Qualitätsoffensive für Gutachter

Iserlohner Kreisanzeiger vom 09.10.2015
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Qualitätsoffensive für Gutachter
Von Autor: Harald Ries
„afrikanische Erziehungsmethoden“, die
autoritär und gewaltsam seien. Belege:
Hagen.
keine. Die angebliche Sachverständige
war eine Heilpraktikerin mit esoteriVor gut einem Jahr schlugen die Hage- scher Ausrichtung.
ner Psychologie-Professoren Christel
Salewski und Stefan Stürmer Alarm: Laut dem Referentenentwurf des JustizNur eine Minderheit der rechtspsycholo- ministeriums brauchen Sachverständige
gischen Gutachten, die Familiengerich- künftig eine „geeignete psychologische,
ten in Sorgerechts-Fällen als Grundlage psychotherapeutische, psychiatrische,
dienen, erfüllt die fachlichen Qualitäts- medizinische, pädagogische oder sozialstandards. Das war das niederschmet- pädagogische Berufsqualifikation“. Bisternde Ergebnis einer Stichproben-Ana- her war das überhaupt nicht geregelt.
lyse der Fernuniversität von 116 Fällen Insofern sieht Stefan Stürmer einen
von vier Amtsgerichten. Doch nun soll Fortschritt. Allerdings waren auch mehr
sich etwas ändern: Die Vertreter juristi- als 90 Prozent der an der Fernuni überscher, psychologischer und medizini- prüften Gutachten von Psychologen verscher Fachverbände haben sich auf fasst. Das allein scheint also noch nicht
gemeinsame „Mindestanforderungen an ausreichend zu sein. Eine höhere QualiGutachten im Kindschaftsrecht“ geei- tät hatten Salewski und Stürmer ledignigt, und laut einem Gesetzentwurf von lich bei zertifizierten RechtspsycholoBundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gen festgestellt. Die aber werden im
sollen Familiengerichte nur noch quali- Entwurf nicht erwähnt.
fizierte Gutachter einsetzen.
Mehr verspricht sich Stürmer deshalb
Bis zu 10 000 Fälle im Jahr
von den Expertenempfehlungen zu den
Was eigentlich eine Selbstverständlich- Mindeststandards: „Bisher gab es auch
keit sein sollte, war es bislang ganz schon Empfehlungen der Fachverbände.
offenbar nicht. Das ist angesichts der Die wurden aber vielfach nicht eingeFolgenschwere der Entscheidungen halten. Wenn sich jetzt 14 Verbände auf
skandalös: Familiengerichte entschei- gemeinsame Kriterien einigen, ist das
den darüber, ob ein Kind den leiblichen zwar auch noch nicht gesetzlich verEltern entzogen wird oder wie das pflichtend, aber fachlich bindend. Das
Umgangsrecht nach einer Scheidung stärkt die Richtlinien und macht die
geregelt wird. Und in jährlich bis zu 10 Gutachten für die Richter transparenter
000 Fällen nehmen Richter dabei die und nachvollziehbarer.“
Hilfe von Sachverständigen in
Anspruch.
Die juristische Ausbildung
Dennoch hätte sich der Hagener HochEin besonders krasser Fall wurde im schullehrer mehr gewünscht: „In der
vergangenen November durch eine Ent- juristischen Ausbildung sollte es verscheidung des Bundesverfassungsge- pflichtende Anteile zur Bewertung von
richts bekannt. Da hatte ein Asylbewer- Gutachten geben.“ Dass eine Weiterbilber aus Ghana das alleinige Sorgerecht dungsmöglichkeit zum Familienrichter
für sein neugeborenes Kind beantragt, nicht existiere, bedauerten auch viele
weil die Mutter sich wegen einer psychi- Richter selbst, sagt Stürmer.
schen Erkrankung nicht kümmern
konnte. Doch dem Vater wurde das Haben er und seine Kollegin Salewski
Kind weggenommen. Zwei Gerichtsin- denn mit ihrer Untersuchung die jetzistanzen stützten sich auf ein Gutachten, gen „unzweifelhaften Fortschritte“ den
das dem Mann unterstellte, er benutze angestoßen? So weit will Stürmer nicht
gehen. Das Thema war bereits länger im
Fokus der Experten. „Aber wir haben
schon einen Beitrag geleistet und bei der
ersten Anhörung im Justizministerium
einen Vortrag gehalten.“
Autor:
Harald Ries
Hagen.
Vor gut einem Jahr schlugen die Hagener Psychologie-Professoren Christel
Salewski und Stefan Stürmer Alarm:
Nur eine Minderheit der rechtspsychologischen Gutachten, die Familiengerichten in Sorgerechts-Fällen als Grundlage
dienen, erfüllt die fachlichen Qualitätsstandards. Das war das niederschmetternde Ergebnis einer Stichproben-Analyse der Fernuniversität von 116 Fällen
von vier Amtsgerichten. Doch nun soll
sich etwas ändern: Die Vertreter juristischer, psychologischer und medizinischer Fachverbände haben sich auf
gemeinsame „Mindestanforderungen an
Gutachten im Kindschaftsrecht“ geeinigt, und laut einem Gesetzentwurf von
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)
sollen Familiengerichte nur noch qualifizierte Gutachter einsetzen.
Bis zu 10 000 Fälle im Jahr
Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, war es bislang ganz
offenbar nicht. Das ist angesichts der
Folgenschwere der Entscheidungen
skandalös: Familiengerichte entscheiden darüber, ob ein Kind den leiblichen
Eltern entzogen wird oder wie das
Umgangsrecht nach einer Scheidung
geregelt wird. Und in jährlich bis zu
10 000 Fällen nehmen Richter dabei die
Hilfe von Sachverständigen in
Anspruch.
Ein besonders krasser Fall wurde im
vergangenen November durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekannt. Da hatte ein Asylbewer-
ber aus Ghana das alleinige Sorgerecht
für sein neugeborenes Kind beantragt,
weil die Mutter sich wegen einer psychischen Erkrankung nicht kümmern
konnte. Doch dem Vater wurde das
Kind weggenommen. Zwei Gerichtsinstanzen stützten sich auf ein Gutachten,
das dem Mann unterstellte, er benutze
„afrikanische Erziehungsmethoden“, die
autoritär und gewaltsam seien. Belege:
keine. Die angebliche Sachverständige
war eine Heilpraktikerin mit esoterischer Ausrichtung.
Laut dem Referentenentwurf des Justizministeriums brauchen Sachverständige
künftig eine „geeignete psychologische,
psychotherapeutische, psychiatrische,
medizinische, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation“. Bisher war das überhaupt nicht geregelt.
Insofern sieht Stefan Stürmer einen
Fortschritt. Allerdings waren auch mehr
als 90 Prozent der an der Fernuni überprüften Gutachten von Psychologen verfasst. Das allein scheint also noch nicht
ausreichend zu sein. Eine höhere Qualität hatten Salewski und Stürmer lediglich bei zertifizierten Rechtspsychologen festgestellt. Die aber werden im
Wörter:
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Entwurf nicht erwähnt.
gehen. Das Thema war bereits länger im
Fokus der Experten. „Aber wir haben
Mehr verspricht sich Stürmer deshalb schon einen Beitrag geleistet und bei der
von den Expertenempfehlungen zu den ersten Anhörung im Justizministerium
Mindeststandards: „Bisher gab es auch einen Vortrag gehalten.“
schon Empfehlungen der Fachverbände.
Die wurden aber vielfach nicht einge- Zitat: Gutachten werden für die Richter
halten. Wenn sich jetzt 14 Verbände auf transparenter. Stefan Stürmer, Psychologemeinsame Kriterien einigen, ist das gie-Professor
zwar auch noch nicht gesetzlich verpflichtend, aber fachlich bindend. Das Bild 1:
stärkt die Richtlinien und macht die Die jungen Eltern sitzen zerstritten mit
Gutachten für die Richter transparenter dem Baby auf der Couch. Viele Scheiund nachvollziehbarer.“
dungsverfahren drehen sich ums Sorgerecht. Manchmal holen FamiliengeDie juristische Ausbildung
richte dann Gutachten ein.
Foto: Dennoch hätte sich der Hagener Hoch- /imago
schullehrer mehr gewünscht: „In der
juristischen Ausbildung sollte es ver- Bild 2:
pflichtende Anteile zur Bewertung von Die jungen Eltern sitzen zerstritten mit
Gutachten geben.“ Dass eine Weiterbil- dem Baby auf der Couch. Viele Scheidungsmöglichkeit zum Familienrichter dungsverfahren drehen sich ums Sorgenicht existiere, bedauerten auch viele recht. Manchmal holen FamiliengeRichter selbst, sagt Stürmer.
richte dann Gutachten ein.
Foto: Haben er und seine Kollegin Salewski /imago
denn mit ihrer Untersuchung die jetzigen „unzweifelhaften Fortschritte“ den
angestoßen? So weit will Stürmer nicht
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