Die Salomo-Birnbaum-Gesellschaft für Jiddisch e.V. feiert dieses Jahr am 26. und 27. September 2015 ihr 20stes Jubiläum. Als sich die Gesellschaft 1995 gründete und nach Salomo Birnbaum benannte — der als erster Lektor an einer deutschen Universität in Hamburg von 1922-1933 Jiddisch lehrte und direkt nach der Machtergreifung nach England emigrierte —, stand der Gedanke im Vordergrund, diesen außergewöhnlichen Wissenschaftler zu ehren und den Wunsch zum Ausdruck zu bringen, dass Jiddisch an der Hamburger Universität eine Zukunft haben möge. Salomo Ascher Birnbaum (1891-1989) war eine einzigartige Erscheinung unter den Sprachwissenschaftlern seiner Zeit: einerseits Wissenschaftler westlicher Prägung andererseits zur Orthodoxie „konvertiert“. Unter denjenigen, die in jener Zeit die jiddische Sprache normieren wollten, war er der einzige, der das auf traditionell-religiöser Basis tun wollte und stand damit außerhalb aller Lager. Im Gegensatz zu den Sprachnormierern des YIVO-Instituts oder in der Sowjetunion sah Birnbaum die jiddische Sprache als aus dem Judentum entstanden und als nur innerhalb eines religiösen Judentums lebensfähig an. Ihm ging es nicht um die Verbesserung der Sprache um ihrer selbst willen, sondern sie diente ihm, neben Namen und Kleidung, als wichtiges Mittel zur Absonderung der Juden von den anderen Völkern. Dabei sah er die jiddische Sprache in großer Gefahr: sowohl von außen durch die jeweiligen Nationalsprachen, die an staatlichen Schulen gelehrt und vermehrt auch in jüdischen Haushalten gesprochen wurden, als auch von innen durch säkularen Jiddischismus, Zionismus und Nationalismus. Die jiddische Sprache sei, so Birnbaum, im Exil unter Juden, „in goles bay yidn“. Die Erlösung aus diesem Exil wollte er erreichen durch die drei Säulen „yidishkayt, antidaytshmerism un dorem-yidish“. Die Konferenz beschäftigt sich mit den sprachideologischen Vorstellungen Birnbaums, wie die jiddische Sprache in ihrer früheren, unbeschädigten Gestalt wieder herzustellen sei. Nämlich ohne den schädlichen Einfluss der „alten“ Haskala, die das Jiddische zu einem Jargon herabgewürdigt und versucht hatte, es durch „Daytshmerismen“ zu „verbessern“, wie der „neuen“ Haskala Vilnaer Provenienz, die nach Birnbaums Ansicht fremde Sprachen zu imitieren suchte und damit Jiddisch zu einer beliebigen europäischen Sprache unter anderen machte. In diesem Kontext sind Birnbaums Bemühungen zu verstehen, eine jiddische Orthographie auf Basis von „dorem-yidish“ (Zentral- und Südost-Jiddisch) zu schaffen, denn erstens waren so 3/4 aller Jiddischsprecher repräsentiert, und zweitens sollte die Sprache der religiösen Bevölkerung nicht von säkularisierten Litvakern dominiert werden. Fast vergessen ist heute, dass die Orthografie Birnbaums zwischen den Kriegen an den polnischen Beys-Yankev-Schulen gelehrt wurde und damit mehr Schülern vermittelt, als an allen säkularen jüdischen Schulen in Polen zusammen. Die Orthografie sollte nur den Anfang bilden bei dieser Befreiungstat, weitere Felder wie Stil, Grammatik und Lexik sollten folgen. Die Grundlage hierfür wollte Birnbaum als Leiter eines „ashkenazishn tsenter“, der jiddischen Abteilung innerhalb eines zu errichtenden NahsprachenInstituts schaffen. Dies sind die Hauptthemen der Konferenz, die zusätzlich eine Führung durch die SalomoBirnbaum-Bibliothek beinhaltet und eine szenische Lesung aus Materialien der Czernowitzer Sprachkonferenz 1908, die von Nathan Birnbaum, Salomo Birnbaums Vater initiiert wurde. Salomo Birnbaum führte damals das Protokollbuch, das im 1. Weltkrieg verloren ging.
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