Iserlohner Kreisanzeiger vom 09.10.2015 Seite: Ressort: 4 Mantel Regional Gattung: Auflage: Rubrik: Weblink: IKZ Iserlohn http://www.funkemedien.de Reichweite: Tageszeitung 18.322 (gedruckt) 17.004 (verkauft) 17.227 (verbreitet) 0,08 (in Mio.) Qualitätsoffensive für Gutachter Von Autor: Harald Ries „afrikanische Erziehungsmethoden“, die autoritär und gewaltsam seien. Belege: Hagen. keine. Die angebliche Sachverständige war eine Heilpraktikerin mit esoteriVor gut einem Jahr schlugen die Hage- scher Ausrichtung. ner Psychologie-Professoren Christel Salewski und Stefan Stürmer Alarm: Laut dem Referentenentwurf des JustizNur eine Minderheit der rechtspsycholo- ministeriums brauchen Sachverständige gischen Gutachten, die Familiengerich- künftig eine „geeignete psychologische, ten in Sorgerechts-Fällen als Grundlage psychotherapeutische, psychiatrische, dienen, erfüllt die fachlichen Qualitäts- medizinische, pädagogische oder sozialstandards. Das war das niederschmet- pädagogische Berufsqualifikation“. Bisternde Ergebnis einer Stichproben-Ana- her war das überhaupt nicht geregelt. lyse der Fernuniversität von 116 Fällen Insofern sieht Stefan Stürmer einen von vier Amtsgerichten. Doch nun soll Fortschritt. Allerdings waren auch mehr sich etwas ändern: Die Vertreter juristi- als 90 Prozent der an der Fernuni überscher, psychologischer und medizini- prüften Gutachten von Psychologen verscher Fachverbände haben sich auf fasst. Das allein scheint also noch nicht gemeinsame „Mindestanforderungen an ausreichend zu sein. Eine höhere QualiGutachten im Kindschaftsrecht“ geei- tät hatten Salewski und Stürmer ledignigt, und laut einem Gesetzentwurf von lich bei zertifizierten RechtspsycholoBundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gen festgestellt. Die aber werden im sollen Familiengerichte nur noch quali- Entwurf nicht erwähnt. fizierte Gutachter einsetzen. Mehr verspricht sich Stürmer deshalb Bis zu 10 000 Fälle im Jahr von den Expertenempfehlungen zu den Was eigentlich eine Selbstverständlich- Mindeststandards: „Bisher gab es auch keit sein sollte, war es bislang ganz schon Empfehlungen der Fachverbände. offenbar nicht. Das ist angesichts der Die wurden aber vielfach nicht eingeFolgenschwere der Entscheidungen halten. Wenn sich jetzt 14 Verbände auf skandalös: Familiengerichte entschei- gemeinsame Kriterien einigen, ist das den darüber, ob ein Kind den leiblichen zwar auch noch nicht gesetzlich verEltern entzogen wird oder wie das pflichtend, aber fachlich bindend. Das Umgangsrecht nach einer Scheidung stärkt die Richtlinien und macht die geregelt wird. Und in jährlich bis zu 10 Gutachten für die Richter transparenter 000 Fällen nehmen Richter dabei die und nachvollziehbarer.“ Hilfe von Sachverständigen in Anspruch. Die juristische Ausbildung Dennoch hätte sich der Hagener HochEin besonders krasser Fall wurde im schullehrer mehr gewünscht: „In der vergangenen November durch eine Ent- juristischen Ausbildung sollte es verscheidung des Bundesverfassungsge- pflichtende Anteile zur Bewertung von richts bekannt. Da hatte ein Asylbewer- Gutachten geben.“ Dass eine Weiterbilber aus Ghana das alleinige Sorgerecht dungsmöglichkeit zum Familienrichter für sein neugeborenes Kind beantragt, nicht existiere, bedauerten auch viele weil die Mutter sich wegen einer psychi- Richter selbst, sagt Stürmer. schen Erkrankung nicht kümmern konnte. Doch dem Vater wurde das Haben er und seine Kollegin Salewski Kind weggenommen. Zwei Gerichtsin- denn mit ihrer Untersuchung die jetzistanzen stützten sich auf ein Gutachten, gen „unzweifelhaften Fortschritte“ den das dem Mann unterstellte, er benutze angestoßen? So weit will Stürmer nicht gehen. Das Thema war bereits länger im Fokus der Experten. „Aber wir haben schon einen Beitrag geleistet und bei der ersten Anhörung im Justizministerium einen Vortrag gehalten.“ Autor: Harald Ries Hagen. Vor gut einem Jahr schlugen die Hagener Psychologie-Professoren Christel Salewski und Stefan Stürmer Alarm: Nur eine Minderheit der rechtspsychologischen Gutachten, die Familiengerichten in Sorgerechts-Fällen als Grundlage dienen, erfüllt die fachlichen Qualitätsstandards. Das war das niederschmetternde Ergebnis einer Stichproben-Analyse der Fernuniversität von 116 Fällen von vier Amtsgerichten. Doch nun soll sich etwas ändern: Die Vertreter juristischer, psychologischer und medizinischer Fachverbände haben sich auf gemeinsame „Mindestanforderungen an Gutachten im Kindschaftsrecht“ geeinigt, und laut einem Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sollen Familiengerichte nur noch qualifizierte Gutachter einsetzen. Bis zu 10 000 Fälle im Jahr Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, war es bislang ganz offenbar nicht. Das ist angesichts der Folgenschwere der Entscheidungen skandalös: Familiengerichte entscheiden darüber, ob ein Kind den leiblichen Eltern entzogen wird oder wie das Umgangsrecht nach einer Scheidung geregelt wird. Und in jährlich bis zu 10 000 Fällen nehmen Richter dabei die Hilfe von Sachverständigen in Anspruch. Ein besonders krasser Fall wurde im vergangenen November durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekannt. Da hatte ein Asylbewer- ber aus Ghana das alleinige Sorgerecht für sein neugeborenes Kind beantragt, weil die Mutter sich wegen einer psychischen Erkrankung nicht kümmern konnte. Doch dem Vater wurde das Kind weggenommen. Zwei Gerichtsinstanzen stützten sich auf ein Gutachten, das dem Mann unterstellte, er benutze „afrikanische Erziehungsmethoden“, die autoritär und gewaltsam seien. Belege: keine. Die angebliche Sachverständige war eine Heilpraktikerin mit esoterischer Ausrichtung. Laut dem Referentenentwurf des Justizministeriums brauchen Sachverständige künftig eine „geeignete psychologische, psychotherapeutische, psychiatrische, medizinische, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation“. Bisher war das überhaupt nicht geregelt. Insofern sieht Stefan Stürmer einen Fortschritt. Allerdings waren auch mehr als 90 Prozent der an der Fernuni überprüften Gutachten von Psychologen verfasst. Das allein scheint also noch nicht ausreichend zu sein. Eine höhere Qualität hatten Salewski und Stürmer lediglich bei zertifizierten Rechtspsychologen festgestellt. Die aber werden im Wörter: Urheberinformation: © 2015 PMG Presse-Monitor GmbH Entwurf nicht erwähnt. gehen. Das Thema war bereits länger im Fokus der Experten. „Aber wir haben Mehr verspricht sich Stürmer deshalb schon einen Beitrag geleistet und bei der von den Expertenempfehlungen zu den ersten Anhörung im Justizministerium Mindeststandards: „Bisher gab es auch einen Vortrag gehalten.“ schon Empfehlungen der Fachverbände. Die wurden aber vielfach nicht einge- Zitat: Gutachten werden für die Richter halten. Wenn sich jetzt 14 Verbände auf transparenter. Stefan Stürmer, Psychologemeinsame Kriterien einigen, ist das gie-Professor zwar auch noch nicht gesetzlich verpflichtend, aber fachlich bindend. Das Bild 1: stärkt die Richtlinien und macht die Die jungen Eltern sitzen zerstritten mit Gutachten für die Richter transparenter dem Baby auf der Couch. Viele Scheiund nachvollziehbarer.“ dungsverfahren drehen sich ums Sorgerecht. Manchmal holen FamiliengeDie juristische Ausbildung richte dann Gutachten ein. Foto: Dennoch hätte sich der Hagener Hoch- /imago schullehrer mehr gewünscht: „In der juristischen Ausbildung sollte es ver- Bild 2: pflichtende Anteile zur Bewertung von Die jungen Eltern sitzen zerstritten mit Gutachten geben.“ Dass eine Weiterbil- dem Baby auf der Couch. Viele Scheidungsmöglichkeit zum Familienrichter dungsverfahren drehen sich ums Sorgenicht existiere, bedauerten auch viele recht. Manchmal holen FamiliengeRichter selbst, sagt Stürmer. richte dann Gutachten ein. Foto: Haben er und seine Kollegin Salewski /imago denn mit ihrer Untersuchung die jetzigen „unzweifelhaften Fortschritte“ den angestoßen? So weit will Stürmer nicht 969 FUNKE MEDIENGRUPPE GmbH & Co. KGaA
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