09.06.2015 Stechmücken-Arten in Österreich: biologische und ökologische Unterschiede Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien Stechmückeninformation 1997 für Haushalte und Gemeinden in Gelsenregionen Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 1 09.06.2015 Zur Naturgeschichte unserer Stechmücken (Gelsen) In Österreich gibt es 38 Gelsen-Arten aus 6 verschiedenen Gattungen. Sie alle unterscheiden sich voneinander in ihrer Biologie und in ihrem Verhalten. Die Kenntnis ihrer Lebensunterschiede ist gerade dann wesentlich, wenn man z. B. Konzepte gegen eine Massenentwicklung erarbeiten möchte. Die so genannten ÜberschwemmungsGelsen legen ihre Brut hauptsächlich in ausgetrocknete Gräben von Überschwemmungsgebieten, wo die Gelege lange Zeit auf Wasser warten können. Die zahlreichen Hochwässer im heurigen Jahr bieten optimale Bedingungen für das massenweise Schlüpfen dieser Gelsen. Die Weibchen benötigen Blut zur Reifung neuer Eier, das sie von Amphibien, vom Wild und wenn möglich auch vom Menschen holen. Durch eigene Kraft wandern diese Gelsen nicht weit von den Brutstätten weg. Durch starken Wind können sie jedoch massenweise verdriftet werden und so auch in entfernte Siedlungen gelangen, wo sie dann zur Plage werden können. Die Überschwemmungs-Gelsen leben relativ kurz und gehen meist schon nach dem ersten Wetterumschwung wieder zugrunde. Es überwintern nur die Eigelege. Die ÜberschwemmungsGelsen dringen selten in Gebäude ein. Ganz anders hingegen die Biologie der sogenannten Haus-Gelsen: Die Weibchen überleben den Winter in der Natur in hohlen Bäumen und Erdlöchern; im Siedlungsbereich dringen sie bevorzugt in Häuser ein, um in Kellern oder in frostfreien Räumen zu überwintern. Dies sind jene Quälgeister, die im Spätsommer und im Herbst das Einschlafen stören. Die Haus-Gelsen brauchen für ihre Existenz keine Überschwemmungstümpel und keinen Auwald, sondern kommen auch mit den Verhältnissen einer Siedlung mit Gartenanlagen zurecht, um sich über die gesamte warme Jahreszeit ausreichend zu entwickeln. Lebenszyklus von Haus-Gelse n Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien Stechmückeninformation 1997 Selbsthilfe: Zehn Punkte zur Kontrolle von Haus-Gelsen: Bedenken Sie, daß alle heimischen Gelsenarten Wasser für die Entwicklung vom Ei zur ausgewachsenen Stechmücke brauchen. Die Beachtung der folgenden zehn Punkte sollte in den Monaten April bis Oktober zu einer deutlichen Reduktion der sogenannten HausGelsen in den Siedlungen führen. Impressum: Dr. Bernhard Seidel (Inhalt, Fotos, Layout) A-3680 Persenbeug Eigenvervielfältigung der Gemeinde Amtliche Mitteilung, Postentgelt bar bezahlt. • Beseitigen Sie wassergefüllte Altreifen, Blechbüchsen, umher-liegendes Werkzeug, Spielzeug und unnötige Wasserbehälter. • Entleeren Sie die Regentonnen falls Sie Gelsenlarven feststellen. Decken Sie die Regentonnen ab, damit keine Eier hineingelegt werden können. • Füllen Sie Vertiefungen im Boden auf, in denen sich Pfützen bilden. • Sorgen Sie dafür, dass der Abfluss von Drainagen gewährleistet ist und nicht durch Schlamm oder Unkraut verstopft ist. • Decken Sie Mülltonnen sorgfältig ab, damit kein Wasser eindringen kann. • Reparieren Sie rinnende Wasserhähne und Wasserleitungen im Garten. • Kontrollieren Sie Plansch- und Schwimmbecken. Insbesondere über die Urlaubszeit lagern Sie sie nach Möglichkeit im Haus. • Füllen Sie Baumhöhlen mit Sand oder Beton. • Wechseln Sie das Wasser in Vogeltränken und Blumenuntertöpfen regelmäßig. • Mähen Sie das Gras und schneiden Sie Büsche um das Haus, damit sich in ihrem Schatten keine adulten Gelsen aufhalten können. Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 2 09.06.2015 Stechmücken-Arten in Österreich: biologische und ökologische Unterschiede Wiggins, G. B., R. J. Mackay & I. M. Smith (1980): Evolutionary and ecological strategies of animals in annual temporary pools. – Arch. Hydrobiol.; Suppl. 58: 97-206. Williams, D. D. (1987): The ecology of temporary waters. – Croom Helm, London, 205 S. Kategorie Wiggins et al. (1980) 1 2 3 4 Dauerstadien, Trockentoleranz, Verhalten gegen Austrockung Dauerstadien, Trockentoleranz, Eiablage im Wasser, aktive Verbreitung Dauerstadien, Eiablage (auch) auf trockenem Substrat, aktive Verbreitung Crustaceen, Molusken Insekten, Crustaceen Insekten Keine Trockentoleranz Aktive Verbreitung, gute Orientierung , rasche Generationsfolge, hohes Lebensalter (Lincoln-Peterson) Insekten, Amphibien Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien Usutu-Virus (USUV): (T. Bákonyi, N. Nowotny) Hochwasser 2002; große Gelsenbestände ** e: egg; l: larva; a: adult Date of collection Place Mosquito species Number of mosquitoes stage** 26. 08. 02 Wr. Neustadt 27. 08. 02 Tribuswinkel Cx. pipiens 6 l Cx. pipiens 92 28. 08. 02 l Stopfenreuth Ae. cinereus 6 a 03. 09. 02 Orth Cx. territans 9 l 05. 09. 02 Stockerau Cx. sp. 26 e 06. 09. 02 Marchegg Ae. vexans 36 a 18. 09. 02 Stockerau Cu. annulata 19 l 19. 09. 02 Persenbeug Cx. hortensis 3 l 21. 12. 02 Stockerau Cx. pipiens 50 a 08. 03. 03 Jedenspeigen Cx. pipiens 100 a 26. 08. 03 Persenbeug Cx. sp. 10 e 26. 08. 03 Persenbeug Cx. sp. 10 e 26. 08. 03 Persenbeug Cx. sp. 10 e 05. 12. 03 Tulln Cx. pipiens 10 a 05. 12. 03 Tulln Cx. pipiens 10 a 05. 12. 03 Tulln Cx. pipiens 10 a 05. 12. 03 Tulln Cx. pipiens 10 a 05. 12. 03 Tulln Cx. pipiens 10 a 05. 12. 03 Tulln Cx. pipiens 10 a Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 3 09.06.2015 Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien Seidel, B. (1994): FlußUferÖkologie. Seidel, B. (Ed.). Proc. Int. Conf. Krems 1992. Wiss. Mitt. NÖ. Landesmuseum 8, 299 S. Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 4 09.06.2015 Temporäre Gewässer nach Überschwemmungen Sediment-Auflandung in cm 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Sedimentation verhindert den Abfluss ins Grundwasser 1 2 3 4 5 6 7 8 R1 9 10 Wasserhaltung in Tagen x10 Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien Überschwemmungsgelsen (Culicidae, 2002-2011) Eigelege und unnatürliche Sedimentation Sediment-Auflandung in cm 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 1 2 3 4 5 6 7 R1 Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 8 9 10 Schlüpfrate x 10 Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 5 09.06.2015 Häufigkeit (absolute) von Gelsenarten in Ostösterreich (gesammelt von 1999 bis 2005) Genus / Species Larvae N=38165 Adults N=6147 Aedes annulipes/cantans Aedes cataphylla Aedes cinereus/rossicus Aedes excrucians Aedes flavescens Aedes intrudens Aedes leucomelas Aedes riparius Aedes rusticus Aedes sticticus Aedes vexans Aedes dorsalis Aedes nigrinus Anopheles maculipennis Anopheles claviger Culiseta glaphyroptera Culiseta subochrea Culiseta annulata Culex hortensis Culex modestus Culex pipiens / torrent. ++++ ++ ++++ +++ +++ +++ + +/+++ +++ ++++ ++ (+) (+) + + + ++++ (+) ++ + Culex territans +++ (+) + ++++ ++++ + + +++ (+) + (+) ++ ++++ ++++ (+) Mansonia richardii + Eine invasive Gelsenart in Österreich (bisher bildet nur Aedes japonicus funktionierende Bestände) Slovenien ????, Stmk. 2009, Ktn 2011, Bgld. 2012, Ungarn 2012, Vlbg. 2015, NÖ 2015 ■ ■ ■■ ■■ ■ ■ ▲ ■ ▲ ▲▲ ■ ■■ ■ ▲ 2011 ▲ ■■ ■ ▲ ▲ 2012 ▲ ▲ ▲ ▲▲ ▲ ▲ ■ ■ ▲ ▲ ▲ ▲ 6 09.06.2015 Aedes japonicus, Asiatische Buschmücke + erste invasive Stechmückenart; ungehinderte Ausbreitung in Österreich ++ tagaktiver Lästling mit Anflugsraten von bis zu 100 Individuen pro 10 min +++ die Art erreicht in den bereits besiedelten Regionen hohe Populationsdichten ++++ Gefahr für die Biodiversität (verdrängt heimische Gelsen in Brutstellen) +++++ stellt 60% und mehr der Biomasse an Mücken +++++++ Die Art ist Vektor für Pathogene von medizinischer und veterinärmedizinischer Bedeutung (experimenteller Vektor von West-Nile-, Dengue-, Gelbfieber-, Japan Enzephalitis-, Chikungunya-Viren, …). Bundesland Kärnten: die Art wandert eben entlang des Rosentals und alsbald nach Italien aus. In Absprache mit der Naturschutzabteilung (Mag. Gutleb) wurde ein nachhaltiges Kontrollkonzept erstellt, das auf integrativem Schädlingsmanagement aufbaut. Bundesland NÖ: ausgehend vom Wechselgebiet wird die Art im Jahr 2020 über Hainfeld die Landeshauptstadt St. Pölten erreichen (gleichzeitig wird der Wienerwald vollständig besiedelt sein). Bundesland Vorarlberg: ein multilaterales Projekt dringend erforderlich (Bayern, CH, Vlbg.). Stichwort: Bregenzer Wald. Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien Stechmückeninformation 2018 (Prognose) Selbsthilfe: Zehn Punkte zur Kontrolle von Aedes japonicus im Garten • Beseitigen Sie wassergefüllte Altreifen, Blechbüchsen, umher-liegendes Werkzeug, Spielzeug und unnötige Wasserbehälter. • Entleeren Sie die Regentonnen falls Sie Gelsenlarven feststellen. Decken Sie die Regentonnen ab, damit keine Eier hineingelegt werden können. • Füllen Sie Vertiefungen im Boden auf, in denen sich Pfützen bilden. • Sorgen Sie dafür, dass der Abfluss von Drainagen gewährleistet ist und nicht durch Schlamm oder Unkraut verstopft ist. • Decken Sie Mülltonnen sorgfältig ab, damit kein Wasser eindringen kann. • Reparieren Sie rinnende Wasserhähne und Wasserleitungen im Garten. • Kontrollieren Sie Plansch- und Schwimmbecken. Insbesondere über die Urlaubszeit lagern Sie sie nach Möglichkeit im Haus. • Füllen Sie Baumhöhlen mit Sand oder Beton. • Wechseln Sie das Wasser in Vogeltränken und Blumenuntertöpfen regelmäßig. • Mähen Sie das Gras und schneiden Sie Büsche um das Haus, damit sich in ihrem Schatten keine adulten Gelsen aufhalten können. Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 7 09.06.2015 Stechmücken-Lebensformtypen: ökologische und biologische Gemeinsamkeiten Reisfeld (Wonju Südkorea, 2000) Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien Stechmücken-Lebensformtypen: biologische Gemeinsamkeiten “Olfaktorische Orientierung” Kübelfallen für “Hausgelsen”-Arten (Experimente Juni/Juli 2006) Leitstoff/reines Wasser/G. ursinum … 12 Experimente über jeweils drei Tage Mann-Whitney-U-Test P<0,001 7 0 0 12 0 0 9 0 0 9 0 0 3 1 0 11 0 0 4 2 0 3 0 0 8 0 0 10 0 0 23 2 0 18 1 0 Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 8 09.06.2015 In the year of 1999, the Unispace III Conference organized by the United Nations discussed use of remote sensing methods based on feasible satellite technologies for various geographical, ecological and municipal activities. Monitoring and forecasting insect dispersal is considered to be one of applications, which have been successfully performed in southern states of U. S. A., India and several African countries. Dr. Seidel is going to develop a unique regulation method on demands of Austrian municipal customers. His method is associated with culicid stages along inundation areas out of the phases of rapid larval development. His targets are egg clutches and egg deposing females to discontinue their life cycle. His project could expect a high probability of success along Central European rivers where the localities are almost similar and well known by him. For the international use of his method, Austrian experts may have difficulties at facing unknown situation of mosquito development areas (e. g., around refugee camps in Sudan, etc). These problems could be solved by assessing images remotely obtained from space. It enables us to pin point potential mosquito fields during . . . Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien Yamashita M. & Fenn J. B. (1984). Electrospray Ion Source. Another Variation on the Free-Jet Theme. - American Chemical Society. Journal Physical Chemistry, 88(20), 4451-4459. Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 9 09.06.2015 Amphibia, Anura: Rana dalmatina (1988-1995) Überlebensrate überwinternder Springfrösche unter frischem Sediment Sediment-Auflandung in cm 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1 2 3 4 5 Seidel, B. (1997): Structur of a Rana dalmatinapopulation in a flood-area of river Danube (LowerAustria): an ecological indicator of the finesediment-destruction along riverbanks. – Rana 2: 263270. 6 7 8 R1 9 10 Überlebensrate x10 (N=361) Dr. Bernhard Seidel Department Theoretische Biologie der Universität Wien 10
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