FACHBEITRAG Metalldichtungen für kritische Ventilanwendungen ANDREAS VOSS Metallische Dichtungen werden da eingesetzt, wo Dichtungen aus anderen Materialien versagen. Erhältlich in einer Vielzahl von Größen und Formen bieten sie beinahe unendliche Haltbarkeit und langfristige Dichtwirkung ohne Porosität. Sie widerstehen Temperaturen von -250 °C bis +1.200 °C sowohl im Ultrahochvakuum, als auch unter Hochdruck. Diese Eigenschaften machen sie zur Dichtungslösung erster Wahl für Armaturen, die in immer anspruchsvolleren Umgebungen eingesetzt werden. I n einer typischen Raffinerie oder Chemieanlage sind circa 60 % aller flüchtigen Emissionen auf undichte Ventile zurückzuführen. Von diesen Leckagen sind fast 80 % der Abdichtung der Ventilspindel zuzuordnen. Darüber hinaus finden sich Undichtigkeiten am Ventilgehäuse, dem Ventilsitz und den Flanschverbindungen des Ventils. Da die Betriebsbedingungen in der Chemie, Petrochemie und anderen Industriebereichen mit steigenden Temperaturen und Drücken zunehmend höhere Anforderungen an Ventile stellen, kommen herkömmliche Dichtungslösungen an ihre Grenzen. Weiche, komprimierbare Elastomerdichtungen bieten eine gute Dichtwirkung – sie sind jedoch porös und halten oftmals nicht Temperaturen über 250 °C stand. Bei kryogenen Temperaturen verhärten sie und werden spröde. Metalldichtungen haben eine deutlich breitere Temperaturbeständigkeit, sehr gute mechanische Eigenschaften, einen Mangel an Porosität und bieten eine lange Haltbarkeit. Die mögliche Verformbarkeit und Elastizität sind aber typische Faktoren, die die Einsetzbarkeit von metallischen Dichtungen begrenzen. Denkt man an Metalldichtungen, kommen einem massive Profildichtungen, kammprofilierte Dichtungen oder vielleicht auch Metallweichstoffdichtungen wie Spiraldichtungen und gewellte Bleche mit Weichstoffauflage in den Sinn. Sie haben eine nur sehr geringe Rückfederung und werden im Krafthauptschluss eingesetzt. Neben den Einsatzparametern Medium, Druck und Temperatur muss die Dichtung so auch allen Betriebskräften der Verbindung widerstehen. Leckage kann das Resultat sein oder auch die Notwendigkeit, die Verbindung in regelmäßigen Abständen bis zum Totalausfall der Dichtung nachzuziehen. Alle diese Nachteile müssen heute durch den Einsatz moderner, elastischer Metalldichtungen (Bild 1) nicht mehr in Kauf genommen werden. Die Vorteile der Metalldichtung, ein extrem breiter Temperaturbereich, Vakuum- und Hochdrucktauglichkeit, der Mangel an Porosität und damit eine gleichbleibend hohe Dichtwirkung, tritt in den Vordergrund. Elastische Metalldichtungen werden im Kraftnebenschluss eingesetzt und sind so von Betriebskräften geschützt. Die heute verfügbaren elastischen Bild 1: Elastische Metalldichtungen für unterschiedliche Anforderungen an Zuverlässigkeit, Druckbeständigkeit und Rückfederung (v. l. o.: Feder unterstützte Metalldichtung, C-Ring, v. l. u.: O-Ring, E-Ring) Industriearmaturen 3|2015 69 FACHBEITRAG bietet einen spezifischen Widerstand gegen Kompression, wodurch die resultierende Anpresskraft den Mantel in die mikroskopisch kleinen Unregelmäßigkeiten der abzudichtenden Fläche drückt. Jede einzelne Windung der Schraubenfeder reagiert unabhängig und ermöglicht der Dichtung die Anpassung an Unebenheiten der Gegenfläche. Diese Kombination aus Elastizität und Plastizität sorgt für eine extrem effiziente Abdichtung, sogar unter kritischer, wiederholt auftretender Dekomprimierung der Dichtung. DRUCKUNTERSTÜTZTE METALLDICHTUNGEN Bei den druckunterstützten Metalldichtungen gibt es die Varianten metallische C-Ringe, O-Ringe, E-Ringe und U-Ringe. Bild 2: Federunterstützte Metalldichtung für ein optimales Rückstellvermögen Metalldichtungen mit und ohne Federunterstützung werden immer häufiger in Ventilen eingesetzt, die unter extremen Einsatzbedingungen effektiv funktionieren müssen. FEDERUNTERSTÜTZTE METALLDICHTUNGEN Das Dichtprinzip von federunterstützten Metalldichtungen (Bild 2) basiert auf der plastischen Verformung eines Mantels, dessen Verformbarkeit höher ist als die der abzudichtenden Fläche. Der elastische Kern der federunterstützten Metalldichtung besteht aus einer eng gewickelten Schraubenfeder. Die Feder Bild 3: Metallischer C-Ring 70 Industriearmaturen 3|2015 Metallische C-Ringe Das Dichtkonzept von metallischen C-Ringen (Bild 3) basiert auf der elastischen Verformung des C-förmigen Ringquerschnitts. Dessen Merkmale bestimmen die Drucklast der Dichtung. Zusammen mit einer definierten Kompressionsrate führt die Kraft zu einem spezifischen Anpressdruck auf die Gegenfläche. Eine Oberflächenbehandlung in Form einer weichen Silberbeschichtung kann angewendet werden, um die plastische Verformbarkeit der Dichtung zu verbessern und gleichzeitig die zum Erreichen der gewünschten Dichtheit notwendige Montagekraft zu reduzieren. Die Öffnung der C-Ringe wird normalerweise zum Systemdruck hin ausgerichtet, um mit dessen Hilfe eine druckunterstützte Dichtwirkung zu erzielen. Diese unterstützende Wirkung nimmt unmittelbar proportional zum Anstieg des Differenzsystemdrucks zu. Metallische O-Ringe Sie wurden zur Abdichtung bei Hochdruck- und Hochtemperaturanwendungen entwickelt, die nur eine geringe Rückfederung erfordern. Sie werden aus hochfesten Metallrohren hergestellt, die maßgerecht aufgewickelt, geschnitten und geschweißt werden (Bild 4). Die Dichtkraft lässt sich durch Veränderung des Querschnittsdurchmessers und der Rohrwandstärke anpassen. Einfache metallische O-Ringe sind zur Abdichtung von Nieder- und Mitteldruckanwendungen geeignet, da zu hohe Drücke die Wand des O-Ringes zum Kollabieren bringen können. Für Hochdruckanwendungen sind selbstverstärkende metallische O-Ringe verfügbar. In der dem Systemdruck ausgesetzten Wand befinden sich kleine Bohrungen. Der Systemdruck dringt so in den metallischen O-Ring ein und verstärkt diesen. Das Risiko des Kollabierens der O-Ring-Wand sinkt. FACHBEITRAG Als weitere Option können metallische O-Ringe mit Inertgas gefüllt werden, dessen Druck mit einem Anstieg der Systemtemperatur zunimmt. Durch die dabei entstehende Unterstützung wird der Festigkeitsverlusts des O-Ring-Materials im Betrieb teilweise ausgeglichen. Gasgefüllte O-Ringe werden in Umgebungen mit hoher Wechselbeanspruchung eingesetzt. Metallische E-Ringe Sie wurden für Hochtemperaturanwendungen entwickelt, bei denen eine geringe Anpresskraft und hohe Rückfederung der Dichtung entscheidend sind (Bild 5). Im Betrieb werden E-Ringe ebenfalls durch den Systemdruck verstärk. Die Flächenpressung nimmt zu und die Leckage wird minimiert. Die Geometrie der Dichtung kann den Anforderungen einer spezifischen Anwendung entsprechend ausgelegt werden. Bild 4: Metallischer O-Ring Metallische U-Ringe Sie bieten ähnlich wie E-Ringe eine gute Rückfederung, haben jedoch einen geringeren Verformungsbereich. Sie können eine kostengünstige Lösung für Anwendungen sein, die eine höhere Rückfederung erfordern, als zum Beispiel ein üblicher C-Ring erreicht. VENTILANWENDUNGEN Elastische Metalldichtungen werden heute in einer Vielzahl von Ventilanwendungen eingesetzt: Als Gehäusedichtung, im Ventilsitz, als Abdichtung druckentlasteter Ventilkegel, zur sekundären Abdichtung von Sitzringen und zur Spindelabdichtung. Absperrklappen werden klassisch mit weichen Dichtungswerkstoffen abgedichtet, deren Einsatzgrenzen schnell erreicht werden. Hohe Betriebstemperaturen zusammen mit weiteren Anforderungen wie Brandbeständigkeit („Fire-Safe“-Ausführung), längere Lebensdauerzyklen, chemische Beständigkeit und eine hohe Dichtwirkung werden von federunterstützten Metalldichtungen erfüllt. Im Hochtemperaturbetrieb wird als Mantelmaterial typischer Weise Nickel oder Inconel®, bei kryogenen Temperaturen hingegen Kupfer verwendet. Federunterstützte Metalldichtungen erlauben bidirektionalen Durchfluss und erreichen Standzeiten von mehr als 100.000 Zyklen. Immer mehr Anwender greifen zu dreifachexzentrische Absperrklappen für Hochdruckanwendungen von ungefähr 100 bis 150 bar. Diese bieten kompaktere Einbaumaße, ein geringeres Gewicht, geringere Drehmomente, eine gute metallische Dichtwirkung und einen geringeren Verschleiß für eine hohe Lebensdauer und geringere Wartungskosten. Dreifachexzentrische Hochdruck-Absperrklappen werden im Sitz häufig mit einer massiven, mechanisch bearbeiteten Metalldichtung für kritische bidirektionale Anwendungen abgedichtet. Lamellierte Dichtungen mit wechselhaft angeordneten Schichten von Metall und Graphit bieten dagegen eine höhere Flexibilität und eine wirksamere Dichtleistung. Diese hochpräzisen Dichtungen besitzen komplexe Geometrien, die den Graphitfluss kontrollieren und Drücken von bis zu 150 bar standhalten. Doppelexzentrische Absperrklappen können ebenfalls mit einer massiven Metalldichtung im Hochdruckbetrieb bis 100 bar abgedichtet werden. Feder- Bild 5: Metallischer E-Ring Industriearmaturen 3|2015 71 FACHBEITRAG Bild 6: Absperrklappe mit federunterstützter metallischer Sitzdichtung unterstützte Metalldichtungen (Bild 6) erreichen eine bessere Dichtwirkung bei Drücken bis 50 bar. Die Feder kompensiert Verschiebungen zwischen dem Sitz und der Scheibe aufgrund von thermischer Ausdehnung oder Druck. Diese Eigenschaft ermöglicht den Einsatz für LNG, Dampf und andere extremen Anwendungen, wo eine hohe Dichtheit und Beständigkeit über einen langen Zeitraum gefordert wird. Einsatz bei Kugelhähnen und Sitzventilen Laminierte Graphit- und federunterstützte Metalldich- Bild 7: Zapfengelagerter Kugelhahn: metallische Dichtungen z. B. als Gehäusedichtung und Sekundär-Sitzringdichtung 72 Industriearmaturen 3|2015 tungen können auch zur Abdichtung von Kugelhähnen, Durchgangsventilen, Schiebern und Class 5 und 6 Abschaltventilen genutzt werden. Gehäuse-/ Deckeldichtungen von Durchgangsventilen, Kegelventilen und Kugelhähnen wurden traditionell mit Spiraldichtungen, Graphit-Metalldichtungen oder Flachdichtungen aus Faserverbundmaterialien abgedichtet, die allesamt im Krafthauptschluss eingesetzt werden. Graphit allerdings neigt durch Wärmeeinwirkung zur Entspannung. Sie bedingt ein regelmäßiges Nachziehen der Verbindung und kann schlimmstenfalls bis zum Versagen der Dichtung führen. Federunterstützte Dichtungen und C-Ringe im Kraftnebenschluss haben sich als eine bessere Lösungen für Ventile erwiesen, die unter kritischen Bedingungen wie Hochtemperatur und Hochdruck arbeiten, geringe Emissionen erfordern und ein gewisses Maß an Bewegung in den Verbindungsstellen erfahren oder aber unter kryogenen Temperaturen Lastwechseln unterzogen werden. Die Abdichtung druckentlasteter Kegel in Durchgangsventilen und Class 5 und 6 Abschaltventilen geschieht durch dynamische Dichtungen, die sich mit dem Kegel bewegen. Hergestellt mit Bohrungen zum Druckausgleich, reduzieren diese Ventilkegel Drehmomentanforderungen, so dass kleinere Antriebe verwendet werden können. Gleichzeitig werden jedoch sekundäre Leckagewege geschaffen. Für Ventile im Hochtemperaturbetrieb und der Forderung nach geringen Emissionen kann eine dynamisch wirkende federvorgespannte Metalldichtung am oberen Ende des Ventilkegels installiert werden, um so Leckage nach außen zu verhindern. Die sekundäre Abdichtung des Sitzringes von primär metallisch abgedichteten, zapfengelagerten Hochdruck-Kugelhähnen stellt ein häufiges Problem in der Ventilindustrie dar. Die allgemeine Lösung stellt eine Dichtung zwischen dem Ventilgehäuse und dem Sitzring dar, der durch Federkraft gegen die Ventilkugel gedrückt wird. Verwendet werden dafür herkömmlich Tellerfedern, Schraubenfedern oder formgepresstes Graphit. In einigen Fällen wird für Hochtemperaturanwendungen auch keine Sekundärdichtung eingesetzt. Je nachdem, wieviel Bewegung des Sitzringes gefordert wird, können elastische Metalldichtungen wie federunterstützte Dichtungen, E-Ringe, U-Ringe oder C-Ringe zum Einsatz kommen (Bild 7). Auch ist der Einsatz speziell ausgelegter formgepresster GraphitRinge möglich. FACHBEITRAG Federvorgespannte Dichtungen für rotierende, steigende Spindeln oder Linearventile bieten vollen metallischen Kontakt, Dichtheit bis 10-5 mbar . l/s und erlauben axiale Schaftbewegung. Zur Abdichtung von Ventilspindeln sind auch spezielle PackungsringSets verfügbar, die flüchtige Emissionen zuverlässig verhindern und den harten Betriebsbedingungen in chemischen, petrochemischen und kerntechnischen Anlagen widerstehen (Bild 8). Einige der genannten Anwendungen beinhalten dynamische oder semi-dynamische Abdichtungen, für die metallische Dichtungen in der Regel nicht geeignet sind. Die richtige Auswahl der Materialien und Beschichtungen kann die Reibung reduzieren, die Verschleißfestigkeit erhöhen und vor Korrosion schützen. Traditionelle Beschichtungen bestehen galvanisch aufgetragen aus Gold, Nickel oder Silber. Modernere Beschichtungen sind thermische Sprays, PVD oder CVD. Bild 8: Regelventil: Einsatz von metallischen Dichtungen in statischen und semidynamischen Anwendungen Autor ANDREAS VOSS Ventilspindeln, die wie bereits erwähnt die größte Ursache für flüchtige Emissionen darstellen, werden weiterhin mit Graphit oder PTFE-Stopfbuchsringen abgedichtet. Keines dieser Materialien ist jedoch für den Einsatz in kryogenen Anwendungen oder bei Hochtemperatur in sauerstoffhaltiger, oxidierender Umgebung geeignet. Market Manager Technetics Group EnPro Industries companies 41468 Neuss Tel.: 0800 627 01 51 [email protected] Industriearmaturen 3|2015 73
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