KonfliktLandschaften Bürgerproteste im Fokus INES HEGER POTSDAM-INSTITUT FÜR KLIMAFOLGENFORSCHUNG (PIK) INSEL VILM, 07.10.2015 Das Projekt Team und Untersuchungsgegenstand Team und Projektpartner Projekt: Akzeptanzkriterien und Gerechtigkeitsvorstellungen unterschiedlicher erneuerbarer Energiesysteme Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit Projektpartnern: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Umweltethik Universität Potsdam, Verwaltungswissenschaften Institut für Raum und Energie, Mediation, Beteiligungsprozesse „Und so enden die Flitterwochen der Deutschen mit der Energiewende. Plötzlich steht Energiewende nicht mehr für Atomausstieg und Ökowirtschaft, sondern für steigende Kosten und gigantische Baustellen.“ Handelsblatt 04.03.2014: Die Rückkehr des Wutbürgers NIMBYs? Wutbürger? …? Fallregionen und Untersuchungsbereiche Schleswig-Holstein Berlin-Brandenburg Baden-Württemberg Wind Onshore FlächenPV Stromnetze EEG Energiewende Nationaler vs. lokaler Diskursraum Wie wird die „Energiewende“ gesehen? „Die Energiewende basiert auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die wir vernünftig kommuniziert haben und die gut für Deutschland sind. Ehrlich gesagt, verstehe ich die Kritiker nicht, am Ende haben sie keine Alternative.“ „Die Energiewende ist eine Chance für unser Dorf, um etwas für das Klima und für die lokale Wirtschaft zu tun.“ Vertreter der Energiegenossenschaft, Engelsbrand, Juni 2014 BMWi Vertreter, Veranstaltung zur Sozialen Akzeptanz in Berlin, Juni 2015 „Die Energiewende ist nichts als ein Bündel von inkonsistenten, ineffizienten, inkohärenten, teuren und schädlichen Politik-Instrumenten.“ AfD Vertreter, in einer Veranstaltung in Borkheide, September 2014 „Die Energiewende ist nichts als eine Nebelwand für ausländische Firmen und lokale Profiteure, die unsere Heimat zerstören.“ Vertreter von BI Abstand zur Windkraft, Engelsbrand, Juni 2014 Die Energiewende ist eine große sozialökologische Transformation (WBGU 2011, Grin et al. 2010) Aspekte Energiewende 1. Ko-evolutionäre Veränderungen in verschiedenen sozio-technischen Bereichen, nicht nur in einem. 2. Breite Palette von sozio-technischen Innovationen, von Nischen-Entwicklungen zu großen Marktdiffusionen oder politische Regelungen. 3. Große Anzahl von heterogenen gesellschaftlichen Akteure mit unterschiedlichen Interessen. 4. Betrifft auch grundlegende Verhaltensänderungen. 5. Kernelement: öffentliche Debatten, verschiedene Geschichten und Visionen. • Wärme, Strom, Mobilität; Erzeugung, Verteilung / Speicherung/ Verwendung • Netz-Optimierung, Windturbinen- Evolution, Power-to-X, Elektromobilität, Entwicklung von Policy-Instrumenten • Energieversorger, Übertragungsnetzbetreiber, öffentliche Versorgungsunternehmen, Bürgergenossenschaften, BIs, politische Planungsstellen, Verbraucher • Effizienz, Suffizienz, Konsistenz • Techno-Narrative, politische Frames, Wachstums-Narrative/ Divestment Folgen der Energiewende tiefgreifende Veränderungen der energietechnischen Infrastruktur und des Landschaftsbildes drastische Veränderung der Energieversorgungsindustrie Erhöhung der Energiepreise für Privatverbraucher und bestimmte Industriezweige Bildung von zahlreichen Bürgerinitiativen gegen konkrete EE-Projekte und von Dachorganisation gegen die Energiepolitik im Allgemeinen Eine langfristig erfolgreiche Transformation der Energiekultur muss die Interessen der Bürgerinnen und Bürger anerkennen, die sich über die Forderungen der Protestinitiativen ausdrücken. 2015 (Durchschnitt = 61 %) Akzeptanz der Energiewende in Deutschland 2011, 2013, 2015 (Naturbewusstseinsstudien) • 2011 hohe Akzeptanz (63 %), besonders bei Sozialökologen, Liberal-Intellektuellen, KonservativEtablierten • 2013: Akzeptanz fällt auf 56 %, Kostendebatte polarisiert die Gesellschaft nach oben versus unten • 2015: Akzeptanz steigt wieder (61 %), aber Polarisierung bleibt, Performer sind skeptisch, Sozialökologen enttäuscht Dynamik und Entwicklung des Protests 1999 Bürgerproteste gegen Windkraftanlagen (vgl. Haberland 2005) 2015 Bürgerproteste gegen Windkraftanlagen (vgl. Dachverband Vernunftkraft) Fallregionen Berlin-Brandenburg Befürwortung Ausbau EE: Akzeptanz EE in Nachbarschaft: Windenergie (Inst. Anlagen): Bürgerinitiativen: Protest-Index*: Baden-Württemberg Befürwortung Ausbau EE: Akzeptanz EE in Nachbarschaft: Windenergie (Inst. Leistung): Bürgerinitiativen: Protest-Index*: Schleswig-Holstein Befürwortung Ausbau EE: Akzeptanz EE in Nachbarschaft: Windenergie (Inst. Anlagen): Bürgerinitiativen: Protest-Index*: 87 % 61 % 3.319 ca. 80 42 94 % 69 % 396 ca. 28 14 Gerechtigkeit Sättigung Schutzgut Mensch Waldbrandgefahr Abstand Landschaft Wirtschaftlichkeit Natur Abstand Abstand Profiteure Verteilung 82 % 69 % 3.228 WEA ca. 76 42 * Je kleiner, desto höher die Protestdichte, Durchschnitt in Deutschland = 70 Methodik der Untersuchungen Windenergie: Argument-Mapping Quelle: Eigene Darstellung, u. a. mit ArguNet erstellt Argumente im Mediationsprozess WIND: Engelsbrand BI Abstand zur Windkraft Akteure & Argumente Ergebnisse aus den Fallstudien Kritik der „Planungs-Gegner“ Zielsetzung und Umsetzung der Energiewende – EW ist ausschließlich Stromwende – Ökologischer Gedanke steht nicht mehr im Vordergrund – Diskrepanz zwischen Ausbau der EE und der Stromnetze – EE sind nicht geeignet, um Grundlast zu tragen – Ausbau der EE verläuft einseitig zu Gunsten von Windenergie – Fehlende Förderung von Energieeffizienz Gesetzliche Rahmenbedingungen – Vorhandene Regelwerke (z. B. TA Lärm) insbesondere Messverfahren zur Ermittlung von Grenzwerten sind veraltet – Schutzgut Mensch in Planund Genehmigungsverfahren unterbewertet – Andere Energieträger (Verkehr, Wärme) durch EEG benachteiligt Kritik der „Planungs-Gegner“ Planungs- und Abwägungskriterien – Abstandkriterium (<1000m) zur Wohnbebauung zu gering – Fehlende Berücksichtigung des bisherigen Planungsund Ausbaustands – Schutzgut Mensch unterbewertet – Landschaftsbild wertlos – Fehlende Überprüfung der Regelwerke Transparenz und Information – Informationen sind nicht transparent – Informationen sind fehlerhaft – Fehlende Alternativprüfung – Keine umfassende Darstellung der Bestandsaufnahme Diskurs-Netzwerk NETZ: Henstedt-Ulzburg Wählergemeinschaft Henstedt-Ulzburg (WHU) Kritik der „Planungs-Gegner“ Gerechtigkeit/Verhältnismäßigkeit – Auf Kosten der Bevölkerung, zu Gunsten von Investoren – Wer wird beteiligt – Fehlende Berücksichtigung des bisherigen Planungsund Ausbaustands – Netzentgeld, ungleiche Behandlung von Stromkunden Beteiligung/Partizipation – Keine echte Beteiligung mit Entscheidungsspielräumen – Bürgerprojekte zwar gewollt, aber rechtliche Rahmenbedingungen erschweren es – Unzureichende öffentliche Diskussion im Vorfeld von Entscheidungen Kritik der „Planungs-Gegner“ • Gesundheit – Mensch als Schutzgut – Bisher noch kein regionales Gesundheitsgutachten – Lärm/ Infraschall – Unzureichende Studien, ob Anlagen krank machen • Natur – Kein Schutz des Landschaftsbilds – Naturschutzgutachten nicht durch unabhängige Gutachter – Vogelschlag – Gefährdung Artenschutz – Kein Wind im Wald, bedrohen Tiere in ihrem Lebensraum Wo mobilisieren Bürgerinitiativen? Kommunikationskanäle? Direkt vor Ort und Online Zunehmend im Social Web (eigene Webseiten, Twitter, Facebook Fan page, You Tube, Instagram, Kommentarfelder, u. a.) [email protected] Eigene Darstellung: Social-Web-Präsenz von Bürgerinitiativen. Vergleich der aktivsten Bürgerinitiativen gegen Windenergie- und Trassenausbau-Projekte. Mögliche Gründe für unterschiedliche „Protestdichte“ in Deutschland • • • • • Pfadabhängigkeit: Wo Windkraft schon länger zum Landschaftsbild gehört, ist Protest seltener. Politik: Wenn Landesregierungen die Energiewende nur bedingt mittragen, fühlen sich Bürger zum Protest ermutigt. Planungskultur: Ein Top-Down -Zugang steigert das Misstrauen. Beteiligungskultur: Wo Bürger mitentscheiden können und finanziell am Nutzen beteiligt werden, sinkt die Protestneigung. Regionalentwicklung & -kultur: – – • • In strukturschwachen Regionen kann der (paradoxe) Effekt eintreten, dass „die da oben uns das jetzt auch noch aufbürden“. In strukturstarken Regionen (insbesondere mit geringem aktuellen Ausbau) kommt der selbstbewusste Protest lokaler Eliten zum Zuge. Aber: Auch wenn man „alles richtig“ macht, ist Protest nicht auszuschließen. Und: Die konkrete Konfliktdynamik (Situation) muss immer beachtet werden! Fotos: Im Rahmen des Projekts entstandene Fotomotive mit der Leitfigur des „Protestonauts“. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. [email protected]
© Copyright 2024 ExpyDoc