2 Thun / Region Montag 22. Juni 2015 Zum Schutze von Orchideen und Reptilien Der Frauenschuh ist eine von 38 Orchideenarten, die in der Gemeinde Sigriswil wild wachsen. Wie 5 andere in Sigriswil heimische Arten zählt sie zu den national gefährdeten Orchideen. Patric Spahni NATUR In einem einmaligen Biodiversitätsprojekt hat sich der Forstbetrieb Sigriswil zum Ziel gesetzt, Orchideen und Reptilien zu schützen. Sie fasziniert mit ihrer Schönheit und wird deshalb von vielen als die Königin der Blumen angesehen: die Orchidee. Die Schlange hingegen löst bei manch einer Person Ekel und Angst aus, vielleicht zumal sie in der Symbolik als schlaues, aber auch boshaftes, hinterlistiges Tier gilt. Auf den ersten Blick mögen Orchidee und Schlange also wenig gemein haben. Doch dieses Bild täuscht: Beide Lebensformen benötigen ähnliche Voraussetzungen, um gedeihen zu können, beide sind bedroht, und beide fühlen sich aufgrund der Gegebenheiten am rechten Thunerseeufer wohl und heimisch. Von den 76 in der Schweiz wild wachsenden Orchideenarten finden sich an der Sonnseite des Thunersees ganze 38 (siehe Kasten). «Sigriswil ist somit die orchideenreichste Gemeinde des Kantons Bern», sagt Björn Weber, Revierförster und Initiator des neu angelaufenen Biodiversitätsprojekts, das zum Ziel hat, die Lebensräume von Orchideen und Reptilien zu erhalten und aufzuwerten. Diese Lebensräume stehen stark unter Druck – einerseits durch Zersiedelung, andererseits durch Waldeinwuchs und intensive Landwirtschaft –, sodass die Anzahl Individuen und die Standorte, wo sie vorkommen, sowohl der Reptilien als auch der Orchideen, beängstigend abgenommen hat. Rückgang der Anzahl Blüten Einer, der die Orchideen rund um Sigriswil in- und auswendig kennt und so deren Rückgang mitverfolgt hat, ist Beat Bühler. In den Jahren nach der Jahrtausendwende zählte der pensionierte Architekt, Mitglied der IG Orchideen Thunersee, noch um die 30 bis 40 Blüten der Hummel-Ragwurz. Seit 2009 aber hat er keine 10 Blüten dieser national gefährdeten Orchideenart mehr zu Gesicht bekommen. Wie dem Projektdossier zu entnehmen ist, hat auch die Anzahl der Reptilien abgenommen. In der Schweiz stehen sowohl alle 76 wild wachsenden Orchideen als auch alle 14 heimischen Reptilienarten unter Schutz. Der Forstbetrieb Sigriswil, der auch in Oberhofen, Hilterfingen, Reutigen und 14 weiteren Gemeinden tätig ist, hat schon früher an einzelnen Standorten Schutz- projekte in Angriff genommen. «Die bisherigen Einzelprojekte waren aber meines Erachtens nicht nachhaltig», sagt Björn Weber. «Das neue Naturschutzprojekt ist insofern einmalig, als es sowohl Orchideen- wie auch Reptilienstandorte entlang des gesamten rechten Thunerseeufers sowie in Reutigen zusammenfasst», sagt Michel Brügger, Vorsteher der Waldabteilung 3 Thun-Simmental beim kantonalen Amt für Wald (Kawa). Die Aufgaben, die der Forstbetrieb Sigriswil im Rahmen des Projekts übernimmt, sind mit dem Kawa für die Dauer von zehn Jahren vertraglich geregelt. Bei der Begehung vor Ort ist neben Weber, Bühler und Brügger auch Andreas Meyer zugegen. Er arbeitet bei der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (Karch) und ist Experte auf dem Gebiet. Licht entscheidender Faktor «Diese Stöcke können über 20 Jahre alt sein», sagt Björn Weber. Die Frauenschuhe, die hier am ersten Standort wild wachsen, stehen etwas versteckt auf einer kleinen Waldlichtung. «Das Licht ist der entscheidende Faktor», sagt Weber. Die Waldart dürfe «Die bisherigen Einzelprojekte waren aber meines Erachtens nicht nachhaltig.» Björn Weber Forstbetrieb Sigriswil «Von den Massnahmen profitieren beispielsweise auch andere Licht und Wärme liebende Arten wie Tagfalter.» Andreas Meyer Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz (Karch) Zu den hiesigen Reptilienarten zählen die Ringelnatter, die Aspisviper, die Schlingnatter, die Zaun-, die Mauer- und die Waldeidechse sowie die Blindschleiche. Zum Schutze der Orchideen und der Reptilien werden die exakten Standortdaten nicht veröffentlicht, denn noch immer werden Orchideen ausgegraben und Reptilien getötet oder eingefangen. mbs Diese kleine Waldlichtung gewährt dem Frauenschuh, einer Waldorchideenart, optimale Lichtverhältnisse. weder zu viel noch zu wenig Licht haben. «Wir müssen hier nur ab und zu ein wenig auflichten und so die aktuellen Gegebenheiten beibehalten.» Oft seien es kleine Massnahmen, die bereits eine grosse Wirkung erzielten. Dank der Arbeit und dem Wissen von Beat Bühler sei es einfach gewesen, die 29 Orchideenstandorte zu kartieren. «Eine geplante Holzseilbahn, die mitten durch einen Standort verlaufen wäre, musste so nur um ein paar Meter verschoben werden», sagt Weber. Weitere Massnahmen, die sowohl Orchideen als auch Reptilien begünstigen, sind Waldrandaufwertungen, indem diese stufig und breit gehalten werden, oder das Entbuschen von Freiflächen. Aber auch Unterlassungen spielen eine wichtige Rolle. Die Mahd auf Orchideenwiesen soll beispielsweise nicht vor Mitte August erfolgen, damit die Samenkapseln sich vorher öffnen können. Ausserdem darf das Gras nicht zu tief gemäht werden, ansonsten die Rosette der Pflanze beschädigt wird. Orchideen und Reptilien, die im Zentrum des Biodiversitätsprojekts stehen, sind dabei Stellvertreter für eine ganze Gruppe von pflanzlichen und tierischen Lebensformen mit ähnlichen Be- TIER DES JAHRES 2015 HIESIGE ORCHIDEEN UND REPTILIEN Unter den 38 Orchideenarten, die in Sigriswil vorkommen, gelten 6 als national gefährdet. Es sind dies die Puppenorchis, der Frauenschuh, die Lappländische Fingerwurz, die Bienen-Ragwurz, die Hummel-Ragwurz und das Affen-Knabenkraut. Regional gefährdet sind die FliegenRagwurz und das Helm-Knabenkraut. Der Frauenschuh und die drei Ragwurzarten kommen in der Region am häufigsten vor. Die ungiftige Ringelnatter, das Tier des Jahres 2015, fühlt sich an den sonnigen Berghängen des rechten Thunerseeufers wohl. Das Biodiversitätsprojekt schützt ihre bedrohten Lebensräume. Patric Spahni Die Ringelnatter (Natrix natrix) ist das Tier des Jahres 2015. Namensgebend sind die zwei hellen, halbmondförmigen Flecken im Nacken. Laut Pro Natura ist die ungiftige und für den Menschen völlig harmlose Schlange eine exzellente Schwimmerin und hält sich gerne in Feuchtgebieten auf, wo sie Fröschen und Kröten nachstellt, aber auch Landhabitate wie Wälder und Gärten zählen zu ihrem Lebensraum. Da die Schlange wie alle Reptilien ein Wechselblüter ist, nutzt sie gezielt sonnige und schattige Plätze, um sich aufzuwärmen oder abzukühlen. Trockenmauern, Stein- oder Asthaufen sind für die Reptilien wie die Ringelnatter sehr wertvoll, da sie beide Mikroklimata bieten und überdies Versteckmöglichkeiten. Nebst der Ringelnatter gibt es sieben weitere in der Schweiz einheimische Schlangenarten. mbs Diese aufgelichtete Blockschutthalde soll neuen Lebensraum für Reptilien bieten. Manuel Berger Thun / Region Montag 22. Juni 2015 zvg dürfnissen. «Von den Massnahmen profitieren beispielsweise auch andere Licht und Wärme liebende Arten wie Tagfalter», sagt Andreas Meyer. Es mag paradox erscheinen, dass es offenbar zum Teil den Eingriff des Menschen braucht, um die Biodiversität zu steigern. Man imitiere aber mit den Eingriffen, erklärt Björn Weber, lediglich die Prozesse der Wildnis. «Der Wald würde sich auf natürliche Weise verjüngen, wenn man ihn grossräumig jahrhundertelang unberührt liesse.» Bei kleinen Reservaten habe man zuerst stets eine Abnahme der Biodiversität festgestellt. Werbung in eigener Sache Für das Projekt mussten Verhandlungen mit zahlreichen Grundeigentümern geführt werden. Waldbesitzer verpflichteten sich gar, die Hälfte des Holzerlöses daran zu spenden. «Es ist nicht selbstverständlich, dass alle Grundeigentümer für das Projekt gewonnen werden konnten», sagt Björn Weber. Die bei Informationsveranstaltungen gezeigten Bilder von Orchideen leisteten dabei beste Werbung in eigener Sache. Der zweite Standort der Begehung ist eine Blockschutthalde, die am Rande eines Bächleins liegt. Hier wurden vereinzelte grosse Bäume gefällt, um dem Steinkegel mehr Sonnenlicht zu spenden. Für Reptilien wie die Ringelnatter (siehe Kasten) stellen Blockschutthalden wichtige Bestandteile ihres Habitats dar. «Das Mosaik aus Jungwuchs und sonnigen Stellen ist hier ideal», sagt Andreas Meyer. Der Experte erhofft sich von der Auflichtung, dass am Standort bald wieder Reptilien beobachtet werden können. 180 000 Franken für 10 Jahre Das Naturschutzprojekt kommt für die befristete Dauer von zehn Jahren mit einem Budget von 180 000 Franken aus. Rund 20 000 Franken wendet der Forstbetrieb Sigriswil auf. Die grösste Tranche von knapp 134 000 Franken deckt das Kawa ab. Waldbesitzer leisten mit ihren Anteilen am Holzerlös rund 15 000 Franken. Die beiden Sponsoren Energie Thun AG und Pro Natura sind mit 10 000 beziehungsweise 2000 Franken beteiligt. Steigende Orchideen- und Reptilienzahlen wären ein gutes Argument, das Projekt auch in zehn Jahren weiterzuführen. Manuel Berger 3 Thun fördert bulgarische Innovation Tödlicher Autounfall 1. START-UP-PREIS Am Freitagabend ist der erste Sieger des neuen Start-up-Preises Thun-Gabrovo gekürt worden. Gewonnen hat die 20 000 Franken der Bulgare Stanislav Dimitrov. Überreicht wurde der Preis von den Stadtoberen aus Gabrovo und Thun. UNTERLANGENEGG Ein Auto ist am Freitag bei Unterlangenegg von der Strasse abgekommen und eine Böschung hinuntergestürzt. Der Fahrzeuglenker wurde dabei so schwer verletzt, dass er noch auf der Unfallstelle verstarb. Ein Jahr hat es gedauert – nun steht der Sieger des ersten Startup-Preises Thun-Gabrovo fest: Stanislav Dimitrov und sein Projekt, aus einheimischem Holz Spielplätze für die Kinder Bulgariens zu realisieren, haben das Rennen gemacht. «Dimitrovs Businessplan sowie seine Präsentation überzeugten die Jury am meisten», begründet Jasmina Stalder, Beauftragte der Städtepartnerschaft Thun-Gabrovo und selber Jurymitglied, die Wahl des Preisträgers. Erst am Freitagabend im Rathaus von Gabrovo hat sich die neunköpfige Jury für einen der drei Finalisten entschieden. Zuvor hatten diese ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen – und sammelten die Initianten um Thuns Stadtpräsident Raphael Lanz und Gabrovos Bürgermeisterin Tanja Hristova 20 000 Schweizer Franken Preisgeld. Zweistufiges Verfahren «Wir haben bewusst ein zweistufiges Verfahren festgesetzt», erklärt Jasmina Stalder. «Eingeladen waren alle Bulgaren, die in der Stadt Gabrovo ein neues Unternehmen oder eine neue Filiale ihres bestehenden Unternehmens gründen möchten», führt sie aus. Auf die nationale Medienkampagne hatten sich schliesslich 30 Personen gemeldet. «Für Stufe 2 haben wir sechs Projektideen ausgewählt und von den Betreffenden einen detaillierten Businessplan sowie eine öffentliche Anhörung eingefordert.» Allerdings haben dann nur noch fünf Personen mitgemacht – und davon haben zwei die Anhörung nicht wahrgenommen. «Somit blieben noch drei Finalisten, aus denen wir nun am Freitagabend den Sieger erkoren haben», sagt Stalder. Dieser hat zwar einen symbolischen Check über 20 000 Schweizer Franken erhalten; «aber wir zahlen das Preisgeld nur alle sechs Monate in Raten aus, damit es nachhaltig in das neu gegründete Unternehmen fliesst», erklärt die Städtebeauftragte, die Der erste Preisträger des Start-up-Preises Thun-Gabrovo steht fest: Stanislav Dimitrov (Mitte) mit Tanja Hristova, Bürgermeisterin von Gabrovo, und Raphael Lanz, Stadtpräsident von Thun, im Rathaus der bulgarischen Stadt Gabrovo. selber Wurzeln in Bulgarien hat. Der Businessplan soll in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden. «Vorgesehen ist zudem, dass ein Mentor den Prozess später weiter begleiten wird», ergänzt Stalder. 15 000 Franken aus Thun Immerhin stammt die Hälfte des Preisgelds von Thuner Institutionen, KMU und Privatpersonen. Je 5000 Franken steuern die Städte Thun und Gabrovo bei. In der Jury selber nahmen nebst Jasmina Stalder und Gabrovos Vizebürgermeister auch der Vertreter der bulgarisch-schweizerischen Handelskammer sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und von der Technischen Universität in Gabrovo Einsitz. Gespannt auf die Feier am Freitagabend war auch Thuns Stadtpräsident Raphael Lanz, der mit einer rund 30-köpfigen Delegation aus Thun – bestehend aus Politikern, Unternehmern und Behördenmitgliedern – nach Ga- «Heute müssen wir dafür sorgen, dass die Jungen nicht infolge der fehlenden Perspektiven von Gabrovo abwandern.» Raphael Lanz, Stadtpräsident brovo gereist ist. «Für mich ist dieses neue Instrument unserer Städtepartnerschaft ein Experiment. Ich bin gespannt, wie nachhaltig sich der Start-up-Preis erweisen wird», sagte er vor der Abreise. Klar sei indes, dass die bulgarische Partnerstadt längst nicht mehr nur soziale Hilfsprojekte brauche, wie sie zu Beginn der Partnerschaft auf dem Plan gestanden seien. «Heute müssen wir dafür sorgen, dass die Jungen nicht infolge der fehlenden Perspektiven von Gabrovo abwandern. Da soll unser Start-upPreis ein Mittel zur Selbsthilfe sein und auch neue Arbeitsplätze und Innovationen generieren», führt Lanz sein Engagement aus. Drei spannende Projekte So präsentierten sich die drei Finalisten denn auch als Innovationsbotschafter: • Frauen, die 50 Jahre und älter und somit denselben Problemen ausgesetzt sind wie hierzulande – mangelnden Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt –, soll mittels zvg handgestrickten Erzeugnissen und deren Vertrieb ein Einkommen gesichert werden; • aus einheimischer Holzproduktion in den Wäldern um Gabrovo sollen ganze Spielplätze für die heranwachsenden Bewohnerinnen und Bewohner entstehen; • ein Arzt aus Gabrovo möchte mithilfe eines 3-D-Druckers Implantate für die orthopädische Chirurgie herstellen. «Gerade letzteres Projekt war eigentlich eine Nummer zu gross für unseren Start-up-Preis», ist sich Jasmina Stalder bewusst. «Denn für dieses Projekt braucht es Millionen an Investitionen. Da sind unsere 20 000 Franken als Anschubfinanzierung ein Klacks.» Trotzdem sollte ihm die Chance geboten werden, sich den Wirtschafts- und Politkapitänen vorzustellen. «Vielleicht möchte jemand eines der beiden Projekte, die auch im Finale standen, unterstützen», gibt Stalder ihrer Hoffnung Ausdruck. Heinerika Eggermann Dummermuth Kurz nach 15.50 Uhr ging am Freitag bei der Kantonspolizei Bern die Meldung ein, dass es bei Unterlangenegg zu einem Unfall gekommen sei. «Ein Auto war von Steffisburg her auf der Schwarzeneggstrasse in Richtung Unterlangenegg unterwegs gewesen, als es in einer Linkskurve aus noch ungeklärten Gründen von der Strasse abkam», steht in der Polizeimeldung. Der Personenwagen rutschte daraufhin eine Böschung hinunter und kam rund 80 Meter tiefer durch Bäume zum Stillstand. Der Autolenker, der beim Unfall schwer verletzt wurde, konnte durch die Feuerwehr geborgen werden. «Trotz sofortigen Rettungsmassnahmen verstarb der 76-jährige Mann aus dem Kanton Bern jedoch noch auf der Unfallstelle», musste die Polizei mitteilen. Im Einsatz standen neben der Kantonspolizei Bern die Feuerwehren Steffisburg und Schwarzenegg, ein Ambulanzteam sowie die Rega. Für die Dauer der Unfallarbeiten war die Strasse nur wechselseitig befahrbar. pd/heh Kalisteg bis 13. Juli zu HEIMBERG Weil der sogenannte Kalisteg über die Zulg bei den intensiven Unwettern Anfang Juni starken Schaden genommen hat, ist er seit 7. Juni gesperrt. Nun informierte die Gemeinde Heimberg mittels Flugblatt, dass der Steg noch längere Zeit gesperrt bleiben wird. «Die Tragkonstruktion wurde beim Ereignis deformiert, und einzelne Elemente sind gebrochen», schreibt der Gemeinderat. Dadurch sei der Steg einsturzgefährdet. Doch der viel begangene Kalisteg soll ab Montag, 13. Juli, wieder offen stehen. Der Gemeinderat hat einen Nachkredit von 40 000 Franken für die Sanierung gewährt. «Die Arbeiten werden umgehend in Angriff genommen», steht auf dem Flugblatt. heh Ein farbiger Tempel wie in der Heimat STEFFISBURG Tamilen aus dem ganzen Berner Oberland haben in der ehemaligen Tuchfabrik einen Hindutempel eingerichtet. Damit können sie ihre Kultur auch ausserhalb der Heimat weiter pflegen. Am Samstag bildete ein farbenfroher Umzug mit einem Götterwagen den Höhepunkt des dreizehntägigen Tempelfests. Von aussen ist es kaum zu erahnen, dass sich in der ehemaligen Tuchfabrik Stucki am Industrieweg 43 in Steffisburg – da, wo auch der kürzlich eingeweihte Mühlebachweg vorbeiführt – ein Hindutempel verbirgt. Vor 18 Jahren richtete der in Thun wohnhafte Suppiah Vadivelu zusammen mit andern Glaubensgenossen die heilige Stätte ein. Heute zählt die Gemeinschaft rund 120 aus der Region Thun und dem Berner Oberland stammende Mitglieder. In der Schweiz leben gut 50 000 Hindus, im Kanton Bern sind es deren rund 10 000. Die meisten von ihnen stammen aus Sri Lanka und kamen als Flüchtlinge ins Land. Die Mehrzahl der Tamilen besitzt heute das Schweizer Bürgerrecht. «Wir sind dankbar, dass wir hier in der Schweiz unsere Kultur leben dürfen», sagte Darshikka Krishnanantham, Kommunikationsverantwortliche der Vereinigung. Im Gegenzug stehe der Tempel allen Menschen offen, unabhängig von ihrer Religion. «Jeder darf herkommen und sich ein Bild machen», ergänzte Krishnanantham, die auch Mitglied der Integrationskommission der Stadt Thun ist. Ein buntes Bild Beim Betreten des Tempels taucht man in eine fremde Welt ein: In kunstvoll gestalteten Schreinen stehen verschiedene Gottheiten, deren höchste Shiva ist, und in der Luft hängt der Rauch von speziellen Kräutern. Jeden Freitagabend treffen sich die Gläubigen zum Gottesdienst. Höhepunkt des dreizehntägigen Tempelfests, das alle Jahre stattfindet, war der Umzug vom vergangenen Samstag auf der Route Industrieweg–Weberweg. Begleitet von Trommeln und nasalen Klängen exotischer Trompeten folgten rund 300 Hindus aus vielen Teilen der Schweiz einem reich verzierten hölzer- nen Wagen, auf dem der Gott Ganesha mitgeführt wurde. Während Männer mit nacktem Oberkörper mitgingen, beeindruckten die Frauen in ihren festlichen Saris. Zum Ritual gehörten auch wilde Tänze und das Zerschlagen von Kokosnüssen auf dem Boden. Trotz all der Feierlichkeiten ist die hinduistische Gemeinschaft nicht ganz frei von Sorgen. Neue Räumlichkeiten gesucht «Wir suchen nach andern Räumlichkeiten – zum Beispiel ein ehemaliger Lager- Der Götterwagen, in welchem der Gott Ganesha, zusammen mit dem Oberpriester, im Umzug mitgeführt wurde. Die Schweizer und Berner Fahnen symbolisieren die Verbundenheit der Hindugemeinschaft mit der Schweiz und dem Kanton Bern. Bilder Hans Kopp raum oder etwas Ähnliches –, weil die gegenwärtigen Räume zu klein geworden sind. Zudem bestehen Parkplatzprobleme», erklärt die Verantwortliche. Vermieter können sich unter 076 360 94 86 oder per E-Mail an [email protected] melden. Hans Kopp Im Innern des Hindutempels in der ehemaligen Tuchfabrik Stucki am Industrieweg 43 in Steffisburg.
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