DIE INTERNATIONALEN WOCHEN GEGEN RASSISMUS 2016 Bericht zur Planungstagung am 21. September 2015 in Frankfurt/M. Einleitung Das Projekt INTERNATIONALE WOCHEN GEGEN RASSISMUS schließt seit vielen Jahren Vereine, NGOs, Minderheitenselbstorganisationen, Bildungseinrichtungen, Gewerkschaften, Unternehmen, Religionsgemeinschaften, lokale Initiativen, einzelne Persönlichkeiten sowie Städte und Gemeinden zusammen, die sich gegen Rassismus engagieren. In dem gemeinsamen Veranstaltungsund Aktionszeitraum um den 21. März – dem UN-Tag gegen Rassismus – bündeln die Kooperationspartner und lokalen Akteure alljährlich ihre Aktivitäten, um öffentlichkeitswirksam ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Das Projekt INTERNATIONALE WOCHEN GEGEN RASSISMUS wurde im Jahr 2015 aus Mitteln des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, dem Bündnis für Demokratie und Toleranz und dem Hessischen Ministerium für Integration und Soziales unterstützt sowie von weiteren Sponsoren und Unterstützern gefördert. Zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus vom 16.- 29. März 2015 wurden bundesweit erstmals über 1.400 Aktivitäten dokumentiert. So viel Engagement gab es noch nie. Die Anzahl und Vielfalt der Veranstaltungen zeigen, dass die UNWochen gegen Rassismus eine immer stärkere Bewegung werden. Dieses beeindruckende Signal brauchen wir umso mehr angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen der letzten Monate: Rassistische Gewalttaten sind auf dem höchsten Stand seit der Definition »politisch motivierte Kriminalität« im Jahr 2001 und die Zahl der Straftaten gegen Unterkünfte von Geflüchteten hatte sich 2014 gegenüber dem Vorjahr bereits auf 175 verdreifacht. Allein bis Anfang Oktober 2015 waren es dann 490 Delikte und ein Ende dieser besorgniserregenden Entwicklung ist derzeit nicht abzusehen. Wie unsere Antwort auf diese Entwicklungen im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2016 aussehen kann und weitere damit verbundene Fragestellungen wurden bei der Planungstagung für die Aktionswochen vom 10.-23. März 2016 unter dem Motto »100% Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus« diskutiert und reflektiert. Unter den etwa 80 Teilnehmenden aus ganz Deutschland waren sowohl Vertretungen der Kooperationspartner, Unterstützer und Sponsoren der INTERNATIONALEN WOCHEN GEGEN RASSISMUS (Anne Frank Zentrum, Antidiskriminierungsstelle des Bundes, AWO, Der Paritätische Gesamtverband, Deutsch-Türkische Kulturolympiade/ Academy e.V., Deutscher Caritas Verband, Diakonie, Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), IG BCE, IG Metall, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Internationaler Bund, Randstad Deutschland, Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, terres des hommes, UNITED for Intercultural Action, Verband binationaler Familien und Partnerschaften, Volkshochschulen, World University Service) als auch Aktive von bundesweiten Einrichtungen und lokalen Initiativen, von denen die Aktionswochen vor Ort umgesetzt werden. Außerdem nahmen Claudia Roth, Dr. Theo Zwanziger und Giovanni Pollice vom Stiftungsrat der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus an der Tagung teil. Die Planungstagung wurde mit freundlicher Unterstützung des Bundesministeriums des Innern durchgeführt. Dr. Jürgen Micksch Interkultureller Rat in Deutschland Dr. Jürgen Micksch, Vorsitzender des Interkulturellen Rates und geschäftsführender Vorstand der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus, betont in seiner Einführung, dass Rassismus viele Gesichter habe. Aktuell versuchten Rassisten ganz Europa zu verändern. Dies sei derzeit u.a. in Ungarn, Frankreich und Österreich zu beobachten. Vieles hänge nun von Deutschland ab. Micksch informiert darüber, dass die Planungstagung erstmals in Kooperation zwischen dem Interkulturellen Rat und der 2014 gegründeten Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus sattfindet. Hierzu begrüßt er die Vertretungen des Stiftungsrates sowie langjährige und neue Kooperationspartner, Sponsoren und Unterstützer der Aktionswochen wie Randstad, den Bundesverband Deutsche Tafel, United for Intercultural Action, die Deutsch-Türkische Kulturolympiade sowie Vertretungen der Interkulturellen Woche, die in diesen Tagen auf die Gründung vor 40 Jahren zurückblickt. Abschließend stellt Micksch die Tagesordnung vor, die ohne Änderungen angenommen wird und leitet dann zum Beitrag von Claudia Roth über. Claudia Roth Stiftungsrat der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus Claudia Roth erwähnt zu Anfang Ihres Grußwortes, wie froh sie sei, Teil der großen Familie gegen Rassismus zu sein. Sie setzt dann einen Schwerpunkt auf die aktuelle Flüchtlingsdebatte und hinterfragt, was in der Welt los sei: Es gäbe derzeit zwar die größte Zahl an Flüchtlingen, doch wir vergessen, wo der überwiegende Teil dieser Menschen verbleibt – 86% der Flüchtlinge kommen überhaupt nicht nach Europa sondern bleiben in den Herkunftsländern oder in der umliegenden Region wie z.B. im Libanon. Damit relativiere sich die populistische Aussage, dass „alle zu uns kommen wollen“. Roth benennt die Hauptherkunftsländer (Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan, Eritrea u.a.) und kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Entwicklungspolitik, die zur aktuellen Situation mit beigetragen hat. Mit Blick auf Europa bringt sie ihre Sorge zum Ausdruck, dass Europa und seine Werte im Begriff sind, sich aufzulösen. Als Beispiele nennt sie Entwicklungen in Ländern wie Ungarn (eine rechtspopulistische Regierung), Slowakei (will nur Christen aufnehmen), Polen („wir wollen christlich bleiben“), Dänemark (Schließung der Binnengrenzen), Griechenland (menschenunwürdiges Desaster z.B. auf der Insel Kos) sowie die dramatische Situation auf dem Balkan. Claudia Roth kritisiert zudem die aktuelle Antischlepperpolitik. Diese wolle ausschließlich mit militärischen Mitteln gegen Schlepper vorgehen, habe aber keine Vision, wie man gemeinsam Verantwortung übernehmen könnte, beispielweise mit der Einrichtung eines Flüchtlingsfonds. Stattdessen baue man Mauern, Zäune und sei erstmals offen mit Militär an den europäischen Außengrenzen präsent. In Deutschland gibt es nach Roths Einschätzung sowohl Licht als auch Schatten. Auf der positiven Seite sehen wir eine starke Zivilgesellschaft und anders als in den 90er Jahren seien Arbeitgeber bereit, geflüchtete Menschen einzustellen. Auch die Grundsatzaussage der Kanzlerin zur Flüchtlingsdebatte 1 sei bemerkenswert. Andere Signale hingegen kämen vom Innenmister de Maizière. Erschreckend sei, dass es mittlerweile 3 x pro Woche Angriffe auf Asylunterkünfte gäbe und dies nicht nur – wie häufig angenommen – im Osten des Landes. Roth befürchtet, dass Deutschland wieder „leicht entflammbar“ sei. Die Debatte um die Verschärfung des Asylrechts sei ein Angriff auf das Grundrecht auf Asyl, die Hierarchisierung von Menschen in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge sehr gefährlich. Den Schwerpunkt der Arbeit gegen Flüchtlingsfeindlichkeit sieht Roth darin, die Chancen in den Vordergrund zu stellen und sich gleichzeitig weiter mit Bewegungen und Parteien wie Pegida, der AfD oder NPD auseinanderzusetzen. Hier wird es wichtig sein, einen angemessenen Umgang zu finden, insbesondere da das Feindbild „Muslim“ wieder verstärkt geschürt wird. Roth betont, dass darüber hinaus die rassistischen Erscheinungsformen Antisemitismus und Antiziganismus nicht vergessen werden dürften. Sie weist in diesem Kontext auf den Zusammenhang zwischen 1 "Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen, dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land". Angela Merkel, 15.09.2015 politischer Stimmungsmache und dem Erstarken von Antiziganismus hin (Stichwort „wer betrügt, fliegt“). Im Hinblick auf das Tagungsprogramm und mögliche Handlungsoptionen freut sich Claudia Roth besonders über die Anwesenheit eines Vertreters des „Grandhotel Cosmopolis“, denn der Austausch über Modellprojekte und die Vernetzung untereinander hätten eine wesentliche Bedeutung in der Antirassismusarbeit. Rückblick 2015 und Planungen 2016: Britta Graupner Interkultureller Rat in Deutschland Im ersten Teil ihres Berichts gibt Britta Graupner einen Rückblick auf die INTERNATIONALEN WOCHEN GEGEN RASSISMUS 2015, die vom 16.-29. März stattfanden. Sie informiert über die neu gegründete Stiftung zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus, die Vorbereitungstagung, die im Oktober 2014 in Frankfurt/M. stattfand sowie über die Materialien, die im Rahmen der Aktionswochen veröffentlicht wurden. Neben den klassischen Kampagnenmaterialien gehörten hierzu: die Neuauflage der Unterrichtsmaterialien unter dem Titel „Die Internationalen Wochen gegen Rassismus machen Schule – Materialien zur rassismuskritischen Bildungsarbeit“, die zusammen mit der GEW veröffentlicht wurde, die Informationsbroschüre „Was ist Rassismus?“ und ein neuer Sprachflyer in Englisch. Außerdem berichtet Graupner über die Kampagne „Rassismus fängt im Kopf an!“, die um Aufkleber ergänzt wurde. Die Auswertung der Veranstaltungen – erstmals über 1.400 Aktivitäten in über 300 Orten - zeigt, dass die Internationalen Wochen gegen Rassismus eine immer stärkere Bewegung werden. Sie sind zudem eine wichtige Antwort auf „Pegida & Co.“ sowie steigende flüchtlingsfeindliche Anschläge. Rassismus weiterhin in den Fokus. Auch die Themen NS-Zeit, Rechtsextremismus, Alltagsrassismus, Diskriminierung von Migrant_innen und Schwarzen Menschen waren den Akteuren wichtig. Die rassistischen Erscheinungsformen Antiziganismus und Antisemitismus gerieten hingegen eher in den Hintergrund. Graupner betonte, dass dies eine der Aufgaben für die Aktionswochen 2016 sei. Anschließend berichtet die Referentin über die Projekte „Muslime und Flüchtlinge laden ein“. Der Trend der „eigenen Wochen“ in den Städten setzte sich verstärkt fort. Eine immer größere Anzahl von kommunalen Trägern und lokalen Bündnissen beteiligte sich mit eigenen Veranstaltungsprogrammen. Dies fördere laut Graupner die Vernetzung von lokalen Akteuren und Bündnissen, Synergieeffekte würden ermöglicht und das Identifikationsgefühl mit den Aktionswochen durch Aktivitäten in der „eigenen Stadt“ gestärkt. Insbesondere kulturelle Veranstaltungsformen wie Theater, Film und Konzerte sowie Vorträge und Diskussionen wurden als Veranstaltungsform genutzt. Dies zeigt eine starke kreative und inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen. Der thematische Schwerpunkt lag im Bereich Flucht und Asyl, was deutlich macht, dass die Hetze der „Pegida“Demonstrationen sowie die Anti-FlüchtlingsAgitation nicht ohne Widerspruch hingenommen wird. Diese zivilgesellschaftliche Bereitschaft wurde durch unser neues Projekt „Veranstaltungen mit Flüchtlingen“ aufgegriffen und unterstützt. Durch die Fortführung des Projektes „Muslime laden ein“ rückte die Auseinandersetzung mit Antimuslimischem Im Jahr 2014 startete das Projekt „Muslime laden ein“ mit 66 Veranstaltungen von und mit Moscheegemeinden. Im März 2015 waren es dann noch mehr. Viele Bürgermeister_innen sowie Staatsekretär_innen und Minister_innen haben zu diesem Anlass Moscheen besucht. Darüber hinaus befassten sich 300 Freitagsgebete des Verbandes Islamischer Kulturzentren (ViKZ) mit den UNWochen. 2 Erstmals im März 2015 wurde mit Unterstützung von PRO ASYL auch dazu angeregt, ähnliche Veranstaltungen von und mit geflüchteten Menschen durchzuführen. Statt erwarteter erster beispielhafter Begegnungen, wurden über 70 Anträge eingereicht, die größtenteils auch gefördert werden konnten. Dies ist ein deutliches Zeichen für die große Solidarität und Bereitschaft, aufeinander zu zugehen. Erste Veranstaltungen fanden auch mit Angehörigen der Roma statt. Dieses Projekt soll 2016 verstärkt werden. 2 Beim Besuch in der Rohrbacher Moschee in Heidelberg am Freitag, 20. März 2015 (v. l.): Gemeindesekretärin Aynur Ustasüleymanoglu, Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner, Bülent Dogramaci, 1. Vorsitzender der DITIBGemeinde, Imam Ali Atlamaz, Filiz Ay, 2. Vorsitzende der DITIB-Gemeinde. (Foto: Rothe) Graupner berichtet dann über die bundesweite Auftaktveranstaltung zu den INTERNATIONALEN WOCHEN GEGEN RASSISMUS 2015, die am 16. März 2015 in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt/Kulturbüro der Stadt Karlsruhe stattfand. Referierende Teilnehmende waren der Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup, die Ministerin für Integration des Landes BadenWürttemberg, Bilkay Öney, der Jurist Dr. David Schneider-Addae-Mensah sowie der Botschafter der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2015, Fritz Pleitgen. Erneut konnten die Internationalen Wochen gegen Rassismus ein starkes Medienecho verzeichnen. Ursachen für die starke Medienpräsenz sieht Britta Graupner in den Debatten um „Pegida“ und der Flüchtlingsthematik, den Städten und Kommunen mit eigenen Aktions-programmen, die zu einer größeren Medienresonanz beitragen sowie der Berichterstattung zur bundesweiten Auftaktveranstaltung, die viele Millionen Menschen erreicht. Den Rückblick schließt Graupner mit einem Hinweis auf die ausführliche Dokumentation zu den Aktionswochen 2015 ab, die aufzeigt • • • • welche Akteure sich wo engagiert haben, welche Themen die Menschen beschäftigt haben, wie vielfältig und kreativ das gesellschaftliche Engagement gegen Rassismus und Ausgrenzung war und welches Medienecho dies hervorgerufen hat. Nachfolgend informiert Britta Graupner über die Planungen zu den kommenden INTERNATIONALEN WOCHEN GEGEN RASSISMUS, die von Donnerstag 10. bis Mittwoch, 23.März 2015 stattfinden werden. Graupner erläutert, dass der Zeitraum durch die frühen Osterfeiertage (Karfreitag = 25. März, Ostersonntag und Ostermontag = 27. und 28. März) erforderlich wurde. Das neue Motto der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2016 lautet „100% Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus“. Hiermit soll zum Ausdruck gebracht werden dass Rassismus die Menschenwürde verletzt und wir zum 100%igen Schutz dieser Menschenwürde aufrufen. Die Menschenwürde ist für keinen politischen oder ideologischen Zweck zu relativieren oder verhandelbar! dass wir gemeinsam und solidarisch gegen rassistische Einstellungen und Handlungen stehen und diese nicht ohne Widerspruch hinnehmen. Graupner berichtet dann über die weiteren Pläne zum Ausbau der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus: Durch die Stiftung soll die Arbeit nachhaltig und über das ganze Jahr ausgestaltet werden. So ist geplant, die Projekte „Muslime laden ein“ sowie „Veranstaltungen mit Flüchtlingen/Roma“ auch über den Zeitraum der Wochen gegen Rassismus hinaus zu erproben. Im Juli fand ein erster Stiftungstag statt, bei dem Vertreter_innen der Stiftungsgremien, Gründungsstifter_innen und Partner der Internationalen Wochen gegen Rassismus zum Austausch zusammen kamen. Die Stiftung versucht nun, weitere Gelder zu akquirieren, um ihre praktische Arbeit und die Durchführung von Modellprojekten aufzubauen. Anschließend informiert Graupner über die geplanten Materialien zu den Aktionswochen 2016. Alle Fachbeiträge im Materialheft werden durch Best-Practice-Beispiele und Literaturhinweise ergänzt. Folgende Materialien hinaus angeboten: Für das Materialheft sind - neben einem einführenden Text vom Botschafter der Aktionswochen folgende Beiträge vorgesehen: 1. Schwerpunktthema: Geflüchtete Menschen • Miltiadis Oulios: „Umgang mit Geflüchteten – Die Fallstricke des humanitären Ansatzes“ • Maximillian Pichl (PRO ASYL): „Wirkmechanismen der Ideologie der Ungleichheit in der Flüchtlingspolitik“ (AT) 2. Antiziganismus • Joachim Brenner (Förderverein Roma): „Strukturen von antiziganistischen Stereo-typen und ihre Korrelation zur aktuellen Abschiebepolitik“ (AT) • • • • • • • • werden darüber Mobilisierungsflyer Mobilisierungsflyer in 11 verschiedenen Herkunftssprachen Mobilisierungsflyer in „Leichter Sprache“ Broschüre „Was ist Rassismus?“ Broschüre „Die Internationalen Wochen gegen Rassismus machen Schule – Materialien zur rassismuskritischen Bildungsarbeit“. Aktionsplakate im Format DIN A2 und DIN A1. NEU: Ein Plakat-/Postkartenmotiv, in dem das Motto „100% Menschenwürde“ aufgegriffen und mit dem Schwerpunktthema „Geflüchtete“ verbunden wird. Die begleitende Kampagne „Rassismus fängt im Kopf an!“ wird um ein Motiv zum Thema „Asylsuchende/ Geflüchtete“ ergänzt werden. 3. Antimuslimischer Rassismus • Interview mit Inva Kuhn und Koray Yilmaz-Günay: „Der Antimuslimische Rassismus im Kontext von Pegida& Co.“ 4. Antisemitismus • Lagebild Antisemitismus 2015 5. Alltagsrassismus / Rassismustheorie • Jonas Berhe (ISD): „Ich bin nicht rassistisch, aber… - Was ist eigentlich Rassismus?“ Zu den Projekten „Muslime laden ein“ sowie „Veranstaltungen mit Flüchtlingen“ und „Veranstaltungen mit Roma“ werden zudem Informationsfaltblätter erstellt. 6. „Modellprojekte stellen sich vor“ Die Referentin gibt dann einen Überblick über die Finanzierungssituation des Projektes. 7. Weitere Themen • Institutioneller Rassismus • CERD + Parallelbericht • Politisch motivierte Kriminalität rechts • Verfassungsschutzbericht • Daten und Fakten zu Asyl und Migration Bei den Sponsoren aus der gewerblichen Wirtschaft, die sich mit einem Betrag von mindestens € 2.000,- beteiligen, haben sich bereits die folgenden Unternehmen für eine Fortführung der Unterstützung entschieden: Gauselmann AG und Randstad Deutschland. Nach Abschluss der Tagung hat sich auch die LIDL Personaldienstleistung GmbH & Co. KG positiv zurück gemeldet. Bei den weiteren bisherigen Sponsoren kann von einer Fortführung des überwiegenden Teils ausgegangen werden. Auch die große Zahl der zivilgesellschaftlichen Unterstützer wie Sportvereine und -verbände, Gewerkschaften, religiöse Einrichtungen, Stiftungen oder NGOs wird das Projekt im kommenden Jahr finanziell als auch inhaltlich unterstützen. Die fast 50 Kooperationspartner unterstützen das Projekt inhaltlich und multiplikatorisch. Als neue Kooperationspartner können für die Aktionswochen 2016 begrüßt werden: • • Bundesverband Deutsche Tafel e.V. Bundes Roma Verband e.V. Von staatlicher Seite wird das Projekt seit vielen Jahren vom Bundesministerium des Innern (Tagung) finanziell gefördert. Anträge laufen zudem beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration. Graupner informiert dann über das Aktionsbündnis der Internationalen Wochen gegen Rassismus: Die zahlreichen Akteure, die sich jedes Jahr mit vielfältigen Veranstaltungen beteiligen, sind die aktive Basis der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Um diesen wichtigen Akteuren eine Öffentlichkeit zu geben und sie in einem Netzwerk zusammenzuschließen, wurde 2014 das „Aktionsbündnis“ gegründet. Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2015 ist das Aktionsbündnis auf fast 30 Initiativen angewachsen. Für die Wochen 2016 ist eine Aktion geplant, im Rahmen derer die lokalen Mitglieder des Aktionsbündnisses Interessierte zu sich einladen und ihre Initiative, die Vernetzung vor Ort und ihre Aktivitäten im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus vorstellen und so andere zum Mitmachen anregen. Die Aktion wird unter dem Titel „Modellprojekte stellen sich vor“ im Materialheft beworben. In dem Arbeitskreis „Muslime laden ein“ wurde vereinbart, das Projekt auch im Jahr 2016 weiterzuführen. Dabei soll ein besonderes Gewicht auf Dialoge und Begegnungen mit Kirchengemeinden, Synagogengemeinden und anderen religiösen Einrichtungen gelegt werden (finanzielle Unterstützung erfolgt durch die Robert Bosch Stiftung). Auf Grund der großen Nachfrage im Rahmen des Projektes „Veranstaltungen mit Flüchtlingen“ soll auch dieses fortgeführt werden (finanzielle Unterstützung durch PRO ASYL ist beantragt). Im Jahr 2016 sollen verstärkt auch Angehörige der Roma für Veranstaltungen gewonnen werden, mit denen in diesem Jahr bereits erste Veranstaltungen gestartet wurden (Finanzierung durch die Hildegard-LagrenneStiftung wurde angefragt). Im Rahmen des Projektes soll kommunalen Einrichtungen von Betroffenen erneut eine finanzielle Unterstützung von in der Regel bis zu 300 Euro für Veranstaltungen (Referent_innen, Übersetzungen, Fahrtkosten, Räume etc.) angeboten werden. Koordiniert werden die Projekte von Yasmin Khurshid (yk(at)interkultureller-rat.de). Die thematischen Schwerpunkte entlang des Mottos „100% Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus“ benennt Graupner für die Internationalen Wochen gegen Rassismus 2016 wie folgt: • • • • Anti-Flüchtlingsdebatte und steigende Ablehnung und Gewalt gegen Geflüchtete und Asylsuchende: Debatten um "gute" und "schlechte" Flüchtlinge; Diskrepanz bei der Anerkennung von Fluchtursachen; Rassismus im Bezug auf Fluchtgruppen; Verschärfung von Asylrecht, Abschiebungen und Grenzkontrollen; Nützlichkeitserwägungen statt Menschenwürde. Antimuslimischer Rassismus und rechtspopulistische Bewegungen wie „Pegida“. Antiziganismus und Antisemitismus Alltagsrassismus, struktureller und institutioneller Rassismus, Racial Profiling. Als besondere Herausforderungen für 2016 nennt Britta Graupner die folgenden: • • Ausbau der Aktivitäten in Schulen (Unterrichtsmaterialien weiterhin im Angebot; Information und Mobilisierung über Kooperationspartner und bundesweite Zusammenschlüsse wie den Deutschen Landkreistag) Bessere Verankerung der Aktionswochen in den neuen Bundesländern, vor allem außerhalb der Städte. Im ländlichen Raum finden bisher vergleichsweise wenige Aktivitäten statt, hier besteht aber ein besonderer Bedarf. Mit Hinweisen auf folgende Veranstaltungen zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus 2016 beendet Britta Graupner ihren Bericht über die Planungen zu den Aktionswochen 2016: • • Eine Fortbildungstagung für Medienarbeit bei den Internationalen Wochen gegen Rassismus wird am 30. November 2015 in Frankfurt/M. durchgeführt. Die bundesweite Auftaktveranstaltung zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus 2016 wird am 10. März 2016 in Halle (Saale) in Zusammenarbeit mit „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“, der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt und der Stadt Halle stattfinden. Umgang mit Geflüchteten – Die Fallstricke des humanitären Ansatzes: Miltiadis Oulios Journalist & Autor Miltiadis Oulios konstatiert zu Beginn seines Vortrags dass wir – im wortwörtlichen Sinne – in bewegten und bewegenden Zeiten leben. Er appelliert zugleich dafür, nicht bei der Betroffenheit stehen zu bleiben, die Bilder wie des ertrunkenen Kindes Aylan bei uns auslösen. Ihm liege dabei nicht daran, das Mitgefühl zu diskreditieren, sondern die Fallen des humanitären Diskurses aufzuzeigen und eine Möglichkeit der Überwindung und Veränderung vorzuschlagen. Seit Monaten machen sich Geflüchtete von Griechenland aus in einem „Marsch der Hoffnung“ zu Fuß über die Bakanroute auf den Weg nach Westeuropa und eigneten sich das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU an, das ihnen von Rechts wegen nicht zustand. Dieser Aspekt ist nach Oulios das Entscheidende. Diese Menschen könnten sich auch anders verhalten: Sie könnten sich in Griechenland registrieren lassen. Sie hätten sich in Ungarn registrieren lassen können. Trotz Aufforderung tun sie das nicht. Bewusst nicht. Sie gehen nicht nach Athen, sondern direkt an die griechischmazedonische Grenze. Sie steigen in Ungarn nicht aus dem Zug, sie erkämpfen ihre Weiterreise nach Österreich, Deutschland, die Niederlande oder Schweden. Sie könnten bleiben, wo sie sind. Sie tun es nicht. Sie könnten sich von den Grenzzäunen und Polizeiknüppeln abschrecken lassen. Sie tun es nicht. Sie überwinden sie. Was die Betroffenen bisher klandestin durch ihre illegalisierte Migrationspraxis taten, tun sie nun offen. Sie protestieren an der Außengrenze der EU zur Öffnung ebendieser Grenze. Der Begriff der Migration als soziale Bewegung gewinnt damit eine neue, wortwörtliche, Bedeutung, die viele vor kurzem noch nicht für möglich gehalten hätten. Und diese Bewegung findet auf beiden Seiten statt. Ihre Entsprechung findet sie bei den vielen, bundesweiten Flüchtlinge-Willkommen-Aktionen. Beide Seiten tun damit etwas hoch Politisches: Sie erkennen das europäische Grenzregime nicht an. Sie relativieren das Recht und die Macht des Staates, Grenzen zu setzen. Oulios betont, dass es in den kommenden Monaten wichtiger denn je sein wird, wie diese Praxis eine politische Artikulation finden kann. Dies vor allem vor dem Hintergrund der Pläne des Innenministers Thomas de Maizière wie auch der EU, mehr Abschiebungen durchzuführen und wieder mehr Kontrolle herzustellen. Oulios stellt in diesem Kontext bewusst den Zusammenhang zu Rassismus her. Dies nicht nur in dem Sinne, welche Leben im Mittelmeer für Wert befunden werden, gerettet zu werden und welche nicht, sondern im Sinne von Rassismus als soziales Kräfteverhältnis: Die Antwort auf den Verlust der Kontrolle über die Migration lautet – in dem Bewusstsein, dass diese Kontrolle nicht absolut hergestellt werden kann – Entrechtung. Entrechtung von Menschen, die als Teil unserer Gesellschaft von grundlegenden Rechten in unserer Gesellschaft ausgeschlossen werden: Das Recht, dort zu wohnen, wo man möchte, das Recht zu arbeiten oder zu studieren. Nach Oulios‘ Einschätzung haben wir es hier mit einer paradoxen Situation zu tun: Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft und in einer Welt, in der Globalisierung und Mobilität die Norm sind. Gleichzeitig wird vielen Menschen, die aus Krieg oder Armut fliehen und gute Gründe haben, sich auf den Weg zu machen, dieses Recht auf Bewegungsfreiheit verwehrt. Für die Betroffenen bedeutet das: Entwurzelung und Aberkennung von Rechten: Sie leben zwar in einer globalisierten Welt, haben aber das Pech, aus einem weniger privilegierten Land zu kommen, und dürfen deshalb nicht selbst entscheiden, wo sie leben. Wenn sie dennoch hier angekommen sind, werden sie aufgrund ihrer Herkunft in einem Status der Entrechtung festgehalten und untergeordnet. Da viele aber trotzdem nicht gehen, wird damit eine moderne Form der sozialen Apartheid institutionalisiert. So funktioniert Rassismus heute. Oulios plädiert dafür, dass wer sich für die Überwindung von Rassismus und das Zusammenleben über Grenzen hinweg einsetzen möchte, sich nun dafür engagieren muss, dass die beschriebene Politik nicht umgesetzt werden kann. Wenn die Willkommenskultur ernst gemeint ist, dann muss sie nun politisch werden und hier weitergeführt werden. An diesem Punkt verdeutlicht Oulios die Fallstrickte des humanitären Ansatzes: Denn die Menschen, um die es geht, geben sich in der Praxis nicht nur mit den Menschenrechten und dem Menschsein, der bloßen Rettung ihres menschlichen Lebens zufrieden. Sie verlangen praktisch etwas, das über den Horizont der bloßen Menschlichkeit hinausgeht. Etwas, das letztlich nicht humanitär sondern nur politisch begründet werden kann. Nicht der Mensch an sich, sondern nur ein Bürger kann nicht abgeschoben werden. Nur der Status eines Bürgers erlaubt es einem Menschen im gegebenen Kontext nicht begründen zu müssen, weshalb er oder sie an einen Ort ziehen oder dort bleiben will. Die Geflüchteten praktizieren damit aktuell unter prekären Bedingungen ein transnationales, mithin sogar ein Weltbürgerrecht, das es offiziell noch nicht gibt. Sie verhalten sich als Bürger dieser Welt, auch wenn es dafür noch keinen Pass gibt. Aber sie verhalten sich so, als ob auch sie das Recht hätten. Der Begriff der Menschlichkeit erlaubt solch einen politischen Zugang nicht. Er entpolitisiert die Anliegen und den Konflikt um das Recht auf den Zugang zu Rechten. Zum Recht auf Bewegungsfreiheit, auf Flucht, auf Migration, auf Bleiberecht. Menschen, die abschiebbar sind und sich dagegen wehren, verlassen sich praktisch gesehen nicht auf den Begriff der Menschlichkeit, sondern nehmen das Recht auf Migration selbst in die Hand. Ein Recht, das ihnen der humanitäre Diskurs und die Menschenrechte nicht bieten können. Denn die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte artikuliert zwar das Recht seinen Staat zu verlassen, aber nicht das Recht in einen anderen einzuwandern, ohne dies das Recht auf Flucht aber in der Praxis nicht realisiert werden kann. Welche Utopie steckt nun in der Praxis der Menschen, die illegalisiert die EU-Grenzen überschreiten, die sich in Deutschland gegen ihre Ausgrenzung und Abschiebung wehren oder die sich mit den Betroffenen solidarisieren und dadurch Abschiebungen auch verhindern? Sie setzen damit implizit den Anspruch auf globale Rechte für alle auf die politische Agenda. Viel wichtiger aber: Sie können als Vorhut einer neuen Ordnung gelesen werden. Einer Ordnung, in der eine neue Form von grenzüberschreitender Bewegungsfreiheit garantiert wird, die über die jetzigen Formen hinausgeht. Veränderungen entstehen, wenn Migranten und Geflüchtete nicht mehr Empfänger von Mitgefühl sein wollen, sondern sich selbst zum politischen Subjekt machen. Abschließend betont Miltiadis Oulios, dass die Aufgabe nun darin besteht, wie wir eine Politik entwickeln können, die von diesem Akt der Emanzipation ausgeht und die nicht bloß an das Mitgefühl appelliert. Frage- und Diskussionsrunde Die anschließende Frageund Diskussionsrunde eröffnet der Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus, Dr. Theo Zwanziger. Er merkt an, dass die von Miltiadis Oulios angesprochene neue Ordnung von der Entwicklung der Willkommenskultur abhänge. Derzeit überwiegen zwar die positiven Aspekte, doch Zwanziger fragt, wie nachhaltig diese seien. Dies würde sich daran messen lassen, wie die Diskussionen a) im Privaten und b) in den Medien verlaufen. Im Privaten dürfe man mit der aktuellen Flüchtlingssituation nicht überfordert sein, wenn noch gar nichts passiert sei. Auch Politiker_innen nutzten das Wort „Überforderung“ zu häufig. Ein weiteres, oft in der Debatte genanntes Argument, sei das Geld. Doch wenn man die geflüchteten Menschen, die zu uns kommen, teilhaben lässt, könnten diese auch zur Gesellschaft und Wirtschaft beitragen. Dies sei auch eine gute Aussicht für die Zukunft, die man immer wieder deutlich machen sollte. Für den Bereich der Medien nennt Zwanziger je ein Beispiel, wie die Willkommenskultur positiv bzw. negativ beeinflusst werden könne. Als positiv empfand er den Bericht über einen Polizisten, der Arabisch gelernt hat, um besser mit den Geflüchteten kommunizieren zu können. Als äußerst negativ bewertet er die aktuelle Aussage von Edmund Stoiber, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, da diese Haltung gegen das Grundgesetz verstoße. Zwanziger plädiert dafür, dass wir die Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen, für uns und unsere Arbeit gegen Rassismus gewinnen müssen. Dann können die positiven Beispiele und Stimmen – die es zu stärken gilt - die Angst vor Überforderung nehmen. Umgekehrt müssten rechte Politikerstimmen deutlich gebrandmarkt werden. Miltiadis Oulios ergänzt, dass man aus seiner Sicht den Menschen klar machen müsse, dass sich die Gesellschaft bereits verändert habe und weiter verändere. Und dies unabhängig davon, ob es gewollt sei oder nicht. Egal, welche Vorbehalte es gegenüber der Migration und Einwanderung gibt, die Veränderung sei bereits im Prozess. Es sei überflüssig und „vergebene Liebesmüh“, jetzt noch Diskussionen über Abschottung, Abschiebung oder Flüchtlingskategorien zu führen. Stattdessen müsse über neue Formen von Migration und eine neue Gesellschaftsordnung gesprochen werden, die zu beiderseitigem Vorteil beiträgt. Dr. Konrad Buschbeck, Gründerstifter, hält die Aussagen von Dr. Zwanziger für hilfreich und meint, wir sollten die rechtliche Orientierung von Miltiadis Oulios als Ausgangspunkt nehmen und seine Vorstellung einer neuen Ordnung aufgreifen. Elina Stock von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ergänzt die Verantwortung der Medien sowie Oulios‘ elementare Visionen um den Bereich der Bildung. Die Information über das Recht auf Bildung sei wichtig. Hierbei seien Bildungsinstitutionen sowie Pädagog_innen gefordert und spielten eine wesentliche Rolle. Stock plädiert für eine Informationskampagne für Ankommende im Hinblick auf den Bildungsbereich. Martin Zieraus von der Bahá'i-Gemeinde Deutschland betont, dass die Diskussion über die Entwicklung der Gesellschaft und einer neuen Ordnung – und damit auch über Rassismus – wesentlich sei. Miltiadis Oulios stimmt dem zu und hält eine übergeordnete Diskussion zur Frage „Wie wollen wir morgen leben?“ für unumgänglich. Die Grundfrage sei, wie wir mit dem Thema Flucht & Migration morgen anders als heute umgehen. Er plädiert für mehr Freiheit und dafür, das was heute illegal passiere, zu legalisieren. Es passiere ohnehin. World-Café Pro Thementisch lädt ein Tischpate/eine Tischpatin zu Gesprächen ein, in denen aktuelle rassistische Erscheinungsformen sichtbar gemacht und Handlungsoptionen sowie Modellprojekte diskutiert werden. Tisch 1: Was ist eigentlich Rassismus? Tahir Della (Vorstand Initiative Schwarze Menschen in Deutschland) Rassismus zu erkennen ist wesentlich, um sich mit ihm auseinander setzen zu können. Doch wo fängt Rassismus an? Rassismus und rassistische Äußerungen und Handlungen zu identifizieren fällt nicht immer leicht. Der Begriff ist komplex und zudem hoch politisiert, sodass auf individueller als auch gesellschaftlicher Ebene oft Widerstände gegen ihn wirksam sind. Tisch 2: Umgang mit Pegida & Co. Miltiadis Oulios (Journalist & Autor) Wie sollen Zivilbevölkerung und Staat mit rechtspopulistischen und zum Teil rassistischen Bewe-gungen wie „Pegida & Co.“ oder der AfD, die sich offen als ihr Sprachrohr geriert, umgehen? Bereitschaft zum Dialog zeigen oder Widerstand organisieren? Oder braucht es ein neues, von Menschenwürde geprägtes, gesellschaftliches „Leitbild“? Tisch 3: Was tun gegen Populismus, Hetze und Gewalt gegenüber Geflüchteten? Michael Sturm (Mobile Beratung im Regierungsbezirk Münster. Gegen Rechtsextremismus, für Demokratie) Tröglitz, Freital, Meißen – nur einige Stichworte für den steigenden Populismus und Gewalt gegen geflüchtete Menschen. Demgegenüber steht eine große und solidarische Ehrenamtsbewegung. Was braucht es, um den flüchtlingsfeindlichen Entwicklungen entgegenzuwirken, rassistischer Stimmungsmache keinen weiteren Nähr-boden zu bieten und die solidarische Zivilgesellschaft zu stärken? (s. Anlage für eine detaillierte Beschreibung der Diskussion und ihrer Ergebnisse) Tisch 4: Muslime laden ein Yasmin Khurshid (Interkultureller Rat) Am Tisch wurde Interessierten das seit 2014 durchgeführte Projekt „Muslime laden ein“ vorgestellt, das den Austausch von Muslimen und Nichtmuslimen zum Ziel hat. Informationen gab es zum Ablauf und zur Durchführung einer entsprechenden Veranstaltung. Zudem wurden einige Best-Practice-Beispiele aus dem Jahr 2015 vorgestellt. Für 2016 ist eine Ausweitung des Projekts auf das ganze Jahr mit Themenschwerpunkt „Flüchtlinge“ und einer verstärkten Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden und Synagogen geplant. Frau Abdelkadir von der Muslimischen Jugend in Deutschland präsentierte ein weiteres Projekt mit ähnlichem Konzept: „Tea Time“ – Zeit für (D)eine Teegegnung. Muslim_innen laden hierbei Nachbarn oder Bekannte zum Tee zu sich nach Hause ein, um ungezwungen ins Gespräch zu kommen und sich fernab von Vorurteilen kennenzulernen (nähere Informationen unter: teegegnungen.com). Folgende Ergebnisse des Thementisches sind festzuhalten: • • Die Flüchtlingsarbeit religiöser Gemeinden (insbesondere muslimischer) sollte gestärkt werden, da sich viele Geflüchtete stark über ihre Religionszugehörigkeit definieren und entsprechend auch dort Ansprechpartner suchen. Häufig bestehen beiderseits – auf muslimischer und nichtmuslimischer Seite – Unsicherheiten bzgl. der Kommunikation und des Umgangs miteinander, so dass häufig trotz grundsätzlicher Bereitschaft eine tatsächliche Zusammenarbeit oder gemeinsame Initiativen nicht zustande kommen. Diese Erfahrung teilten verschiedene Teilnehmende des Thementisches. • • Es ist darauf zu achten, dass auch die ablehnende Haltung einiger (junger) Muslime gegenüber Andersgläubigen thematisiert wird. Insbesondere an Schulen werden diese nicht selten geäußert, was eine Herausforderung für die Pädagog_innen darstellt. Als weitere Problem bei der Zusammenarbeit mit muslimischen Gemeinden/ Einrichtungen in Deutschland wurden genannt: Sehr lange bzw. keine Entscheidungsfindung /Flexibilität in stark hierarchisch gegliederten muslimischen Organisationen mit großen Dachverbänden Keine zentralen Ansprechpartner „der“ Muslime vorhanden, aufgrund der Unterteilung der Gemeinden nach nationaler Prägung bzw. nach unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften) Tisch 5: Veranstaltungen mit Roma Romeo Franz (Geschäftsführer der Hildegard-Lagrenne-Stiftung) Im Zuge der Ausweitung der Projekte „Muslime laden ein“ und „Veranstaltungen mit Flüchtlingen“ sollen während der Aktionswochen 2016 verstärkt auch Begegnungen mit Roma zum Abbau von Vorurteilen und aktiver Partizipation der Minderheitsangehörigen initiiert werden. Themen, Veranstaltungsformen und Mobilisierungsmöglichkeiten, um Antiziganismus entgegenzuwirken, stehen zur Diskussion. Tisch 6: Antisemitismus heute – Fakten und Fiktionen Die Gesprächsrunde musste leider kurzfristig abgesagt werden. Tisch 7: Empowerment und die Perspektive von rassismuserfahrenen Menschen Remi Busch (Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Frankfurt/M.) Es werden aus rassismuserfahrener Perspektive Impulse gegeben und Optionen diskutiert, wie eine Stärkung des eigenen Umgangs mit Alltagsrassismus als auch eine bessere rechtliche Handlungsfähigkeit gegenüber rassistischer Diskriminierung erreicht werden kann. Tisch 8: Modellprojekt Grandhotel Cosmopolis Johannes Meyer (Mitbegründer) Im Augsburger Grandhotel Cosmopolis wird die dringliche Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerber_innen verknüpft mit kultureller Vielfalt und einem Angebot zur Teilhabe für alle. Wie wird aus der kühnen Idee ein praktisches Zeichen der Menschenwürde und was ist bei der Umsetzung eines solchen Experimentes zu beachten? Im Anschluss an die Thementische haben die Tischpat_innen und Teilnehmenden der Thementische die Gelegenheit, wesentliche Ergebnisse der Gesprächsrunden und Themen, die sie im Hinblick auf die Aktionswochen 2016 für wichtig erachten, in einer Schlusswortrunde zu benennen. Danach stellt Jürgen Micksch zur Diskussion, ob die Projekte „Muslime laden ein“ sowie „Veranstaltungen mit Flüchtlingen/Roma“ über das gesamte Jahr laufen sollen. Dem wird zugestimmt. Er fragt zudem das Interesse an der Medientagung sowie Kritik und Vorschläge für die Tagungsgestaltung ab. Tahir Della betont, dass es äußerst wichtig sei, dass bei der Flüchtlingsdebatte und den Veranstaltungen mit Flüchtlingen verstärkt Selbstorganisationen einbezogen werden. Auf diese Menschen und Organisationen sollte man zugehen, da sie essentiell für die Antirassismusarbeit in dem Bereich sind. Das Schlusswort hält Geert Ates von United for Intercultural Action in Amsterdam, von denen die UN-Wochen gegen Rassismus europaweit koordinier werden. Er erläutert die Entstehung der europaweiten Aktionswochen und merkt an, wie große diese Bewegung geworden sei. Insbesondere den Internationalen Wochen gegen Rassismus in Deutschland sei ein Lob auszusprechen. Es sei beeindruckend, dass die Hälfte der gesamten europäischen Beteiligung in Deutschland stattfände. Interessant sei, dass Rassismus, Flüchtlinge und Hate Speech europaweit noch als unterschiedliche Themen behandelt worden seien. Heute wären diese unter dem Oberbegriff Rassismus subsummiert. Ates beklagt, dass es keine Visionen von Politiker_innen gäbe. Dies bedeute besonders viel Arbeit für die zivilgesellschaftlichen Kräfte. Jeder müsse sich hinterfragen, ob seine Toleranz nur soweit gehe, wie er selber nicht direkt betroffen sei. Ates betrachtet die aktuellen Entwicklungen in Europa mit Sorge, betont aber auch, dass die Aktivitäten in Deutschland Mut machten. Es sei wichtig eine Gegenbewegung zu zeigen – hierfür wünscht Ates allen Beteiligten viel Erfolg. Abschließend bedankt sich Jürgen Micksch noch einmal bei allen Referierenden und Teilnehmenden. Das Motto „100% Menschenwürde“ sei eine große Aufgabe und das Engagement im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus in diesem Kontext zentral für die Zukunft. gez. Britta Graupner, Oktober 2015
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