Brandenberg, Johannes (Johann, Joan, Giovanni), Christus steigt herab zur Weihe der Einsiedler Gnadenkapelle, 1709-1710, Deckenmalerei, circa 700 x 900 cm, Benediktinerkloster Einsiedeln, Grosser Saal Bearbeitungstiefe Name Brandenberg, Johannes (Johann, Joan, Giovanni) Lebensdaten * 20.5.1661 (Taufe) Zug, † 26.9.1729 Zug Bürgerort Zug Staatszugehörigkeit CH Vitazeile Maler und Zeichner. Religiöse und allegorische Gemälde sowie Porträts. Tätig in Zug, Einsiedeln, Beromünster und anderen Stiften, Städten und Schlössern Tätigkeitsbereiche Malerei, Wandmalerei, Deckenmalerei, Zeichnung Lexikonartikel Sohn des Malers Thomas Brandenberg und der Maria Greter. Lehre bei seinem Vater. 1680 Aufnahme in die Zuger Lukasbruderschaft. Anschliessend Wanderschaft, die ihn gemäss Füssli unter anderem nach Innsbruck und Mantua geführt hat. Am 11. September 1682 im Benediktinerstift Einsiedeln aktenkundig. Niederlassung in Zug, wohl im Hause seines Vaters. 1683 Heirat mit Maria Katharina Kloter. Aufträge für religiöse Bilder in Zug. Brandenberg wird zum Porträtisten der Zuger Oberschicht, seine Karriere spielt sich jedoch auswärts ab. 1682 bis Seite 1/6, http://www.sikart.ch 1718 ist er der meistgenannte Maler in den Akten des Klosters Einsiedeln. Er ist eine Art Hofmaler der dortigen Äbte, wenn auch ohne Titel und Rente. Am 20. Oktober 1685 flieht er Hals über Kopf aus Angst vor seinen Gläubigern. Der Klosterchronist vermerkt, er habe statt der Kunst «mehr dem Müssiggang und Lueder sich ergeben». In den 1690er-Jahren grössere Aufträge für die Benediktinerklöster Fischingen und Pfäfers sowie für das Chorherrenstift Beromünster, wo er in der Kirchenrechnung 1694–97 als «gefahrliche[r] mann» bezeichnet wird. Sein um 1692 entstandenes vermutliches Selbstbildnis (Zug, Museum in der Burg) zeigt ihn als ernsten Mann mit feinem Gesicht und langgliedrigen Fingern. 1696–97 erhält er mit der Fassadenmalerei (verloren) am Rathaus von Aarau seinen ersten Grossauftrag in reformiertem Gebiet. 1705 Beziehungen zum Zürcher Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer und zum Kunst- und Architekturkenner Graf Luigi Ferdinando Marsigli aus Bologna, der damals in der Schweiz weilt. 1709–1712, in der Zeit des zweiten Villmerger Kriegs, Besatzungskommandant des Schlosses St. Andreas in Cham. Mit zunehmendem Alter Festigung der gesellschaftlichen Position. Angesehenster Zuger Maler neben dem volkstümlichen Kaspar Wolfgang Muos. 1725–29 als Vierer im Vorstand der Zuger Lukasbruderschaft. Im Totenbuch von St. Michael in Zug wird er 1729 eingetragen als «ein so grosser Maler, wie ihn Zug kaum jemals wieder haben wird». Brandenberg verarbeitete Anregungen der grossen italienischen Meister bis zurück zu Raffael, aber auch von Rubens und den Niederländern. Sie waren ihm mit Sicherheit durch Stichwerke bekannt, von denen sich einige aus seinem Besitz erhalten haben. Mit den Stichvorlagen geht er selten rein kopierend um. Vielmehr fügt er Zitate in eigenständige Kompositionen ein oder ändert fremde Kompositionen originell ab. Er steht in der Nachfolge der bolognesisch-klassischen Richtung des italienischen Barocks. Unklassisch und unbolognesisch hingegen ist die Lichtführung in der Art Caravaggios. Im nationalen Kontext schliesst er mit seinen Altarblättern an den Tessiner Francesco Innocenzo Torriani, mit den Historienbildern an den Berner Joseph Werner der Jüngere an. In den frühen religiösen Leinwandbildern (Christus bei Simon, 1682; Der hl. Franz empfängt die Wundmale, 1683, Zug, Museum in der Burg) und Porträts pflegt er eine spontane, fast expressive Pinselschrift. Die Einsiedler Deckenbilder dieser Zeit sind auf Verputz gemalte Quadri riportati in Seccotechnik. Mit den Seitenaltarbildern von Beromünster (1693–94) hebt das Werk der Reife Seite 2/6, http://www.sikart.ch an. Das im Frühwerk noch durchschimmernde manieristische Figurenideal wird aufgegeben zugunsten schwererer, gedrungener Körper. In figurenreichen Kompositionen, die auf Diagonalen, Spiralen oder S-Linien aufbauen, stehen muskulöse Nackte neben antikisch gekleideten Gewandfiguren. Brandenberg bildet eine typische Faltensprache mit scharf zeichnenden Gräten aus. Die Pinselschrift glättet sich und zielt auf eine geschlossene Oberflächenwirkung der Farbhaut. Ungefähr ab 1694 malt er mehrere Altarbilder in klassischem Hochbarock für das Benediktinerkloster Pfäfers. In Pfäfers und den folgenden klösterlichen Grossbauvorhaben der Deutschschweiz (Muri, Rheinau) aber wird der in Freskotechnik arbeitende Tessiner Francesco Antonio Giorgioli als Deckenmaler Brandenberg vorgezogen. In den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts bleibt Brandenberg, soweit bekannt, ohne Grossauftrag. Ab 1709 häufen sich die Aufträge wieder und brechen bis zum Lebensende nicht mehr ab. Grossformatige Deckenbilder auf Leinwand werden für ein Jahrzehnt zu einer Spezialität Brandenbergs. Solche malt er für das Haus Oberer Hirschen in Einsiedeln (1711), den Musiksaal am Fraumünster in Zürich (1717), die Abtskapelle im Stift Einsiedeln (1718) und das Schloss des Hieronymus von Erlach in Thunstetten bei Bern (1715). Hier gesellen sich zu den drei Deckenbildern zwei grosse Schlachtengemälde in bühnenartigen Prospekten, die in das Wandtäfer eingelassen sind. Die einzige grosse Deckenmalerei in rot grundiertem Kasein- oder Tempera-Secco auf Verputz in dieser Zeit ist jene im Grossen Saal des Stifts Einsiedeln (1709–10). Brandenberg malt jetzt an der Decke in einer massvollen Disotto-in-sù-Illusion und ist somit für die damalige Deutschschweiz fortschrittlich. 1718, als Jacob Carl Stauder in Münsterlingen und Cosmas Damian Asam in Weingarten eine totale Illusionsmalerei anwenden, endet Brandenbergs «grosses Jahrzehnt». 1724 beruft das Stift Einsiedeln nicht ihn, sondern Asam zur Ausmalung der Stiftskirche. In den Altarbildern des Spätwerks bleibt Brandenberg seiner barockklassizistischen Grundhaltung treu. Das Kolorit bleibt dunkel, lockert sich kaum auf. Das dekorative Beiwerk verschwindet. In den abgesehen vom grossformatigen Mittelbild auf Holz gemalten Deckenbildern der Liebfrauenkapelle in Zug (1725–27) kehrt er unter weitgehendem Verzicht auf illusionistische Verkürzungen zur altertümlichen Manier der Quadri riportati zurück. Brandenberg ist zusammen mit dem Berner Johannes Dünz der Hauptvertreter einer barock-klassizistischen Porträtauffassung, die sich innerhalb der schweizerischen Bildnismalerei deutlich von der Seite 3/6, http://www.sikart.ch frühbarocken, niederländisch beeinflussten und der spätbarocken, vom Frankreich Rigauds geprägten Phase abhebt. Die Porträtmalerei Brandenbergs zerfällt in zwei Perioden. In der ersten Periode, von 1689 bis 1700, zeichnen sich die Bildnisse aus durch eine klare, deutliche Zeichnung und Schattengebung, den fesselnden Blick der Gesichter, eine nuancenreiche, zart abgestufte Farbigkeit der Fleischtöne und die Dominanz von Gesicht und Händen über Schmuck und Kleidung. In seinen Halbfigurenporträts strebt er durch Vielfalt der Bewegungsachsen Lebendigkeit an, die jedoch geziert und künstlich wirkt. Die zweite Periode, die sich aus Zuschreibungen der Jahre 1719 bis 1728 ergibt, ist charakterisiert durch eine Beruhigung in der Körperhaltung, durch eine weichere Linienführung, durch prunkhaftes, aber auch jetzt niemals das Gesicht konkurrenzierendes Ausbreiten des in satten Farben gehaltenen Beiwerks. Nebst Lehrjungen sind 1686 Franz Josef Kolin und 1707 der Sohn Johann Karl Brandenberg als Mitarbeiter genannt. Johann Karl scheint seit 1707 häufig, wenn nicht dauernd, mit dem Vater zusammengearbeitet zu haben und tritt 1729 als dessen Werkstattnachfolger auf. Noch zu Lebzeiten von der künstlerischen Entwicklung überholt, blieb Brandenbergs Nachwirken auf Zug (Johann Karl Brandenberg, Michael Anton Brandenberg, Franz Thaddäus I. Menteler, Karl Josef Speck der Ältere) und die Innerschweiz beschränkt. Hier findet man Reflexe seiner Altarbildkompositionen bis gegen das Jahrhundertende und sogar noch in der Kunst des Nidwaldners Johann Melchior Wyrsch. Werke: Andermatt, Pfarrkirche, Hochaltar; Beromünster, Stiftskirche, Nebenaltäre; Einsiedeln, Benediktinerstift, Beichtkirche, Grosser Saal, Sammlungen, Studentenkapelle; Fischingen, Klosterkirche, Emporenbrüstung; Pfäfers, Klosterkirche, Sakristei, Psallierchor; Stans, Frauenklosterkirche, Hochaltar; Thunstetten, Schloss; Tscherlach, Kirche St. Johann; Unterägeri, Alte Pfarrkirche (Marienkirche), Hochaltar; Deckengemälde im Musiksaal, Zürich, Stadthaus; Zug, Beinhaus bei St. Oswald, Zurlaubenepitaph, Nothelfertafel; Zug, Kapuzinerklosterkirche, Seitenaltar; Zug, Liebfrauenkapelle, Deckenbilder (mit Werkstatt); Zug, Museum in der Burg. Georg Carlen 1998, aktualisiert 2011 Seite 4/6, http://www.sikart.ch Literaturauswahl - Meisterwerke im Kanton Schwyz. Band II: vom Barock bis zur Gegenwart. Hrsg.: Markus Riek und Markus Bamert. Bern und Zürich: Benteli, 2006 - Werner Oechslin und Anja Buschow Oechslin: Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz. Neue Ausgabe Band III.I. Der Bezirk Einsiedeln I. Das Benediktinerkloster Einsiedeln. Bern: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, 2003 (Die Kunstdenkmäler der Schweiz 100) - Museum in der Burg Zug. Bau, Sammlung, ausgewählte Objekte. Hrsg. von Rolf Keller, Mathilde Tobler und Beat Dittli. Zug, 2002 - Michael Tomaschett: «Neue Erkenntnisse zu einem Werk von Johannes Brandenberg in Engelberg». In: Jahreshefte der Fachstelle für Kultur- und Denkmalpflege Obwalden, 2, 2002, S. 43-47 - Oskar Emmenegger: «Zur Restaurierung der Deckenbilder in der Liebfrauenkapelle Zug. Der Marienzyklus von Johannes Brandenberg (1661-1729)». In: Zuger Neujahrsblatt, 1985. S. 49-59 - Georg Carlen: «Johannes Brandenberg und Raffael. Kleine Zuger Nachlese zum Raffael-Jahr». In: Gruss und Dank zum 75. Geburtstag von Josef Brunner, 20. Juni 1984. Zug: Zürcher, 1984. S. 5-23 - Georg Carlen: Der Zuger Barockmaler Johannes Brandenberg 16611729. Ein Beitrag zur Geschichte der Schweizerischen Barockmalerei. Zug: Kalt-Zehnder, 1977 - Georg Carlen: «Johannes Brandenberg und seine Werke im Stift Beromünster». In: Zuger Neujahrsblatt, 1973. S. 5-45 - Linus Birchler: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug. Band II. ZugStadt. Basel: Birkhäuser, 1935 (Die Kunstdenkmäler der Schweiz 6) - Heinrich Alois Keiser: «Meister Johann Brandenberg und sein Schüler». In: Zuger Neujahrsblatt, 1907, S. 3-15 Nachschlagewerke - Historisches Lexikon der Schweiz. Dictionnaire historique de la Suisse. Dizionario storico della Svizzera, hrsg. von der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz; Chefredaktor: Marco Jorio, Basel: Schwabe, 2002 ff. - Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst. Dictionnaire biographique de l'art suisse. Dizionario biografico dell'arte svizzera. Hrsg.: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich und Lausanne; Leitung: Karl Jost. Zürich: Neue Zürcher Zeitung, 1998, 2 Bde. - Allgemeines Künstler-Lexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, München, Leipzig: Saur, 1992 ff. - Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Unter Mitwirkung von Fachgelehrten des In- und Auslandes herausgegeben von Ulrich Thieme und Felix Becker. 37 Bände. Leipzig: Seemann, 1907-1950 [Taschenbuchausgabe: München: DTV, 1992] Seite 5/6, http://www.sikart.ch - Schweizerisches Künstler-Lexikon, hrsg. vom Schweizerischen Kunstverein, redigiert unter Mitwirkung von Fachgenossen von Carl Brun, 4 Bde., Frauenfeld: Huber, 1905-1917[Reprint: Nendeln: Kraus, 1982]. - Johann Caspar Füesslin: Joh. Caspar Füesslins Geschichte der besten Künstler in der Schweitz. Nebst ihren Bildnissen. Zürich: Orell, Gessner, Füessli, 1769-1779. 5 Bde - Johann Caspar Füssli: Geschichte und Abbildung der besten Mahler in der Schweiz. 2 Theile. Zürich: David Gessner, 1755 & 1757 [erste Lieferung 1754] Direktlink http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4022872&lng=de Normdaten GND 11851430X | Deutsche Biographie Letzte Änderung 09.02.2016 Disclaimer Alle von SIKART angebotenen Inhalte stehen für den persönlichen Eigengebrauch und die wissenschaftliche Verwendung zur Verfügung. Copyright Das Copyright für den redaktionellen Teil, die Daten und die Datenbank von SIKART liegt allein beim Herausgeber (SIK-ISEA). Eine Vervielfältigung oder Verwendung von Dateien oder deren Bestandteilen in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist ohne ausdrückliche Zustimmung von SIK-ISEA nicht gestattet. Empfohlene Zitierweise AutorIn: Titel [Datum der Publikation], Quellenangabe, <URL>, Datum des Zugriffs. Beispiel: Oskar Bätschmann: Hodler, Ferdinand [2008, 2011], in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, http://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4000055, Zugriff vom 13.9.2012. Seite 6/6, http://www.sikart.ch
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