wende im Hinblick auf die Energie - Gas- und Wärme

FACHBERICHTE Power-to-Gas
Geografische Analyse infrastruktureller
Herausforderungen der Energiewende im Hinblick auf die Energiespeicherung durch Power-to-Gas
Erste Einblicke am Beispiel Nordrhein-Westfalens
Marc Fiebrandt, Johannes Schaffert, Dominik Möllenbrink, Jörn Benthin, Janina Senner und
Frank Burmeister
Power-to-Gas, Energiewende, Energiespeicher, PtG, P2G, Standortanalysen, GIS
Power-to-Gas (PtG) bietet die Option der groß dimensionierten saisonalen Speicherung von erneuerbaren Energien
durch die Produktion von Wasserstoff oder synthetischem Erdgas (Methan, SNG). Die Forschungsfrage nach ge­eigneten
Standorten für große PtG-Anlagen zur Einspeisung regenerativer Gase ins Erdgasnetz richtet sich nach dem Vorhandensein der benötigten Energieinfrastrukturen der relevanten Strom- und Erdgasnetze, sowie im Fall von SNG nach lokal verfügbaren biogenen oder industriellen CO2-Quellen für die Methan-Synthese. Um dieser räumlichen D
­ imension gerecht
zu werden, basieren die ausgeführten Analysen auf einem am GWI entwickelten Geoinformationssystem-gestützten
Energiesystemmodell, das über die relevanten Energieinfrastrukturdaten verfügt. Als Betrachtungsraum wurde das Bundesland NRW mit seiner in Deutschland einzigartigen Energie- und Industrie-Struktur gewählt. Erste PtG-Potentialabschätzungen wurden mittels eines strengen Kriterien-Kataloges auf ein technisch sinnvolles Maß gebracht. Beispielhafte
Teilergebnisse werden im Folgenden präsentiert. Die verwendeten Methoden ermög­lichen schließlich die Identifikation
einiger weniger, besonders geeigneter PtG-Standorte und liefern die dazu k­ orrespondierenden SNG Potentiale. Der volle
Satz der Ergebnisse sowie Details über die Methodik werden g
­ esondert veröffentlicht.
Geographical Analysis of infrastructural challenges of the energy
transition with regard to Power to Gas energy storage:
First results for North Rhine-Westphalia
Flexible and technically feasible long-term energy storage is offered by power-to-gas (P2G) technologies e. g. by the production of synthetic natural gas (SNG). The infrastructure necessary for the effective operation of such storage facilities on an
industrial scale poses questions concerning the local electricity supply and the natural gas transmission grid as well as the
availability of biological or industrial carbon dioxide (CO2) required for the methanation process. Considering the geometrical dimension of the problem these questions have to be addressed based on a geographical information system (GIS) approach. Facing this need, GWI developed a model of the German energy system comprising data on the energy infrastructures including conventional and renewable power and CO2 sources. The model enables us to investigate the interdependencies of the German energy system infrastructures. An underlying set of strict selection rules for optimal P2G locations
reduces first theoretical P2G potentials to more realistic technical ones for the example of the German federal state North
Rhine-Westphalia (NRW). Finally, ten particularly synergetic locations are highlighted that fulfil conservative criteria for the
feasibility of P2G plants in NRW. More results and further details on the applied methods will be published separately.
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Power-to-Gas
1. Power-to-Gas
Mit der voranschreitenden Umsetzung der Energiewende
und der damit einhergehenden grundlegenden Transformation des deutschen Energiesystems sind alternative
Speicheroptionen zur Nutzung überschüssiger Leistungen
aus volatilen erneuerbaren Energiequellen für die zu­
künftige Stromversorgung unumgänglich. Energiespeicher
können hohe Marktdurchdringungen erneuerbarer Energien
durch eine flexible und bedarfsgerechte Ein- und Ausspeisung ermöglichen. Große und intelligent positionierte
Energiespeicher haben das Potential, die Stromnetze zu
entlasten und die benötigten vorgehaltenen fossilen
­Reserveleistungen zu reduzieren, indem flexible Residual­
last dargeboten werden kann [1]. Die Produktion von
Wasserstoff mittels Wasserelektrolyse zur stofflichen Nutzung oder zur späteren Rückverstromung ist eine viel
diskutierte Möglichkeit [2]. Eine weitere Möglichkeit der
technisch realisierbaren Langzeitspeicherung bietet die
Herstellung von synthetischem Erdgas (Methan, SNG) aus
dem zuvor erzeugten Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid
(CO2) [3]. Beide Prozessketten werden unter dem Über­
begriff Power-to-Gas (PtG) zusammengefasst. Die um die
Methanisierung erweiterte Prozesskette ermöglicht eine
unbegrenzte Speicherbarkeit des synthetischen Erdgases
in der vorhandenen Erdgas-Infrastruktur, welche nicht
nur das Netz als solches enthält sondern auch all seine
Speicher. Einem perspektivischen schrittweisen Austausch
fossilen Erdgases durch SNG stehen in den verschieden
FACHBERICHTE
Sektoren (Haushalt, Mobilität, Industrie) keine prinzipiellen
technischen Einschränkungen gegenüber.
2. Die Suche nach synergiereichen Standorten
Trotz der genannten Vorteile ergibt sich aufgrund der für den
effektiven Betrieb solcher Speicheranlagen notwendigen Infra­
strukturen eine Reihe von Fragestellungen zur Identifikation
geeigneter Standorte [4]. Dieser Artikels widmet sich daher
den lokalen Stromangeboten, der V
­ erfügbarkeit der Energienetze Strom und Gas sowie des verfahrenstechnisch benötigten Kohlenstoffdioxids zur Synthetisierung von Methan, dem
Hauptbestandteil von Erdgas. Diese Eingangsgrößen wurden
im Energiesystemmodell des Gas- und Wärme-Instituts räumlich aufgelöst miteinander korreliert und mit Hinblick auf infrastrukturell bevorzugte Flächen analysiert. Die entstehenden
räumlich hochaufgelösten theoretischen Power-to-Gas
Potentiale, werden der Übersichtlichkeit halber in einem
­Re­gionenmodell zusammengefasst und dargestellt. Der
entscheidende Schritt, um von theoretischen zu technisch
sinnvollen Potentialen zu kommen ist die Definition geeigneter Kriterien zur Identifikation belastbarer PtG-Stand­
orte. Die Entwicklung und hierarchische Strukturierung der
Standortkriterien ist essentiell für die Filterung von lokalen
theoretischen Potentialen und für die Bewertung derselben.
Im Folgenden werden Auszüge der zugrundeliegenden
Geodaten präsentiert und die aus einem ausgewählten
Kriteriensatz resultierenden Modellergebnisse dargestellt.
Bild 1: Biogasanlagen (größer
1 MW Nennleistung) sowie
Biogas­einspeiseanlagen in NRW.
An den 18 besonders synergie­
reichen ­Einspeise-Standorten
steht ­hochkonzentriertes CO2
nach ­einer Abscheidung aus Biogas ­sowie Einspeiseanlagen zur
­Übergabe der Gasmengen an das
Erdgasnetz bereits zur Verfügung.
Biogaseinspeisung nach [12], Biogasanlagen aufbereitet nach [13]
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Bild 2: Große CO2-Quellen ab
100 000 t Jahresausstoß, aus­
gewählte Industriesektoren
und erdgasbefeuerte
­Kraftwerke. Daten nach [15]
Bild 3: Theoretisches Potential
synthetischer Erdgasmengen in
NRW. Eigene Berechnung und
Darstellung
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Power-to-Gas
3. Theoretische Power-to-Gas Potentiale
im GWI-Energiesystemmodell
Für die vorliegenden Arbeiten wurde das deutsche
Stromtransportnetz mit den Spannungsebenen von 380
und 220 kV sowie die durch das Energieleitungsaus­
baugesetz (EnLAG) und Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG)
genehmigten Netzausbauten zugrunde gelegt [5–8]. Das
resultierende Stromnetzmodell entspricht daher in etwa
dem für das Jahr 2025 zu erwartenden Ausbauzustand
dieser Spannungsebenen. Zusätzlich wurde das Erdgastransportnetz in verschiedenen Größenklassen zur
Verteilung des SNG integriert. Die nordrheinwestfälischen
Standorte konventioneller und regenerativer Energie­
erzeugungsanlagen in definierten Größenordnungen ergänzen den Datensatz. Weiterhin werden ausgewählte
CO2-Quellen biogener Art sowie solche aus dem Energiesektor und der Industrie mit Jahresaufkommen über
100 000 t miteinbezogen. Bei den biogenen CO2-Quellen
bieten neben Bioethanol- und Kläranlagen besonders
Biogasanlagen mit Vor-Ort-Verstromung bzw. Gasauf­
bereitung und Einspeisung in das Erdgasnetz ein technisch
und wirtschaftlich interessantes Potential [9], [10]. Bei der
Biogasaufbereitung fällt in der Regel hochkonzentriertes
CO2 (bis zu 99 Vol.-%) an, welches heute üblicherweise in
die Atmosphäre entlassen wird. Dieses CO2 direkt vor Ort
für die Methanisierung zu verwenden bietet sich als besonders synergiereiche PtG-Option an. Demzufolge kann
nicht nur das aufbereitete Biogas über die bereits vor­
handenen Einspeiseanlagen an das Erdgasnetz übergeben
werden, sondern ebenfalls das aus dem abgeschiedenen
CO2 hergestellte Methan. Da zudem integrierte Metha­
nisierungskonzepte in Biogasanlagen möglich sind, birgt
diese Anlagenart für PtG-Standorte besonders hohes
Potential zur Einbindung in ein innovatives Energie­
­
speicherkonzept (siehe Bild 1) [10], [11].
Aus dem Energiesektor werden für die vorliegende
Studie unter den fossilen Kraftwerken lediglich Erdgaskraftwerke als CO2-Quellen in Betracht gezogen, da diesen
auch langfristig noch eine wichtige Rolle im deutschen
Energiesystem zugeschrieben wird. Sie sind in Bild 2 als
rote Flammen dargestellt. Die hier berücksichtigten Industriezweige umfassen gemäß der Systematik der Wirtschaftszweige in der europäischen Gemeinschaft (NACE)
die „Herstellung von chemischen Erzeugnissen“ (Ab­
teilung 20), die „Herstellung von Glas und Glaswaren,
­Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ (23), die
„Metallerzeugung und -bearbeitung“ (24) sowie die
„Energieversorgung“ mittels Erdgas (35) [14]. Bei den ausgewählten Industriesektoren handelt es sich um die
größten CO2-Emittenten, deren teils prozessbedingt
­anfallende CO2-Mengen besonders großes Potential
als zukünftiger Rohstofflieferant haben. Die CO2-Ab­
scheidung aus der Atmosphäre wurde nicht betrachtet.
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FACHBERICHTE
Basierend auf den CO2-Punktquellen können unter
Verwendung einiger Annahmen (u. a. Jahresvolllaststunden
und Abscheideraten [16]) erste theoretische PtG-Leistungspotentiale und zugehörige SNG-Mengen (siehe Bild 3) in
den definierten Bilanzkreisen berechnet werden.
Diese großen, sich aus den abscheidbaren CO2-­
Mengen ergebenden theoretischen PtG-Potentiale übertreffen in installierter PtG-Leistung ausgedrückt mit über
50 GW den gesamten Kraftwerkspark in NRW (45 GW). Es gilt
nun, diese großen Potentiale anhand infrastruktureller Vorgaben auf technisch sinnvolle Potentiale zu einzugrenzen.
4. Kriterienentwicklung und resultierende
technische Potentiale
Wesentlicher Bestandteil der Studie ist die Einführung
von PtG-Standortklassen bewertet nach den lokal nutzbaren Infrastrukturen und eine zusätzliche grobe Einordnung der Standorte nach möglichen Leistungsgrößen.
Als weitere Variable wurden unterschiedlich zulässige
Entfernungen zu den Strom- und Gas-Infrastrukturen
­definiert, um erste Einblicke in den lokal zu erwartenden
Netzanschlussaufwand zu erhalten. Der iterative Prozess
der Implementierung von Abschätzungen und Einschränkungen hinsichtlich der Standortauswahlkriterien
soll hier nur in Ansätzen erläutert werden und wird
­gesondert veröffentlicht.
Die resultierenden technischen Potentiale sind in der
Summe für NRW in Bild 4 dargestellt. Das größte SNGPotential liegt demnach an Standorten der Energie­
versorgung mit Erdgasfeuerung. Hier sind aufgrund der
hohen stündlich abscheidbaren CO2-Mengen höhere
­
Bild 4: Theoretisches und technisches Potential für synthetisches Methan aus
­Power-to-Gas-Prozessen in NRW nach Wirtschaftszweigen (graues CO2) und für
den Spezialfall vorhandener Biogaseinspeiseanlagen (grünes CO2)
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FACHBERICHTE Power-to-Gas
Bild 5: Potentielle Power-to-Gas Standorte in NRW nach CO2-Quellen (Teilergebnis)
Bild 6: Auswahl infrastrukturell besonders vorteilhafter Standorte für potentielle PtG-Großprojekte in NRW
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PtG-Leistungen und umsetzbare SNG-Mengen möglich.
Diese Anlagen finden sich vermehrt im Rheinland sowie im
östlichen Ruhrgebiet. Es schließen sich weitere erhebliche
SNG-Potentiale in den drei vorab genannten Industrie­
sektoren an. Diese summieren sich auf 3,8 Mrd. m³/Jahr und
entsprechen bei einem Heizwert von 10 kWh/m³ einer
Energiemenge von 38 TWh oder 17,8 % des jährlichen
Primärenergieverbrauchs an Erdgas und Erdölgas in NRW
2013 [17].
Das Potential der heute bereits vorhandenen Biogas­
einspeiseanlagen ist etwa zwei Größenordnungen niedriger
und liegt auf dem letzten Rang der hier betrachteten
PtG-Optionen. Es sei jedoch angemerkt, dass diese
Standorte durch die vorhandenen Anlagen und Stoff­
ströme prädestiniert sind für erste PtG-Projekte. Des Weiteren besteht ein erhebliches Ausbaupotential durch eine
perspektivische Konvertierung von Biogas-Verstromungsanlagen in kombinierte Biogaseinspeise- und PtG-Anlagen,
wenngleich die Größenordnung der CO2-Mengen des in
NRW verorteten Erdgaskraftwerksparks und der CO2-­
intensiven Industrien bei Weitem nicht erreicht wird.
Als ein Teilergebnis der Standorteingrenzung sind in
Bild 5 beispielhaft all jene Standorte dargestellt, die in
­einem Radius von 5 km um Ihre CO2-Quelle über die erforderlichen Strom- und Erdgas-Infrastrukturen verfügen und
die Annahmen aus Tabelle 1 sowie weitere Be­dingungen
FACHBERICHTE
erfüllen. Es wurde hier gezielt auch nach einer direkten
Abnahmemöglichkeit von Strommengen aus Windparks
und/oder PV-Anlagen ab 10 MW im räumlichen Kontext, d. h. via Stichleitung ohne Beanspruchung der
Stromnetze gesucht. Das zugehörige SNG-Potential
­beträgt 2 742 Mio. m³/Jahr, entsprechend 14,8 % des
theoretischen Ausgangspotentials oder 12,8 % des
Primärenergieverbrauches der Energieträger Erdgas
­
und Erdölgas in NRW 2013 [17].
Durch eine weitere Einschränkung der potentiellen
PtG-Standorte konnten die zehn infrastrukturell vorteilhaftesten Standorte für einen groß dimensionierten
­Methanisierungsbetrieb identifiziert werden. Da der Transport von CO2 z. B. durch eigens zu errichtende Pipelines
kategorisch ausgeschlossen wurde, wurden alle Standorte
in unmittelbarer Nähe der großen CO2-Punktquellen verortet. Durch die Berücksichtigung der geplanten Hochspannungsgleichstromtrasse durch NRW mit dem Netzanschlusspunkt bei Osterath finden sich dort lokalisierte
CO2-Quellen unter den synergiereichsten Standorten.
Hier bietet sich die Direktnutzung von onshore oder
­offshore Windstrom aus Norddeutschland an, der in Form
von Gleichstrom direkt in der Elektrolyse verwendet
wwerden könnte. Umwandlungsverluste des Gleich­
stroms in Drehstrom zur Einspeisung in das Netz entfielen
und durch die dort vorausgesetzten Knotenpunkte wären
Tabelle 1: Annahmen zur Infrastrukturanalyse
Getroffene Annahmen zur Infrastrukturanalyse
Spezifische Annahmen
Maximale Volllaststundenzahl der Prozesskette gedeckt durch erneuerbare Energien.
2 000 h/a
Maximal zulässige elektrische Leistung je Standort aufgrund technischer Beschränkungen.
1 000 MW
Systemwirkungsgrad der gesamten Umwandlungskette inkl. Komprimierung auf 80 bar und Einspeisung in das Erdgasnetz.
60 %
Keine Berücksichtigung von CO2-Pipelines oder weiteren CO2-Transportmöglichkeiten: Die CO2-Standorte werden als PtGStandorte angesehen.
Keine Berücksichtigung von CO2-Speichern am Standort: CO2-Abscheidung erfolgt nur, wenn die vereinfachte Prozesskette in Betrieb ist.
Keine Berücksichtigung von ggf. höherem Brennstoffeinsatz durch CO2-Abscheidung.
Konstante Annahme der CO2-Jahresfracht je Standort, entsprechend anvisierter Inbetriebnahmen der Netzausbauten
durch EnLAG und BBPlG.
bis zum
Jahr 2022
Netzausbauten durch EnLAG und BBPlG als abgeschlossen berücksichtigt.
Gesellschaftliche Akzeptanz für infrastrukturelle Anschlussnotwendigkeiten in einem definierten Umkreis um den Standort vorausgesetzt.
bis 10 km
Vollständige Abführbarkeit der Prozesswärme ohne zusätzliche Systeme oder Verluste.
Mindestdurchmesser der Erdgasleitung zur Einspeisung variabler Mengen an SNG.
DN 300
Ausreichende Versorgung der Elektrolyse mit Wasser ist gegeben.
Globale Annahmen
Einspeisung des synthetischen Methans ausschließlich in das Erdgasnetz und demzufolge keine Betrachtung weiterer Verwendungsmöglichkeiten.
Keine baulichen Einschränkungen durch Naturschutzgebiete, Wohnbebauung oder andere Hinderungsgründe.
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auf den unterschiedlichen Spannungsebenen des 380 bzw.
220 kV-Transportnetzes netzdienliche PtG-Betriebsweisen
möglich. Weitere infrastrukturell prädestinierte Standorte finden sich südwestlich von Köln (Erdgas-­Energieversorgungsund Biogaseinspeiseanlagen) sowie im Münsterland und in
Ostwestfalen (Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von
Steinen und Erden, siehe Bild 6). Die ausgewählten zehn
Standorte könnten 1,8 % des theoretischen SNG Potentials
in NRW produzieren. Dies entspräche trotz konservativer
Abschätzungen einer Menge von etwa 330 Mio. m³/Jahr.
Weitere Analysen und Ergebnisse im Detail, sowie
e­ine detaillierte Beschreibung der hier angewandten
­Methodik werden gesondert veröffentlicht.
5. Ausblick
Der hier dargestellte Stand der Forschung kann nicht als
abgeschlossenes Ergebnis, sondern muss als ein Auftakt
zu einer Reihe von Studien zu Power-to-Gas Potentialen
unter Berücksichtigung unterschiedlichster Rahmen­
bedingungen verstanden werden. An allen Eingang­
sparametern, beginnend mit den Energienetzen, über die
Erzeugungs- und Verbrauchsstrukturen, bis hin zu den
Endanwendungen synthetischer Gase kann und soll
­weiter gearbeitet und nachgeschärft werden. So sollen zum
Beispiel unterschiedliche EE-Ausbaupfade und Energie­
infrastrukturausbaupfade zukünftig Berücksichtigung
­finden, um Einblicke in die relevanten Standortklassen
z. B. für das Jahr 2050 geben zu können. Weitere Verwendungspfade für regenerativ erzeugte Gase beispielsweise
im Bereich der Mobilität bieten weitere große Arbeits­
felder. Auch das Studium der Möglichkeiten der kürzeren
und weniger energieintensiven PtG-Prozesskette zur
­Herstellung von Wasserstoff und die Nutzungsoptionen
desselben sollen separat behandelt werden. Wesentlich
ist bei allen Ansätzen die weitere Entwicklung inkl. Fall­
unterscheidungen der hier nur grob behandelten Standortkriterien. Die erzielten Ergebnisse sollen im Kontext der
Energiewende fortlaufend überarbeitet und in Wechselwirkung mit anderen Akteuren des Energiesektors weiterentwickelt werden. Ziel ist es dabei die erarbeiteten M
­ ethoden
auf die nächst größeren Bilanzräume D
­ eutschland und perspektivisch die EU zu übertragen.
Die Forschungsfrage nach geeigneten Standorten für
Power-to-Gas-Anlagen wird auch im Rahmen des Virtuellen
Instituts Strom zu Gas und Wärme in großer Detailtiefe und
unter Teilnahme von Projektpartnern aus unterschiedlichen
Fachdisziplinen behandelt [18]. Technologieoffen werden
auch prädestinierte Standorte für weitere Flexibilisierungsoptionen aus der Power-to-... Familie analysiert. Die
geplanten Studien schließen auch hier nicht betrachtete
Themenkomplexe zu den Themen Regelungstechnik/
Netzbetrieb, Kosten und Marktmodelle, sowie regula­
torische Rahmenbedingungen mit ein und versprechen
zukünftig einen vertieften systemanalytischen Überblick
über die hier angerissenen Forschungsgegenstände.
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Literatur
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Grond, L.; Schulze, P. und Holstein, J.: Systems Analyses Power to
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Jentsch, M.; Trost, T. und Sterner, M.: Optimal Use of Power-toGas Energy Storage Systems in an 85 % Renewable Energy
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Quartal 2014. Bonn: Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas,
Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, 2015
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BBPlG: BBPlG – Gesetz über den Bundesbedarfsplan (Bundesbedarfsplangesetz – BBPlG), 2013
[8]
Bundesnetzagentur: Stand des Ausbaus von Leitungsvorhaben
nach dem Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) zum vierten Quartal
2014. Bonn, 2014
[9]
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik
UMSICHT; Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energie­
systemtechnik IWES: Abschlussbericht Metastudie Energiespeicher, 2014
[10] Virtuelles Institut: Strom zu Gas und Wärme: Technologie­
charakterisierungen in Form von Steckbriefen, 2015. – http://
www.gwi-essen.de/fileadmin/documents/bgt/Anlage_Steckbriefsammlung.pdf
[11] Trost, T., Jentsch, M., Holzhammer, U. und Horn, S.: Die Biogas­
anlagen als zukünftige CO2-Produzenten für die Herstellung
von erneuerbarem Methan. In: gwf-Gas | Erdgas (2012), Nr. 03,
S. 172–179
[12] dena; Fraunhofer IWES; DVGW; IEA: Biogaspartner. URL
www.biogaspartner.de. - abgerufen am 2015-07-22
[13] Engel, T.: Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e. V. (DGS),
Berlin: EE-Anlagenregister, Stand 21.11.2012. URL http://www.
energymap.info/
[14] eurostat: Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der
Europäischen Gemeinschaft NACE Rev. 2 (2008)
[15] Umweltbundesamt UBA: Schadstofffreisetzungs- und Ver­
bringungsregister „Pollutant Release and Transfer Register“
(PRTR) Thru, Stand 2013. URL www.thru.de. – abgerufen am
2015-06-18. – Stand 2013
[16] Abschlussbericht „Virtuelles Institut Strom zu Gas und Wärme
– Flexibilisierungsoptionen im Strom-Gas-Wärme-System;
­Entwicklung einer Forschungsagenda vor dem Hintergrund
der spezifischen Rahmenbedingungen und Herausforderungen für NRW“: Gas- und Wärme-Institut Essen e. V., Energie­
wirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln, Forschungszentrum Jülich (Institut für Energie- und Klimaforschung),
gwf-Gas | Erdgas
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Power-to-Gas
­ niversität Bochum (Technische Chemie), Wuppertal InstiU
tut, Zentrum für Brennstoffzellentechnik Duisburg, 2014.
­– http://www.gwi-essen.de/index.php?id=261&L=llrsfmcp#c641
[17] Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen:
Energiedaten-NRW-2014. URL http://www.energieagentur.
nr w.de/_database/_data/datainfopool/EnergiedatenNRW-2014.pdf. – abgerufen am 2015-07-17
FACHBERICHTE
[18] Cluster EnergieForschung.NRW; Ministerium für Innovation; Wissen­
schaft und Forschung; Ministerium für Innovation, Wissenschaft und
Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen: Virtuelles Institut:
Strom zu Gas und Wärme – Flexibilitätsoptionen im integrierten
Strom-, Gas- und Wärmesystem (2014). – (Broschüre) https://
broschueren.nordrheinwestfalendirekt.de/broschuerenservice/­
energieagentur/virtuelles-institut-strom-zu-gas-und-waermef lexibilitaetsoptionen-im-integrier ten-strom-gas-und-­
waermesystem/1792
Autoren
Marc Fiebrandt
Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. |
Essen |
Tel. +49 201 3618 269 |
E-Mail: [email protected]
Jörn Benthin
Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. |
Essen |
Tel. +49 201 3618 258 |
E-Mail: [email protected]
Dr. rer. nat. Johannes Schaffert
Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. |
Essen |
Tel. +49 201 3618 235 |
E-Mail: [email protected]
Janina Senner
Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. |
Essen |
Tel. +49 201 3618 277 |
E-Mail: [email protected]
Dominik Möllenbrink
Ruhr-Universität Bochum |
Lehrstuhl Energiesysteme und
­Energiewirtschaft |
Bochum |
Tel. +49 234 25794 |
E-Mail: [email protected]
Frank Burmeister
Gas- und Wärme-Institut Essen e. V. |
Essen |
Tel. +49 201 3618 245 |
E-Mail: [email protected]
Parallelheft gwf-Wasser | Abwasser
In der Ausgabe 10/2015 lesen Sie u. a. folgende Beiträge:
Krebs u. a.: Behandlung des Prozesswassers aus hydrothermal karbonisiertem Klärschlamm vor der Einleitung in eine Abwasserreinigungsanlage
Bulle u. a.: Kritische Analyse des abwassertechnischen Regelwerkes für Kleinkläranlagen und kleine Kläranlagen (Merkblatt DWA-M 221, Arbeitsblatt DWA-A 222) ‒ Teil 2: Bemessung und technische Gestaltung von Biofilmreaktoren mit feinblasiger Druckluftbelüftung in der dezentralen Abwasserbehandlung
Arndt / Pieronczyk: Kommunale Haftungsrisiken bei Starkregen, Rückstau und wild abfließendem Oberflächenwasser – Teil 1
Lauruschkus / Rehberg: Vergleich Europäischer Wasser- und Abwasserpreise ‒ Teil 2: Abwasserpreise und -gebühren
Merkel / Schmidt: Forschung, Beratung und Weiterbildung am IWW Zentrum Wasser: Jahresbericht 2014
gwf-Gas | Erdgas
10/2015
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