PDF - bei der Biker-Schmiede

CUSTOMBIKE
CUSTOMBIKE
11/15
November
Szene England: Trip Out, Beaulieu, Goodwood
CUSTOMBIKE
AuLstLomEbikSe-ieger
Österreich
Österreich a
a 6,70
6,10
Schweiz
SchweizCHF
CHF11,60
9,60
Belgien, Niederlande
Belgien a
a 7,30
6,10
Finnland a
Niederlande
a 8,90
6,10
Frankreich
6,10
Dänemark
DKKa66,00
Dänemark
DKKa53,00
Luxemburg
7,30
Luxemburg
a 7,30
6,10
Italien,
Spanien a
Italien a
a 7,90
6,10
Griechenland
Spanien a
a 7,30
6,10
Slowenien
Griechenland
a 6,10
Tschechien
CZK 240,00
Tschechien
CZK 200
Ungarn
HUF 2350,00
Ungarn SEK
HUF88,00
1830
Schweden
Deutschland
d 5,90
Elektrik
c
wettbewerb 2015
Technik
Was alles in einen
Lenker passt
Harley-Motor
neu aufgebaut
Harley Panhead für echte Kerle
Build a Bobber
ducati 900
Cafe Racer für
die Seele
Suzuki VS 1400
Nachwuchs
Der Yamaha-XS-Chopper
vom Youngster
Die härteste Intruder
der Welt
iron works »rusty iron«
Aus dem Herzblutprojekt eines Customizers wird mit viel Geduld und Hirnschmalz die wohl am stärksten umgebaute Suzuki Intruder aller Zeiten –
und ein Fahrtest, der am Ende alle glücklich macht
RUSTY
IRON
Text: katharina weber, Fotos: christian heim
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CUSTOMBIKE
fahrtest
november 2015
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iron works »rusty iron«
D
it kannste nich kofen, dit
haste«, Volker Löhning ist
ein Meister darin, die Sache
auf den Punkt zu bringen,
als wir übers Thema Herzblut
sprechen. Als Herzblutprojekt nämlich bezeichnet der
Customizer aus Berlin sein neuestes Bike.
Wer es sieht, zweifelt daran nicht. Auch ich
nicht, als wir uns in Mainz treffen, vor dem
(scheinbar) rostigen Ungetüm knien und
Volker mir erzählt, was alles passiert ist, seit
er sich vor drei Jahren überlegte, doch mal
einen Starrrahmen zu bauen. Den Ausschlag
hatte der erfolgreiche Harleyschrauber Michael Naumann gegeben. Der hatte einen
Rahmen gebaut, bei dem teilweise gelochtes
Doppel-T-Profil verwendet wurde. Volker
wollte das auch. Und weil er in seiner
Berliner Biker Schmiede normalerweise japanische Cruiser zur Vollendung treibt, war
auch klar, dass ein solcher Cruiser den Motor
liefern würde. Mit seinem Schwiegersohn
Beese von Iron Works Berlin spricht er die
Idee bezüglich der Materialien ab und lässt
bei der Firma Aquacut ein Rahmenprofil
ausschneiden, schließlich muss Volker für
das ungewöhnliche Projekt eine Rahmenlehre selbst anfertigen. Er steht am Anfang
eines Mammutprojekts.
Und wenn schon der V2 der Suzuki Intruder in einen starren Rahmen darf, dann
auch bitteschön mit Springergabel, eines
der ersten Teile, die Volker ordert. Ebenso
wird die Radnabe angepasst, die Jungs bei
TTS fertigen passende Räder. Da der Rahmen rund um den Suzuki-V2 gebaut wird,
muss die Lehre noch oft geändert werden.
Unter Rost verbirgt sich modernes Material, wie zum Beispiel am
Rahmen. Ausgiebige chemische
Behandlungen ließen den schnell
altern. Das Camcover passt mit der
gerippten Optik bestens zu den
Motordeckeln
Als Lehren für Rahmen und Hinterrad
schließlich entgültig fertig sind, zeichnet
Rahmenbauer Henny von HWC Cycles die
dringend notwendige CAD-Zeichnung, die
zum ersten Mal überhaupt Aufschluss darüber gibt, wo und in welchem Winkel der
Steuerkopf eigentlich hin muss. Aufgrund
der Zeichnung zeichnet Beese Pappschablonen und schneidet sie aus, die technischen
Daten werden an Aquacut übermittelt und
aus einer Tafel ausgeschnitten, damit kann
der eigentliche Bau des Rahmens beginnen.
Ebenso müssen Komponenten wie der
Simsontank, Lampe, Ölkühler, Leitungen
und Vergaseransaugstutzen berücksichtig
und entsprechend angepasst werden. Um
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CUSTOMBIKE
fahrtest
»Ick wusste
ja nicht, nach
wat ick mir
richten sollte«,
deshalb passte
Customizer
Volker den
Rahmen exakt
auf seine
Größe an
das Ganze noch oldschooliger zu gestalten,
sollen alt aussehende, verrippte Motordeckel installiert werden. Ricky de Haas
von Wannabe Choppers übernimmt die
Gussarbeiten dafür, nach neun Monaten
sind die Deckel fertig.
Volker nutzt die Wartezeit auf den
Motor, um zahllose Einzelteile wie Rasten,
Halter, Kotflügel, Vergaser und Zusatztank
zu bauen. Und zu patinieren. »Ick hab mir
quasi ein Chemielabor gebaut«, grinst er. In
Bädern aus Salz- und Schwefelsäure sowie
rostigen Nägeln baden seine Parts für den
abgeranzten Look. »Es ist schwerer, die Teile
auf alt zu trimmen, als sie zum Lackieren
vorzubereiten«, blickt Volker zurück. Im
Dezember 2014 präsentiert Volker das Rol-
Immer wieder gerne genommen:
Die innenbelüftete Doppelscheibenbremse der Honda CBX
550 Four, die optisch herzhaftes
Trommelfeeling versprüht
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iron works »rusty iron«
Die »Rusty Iron« besteht aus Aluminium, Eisen
und Keramik. Andere Baustoffe wurden nicht
verarbeitet, Plastik ignoriert.
Und um die wichtigste Frage zu beantworten:
Ja, das Bike ist zugelassen. Die Basis-Trude
hatte einen so schweren Unfallschaden,
dass ein Rahmentausch
notwendig wurde
Auf unserer CUSTOMBIKE-SHOW im Dezember
solltet ihr die Gelegenheit nutzen, das Bike
im Detail anzuschauen. Ihr werdet noch
einiges zu gucken finden
ling Chassis zum ersten Mal, wir sind schon
da begeistert. Einen Monat später sind
auch Auspuffanlage, Kennzeichenhalter,
Beleuchtung und weitere Komponenten
fertig. Volkers Dankesliste an Freunde und
Helfer des Umbaus wird immer länger. Gerne hätten wir seinem Wunsch entsprochen
und sie hier abgedruckt, aber unser Platz
reicht nicht, but you know who you are.
Am Ende sind um die 600 Arbeitsstunden
vergangen, bevor Volker sein Motorrad voll
fahrtüchtig in Mainz beim Treffen eines
Freundes präsentiert. Und da sitzen wir nun.
Der Chef übernimmt selbst
»Willste fahren?«, fragt der Customizer
unseren Fotografen, der winkt ab. Und so
lassen wir Volker selbst aufsitzen. Das macht
insofern Sinn, als dass der Rahmen speziell
auf die Maße des großen Berliners angepasst
ist. Angesichst dessen wollen wir es euch
nicht zumuten, einen unserer Hänflinge in
dieses Monsterbike zu drücken und abzulichten. Das würde einfach hilflos aussehen.
So übernimmt der Chef selbst. Dass eine
extreme Kurvenfahrt bei diesem Bike eine
schrubbernde Fußraste zur Folge hätte, ist
klar, da lässt die tiefe Geometrie des Bikes
gar nichts anderes zu. Und natürlich bleibt
ein Starrrahmen meist ein Minus in Sachen
Komfort. Aber abgesehen davon fährt das
320-Kilo-Trumm vor unseren Augen wie
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CUSTOMBIKE
fahrtest
zweite meinung
»Ich kann nur mutmaßen, was ein derartiges Projekt mit über 600 Stunden Zeitaufwand
einer gesunden Ehe antut. Auf der anderen Seite liegt mir hier eine Danksagung vor, in
der Volker explizit für die Geduld seiner Holden dankt. Wir möchten ihr auch danken, dass
wir durch lhr Verständnis heute dieses Bike haben. Kaputte Unfalltrude: Kostet wenige
Euro. Ein Haufen Freunde, die helfen können: Kostet viel Bier. Eine Frau die den Alten
einfach mal machen lässt: unbezahlbar. Ich selbst bin Trudenfan, kann aber die Katalog­
umbauten der späten 90er nicht mehr sehen. Daher begrüße ich diesen rostigen Nagel
am Sarg der Langeweile wie den Regen in der Wüste. P.S.: Die Gussdeckel sind Porno!«
Jens kratschmar
Reichweite ungewiss: Ein zierlicher
Simson-Tank bunkert den Sprit des
Ungetüms – die Ostvergangenheit
des Schraubers lässt sich halt
nicht ganz einfach ablegen
november 2015
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iron works »rusty iron«
Maximale Schräglage
erreicht. Zwar stört
kein Breitreifen, wie
bei solchen Umbauten gern genommen.
Aber die Fußrasten
geraten schnell an die
Asphaltgrenze
techno
iron works »rusty iron« | BJ. 2014
Erbauer: iron works / biker schmiede berlin
Motor
V-Zweizylinder-Viertakt, ohc-Dreiventiler,
1360 ccm (Bohrung/Hub 94 x 98 mm)
Vergaser............................Mikuni-Flachschieber
Luftfilter.................. Schnüffelstück mit Teesieb
Ölsystem................. Iron Works/Biker Schmiede
Ölkühler............................. Simson SR 2 Zylinder
Kupplung................hydraulisch, K-Tech Zylinder
Auspuff................... Iron Works/Biker Schmiede
Getriebe............................................. Fünfgang
Sekundärtrieb.........................................Kardan
Leistung.............................. 61 PS bei 5100/min
Drehmoment..................105 Nm bei 2800/min
Höchstgeschwindigkeit...................... 160 km/h
fahrwerk
gelochter Iron Works-Starrrahmen
Gabel.................................................... Springer
Räder....................... hinten und vorne 5.00x16
Reifen................................... Hardknock-Bobber
Bremsen.............................vorn innenbelüftete
.................................................. Doppelscheibe
............................. hinten K-Tech 8-Zoll-Scheibe
Zubehör
Tank................................................. Simson SR2
......................... IW-Zusatztank mit Batteriefach
Sitzbank................... Iron Works/Biker Schmiede
Lenker..................... Iron Works/Biker Schmiede
Instrumente...................................motogadget
............................................Sonderanfertigung
Armaturen................................................K-Tech
Lampe............................................. Simson SR2
Rücklicht........................ Eigenbau/Schnapsglas
Schutzbleche............................ CCE/Iron Works
Fußrasten................ Iron Works/Biker Schmiede
Paintjob....................................... Schrammwerk
metrie
Leergewicht.............................................320 kg
Radstand............................................ 1700 mm
info
Biker Schmiede Berlin
Hamburger Str. 87
12623 Berlin
& (030) 56290853
www.biker-schmiede.de
❱❱❱ Custombike
Kurzwertung
+ Der Suzuki-V2 ist eine Bank, gutmütig
und wartungsarm – am Ende wohl der
einzig wirkliche Harley-Konkurrent
+ Ein Schwachpunkt der Serientrude ist
die maue Vorderbremse, die Honda Doppelscheiben krallen da besser
+ Unfassbare Optik für den Japancruiser,
es kann nicht mehr Ampelpluspunkte
als mit so einem Bike geben
–
–
–
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Die »Rusty Iron« wiegt deutlich mehr
als eine Serienintruder und ist dementsprechend auch etwas behäbiger
Ein Motorrad wie ein XXL-Maßanzug.
Kleine, schmächtige Fahrer hätten
keine Chance gegen diese Wucht
Extrem frühzeitiges Aufsetzen der
Fußrasten durch die ganz tiefe Linie
auf Schienen. Denn, und da darf man so
eine Trude nicht unterschätzen, diese Basis
kann was. Beim Beschleunigen stampft und
poltert der V2 gutmütig, geht Gang für
Gang mutig voran, um am Ende sanft zu
gleiten, wartungsarmer Kardan-Antrieb ist
bei der Trude sowieso inklusive. Kaum zu
glauben aber, dass Volkers Umbaumaßnahmen sogar noch Pluspunkte gesetzt haben.
In dem Ersatzzylinder,
der als Ölkühler dient,
hat das Öl konstante
90 Grad. »Gut für die
Trude, denn höhere
Öltemperaturen mag
sie nicht. Und die hatte
ich beim Serienölkühler
häufiger«, freut sich
der Berliner, als er vom
Bike steigt. Mittlerweile
ist Volker über 1000
Kilometer mit dem Fullcustom gefahren, ohne jegliche Probleme.
Und so ist die Freude
letztlich richtig groß.
Der Customizer ist glücklich darüber, dass
Herzblut sich am Ende auszahlt. Und wir
darüber, dass überhaupt einer auf die verrückte Idee kam, dieses Bike zu bauen. Mit
einem Gläschen original Berliner Pfeffer­
minzschnaps feiern wir uns nach dem
Shooting selbst. »Dit kannste nich kofen,
dit musste erlebt haben!«
Henryk Willms (HWC Cycles) aus Ilberstedt ist der einzige
eingetragene Fahrzeughersteller Sachsen-Anhalts und auf
Motorradrahmen spezialisiert. Er fertigte für seinen Freund
Volker die CAD-Zeichnungen für den Bau an, nur so können
Nachlauf, Reckung und Geometrie genau umgesetzt werden
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