Lukas*, unser Kind mit HLHS in der Schule Ich war in der 21. Schwangerschaftswoche (SSW), als uns ein Pränataldiagnostiker sagte, dass der kleine Mann in meinem Bauch einen sehr schweren Herzfehler hat, das sogenannte Hypoplastische Linksherzsyndrom (HLHS). Ein hinzugerufener Kinderkardiologe und unser Pränataldiagnostiker klärten uns über die Möglichkeiten auf: Abbruch, Spenderherz oder aber drei Operationsschritte. Für den Fall, dass wir uns gegen das Leben entscheiden sollten wurde uns eine Bedenkzeit bis zur 25 SSW eingeräumt. Ein kurzer Blick zu meinem Mann reichte um zu wissen, dass wir unserem Kind die Möglichkeit geben wollten, diese Entscheidung für seinen Weg selber zu treffen. Es folgten noch lange und tiefgreifende Gespräche zwischen uns. Wussten wir, auf was wir uns einlassen?! Kann man so etwas überhaupt wissen?! Die Entscheidung, diesen Kampf kämpfen zu wollen geschah aus Liebe und wir als Eltern konnten jetzt nur noch eine gute Spezialklinik für diesen Herzfehler suchen und unserem Sohn beistehen, was auch immer passieren würde. Es lag im Ermessen der Ärzte bzw. letztendlich von Lukas. Wir haben uns dann für ein Herzzentrum entschieden. Bei einer Ultraschalluntersuchung konnten wir uns schon mal die Klinik, die Intensivstation und die Normalstation anschauen. Und dort mit Ärzten sprechen. Lukas wurde am 25.05.05 um 14:23 Uhr geboren. Er kam bei einer problemlos verlaufenden Geburt spontan auf die Welt und wog 3790 Gramm und war 52 cm groß. Er wurde zwei Tage auf der Intensivstation betreut, bevor es mit dem Hubschrauber in die Kinderherzklinik gehen sollte. Im Alter von nur fünf Tagen bekam unser Schatz die erste von drei Palliativ*Operationen, die sogenannte „Norwood 1*“. Sie verlief ohne Komplikationen, der weitere postoperative Verlauf war jedoch problematisch. Es stellten sich rasch heftige Herzrhythmusstörungen ein, sogenannte Tachykardien, teilweise mit Frequenzen von 250 s/min und Lukas hatte immer wiederkehrende Lactatanstiege. Er kam nicht von seinem Tubus und auch nicht von seinen i.v.-Medikamenten (intravenös) los. Immer wieder hatten wir mit Rückschlägen zu kämpfen. So stand ziemlich schnell fest, dass unser Kämpfer bis einschließlich zur Glenn-OP im Krankenhaus bleiben würde. Am 30.08.2005 war es dann endlich soweit und unser Schatz hatte alle Voraussetzungen für den nächsten OP Schritt erreicht. Die Glenn-OP sollte jetzt erfolgen. Von nun an konnten wir die „kleinen Fortschrittchen“ gegen Fortschritte austauschen. Lukas erholte sich gut von der OP. Die Herzrhythmusstörungen waren noch nicht weg, aber durch Medikamente doch gut „händelbar“. Kasinostraße 66 52066 Aachen Tel 0241-91 23 32 Fax 0241-91 23 33 0046 0106 66 E-Mail [email protected] www.bvhk.de Zahlungsverkehr Konto Bankleitzahl IBAN Bank für Sozialwirtschaft 80 88 100 370 205 00 DE91 3702 0500 0008 0881 00 Spendenkonto Konto Bankleitzahl IBAN Sparkasse Aachen 460 10 666 390 500 00 DE93 3905 0000 BIC BFSWDE33XXX www.herzklick.de BIC AACSDE33 Vereinsregister Aachen 2986 Ende September kamen wir dann in unsere langersehnte Mutter-Kind-Einheit: Wir waren angekommen. Endlich auf der „Normalstation“ und als Krönchen durfte ich dann sogar das erste Mal mit meinem Sohn auf dem Klinikgelände spazieren fahren. Ein unglaublich tolles Gefühl überkam mich. Das erste Mal konnte ich den Gedanken zulassen es „geschafft zu haben“. Am 14.10.2005, also fast fünf Monate nach Lukas‘ Geburt durften wir das allererste Mal mit ihm nach Hause. Ein Tag voller Emotionen. Eigentlich hatten wir immer auf dieses Ziel hingearbeitet, doch wie würde es werden? Werden wir allen Anforderungen gewachsen sein?! Uns wurde ein Kinderkrankenpflegedienst vermittelt. Die Kinderkrankenschwester kam täglich zu uns, hat sich um Lukas gekümmert und mir ein paar Tipps gegeben. Ferner wechselte sie die Magensonde, womit Lukas entlassen worden war. Nach wie vor musste Fynn weiterhin noch Medikamente einnehmen: Furosemid, Captopril, Methyldigoxin, Sotalol, D-Fluorette , Getamycin, Augentropfen und Marcumar*, die aber nach und nach ausgeschlichen bzw. abgesetzt wurden - bis auf das Marcumar, welches unser Sohn bis heute nehmen muss. Im Dezember 2007 musste Lukas in das örtliche Krankenhaus, da sein INR-Wert* wegen eines Magen-Darm-Viruses völlig außer Kontrolle war. Das Ärzteteam stand in ständiger Verbindung mit den Spezialisten aus Kinderherzklinik. Das gab mir ein gutes Gefühl von Sicherheit. Nachdem sich der Richtwert des INR wieder eingependelt hatte, wurden wir entlassen. Lukas hatte zwischenzeitlich zwei weitere Herzkatheter und ein MRT* hinter sich bringen müssen. Bei einem der Herzkatheter wurde eine Collaterale* festgestellt und verödet. Den Klinikaufenthalt nutzten die Ärzte, um Lukas von Marcumar auf Warfarin umzustellen, da es sich leichter „händeln“ lässt. Unser Alltag sieht sicher anders aus, als der von Familien mit gesunden Kindern. Man lernt, dass gute Organisation das „A“ und „O“ des großen Geheimnisses ist. Lukas hat einen großen Entwicklungsrückstand. Durch Krankengymnastik, Logopädie und Frühförderung wurde versucht, diesen aufzuhalten bzw. zu verbessern. Im August 2008 kam Lukas in einen Regelkindergarten mit Integrationshilfe. Anfangs noch spürbar überfordert, konnten wir ihn nur bis zur zwei Stunden hinbringen. Mit der Zeit gewöhnte sich Lukas an die Umstellung und blieb sogar hin und wieder über Mittag. Am 16.02.2009 erfolgte dann die vorerst letzte große Palliativ-Operation. Die Fontan-OP*. Diese verlief wiederum bei unserem Schatz ohne Komplikationen. Lukas wurde mit einem extrakardialen* Tunnel operiert. Er bekam keine Ergüsse und konnte schon zwei Wochen nach der OP entlassen werden. Seit dem 09.09.2011 geht Lukas nun auf eine Schule für körperbehinderte Kinder. Das erste Jahr verlief gut. Mittlerweile ist Lukas doch überfordert, so dass wir die tägliche Schulzeit verkürzen mussten. Vom Herzen her ist er recht stabil und braucht, wie bei allem anderen auch, halt seine Zeit. Seite 2 von 3 Wir schenkten ihm das Leben. Die Entscheidung, ob er bleiben möchte, musste er treffen. Lukas schafft sehr viel, doch wie er uns von Anfang an schon zeigte, gibt er den Zeittakt vor. Unser starker Kämpfer ist mit knapp einem Jahr großer Bruder geworden. Lukas und Thomas machen unser Leben perfekt und ich könnte mir gar kein anderes mehr vorstellen. Auch wenn es oft anstrengend ist und man manchmal verzweifelt: man wächst mit seinen Aufgaben. Wir sind eine sehr glückliche Familie. Wir haben unsere Entscheidung nie bereut und würden heute auch keinen anderen Weg gehen. Namen geändert * Collaterale = Kleine Blutgefäße, die neben dem Hauptgefäß dasselbe Versorgungsgebiet erreichen, bei Unterbrechung des Hauptgefäßes bleibt die Blutversorgung gewährleistet * extrakardial = außerhalb des Herzen * Fontan-OP = Diese Operation wird bei verschiedenen Herzfehlern durchgeführt, bei denen keine zwei funktionstüchtigen Herzkammern bestehen * INR-Wert = dient der Kontrolle bei Gerinnungshemmung durch Medikamente (Marcumar) * Marcumar = Medikament zur Hemmung der Blutgerinnung * MRT = bildgebenes Verfahren zur Darstellung der inneren Organe und Gewebe * Palliativ = therapeutische Maßnahmen, die nicht auf die Heilung einer Erkrankung, sondern auf die Linderung der Symptome ausgerichtet sind * Norwood = Dreistufiges Operationsverfahren bei hypoplastischem Linksherzsyndrom zur Trennung von Lungen- und Körperkreislauf Seite 3 von 3
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