. Wie Heinz Kastien betonte sind z.B. dem Einsatz von Nanopartikeln in Bautenfarben wegen einiger Randbedingungen (z.B. Mindest-Schichtstärken) oft auch Grenzen gesetzt. In der Anwendung bereits relativ weit verbreitet ist Nano-TiO 2, wie Dr. Jochen Winkler (Sachtleben) berichtete. Es wird (oberflächenbehandelt) als Effektpigment und als UV-Absorber bereits genutzt. Neuer ist der Gedanke, die photokatalytische Wirkung des (unbehandelten) TiO2 auszunutzen, um selbstreinigende Beschichtungen zu erhalten. Dafür kommen aber nur resistente Bindemittel in Frage, z.B. Silikate und Siliconharze. Über die Möglichkeiten, Nano-SiO2 und seine große Härte für extrem kratz- und abriebfeste Lacke zu nutzen, referierten Dr. Christian Eger bzw. Dr. Christof Roscher (Hanse Chemie). Der Clou ihrer Entwicklung: Aus Kieselsolen sind durch eine Oberflächenmodifizierung und einen Matrix-Austausch niederviskose und nicht industriell agglomerierende SiO2-Nanokomposite zugänglich, die nicht eindispergiert werden müssen. Ganz ähnliche Entwicklungen stellte auch Dr. Helmut Möbus (Caparol Industrial Solutions) vor. Besonders bemerkenswert: Seine UV-härtenden Nano-SiO2 -Formulierungen ergeben sehr harte und kratzfeste und dennoch hoch flexible Systeme. Nanoschichten für den Korrosionschutz Prof. Joachim Heitbaum (Chemetall) ging anschließend auf neue, chromfreie und nanometerdünnne Konversionsschichten für Aluminium ein. Cer/Aluminiumoxid-Schichten werden zurzeit am Markt eingeführt, sind sehr gut korrosionschützen, haben sehr gute Haft- und Barriereeigenschaften, und sind darüber hinaus genauso gelb wie die bekannten Chromatierungen ein Vorteil bei der Vermarktung. Im Gegensatz dazu sind organische, selbstorganisiserende Haftvermittlerschichten völlig farblos. Sie nutzen hydrophobe Alkylketten (typisch sind C12-Ketten) mit Phosphonat-Enden zur effektiven Anbindung an das Aluminium bzw. an die Lackmatrix. Wichtig dabei: Weil die Moleküle sich selbst zusammenlagern, überdecken sie auch Oberflächendefekte. Hyperverzweigtes PUR Vollends um rein organische Nanopartikel-Systeme ging es Dr. Bernd Bruchmann (BASF), der neue, baumartig verzweigte (hyperverzweigte) Polyurethane vorstellte, die hohe OH oder NCO-Funktionalität mit niedriger Viskosität verbinden. Entscheidend ist dabei, dass es gelang, solche Strukturen kostengünstig aus industriellen Standard-Komponenten zu synthetisieren. Den Abschluss der Konferenz markierte Prof. Claus D. Eisenbach (FPL), der eindrucksvoll die vielfältigen Möglichkeiten der heutigen makromolekularen Chemie vorstellte, mit kontrollierten Methoden die Struktur und Architektur von Polymeren ganz gezielt zu beeinflussen - ein Vorgeschmack auf die Lackbindemittel oder Lackadditive der Zukunft - und auch das ist Nanotechnologie. Mei Details zu diesen Themen konzentriert und aus erster Hand zu erfahren, ist noch einmal möglich: "Nanotechnologie in der Lackpraxis" wird ein weiteres Mal am 28. September stattfinden. Nähere Informationen dazu unter www.coatings.de Stimmen zur Konferenz Dr. Jörn Haferkorn, Berger-Seidle Siegeltechnik, Grünstadt: "Wünschenswert wären frühzeitige, tiefgehende toxikologische Untersuchungen, um Gesundheitsaspekte von Anfang an mit zu berücksichtigen." Jörg Höhne und Robert Zaccaria, Schramm Coatings, Offenbach: "Der Zug rollt. Es ist besser, jetzt aufzuspringen, als ihn zu verpassen. Jeder wird sich mit dem Thema Nano zu beschäftigen haben." Dr. Hans Schüller, Rembrandtin Lack GmbH, Wien: "Wir müssen völlig umdenken, wenn´s um Nanoteilchen geht. Sie erfordern eine ganz andere Vorgehensweise. Was Nano alles auslösen wird, lässt sich heute kaum abschätzen." Nanostrukturen in situ erzeugen Sol-Gel-Technologien arbeiten keine Nanopartikel in eine Bindemittelmatrix ein, sondern erzeugen Nanostrukturen durch die Kondensation von Siloxan-Solen beim Verdampfen eines Wasser/Lösemittelgemischs in situ. Solche Nanolacke können extrem breit variiert werden. Dr. Friedrich Auer-Kanellopoulos bzw. Wilfried Weigt (FEW Chemicals) zeigten, wie durch hydrophobe Bestandteile (z.B. Perfluorverbindungen) daraus sehr effektive Leichtreinigungsschichten entstehen. Vincentz Network +++ Schiffgraben 43 +++ D-30175 Hannover +++ Tel.:+49(511)9910-000
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