Eine Frau spürt die zweite Luft

Eine Frau spürt die zweite Luft
20.04.2016 (DK)
Ingolstadt
21:11Mit
Uhr
der langfristigen Karriereplanung ist es im politischen Geschäft so eine Sache. Die CSU
führte in den letzten Jahren an zwei Beispielen vor, wie man als Senkrechtstarter schnell nach oben schießen
kann - und dann kurze Zeit später ins Bodenlose abstürzt. Der fränkische Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg
galt noch vor sechs, sieben Jahren vielen Christsozialen als wahrer Heilsbringer, der zu den schönsten
Hoffnungen berechtigte, bevor ihm seine abgekupferte Doktorarbeit zum Verhängnis wurde. Gelegentlich zieht
Horst Seehofer den Namen Guttenberg, den er einst als "Glühwürmchen" verspottete, wieder aus dem Hut, aber
nur dann, wenn es ihm opportun erscheint, in seiner eigenen Nachfolgefrage noch mehr Verwirrung zu stiften.
Mehr als nur Theater: Mit ihrer Ankündigung, für die Sanierung des Kulturbaus
mehr Geld vom Freistaat lockermachen zu wollen, meldet sich Christine
Haderthauer zurück.
Auch bei der Ingolstädterin Christine Haderthauer (53) ging es rasend schnell:
2002 Stadträtin, 2003 Landtagsabgeordnete, 2007 CSU-Generalsekretärin, 2008
Sozialministerin, 2013 Chefin der Staatskanzlei. Bevor die Juristin mit den
Ingolstädter Parteifreunden an der Basis so richtig warm werden konnte, saß sie bereits an Seehofers Kabinettstisch. Sie
ließ sich auch gerne gefallen, dass sie nach ihrem rasanten Aufstieg als mögliche Rivalin von Markus Söder um das
Erbe des Ministerpräsidenten gehandelt wurde. "Ich bin quasi der Brückenkopf und die Speerspitze für Bayern in Berlin",
verkündete sie überaus selbstbewusst kurz nach ihrer Ernennung zur Staatskanzleiministerin. "Meine Position ist eine
entscheidende Schaltstelle zur Staatsregierung."
Drei Jahre danach hat sich für die gebürtige Schleswig-Holsteinerin, die sich gern zur Erholung in ihr geerbtes Häuschen
an den Brahmsee zurückzieht, alles verändert. "Mein Opa", erzählte sie dem DK nach ihrem jüngsten Osterurlaub, "ist
dort öfter mal Helmut Schmidt beim Segeln begegnet."
Dass Christine Haderthauer und ihr Mann im hohen Norden Abstand von den Schlagzeilen suchten, ist verständlich.
Denn viel Angenehmes war über das einstige Glamourpaar nicht mehr zu lesen, seit die Modellauto-Affäre ins Rollen
kam und die erfolgsverwöhnte Politikerin aus dem Ministeramt vertrieb. Strafrechtlich endete der Fall für den
Landgerichtsarzt Hubert Haderthauer mit einer Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung und versuchten Betrugs. Die
disziplinarrechtlichen Konsequenzen sind für ihn noch nicht abzusehen.
Christine Haderthauer akzeptierte für sich einen Strafbefehl über 30 Tagessätze wegen eines Steuerdelikts.
CSU-Kreisvorsitzender Hans Süßbauer interpretierte den Ausgang dieses Strafverfahrens im November 2015 im
Parteiblatt recht eigenwillig: Damit seien "die in den Medien ausgebreiteten Vorwürfe und Verdächtigungen
zusammengebrochen und ausgeräumt". Der frühere Kriminalbeamte geißelte die "verantwortungslose mediale
Vorverurteilung" der Abgeordneten und befand, dass der - noch laufende - Untersuchungsausschuss des Landtags vor
allem dem Zweck diene, "Christine Haderthauer zusätzlich persönlich und moralisch in Misskredit" zu bringen.
Irgendwelche Zweifel, ob die Ex-Ministerin die geeignete Kandidatin für den nächsten Landtagswahlkampf 2018 ist? Bei
Süßbauer sicher nicht.
Andere in der Ingolstädter CSU sind da nachdenklicher. "Ihr haftet ein Makel an", fürchtet ein Kenner des
Parteiinnenlebens, "es ist zu erwarten, dass die Mitbewerber das im Wahlkampf zum Thema machen." Die Zeiten eines
Franz Josef Strauß seien eben vorbei, in denen "ein bisserl ein G'schmackl zum guten Ton" gehört habe. Würde heute
über Haderthauers Kandidatur in der CSU abgestimmt, müsste sie nach Einschätzung dieses Insiders "mit einer
größeren Zahl von Gegenstimmen" rechnen.
Doch das wird die Parteiführung zu verhindern wissen. Erst gilt es, die - vermutlich problemlose - Nominierung von
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Reinhard Brandl für die nächste Bundestagskandidatur unter Dach und Fach zu bringen. "Vor ein paar Monaten",
gesteht ein kritischer Wegbegleiter und Förderer Haderthauers, "hab' ich noch gedacht, dass ihre Kandidatur für den
Landtag nicht mehr durchsetzbar sein wird." Heute sei er überzeugt: "Die Zeit läuft für sie, sie muss die Zeit nutzen."
Vorbehalte unter den Stadtratskollegen seien durchaus noch vorhanden, glaubt das einflussreiche Fraktionsmitglied. In
ihrer Ministerzeit habe Haderthauer die Kommunalpolitik demonstrativ links liegen gelassen. "In der Fraktion ist ihre
hochnäsige Art negativ rübergekommen." Sie habe selten an Sitzungen teilgenommen und den anderen Stadträten zu
verstehen gegeben: Was wollt ihr Hamperer überhaupt" Andererseits: "Wenn sie sich zu Wort meldet, hat das einfach
eine andere Qualität, in der Stärke der Analyse kann ihr niemand das Wasser reichen." Haderthauer lasse sich "nicht
abwimmeln", wenn sie ein Ziel verfolge, sagt der Parteifreund anerkennend. "Da gibt es niemand, der das in München so
gut macht wie sie." Der Job in der Staatskanzlei sei perfekt auf sie zugeschnitten gewesen.
Dass sie sich selbst inzwischen entschlossen hat, um das Landtagsmandat zu kämpfen, hat Christine Haderthauer mit
ihren Aktivitäten der vergangenen Wochen deutlich zu erkennen gegeben. "Ich wünsche mir", sagte sie dem DK, "dass
man mir die Chance gibt, mit der zweiten Luft durchzustarten." Die Modellauto-Affäre habe "wie eine Wolke" über ihrem
und dem Leben ihrer Familie geschwebt. "Es wäre verwegen zu sagen, dass man nie Zweifel gehabt hat." Aber der
Gedanke, ganz aus der Politik auszusteigen, sei ihr höchstens in einem "Durchgangsstadium kürzerer Natur"
gekommen. "Ich bin jetzt innerlich wieder sehr stabil."
Vor einiger Zeit lud die Abgeordnete die Ortsvorsitzenden ins CSU-Haus, um im
internen Kreis die Stimmungslage an der Basis zu sondieren. Haderthauer lässt
sich jetzt häufig bei CSU-Ortsversammlungen sehen und hat ihre
(Noch-)Stimmkreisreferentin Dorothea Soffner in Marsch gesetzt, um bei der
Pressearbeit einen Zahn zuzulegen. So haben die Medien zuletzt erfahren, dass
sich die Landtagsabgeordnete über den "Rückenwind für ein
Mehrgenerationenhaus" in Ingolstadt freut, eine Zusage für "Fördermittel auf
Rekordniveau" erhalten hat und die staatlichen Hilfen für das Programm Soziale
Stadt zu schätzen weiß.
Doch ganz unabhängig von aller PR-Arbeit ist der Politikerin derzeit anzumerken, dass sie wieder voll einsteigen will.
Ingolstadts "Sondersituation" - Gewerbesteuereinbruch und Riesenwachstum - erfordere höhere staatliche
Unterstützung, etwa im Wohnungsbau und bei der Theatersanierung. "In Abstimmung mit dem OB" will Haderthauer eine
Lösung für das Stadttheater "mit deutlich höherer Förderung" aushandeln. "Je geschlossener die Stadt hinter dem
Vorhaben steht" - aufgemerkt, zaudernde Freie Wähler -, "desto mehr Kraft hat man bei den Verhandlungen über den
Fördersatz."
Von Reimund Herbst
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