GG245 - Twang-Tone

No. 245
Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! – Das Flyer-Zine
7. Juli 2015
Album des Monats Mai
The Rolling Stones natürlich usw. usf. Paul Orwell schreibt
Trambeat – Tales From The Comprehensives (LP/CD,
Firestation Records / Sundae Soul Recordings)
Eine Band aus dem Süden Londons ist Trambeat. 2012 gegründet spielt die Gruppe einen gepflegten, gediegenen Soul
Pop, der von Motown, Ska und Northern Soul inspiriert ist.
Nach einer Single und zwei EPs ist das hier nun das Debütalbum der Band mit zwölf größtenteils eher flotten und perfekt durch arrangierten Soul Pop Tracks. Alle zwölf Titel sind
eigene Kompositionen, zumeist von Gitarrist Graham Potter
zusammen mit Drummer Des James verfasst. Neben der
Standard Besetzung von Gitarre, Bass, Schlagzeug und
Keyboards gibt es eine sehr feine Bläser Sektion sowie vier
Sängerinnen und einen Sänger. Nicht zuletzt dadurch ist ein
ausgesprochen abwechslungsreicher und vielseitiger Sound
gewährleistet. Die Stücke sind zum Teil sehr eingängig, und
natürlich ist diese Platte wie geschaffen für die nächste Mod
und Soul Party. So sehr der klassische US Soul von Stax
über Motown bis Atlantic hier evoziert wird, so modern klingt
die Platte aber zugleich auch. Dafür sorgt u.a. MC Chima mit
seinen gelegentlichen Rap Einlagen. Der letzte Track „City
On Fire“ ist ein klassischer Dub Reggae, der sogar ein
bisschen an „Ghost Town“ von den Specials erinnert. Alles in
allem eine wirklich feine Platte. Erschienen ist sie bereits im
März, und wer die LP möchte, sollte sich ranhalten. Es gibt
nur 300 Stück. ****
Album des Monats Juni
Paul Orwell – Blowing Your Mind Away (LP, Heavy Soul)
Mit großer Spannung sehnlichst erwartet wurde diese LP von
den Eingeweihten und Initiierten. Und als es dann soweit
war, musste man schnell sein. Binnen weniger Tage war die
500er Auflage vergriffen. Nur direkt beim Label konnte man
bestellen auf der Webseite von Heavy Soul. Es hat sich auf
jeden Fall gelohnt. Diese Platte ist schlicht großartig. So wie
die Musik, die der junge Paul Orwell selbst hört und die er auf
Flohmärkten und Plattenbörsen in Form alter originaler 7“
45s sucht und findet, so klngt auch seine eigene Musik.
Sixties Beat, Freakbeat, Mod Pop, Garage Pop. The Birds,
The Kinks, The Hollies, The In-Crowd, The Eyes, The Who,
alle Songs selbst, spielt alle Instrumente bis auf das Schlagzeug, singt und produziert alles selbst. Er ist ein Tüftler und
Soundbastler. Und obwohl man natürlich bei dieser Platte
sofort glaubt, mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1966 gebeamt
worden zu sein, klingt das alles doch auch frisch und neu.
Eben gar nicht Retro. Genau so hätte diese Platte damals
weder in London noch in New York oder San Francisco
entstehen können. Und doch reflektiert sie diese Zeit und
diese Orte und verbindet sie mit der Gegenwart von London
im Jahr 2015. Stilistisch werden hier britischer Freakbeat und
Mod Beat mit dem US Garage Pop der Sixties verschmolzen.
Jeder einzelne Song ist so toll, dass er auch als Single erscheinen könnte. Und die beiden Singles Orwells sind hier ja
auch mit A und B Seite vertreten. Da ich zu den Glücklichen
gehöre, die beide Singles bei Erscheinen ergattern konnten,
wäre es mir lieber gewesen, die nur im Internet als Download
erhältliche EP Orwells wäre hier stattdessen dabei. Aber ich
will nicht kleinlich sein. Die LP klingt auch so phantastisch,
wie aus einem Guss. Und so Mancher freut sich vermutlich,
dass er die Single Tracks nun wenigstens hier auf Vinyl hat.
Wer die LP verpasst hat, darf sich auf eine Neuauflage
freuen, die wohl schon bald erscheinen wird. Allerdings auf
farbigem Vinyl, wenn ich das richtig sehe. Das wird dann
einige Puristen auch wieder stören. Ich kann mich jedenfalls
an dieser LP gar nicht satt hören! *****
Neue Longplayer
Die Buben im Pelz & Freundinnen – s/t (LP/CD, Konkord)
Nun ja, diese Platte wird vermutlich nicht von allen gemocht
werden. Aus der berühmten Banane auf dem Frontcover wird
eine pralle Bratwurst. Und die eigentlich völlig unironische
und natürlich absolut grandiose LP The Velvet Underground
& Nico wird hier von ein paar Wiener Musikern und Kleinkünstlern auf sehr ironische und auch recht typisch weanerische Art gecovert. Musikalisch hält man sich weitgehend an
die originalen Arrangements und Instrumentierungen. Und
der Velvet Underground des New York der Sechziger lässt
sich erstaunlich gut in die matt sepiagetönte Wiener Boheme
der Gegenwart versetzen. Die Band hier ist weitgehend mit
der inzwischen inaktiven Neigungsgruppe Sex, Gewalt &
Gute Laune identisch, die ja schon Songs von Pete Doherty,
Lana Del Rey u.a. ins Weanerische übertrug. Auch die
Songs von Lou Reed werden sehr einfühlsam und sachdienlich ins Weanerische übersetzt. Wunderbar gelungen
zum Beispiel „Tiaf wia a Spiagl“ bei dem eine gewisse
Monsterheart mitsingt. Und „Das Todesengel Lied“ wird hier
zu einem morbiden Kirmesgesang mit verrückter Bandbegleitung. Der European Son wir zum „Weana Bua“. Wie gesagt,
nicht jeder wird das mögen oder überhaupt verstehen. Mir
gefällt das sehr. Ich hab‘ eh eine Schwäche fürs Weanerische. Und eine meiner Lieblingsplatten auf Weanerisch,
das ist klasse! Wenn man mal von der Bratwurst auf dem
Frontcover absieht, ist auch die Gestaltung von Cover und
Label eine Hommage ans Original. Ich glaube in anderen
Mundarten würde das nicht funktionieren. Und so sehr die
Musik das Original beschwört, so ist eben auch ein gerüttet
Maß Wiener Schmäh mit dabei. Die Originalplatte klingt
schroffer. Eben völlig unironisch. ****
Neue Singles
Hard Action – Dead Dogs / A Downright Cheat (7”, Svart)
Ein Punk Rock, Hard Rock Trio aus Finnland. Inzwischen
sind sie zu viert, die Single hier entstand aber noch zu dritt.
The Stooges und MC 5 fallen einem sofort ein, die eine oder
andere Seventies Punk Rock Legende auch. Abgerissene
Lederjacken, Sonnenbrillen, lange Haare und Bärte. Und
genau so klingt die Single auch. ***1/2
th
Jess And The Ancient Ones – 13 Breath Of The Zodiac /
White Witch Of Rose Hall (7“, Svart)
Ok, diese Single ist nicht neu, aber mir fiel sie erst jetzt in die
Hände. Und in purpurfarbenem Vinyl wurde sie auch erst
letztes Jahr wiederveröffentlicht. Die Band aus Kuopio um die
Sängerin Jess spielt psychedelischen Hard Rock und gibt
sich gern einen mystischen, bisweilen satanistischen Touch.
Alles nur Show, meine ich. Aber durchaus hörenswert. ***
The Loons – Miss Clara Regrets / Alexander (7“, Dirty
Water)
The Loons aus San Diego, das ist die Band von Mike und
Anja Stax, die auch das sehr lesenswerte Fanzine Ugly
Things herausgeben. Neulich waren sie in London und
spielten auf dem renommierten Le Beat Bespoke Festival.
Bei der Gelegenheit wurde dann auch diese Single hier auf
dem Londoner Dirty Water Records Label veröffentlicht.
„Miss Clara Regrets“ ist ein famoser knapp zweiminüter Beat
Stomper von der Band selbst geschrieben. „Alexander“ ist
natürlich ein Cover ihrer erklärten Vorbilder und Helden The
Pretty Things. ***1/2
Lucifer – Anubis / Morning Star (7“, Rise Above)
Eine Hard Rock Band um die Sängerin Johanna Sadonis aus
Berlin. Die Musiker kommen allerdings sonst aus London.
Musikalisch liegt der Schwerpunkt auf den Seventies, Black
Sabbath, Led Zeppelin. Aber nicht zuletzt durch den Gesang
fallen mir auch Anneke van Giersbergen und The Gathering
hierbei ein. Beide Tracks der Single basieren auf Blues Rock,
bringen aber auch ein wenig Magick ins Spiel. ***1/2
The Noble Krell – Never Ever / Beware The Noble Krell
(7“, Hidden Volume)
Timothy Gassen kennt man vielleicht noch von der Eighties
Garage Combo The Marshmallow Overcoat. Das Nachschlagewerk „The Kings Of Fuzz“ über die Neo-Sixties Szene
seit den späten Seventies ist auch von ihm. Nun hat er also
eine neue Band, die auch wieder so klingt, als wäre sie am
liebsten irgendwo zwischen 1966 und 1967 im Garage Pop
Nirvana stecken geblieben. Mit viel rückwärts Gitarre, Farfisa
Orgel und anderen Soundeffekten. Mind Blowing! ****
Noel Gallagher’s High Flying Birds – Riverman / Leave
My Guitar Alone (7“, Sour Mash)
Eine wunderbare Single für heiße träge Sommertage. Wir
dösen am Flussufer und lassen uns vom Riverman dahintragen. Wir träumen von schönen Frauen und einer verflossenen Liebe Auf der Flipside eine Ode an die Gitarre ganz im
Stil von John Lennon. Feine Single, die bei jeden Hören noch
besser wird. ****
Laura St. Jude – I Can’t Stop Loving You / Yours To
Destroy (7“, Off Label Records)
Eine junge Sängerin aus Glasgow ist das. Mit den Amazing
Snakeheads, die es inzwischen leider nicht mehr gibt, war
sie viel live unterwegs. Ihre düsteren Balladen schreibt sie
selbst. Erinnert mich ja ein bisschen an Nick Cave, ehrlich
gesagt. Aber Lauras Stimme ist deutlich besser und auch
ergreifender. ***1/2
The Wave Pictures – The Fire Alarm / Calling Me Home
(7“, Moshi Moshi)
Leider ziemlich unterbewertet oder besser gesagt schlicht
unbekannt sind The Wave Pictures aus England. Dabei
haben sie schon viele wirklich tolle Platten seit ihrer Gründung 1998 veröffentlicht. Für ihr aktuelles Album haben sich
die Drei mit Billy Childish zusammen getan. Und auch bei
dieser Single ist der Trash und Beat Veteran aus Medway mit
dabei. Das Erbebnis dieser Kollaboration ist rauer straighter
Garage Rock. ***1/2
Jack White – That Black Bat Licorice / Blue Light, Red
Light (Someone’s There) (7“, Third Man)
Schwarze Fledermaus Lakritze? Spuck es aus! Ja worum
geht es in diesem Song eigentlich? Schon letztes Jahr auf
dem Album „Lazaretto“ hat mich dieser Song etwas ratlos
gemacht. Musikalisch typisch Jack White, roh, ungeschliffen
und doch präzise und sehr passgenau. Aber der Text? Es
scheint ihm nicht gut zu gehen, dem Jack. Auf der Flipside
das Cover einer Big Band Nummer von Harry Connick Jr.
Ohne Big Band natürlich. ***1/2.
Shindig ist wieder da
Das englische Magazin Shindig hatte ja wie in GG243 berichtet Probleme mit seinem Herausgeber, der wegen eines
Streits um die inhaltliche Ausrichtung des Blattes die eigentlichen Gründer und langjährigen Redakteure einfach aussperrte und sie nach ihrem Urlaub mit einem neuen Namen
für die Zeitschrift und geringfügig erweitertem Inhalt überraschte. Auch die meisten anderen Mitarbeiter von Shindig
wurden ebenso überrascht. Fast das gesamte Team der
Zeitung solidarisierte sich mit den geschassten Redakteuren.
Man suchte dringend einen neuen Herausgeber und Geldgeber. Und in Silverback Publishing fand man ihn auch. Nun
also wieder Shindig in gewohnter Form mit einem Editorial
von John Mojo Mills und mit Artikeln von Andy Morten, Lenny
Helsing und all den anderen alten Bekannten.
Eigene Jimmy Curtiss Webseite am Start
Vor wenigen Tagen wurde die erste inoffizielle Jimmy Curtiss
Fanpage im Internet freigeschaltet. Ein langjähriger Fan des
weitgehend unbekannten Musikers und Musikproduzenten
Jimmy Curtiss hat die Seite initiiert und gestaltet. Dabei hat
er sich meiner Unterstützung und meiner langjährigen Recherchen versichert. Die Seite ist komplett auf Englisch und
zu finden unter www.jimmycurtiss.com. Aus diesem Anlass
gibt es auch in Kürze eine Guitars Galore Sonderausgabe.
Guitars Galore im Radio
Die nächste Guitars Galore Sendung bei www.alex-berlin.de
ist am Mittwoch, 15. Juli 2015 von 15-16 Uhr auf der Berliner
Frequenz 88,4 Mhz oder im Netz über die Webseite zu
hören. Da gibt es neue Platten aus aller Welt. Bei
www.radiostonefm.de hört man mich wieder am 18. August
ab 20 Uhr mit „Lost in the Ozone“. Die Playlisten der
Sendungen findet man auf meiner Homepage, nach der
Ausstrahlung natürlich. Wer die letzten beiden Sendungen
verpasst hat, kann sich vertrauensvoll an mich wenden (s.u.).
Impressum
Guitars Galore © Mike Korbik
Postfach 41 03 11, 12113 Berlin
Tel 030-771 44 15
Mobil 0176-208 40 820
E-mail: [email protected]
Alle Beiträge wenn nicht anders gekennzeichnet von Mike Korbik. Guitars
Galore wird in Berlin kostenlos verteilt. Ein Abonnement (wird per Post
zugesandt) kostet 15 € für 25 Ausgaben. Nachdruck und Vervielfältigung auch
in Auszügen ohne schriftliche Zustimmung sind nicht gestattet. E-mail Versand
auf Anfrage als PDF Datei möglich. Homepage www.twang-tone.de/gg.html