389 15.6 Ordner: Anton Thumann Kommentar

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15.6 Ordner:
Anton Thumann
Kommentar
Anton Thumann wurde am 31.10.1912 in Pfaffenhofen am Ilm in Oberbayern geboren. Er lernte das
Tischlerhandwerk, war mehrere Jahre arbeitslos und trat Anfang 1933 in die SS ein, ein Jahr später in die
NSDAP. 1933 begann er als einfacher SS-Mann seinen Dienst im KZ Dachau. 1940 wechselte er, inzwischen
zum Hauptscharführer aufgestiegen, in das KZ Groß-Rosen bei Breslau, 1943 folgte die Versetzung in das KZ
Lublin/Majdanek. Schließlich kam Thumann 1944 in das KZ Neuengamme, wo er, wie bereits in Groß-Rosen
und in Lublin/Majdanek, Schutzhaftlagerführer wurde.
Unter den Häftlingen in Neuengamme galt Thumann als Inbegriff von Terror, Angst und Schrecken. Thumann,
der sich oft im Lager aufhielt, war für seine Brutalität berüchtigt. Er prügelte täglich und war für etliche
Exekutionen verantwortlich. In brutalen Verhören mit Funktionshäftlingen versuchte er herauszufinden, ob
Widerstand im Lager existierte.
Im KZ Majdanek wurde er “der Henker” genannt, weil er Häftlinge erbarmungslos schikanierte. Thumann
wirkte dort auch an Selektionen für die Gaskammer mit. Auch war er an dem entsetzlichen “Blutmittwoch” am
3. November 1943 beteiligt, an dem mehr als 17.000 Juden an einem Tag von der SS erschossen wurden.
Anton Thumann war verheiratet und hatte zwei Kinder. Im Prozeß gegen Max Pauly und andere
Hauptverantwortliche des KZ Neuengamme (1. Curio-Haus-Prozeß) gab er sein Verhalten im wesentlichen zu.
Er wurde zum Tode verurteilt und am 8.10.1946 in Hameln hingerichtet.
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Überschrift
Auszüge aus dem Prozeß gegen Anton Thumann:
Dokument
Thumann schwört nicht auf die Bibel. Er wurde vereidigt auf die Ehre als Deutscher und als Mann.
Zeuge: Anton Thumann - geboren am 31. Oktober 1912 - 33 Jahre alt, Oberbayern.
Beruf: Soldat.
Verteidiger: Welchen Beruf hatte Ihr Vater?
Thumann: Maurer.
Verteidiger: Wann sind Sie in die Allgemeine SS eingetreten?
Thumann: Am 1. Februar 1932.
Verteidiger: Was hat Sie damals bewogen, in die Allgemeine SS einzutreten?
Thumann: Ich hatte meine Schulkameraden in der SS und außerdem wegen der schweren Zeit habe ich mich
dem Verband angeschlossen, weil ich glaubte, Deutschland helfen zu können.
Verteidiger: Im Kreuzverhör Ihres Mitangeklagten Pauly erwähnte der Herr Staatsanwalt, daß sie den
furchtbaren Namen “Henker von Lublin” bekommen haben.
Thumann: Habe ich hier zum ersten Mal gehört.
Verteidiger: Wie können Sie erklären, daß Ihnen so etwas angehängt wurde?
Thumann: Das kann ich nicht erklären.
Verteidiger: Sind zu Ihrer Zeit (in Lublin) große Hinrichtungen vorgenommen worden?
Thumann: Ja, es sind etwa 10.000 bis 15.000 Juden erschossen worden.
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Verteidiger: Haben Sie sich schriftlich verpflichten müssen, die Häftlinge nicht zu schlagen?
Thumann: Jawohl.
Verteidiger: Sie haben sich aber nicht an diese Verpflichtung gehalten?
Thumann: Nein!
Verteidiger: Warum nicht?
Thumann: Weil ich ohne selbständige Bestrafung nicht die notwendige Ordnung und Achtung aufrecht erhalten
konnte.
Verteidiger: Wie Sie sagen, hat auch der Kommandant Sie darin bestärkt?
Thumann: Wie ich vorhin erwähnte, hat er bei den Lagerbesprechungen gesagt, daß es keine Strafe nach sich
ziehen würde, wenn ein Häftling Ohrfeigen bekäme.
Verteidiger: Wie haben Sie im allgemeinen geschlagen?
Thumann: Ohrfeigen mit der Hand.
Verteidiger: Sind Sie damit ausgekommen?
Thumann: Nein!
Verteidiger: Was haben Sie dann gemacht?
Thumann: Ich habe Stockhiebe ausgeteilt. Von 20 bis 25 Schläge.
Verteidiger: An sich durften Sie das nicht?
Thumann: Nein.
Verteidiger: Wann haben Sie dann zum Stock gegriffen?
Thumann: Nur in den schwersten Fällen. [...] Ich habe keinen Häftling angefaßt, wenn er seine Pflicht erfüllte.
Verteidiger: Fanden Sie in ihrer Tätigkeit als Führer eines KZ eine innere Befriedigung?
Thumann: In keiner Weise. Ich hatte das Leben satt. Ich habe das auch x-mal zum Ausdruck gebracht meinem
Rapportführer DREIMANN gegenüber, der dachte ebenso wie ich.
Verteidiger: Wohin hatten Sie dann gehen wollen?
Thumann: An die Front.
Staatsanwalt: Dieser Bertelsen schreibt in einem Brief und bezeichnet Sie als den bösen Geist des Lagers.
Glauben Sie, daß er Recht hatte?
Thumann: Bei einem Lager von 14.000 Menschen muß ein Mann sein, der die Ordnung aufrechterhält. Der war
in Neuengamme ich.
Verteidiger: Sie hatten einen deutschen Schäferhund?
Thumann: Ja.
Staatsanwalt: Wenn Sie einen Gefangenen schlugen, so war es eine automatische Sache, daß der Hund
ansprang?
Thumann: Jawohl.
Staatsanwalt: Warum hatten Sie ihn so dressiert, daß er es so machte?
Thumann: Er ist nicht darauf dressiert worden. Er hat es so gemacht.
Staatsanwalt: Genauso automatisch vom Hund, wie von Ihnen?
Thumann: Ja.
Staatsanwalt: Geben Sie nun zu, daß Sie einen gewissen Impuls hatten, Leute zu schlagen?
Thumann: Ich war für die Disziplin und Ordnung verantwortlich, bei
14.000 Menschen sind nicht alle brav und gut.
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Verteidiger: Durch die Fragestellung des Staatsanwalts habe ich den Eindruck, daß Sie der geborene Henker
sind. Wollen Sie sagen, daß Sie sich hätten überwinden müssen, diese Exekution (Thumann hat sämtliche
Exekutionen zu seiner Zeit in Neuengamme geleitet) auszuführen?
Thumann: Ich kann nur sagen, daß ich als SS-Mann ein Soldat war und nur meine Pflicht erfüllt habe, und über
das Gefühl der Menschen kann sich nur der ein Urteil erlauben, der so etwas selbst erlebt hat.
Quellenangabe
Curio-Haus-Prozeß. Protokoll des in der Zeit vom 18. März bis 3. Mai 1946 vor dem britischen Militärgericht
abgehandelten Prozesses gegen die 14 Hauptverantwortlichen des Konzentrationslagers Neuengamme. Hrsg.:
Freundeskreis e.V. Hamburg 1969, Band 2.
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Überschrift
Befragung von Frau Thumann:
Dokument
Verteidiger: Können Sie kurz etwas über den Charakter Ihres Mannes sagen?
Frau Thumann: Mein Mann war sehr naturliebend, durch ihn habe ich sie erst richtig kennengelernt. Er liebte
Blumen über alles. Ich habe sehr viele Hunde gehabt. Er schlug meine Kleine nicht ein einziges Mal. Ich habe
öfter auch Gelegenheit gehabt, die Häftlinge zu sehen und sah nie, daß mein Mann auf sie geschlagen hat.
Quellenangabe
Curio-Haus-Prozeß. Protokoll des in der Zeit vom 18. März bis 3. Mai 1946 vor dem britischen Militärgericht
abgehandelten Prozesses gegen die 14 Hauptverantwortlichen des Konzentrationslagers Neuengamme. Hrsg.:
Freundeskreis e.V. Hamburg 1969, Band 2.
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Überschrift
Thumanns Lebenslaufs
Dokument
Lebenslauf:
Am 31. Oktober 1912 wurde ich als Sohn der Maurereheleute Anton und Maria (geb. Kögl) Thumann zu
Pfaffenhofen a/Ilm geboren. Am 13. Oktober 1914 verlor ich meinen Vater im Weltkrieg. Vom September 1918
bis April 1925 besuchte ich die Volksschule, nach Beendigung derselben drei Klassen der Gewerbeschule zu
Pfaffenhofen an der Ilm.
Im Mai 1925 trat ich die dreijährige Lehrzeit als Schreinerlehrling an. Nach Ablauf derselben arbeitete ich noch
bei anderen Meistern.
Seit Januar 1932 bin ich Angehöriger der Schutzstaffel und Angehöriger der NSDAP. Am 20. April 1933 wurde
ich zum 1/SS-Totenkopfverband Oberbayern versetzt, wo ich drei Jahre und zehn Monate bei der 1/SSTotenkopfhundertschaft Dienst tat. Am 1. Februar 1937 erfolgte meine Versetzung zur Kommandantur des
Konzentrationslagers Dachau.
Vor meinem Eintritt in die Schutzstaffel habe ich keiner politischen Organisation angehört.
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Thumann Anton
SS-Oberscharführer
Quellenangabe
Document Center Berlin
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Überschrift
Urteil des Lagerkommandaten Pauly über den Schutzhaftlagerführer Thumann
Dokument
Ich kann nur sagen, daß Thumann in jeder Weise seine Pflicht erfüllt hat, und ich glaube, das wird jeder Häftling
bestätigen können.
Quellenangabe
Max Pauly (1946), zitiert nach: Curio-Haus-Prozeß. Protokoll des in der Zeit vom 18. März bis 3. Mai 1946 vor
dem britischen Militärgericht abgehandelten Prozesses gegen die 14 Hauptverantwortlichen des
Konzentrationslagers Neuengamme. Hrsg.: Freundeskreis e.V. Hamburg 1969, Band 1.
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Überschrift
Julius Schätzle aus Deutschland, ab 1944 Häftling im KZ Neuengamme:
Dokument
In dem Schutzhaftlagerführer, SS-Hauptsturmführer Thumann und dem Rapportführer, SS-Oberscharführer
Dreimann, hatte sich ein Gespann zusammengefunden, wie man es selbst bei den verantwortlichen SS-Führern
nur selten antraf. Wenn Thumann das Lager betrat, ging es wie ein Lauffeuer durch alle Blocks, und jeder
versuchte in den äußersten Winkel zu fliehen, um diesen Menschen nicht zu begegnen. Denn ohne einige
Häftlinge eigenhändig zu verprügeln, verließ er nie das Lager. Das Gefährliche dabei war, daß er meistens in
Begleitung seines Hundes kam. Mancher wurde nach einer solchen Begegnung mit den schwersten Bißwunden
ins Revier gebracht..
Quellenangabe
Auszug aus: Julius Schätzle: Wir klagen an! Ein Bericht über den Kampf, das Leiden und Sterben in deutschen
Konzentrationslagern. Stuttgart 1946.
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Überschrift
Paul Staszek, ehemaliger Häftling im KZ Neuengamme:
Dokument
Im Frühjahr 1944 bekamen wir als Schutzhaftlagerführer SS-Obersturmführer Anton Thumann, ehemaliger
Lagerführer von Majdanek/Lublin. Dieser Name genügte, um uns Häftlinge in eine panikartige Stimmung zu
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versetzen. Sein Spitzname war Lagerschreck. Er schlug persönlich, mißhandelte täglich. Ich arbeitete neben
seinem Arbeitszimmer und hörte monatelang das Wimmern und Schreien der Gemaßregelten und Mißhandelten
... Er schlug mit einem Ochsenziemer. Derjenige, der damit bearbeitet wurde, war für eine gewisse Zeit
arbeitsunfähig, bei schweren Mißhandlungen blieb man wochenlang arbeitsunfähig oder war in
Revierbehandlung.
Quellenangabe
KZ-Gedenkstätte Neuengamme
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Überschrift
Bericht des ehemaligen Häftlings Mieczyslaw Franciszek Bartosinski aus dem Jahr 1946
Dokument
Lagerführer, das heißt Kommandant im Lager, war SS-Oberst Thumann, ein Mensch finsteren Gesichts, er ging
mit gesunkenen Augen, führte einen großen Schäferhund. Für das kleinste Vergehen gab er den Häftlingen
Fußtritte, schlug sie oder hetzte den Hund auf. Es reichte aus, wenn z. B. die Nummer des Häftlings verschmiert
war, er beim Appell nicht gerade in der Reihe stand, die Mütze nicht abnahm, wenn Thumann kam. Wenn
Thumann einen Häftling bestrafen wollte, nahm er ihn auf sein Quartier, auf die Wache oder Portierstube mit.
Dort verpaßte er ihm persönlich 25-30 Hiebe mit dem Gummiknüppel. Manchmal beim Vorbeigehen schlug er
den Häftling mit dem Gummi über Kopf und Gesicht, der ihm gerade nicht gefallen hat.
Die Namen der von Thumann verstümmelten Häftlinge kann ich nicht angeben, weil sie ins Revier verlegt
wurden und ich - bei einer Arbeit 12 Stunden täglich in ständiger Furcht und Angst vor Schlägen - nicht
imstande war, mich mit dem Schicksal der anderen Geschlagenen zu beschäftigen.
Quellenangabe
KZ-Gedenkstätte Neuengamme
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Überschrift
Lauritz G. Damgaard aus Dänemark, ehemaliger Häftling im KZ Neuengamme:
Dokument
August, der Bibelforscher [...] war einer der Alten im Lager. Das, und daß er Deutscher war, war sein Anspruch,
Vorarbeiter zu sein. Er war, vom Nazi-Gesichtspunkt aus, ein elender Vorarbeiter. Von allen anderen Gesichtspunkten ein erstklassiger Vorarbeiter und ein großartiger Mensch. Er schlug nicht, trieb uns nicht und deckte uns
sowohl gegen die SS als gegen seine Häftlings-Obermänner, zu denen er jedoch ein gutes Verhältnis hatte. [...]
Einmal bekam er von Thumann eine Ohrfeige, wie so viele andere. Thumann hatte eine Weise zu schlagen, mit
der Rückseite der Hand, sagte man. Der Bibelforscher hatte sich gegen den Zaun am Appellplatz aufgestellt, um
zu urinieren. Warum nicht? Es waren ja nur Männer im ganzen Lager. Aber er kehrte also den Rücken aus und
sah nicht Thumann herankommen, und er hat ihm einen gegeben, so daß er wackelte und erst bei ein paar
Schritten ins Gleichgewicht kam. “Gehst Du?” sagte Thumann und schlug wieder.
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Lauritz G. Damgaard, der später Blockschreiber auf Block 1 wurde, mußte zunächst in einem GärtnerKommando arbeiten, dessen Vorarbeiter August Kulka, ein Zeuge Jehovas, war.
Quellenangabe
KZ-Gedenkstätte Neuengamme
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Kommentar (zum R. u. S.-Fragebogen)
Wenn ein SS-Mann heiraten wollte, mußten er und seine zukünftige Ehefrau einen Fragebogen des Rasse- und
Siedlungshauptamtes ausfüllen. Die Grundlage bildete der Heiratsbefehl des Reichsführers SS, Heinrich
Himmler, vom Dezember 1931. Es wurde geprüft, ob die Bewerber den körperlichen und weltanschaulichen
Kriterien der SS entsprachen. Die Eheleute sollten den “nordischen Herrenmenschen” verkörpern, mußten ein
Gesundheitszeugnis beifügen und ihre “arische Abstammung” nachweisen, außerdem Fotos von sich in
Badekleidung vorlegen. Als loyaler galten die SS-Angehörigen, wenn sie aus der Kirche getreten waren und
statt dessen den “Gottglauben” angenommen hatten. Das Rasse- und Siedlungshauptamt prüfte anschließend, ob
die Bewerber in das “Sippenbuch” der SS eingetragen werden konnten. Ziel der Ehetauglichkeitsuntersuchungen
war es, in der SS einen “neuen Menschentyp” zu züchten, der die zukünftige nationalsozialistische Elite
verkörpern sollte.