DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Tina Klopp Feature Rückspiegel, Speicher und Loops Tonspuren der Künstlerin Michaela Melián Von Martin Zeyn Produktion: DLF 2016 Regie: Matthias Kapohl Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar - Sendung: Freitag, 08. März 2016, 20.10 - 21.00 Uhr 1 01 Opening Tontechniker Jürgen Ich mach euch gern mal den Sound an. CD MM: Baden-Baden LC 01806 05 Opening Partisan Von der Strategie würde ich mich eher als jemand Partisanischen bezeichnen, dass man irgendwo auftaucht, seine Sache macht und dann wieder woanders auftaucht. 04 Opening Und ich kann das nur begreifen, wenn ich schon immer, was hinter mir liegt, mitdenke. 07 Opening Radio Für mich ist es so gewesen, dass die Möglichkeit, Arbeiten im Radio zu senden, einfach eine Erweiterung der Orte bedeutet, an denen ich meine Sachen zeigen kann. Und für mich die Radiosender eigentlich auch eine Art öffentlicher Raum bedeutet. OT 08 Zeyn Okay, das Gerät läuft schon… 2 ANSAGE Rückspiegel, Speicher und Loops Tonspuren der Künstlerin Michaela Melián von Martin Zeyn CD weg ATMO HÖRSPIELSTUDIO (Roughmix Electric Ladyland) Ausgangsstellung … erster Schritt. … jetzt ist sie wieder zu laut. SPRECHERIN über OT Eine Kunstausstellung, die in einem Hörspielstudio beginnt. Michaela Melián komponiert den Soundtrack von „Electric Ladyland“. Noch ist Januar. In zwei Monaten soll ihre große Einzelausstellung eröffnet werden, zeitgleich zur Ursendung des Hörspiels. ATMO HÖRSPIELSTUDIO (Bei Sekunde 0:36 Gespräch im Regieraum) „Das muss lauter sein. Das muss krachen.“ SPRECHERIN Zwei Wochen Arbeit, vor allem an Details. Wie laut darf ein Crescendo sein, wie laut die Sprecher im Verhältnis zum Text? OT Melián Hörspielregie Wir hatten hier eine riesige Debatte am Anfang, weil ich immer am Anfang gesagt habe, die Stimmen sind zu laut. Weil die Musik soll ja genauso laut, wie die Stimmen sein. Sie sollen sich die ganze Zeit ergänzen, denn es ist ja kein durchgehender Text, sondern es sind ja alles Fragmente, Splitter aus dem Libretto, aus der Theorie usw., und wenn es dann so fragmentiert ist und es steht aber über dem Ganzen, als wäre es Literatur, dann haut es die ganze Narration der Musik kaputt. 3 SPRECHERIN Wie funktioniert Musik im Hörspiel? Und wie in einer 110 Meter langen Betonröhre? ATMO Abstieg Lenbachhaus (Straße Rolltreppe, U-Bahn, Einlass) Hallo, Martin Zeyn, Sie kennen es ja schon, vielen Dank fürs Reinlassen. SPRECHER Der Kunstbau, der Ausstellungsraum des Lenbachhaus, liegt unter der Erde, über einer U-Bahn-Linie. Eine lange Röhre, eine Betondecke mit ersten Rissen, nackte Betonpfeiler. ATMO AUFBAU Bohrmaschine OT 41 Melián Aufbau 2 Und das war ja meine Überlegung, wie schaffe ich das in einer Betonröhre, was ja fast ist wie eine Autobahnbrücke, irgendwie die Situation so zu gestalten, dass die Leute Lust haben, sich hinzusetzen. SPRECHERIN Michaela Melián hat 40 Hocker entworfen, mit silberfarbenem Stoff überzogen. Dazu mehrere, an der Decke hängende Sessel mit Lautsprechern in Kopfhöhe, in denen sie ihre Songs abspielt. Sie will einen Raum zum Zuhören schaffen, wo eigentlich keiner ist. OT 42 Ursprünglich hatte ich ja sogar die Idee, dass ich direkt auf die Wand male und hatte auch schon eine ganze Truppe von Kunststudierenden hier aus München zusammengestellt, die mir dabei helfen sollten. Dann war aber die Soundproblematik im Vordergrund, dass es gut klingen muss, sonst kann es keiner länger als 10 Minuten aushalten und da kam ich auf die Idee mit dem Stoff. Da sind wir, weil man ja auch die Kosten im Auge behalten muss, da sind wir ja genau in dem Bereich, den ich sonst bezahlt hätte, wenn den Leuten nicht nur einen Hungerlohn, sondern einen angemessenen Stundenlohn bezahlt hätte. Da bin ich ganz zufrieden, es hat natürlich auch Methode, dass es a sonst bezahlt hätte, 4 es hier vor Ort für diesen Raum auch entsteht. OT 10 LISTE 1 Geboren in welchem Jahr und wo? MM: 1956 in München Studium am Konservatorium. Warum? MM: Warum? LACHT. Es war immer so ein Traum im Orchester zu spielen. Und deswegen habe ich Musik studiert und mich sehr angestrengt, dass ich das schaffe. Weil die Aufnahmeprüfung sehr, sehr schwer ist und man echt viel üben muss. Mit welchem Instrument? MM: Studium Cello. Nebenfach Gitarre und Klavier. MZ: Dann der Wechsel an die Münchener Hochschule der Künste – warum? MM: Meine Lieblingsfächer waren Musik, Kunst und Literatur, also Deutsch. Und da hatte ich erst einmal Probleme, mich zu entscheiden, in welche Richtung ich da gehen wollte. Den größten Ehrgeiz hatte ich, am Konservatorium angenommen zu werden, das war die schwerste Hürde. Und dann habe ich durch ein Seminar, das gemeinsam von den Musikhochschulen und der Kunstakademie in München veranstaltet wurde, und da habe ich so viele Leute von der Kunstakademie kennengelernt, das ich das als Befreiungsschlag aus dem wahnsinnig anstrengenden Übe-Marathon des Musikstudiums empfand – dass man da stundenlang üben muss, um Perfektion abzuliefern, wo ich einfach gemerkt habe, diese Spitzenklasse werde ich nicht erreichen und will ich auch nicht erreichen – ist mir auch nicht so wichtig beim Musizieren. OT 11 Melián … Eigentlich war es die Idee, wie schaffe ich es für meine Arbeiten ein anderes Publikum zu finden OT 13 Melián Da bin ich nicht alleine, da würde ich sagen, in meiner Generation gibt es da eine ganze Reihe von Leuten und es gab sie auch schon im 20. Jahrhundert, viele Leute, die unterschiedlichste Sachen gemacht haben, ich sag jetzt mal John Cage, und dass man ein Bein in der Pop-Welt hat und ein Bein in der Kunstwelt, das finde ich eher spannend, dass es mir auch nicht langweilig wird. 5 OT 12 Buhr Ich glaube für sie persönlich ist das ein wahnsinniger Vorteil. SPRECHERIN Elke Buhr, neben Kunst- auch Musikkritikerin. OT 12 Buhr Für ihre Kunst ist das auch ein Vorteil, weil ihre Kunst dadurch viel komplexer und spannender wird. Und das ist genau das, was ich liebe, an dem, was sie macht. OT 14 Huttenlauch Ich denke, diese Hörspielkomponente kommt ihrer Kunst zugute, ohne dass sich dahinter eine spezielle Marktstrategie verbergen würde. Sprecherin: Eva Huttenlauch, Kuratorin am Münchner Lenbachhaus. Sie betreut die Ausstellung Electric Ladyland. OT 43 Melián Also wir haben eine Woche aufgebaut und hier 140 Meter bedrucktes Leinen aufgehängt, wo eine Zeichnung von mir draufgedruckt ist und dieser Stoff hängt eben 40 cm vor der Wand, dahinter ist eine Ausrüstung der Wand mit Molton und einer mitteldichter Faserplatte, um den Sound zu verbessern, ohne dass man es sieht. OT 44 Melián: Hier ist es so, dass ich die Musik gemacht habe, bevor überhaupt irgendetwas anderes passiert ist. Im Hörspiel kommt der Text hinzu, hier im Ausstellungsraum aber haben wir nur Musik. 6 OT 45 Aufbau 0 Und dann gibt es hier im Electric Ladyland-Teil, der 140 laufende Meter Wandzeichnung ist, gibt es /KLACKEN/ noch an der Decke, wo man gerade den Steiger hört, da werden Lampen befestigt, die auch gesteuert sind, die sich wie eine Wolke elektrisch erhellen und dunkel werden. Das ganze Licht ist noch in the making, da alles hier noch vor Ort entsteht, es sind noch vier Wochen hin, ist es sehr sehr knapp, weil alles aus dem Nichts entsteht. Lacht OT 15 Melián Im Endeffekt gibt es bei all diesen Anfängen einen gemeinsamen Impuls: Die Produktionsmittel übernehmen, sie selber definieren, Sachen machen, die nicht vorgesehen waren, mit den Leuten, die man sich dazu selber sucht. Dass es sich auch nicht in eine Verwertungslogik einspeist und damit auch bestimmte Orte besetzt. SPRECHERIN Michaela Melián. Eine Person in drei Kontexten: Kunst, Hörspiel und Musik. Mit Justin Hoffmann, Thomas Meinecke und Wilfried Petzi gründet sie 1980 die Band F.S.K. Fotos im Netz zeigen Melián mit Bass, Mischpult und Band-Bus, einmal steht ihre Tochter Juno mit auf dem Bandgruppenbild. FSK, die laut dem Kritikerpapst Diedrich Diederichsen „für die deutsche Intelligenz“ musiziert. 1982 war das ein wichtiger Satz. CD FSK: Sag Ja zur modernen Welt … OT 16 „Das Nichtkönnen produktiv machen“. SPRECHERIN Zitiert Melián einen Punkspruch. Dann wäre sie mit ihrer Cello-Ausbildung am Konservatorium eigentlich zu gut gewesen für die Band. OT 16 a 7 Und wenn jemand in der Band richtig gut spielen konnte, wie Justin Hoffmann, der durfte nicht gut spielen. SPRECHERIN Also sang sie und spielte Instrumente, die sie nicht so gut konnte, meistens den EBass. SPRECHERIN „Heute Disco, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie“ oder „Move ahead and your ass will follow“ – beweg dich, dein Arsch kommt schon hinterher – „Sag Ja zur modernen Welt“: das sind die bekanntesten Zeilen von FSK, der Freiwilligen Selbstkontrolle. 1980 gegründet. Zehn Jahre nach Kraftwerk. Im selben Jahr wie die Einstürzenden Neubauten. Deutsche Popavantgarde. OT 17 Buhr FSK Ich fand als Teenie, als ich die mal im Fernsehen gesehen habe, das wahnsinnig bizarr. Und letztlich sind die bis heute wahnsinnig bizarr. Das ist eine der bizarrsten Bands, die überhaupt herumläuft, und ich finde es toll, dass die das geschafft haben mit diesem Ansatz, so lange interessante und gute Musik zu machen. OT 18 T. Müller FSK „FSK war jener Teil der deutschen New Wave, die sich abgegrenzt hat von den 68ern, deswegen heißen sie auch 78er – das Jahr, in dem Punk aufgeschlagen ist in Deutschland. So etwas wie uneigentliches Sprechen, Aneignung von Posen wie z.B. „Sag Ja zur modernen Welt“, das man nicht nur ironisch verstehen kann, aber eben auch. SPRECHERIN Tobi Müller, Schweizer Theatermacher und Kritiker. OT 18 T. Müller FSK Das war ein neuer Tonfall, der sehr schnell auch eine Massenverwertung fand mit der Neuen Deutschen Welle, aber FSK haben daran rumgeschraubt. Vielleicht 8 analog in der Kunst zu Martin Kippenberger. Immer die Positionen wechseln, immer neue Positionen suchen, damit verwirren – plötzlich haben Sie Country gemacht. Deutscher Country aus Texas mit deutschen Texten. CD FSK: Unter dem Rhein LC 8153 OT 19 T. Müller FSK Dieses ständige in Bewegung sein – und Nicht-eigentliche-Sprechen wie es die Hippiebewegung und selbst noch der in der ganzen Welt bewunderte Krautrock aus Düsseldorf und Köln gemacht hat – dieser Bruch kam sehr spät in Deutschland und er kam mit Bands wie FSK. 9 OT 46 Melián Aber das hier, was aussieht wie Glühbirnen sind nach einer historischen Abbildung von einem Labor, das sind eigentlich Kolben, wo chemische Prozesse stattfinden. Das ist ein weiterer Narrationsstrang: Wenn man von der Entwicklung des Homunculus, des künstlichen Menschen ausgeht, spielt natürlich das Labor eine ganz wichtige Rolle oder die Werkstatt, wo die Maschinen konstruiert werden, da ist man im Chemielabor und wenn man es bis heute durchdenkt, dann ist man beim Gen-Laboratorium, was dann ja auch in den Zeichnungen vorkommt. Es wird permanent gesprungen von Technik von vor zwei Jahrhunderten oder noch älter, es sind auch Zeichnungen nach Leonardo dabei, der ja auch bewegliche Maschinen entworfen hat, bis zu heutigen Abbildungen aus Laborsituationen oder Molekulargeflechten. Bis hin zum Sciencefiction natürlich. OT 47 Ladyland Genom Was bedeutet die Maschine jetzt im Verhältnis zu uns, zu unserem Körper? Und wie denken wir uns, wie denken wir in unsere Zukunft? Das ist der Bogen, den ich damit schlagen will. Und was sich als Ostinato durchzieht, was sich herauskristallisiert, ich hab mir noch ein Genom besorgt, ESR heißt es, vom Östrogen-Rezeptor, und wenn man das liest, es besteht ja nur aus vier Buchstaben, die eben Abkürzungen für Moleküle sind, das A, G, C und T, und dieser Genom-Rezeptor, Transkript heißt er, ist ein relativ kurzes Transkript, es sind nur vier eng beschriebene Seiten und die habe ich von einem Mann und einer Frau in Gänze lesen lassen. OT 48b Gelesen hat das etwas von einem Nadeldrucker, also eine Maschine, die eine Programmierung durchgibt. OT 48 Ladyland Also ich denke, ich habe hier so eine Art Landschaft aufgebaut. Es ist so eine Art kollektives Unterbewusstsein, wo sehr oft Technik analog zu einem weiblichen Körper konstruiert wird. So heißt ja zum Beispiel das erste Auto der Firma Daimler Benz „Mercedes“ oder die Kanone der Firma Krupp „die dicke Berta“. Entlang dieser Narration, diesem Dualismus der europäischen Geistesgeschichte, dass der Mann 10 das Intellektuelle bedient und die Frau natürlich die Reproduktion leistet, indem sie die Kinder kriegt, aber wenn’s dann an die Maschinen geht, die ja auch reproduzieren sollen, dann kriegen sie Frauennamen. Die ganzen Haushaltsgeräte, die auch Frauennamen haben, und das war die Idee dahinter, diese Maschinenbilder, die mit weiblichen Assoziationen aufgeladen sind, ihnen eine Art Eigenleben zu geben und eine Widerständigkeit. ATMO HUBWAGEN UND BOHRMASCHINE geht über in OT 20 Liste 2 Musik Roxy Music? MM: Ein Vorbild für meine Band FSK, Brian Ferry, ein großartiger Sänger und Texter, Brian Eno, einer der begnadetsten Musiker, ganz große Band. MZ: Kraftwerk? MM: Genau so, diese Thematik, die Kraftwerk durch dieses Vermischung von elektronischer Musik und einer Retroästhetik [erzielte], wo sie was Volksliedhaftes oder belastete deutsche Narrative [verwendete], die sie zu einem ganz neuen wunderbaren Konstrukt verarbeitet haben. MZ: Malaria? MM: Ganz wichtige Frauenband Anfang der 80er Jahre. Bis heute befreundet mit Gudrun Gut, die meine Platten herausbringt. CD MM: Baden-Baden LC 01806 SPRECHERIN Drei Soloplatten bislang: Baden-Baden, Los Angeles, Monaco. Viele der Tracks sind für Installationen entstanden. „Music for Museums“ sollte denn auch die erste Platte heißen. OT 24 TOBI MÜLLER „Solo“ Es ist eine Art von Minimal House, also elektronische Musik, die perkussiv ist und mit melancholischen und flächigen Samples arbeitet. Die ganz anders verfährt als in Europa. Es ist eine Art von House, die in Europa so selten produziert wurde. Techno und House wurden in Europa als Stunde Null begriffen, als Musik ohne Vorbilder, 11 referenzlose Musik, wir fangen noch mal neu an. In Amerika, in Chicago oder Detroit war das anders, das war immer Musik, die in einem Kontinuum gestanden hat. Und so wurde das auch gehört und performt. OT 26 Müller Harmonie Viele bedroom kids, also Jugendliche, die in ihren Schlafzimmer angefangen haben, Housetracks mit billigen Produktionsmitteln zusammen zu basteln, in Europa, in England wie auch in Amerika verfügen in der Regel natürlich über keine musikalische Vorbildung – das ist anders bei Michaela Melián. Das hört man auch. Das ist ein selbstverständlicherer Umgang mit Harmonien und harmonischen Strukturen, die in diesen House hineinspielen, dass sie auch da Bedeutung sucht und nicht so im Beat, der schnell auch was Maskulines haben kann. Es spielt bei ihr nicht so eine Rolle, es hat, wie schon gesagt, eher mit harmonischen Strukturen was zu tun. SPRECHERIN Michaela Melián ist eine Frau. In der elektronischen Musik, eher ein Nische im PopBusiness, gibt es ein paar. In der Kunstwelt hingegen leiten heute mehr Frauen als Männer Museen, es gibt viele Kuratorinnen und Frauen auf der Liste der 100 innovativsten Künstler. Das war nicht immer so. OT 34 Buhr Frauen In den 70er hatte es ja einige Künstlerinnen gegeben, die diese männliche Domäne durchbrochen haben. Das waren vor allem Performancekünstlerinnen, in Deutschland und den USA, ein paar, aber es war immer nur eine in der Clique, die zugelassen war. In den 80er Jahren gab es ja einen Backlash, da waren die Maler wieder da und das waren dann auch per definitionem wieder Männer. Und für eine junge Frau fehlten auch die Vorbilder. Es gab extrem wenig Lehrstühle, die von Frauen besetzt waren. Ich habe mir auch erzählen lassen von der Galeristin Barbara Gross, dass es damals unmöglich war, Werke von Künstlerinnen in öffentlichen Sammlungen unterzubringen. Die hat damals auch Louise Bourgeois vertreten und das war extrem schwierig. 12 SPRECHERIN Louise Bourgeois war eine feministisch-surrealistische Künstlerin. Heute sind ihre Großskulpturen bei Sammlern und Museumsleuten auf der ganzen Welt begehrt. Aber als der Kunstbetrieb sie entdeckte, war sie schon über 70.. OT 33 Eva Huttenlauch Frauen Damals gab es keine Galerie in München, die eine Frau im Programm hatte. Wirklich keine einzige. Barbara Gross hat ihre Galerie Ende der 80er eröffnet und hatte zu Anfang nur Frauen im Programm und wurde dafür aber auch heftig angefeindet. Es gab durchaus Frauen, es gab auch immer gleichviel Kunststudentinnen wie Kunststudenten, die gehörten absolut zur Szene, aber die tauchten nicht im Kanon auf. SPRECHERIN „Festung“ aus dem Jahr 1999. Bei der Gruppenausstellung „Dream City“ ließ Michaela Melián eine Hüpfburg auf dem Odeonsplatz aufstellen, mitten im Zentrum der Stadt, direkt vor der Befreiungshalle. Allerdings ohne Eingang, also ungeeignet zum vor Freude Hüpfen. Drei Meter hohe Wände. Bemalt war die Hüpfburg wie die Wohncontainer für Asylanten: grau, mit Fugen und kleinen Fenstern, allerdings fehlte eine Tür. CD Ignaz Guenther House LC 01806 SPRECHERIN „Ignaz Guenther House“ aus dem Jahr 2002. Vorgestellt von der Kunstkritikerin Elke Buhr. OT 29 Buhr Lieblingskunstwerk Eines meiner Lieblingswerke ist auf jeden Fall „Ignaz Guenther House“. Das ist ein älteres Werk, wo sie sich mit einer wahnsinnig tollen Rokokoskulptur von diesem Bildhauer Ignaz Günther auseinandersetzt und da kommt eben alles zusammen. Was sie da macht: Sie interpretiert diese Rokokoskulptur von Maria Magdalena als eine House-Lady. Sie sieht da den Tanz und den Sex, die Verführung und die Disco. Und hat das auch entsprechend inszeniert, sie hat einen Musiktrack dazu gemacht, 13 es gibt Dias, die sich im Raum bewegen. Es ist alles Bewegung, alles Musik und damit hat sie den Soul im Münchner Rokoko entdeckt und das finde ich wahnsinnig schön. SPRECHERIN „Mossberg Model Bullpup“, vorgestellt vom Featureautor Martin Zeyn: OT 30 ZEYN LIEBLING 1993 im österreichischen Friedrichsburg gezeigt. Ein rotes, meterlanges Schnellfeuergewehr der Marke Mossberg. Auf dem Boden liegend, aber nicht aus Metall, sondern aus Frottee genäht. Zum Anfassen, zum Kuscheln. Sexy, weich, tödlich, ein riesiger Waffenfetisch. Vielleicht weil Waffen immer auch Fetische sind. CD MM: Chemin du signal SPRECHERIN Lunapark 2012. Vorgestellt von Eva Huttenlauch: OT 30a Eva Huttenlauch Lieblingsarbeit Lunapark, eine ältere Installation aus Glas, Licht und Musik. Das ist eine Glassammlung auf einem Tisch, die von einem Dia-Projektor angeleuchtet sind und Schatten auf die weiße Wand werfen. Durch ein sich drehendes Prisma vor dem Projektor bewegen sich die Schatten und bilden Konstellationen und dazu kommt Musik, die MM komponiert und mit Gläsern erzeugt hat. Und das Ganze hat etwas sehr Fragiles und Ephemeres. SPRECHERIN „Wandbild“, 2004 direkt auf den Putz des Münchner Kunstvereins gemalt. Es feierte die Heroen eines anderen München, Ludwig den Zweiten, Erich Mühsam, Uschi Obermaier. Obermaier mit kurzem Etuikleid und einer phallischen Handfeuerwaffe zwischen den Schenkeln. CD Melián: Delta of Venus 14 OT 37 Liste Künstlerinnen. MZ: Charlotte Moorman, auch Cello. MM: Charlotte Moorman, Mitstreiterin von Nam June Paik, war immer auch so ein bisschen ein Vorbild, wie man die Disziplinen Musik und Kunst miteinander verbinden kann. MZ: Valie Export? MM: Großartige Künstlerin, auch ein Vorbild mit den Themen. Hab sie dann auch am Studium in der Münchner Kunstakademie kennengelernt. Und sie einfach wunderbar finde. Rosemarie Trockel? MM: Ganz wichtige Künstlerin unserer Generation eigentlich. Ich kenn sie auch gut und schätze sie. Und sie ist eine der besten, die international Sachen machen. Kiki Smith? MM: Ist auch eine Freundin, ich durfte in NY bei ihr wohnen. Eine sehr, sehr beeindruckende Persönlichkeit. OT 49 Eva Huttenlauch Markt EH: Sie erweitert Ihre Installationen durch die Hörspiele ins rein akustische, wodurch sich der Assoziationsraum erweitert, wie sie selbst gerne sagt, gleichzeitig aber entzieht sie ihre Arbeiten damit auch dem Kunstmarkt, insofern, als sie damit jedermann zugänglich werden. MZ: Sie hat ja immer wieder in Statements eine gewisse Marktverweigerung für sich geltend gemacht… EH: Ja, sie will es allen zugänglich machen, aber mit einem positiven Ansatz und weniger mit einem negativen, dass sie anderen, also dem Markt diese Arbeiten entziehen will. Das schwingt da mit, wobei die Arbeiten ja nicht vom Markt kommen. Aber sie findet eine immaterielle Form für ihre Kunst, die für den Markt schwer zu behandeln ist . OT 52 Buhr Bestimmt war es nicht leicht für sie gewesen, auf dem Markt zu reüssieren, weil sie die nicht für einen Markt produziert hat. Aber für ihre Kunst ist es natürlich besser. OT 51 Eva Huttenlauch Markt 15 Ich meine, man kann durchaus ihre Kunst auch kaufen und sammeln, wir haben selbst ihre wichtige Installation „Speicher“ gerade angekauft und da sind wir sehr froh und auch stolz drauf. SPRECHERIN In der Kunstwelt gibt es zwei Arten von erfolgreichen Künstlern: Solche, die Höchstpreise erzielen, Maler zumeist. Und solche, häufig die Konzeptkünstler, die oft ausgestellt werden, aber schwer zu verkaufen sind. Melián ist irgendwo dazwischen. Ihre Werke entstehen meist durch die Zusammenarbeit mehrerer Institutionen: der Bundeskulturstiftung, Museen, Kommunen, Theatern, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. OT 48a Und die Musik ist ja auch noch mal über 16 Kanäle, sechszehn Boxen, Klein und Hummel, das haben wir letzte Woche gemacht, 16 Boxen an der Decke montiert, an unterschiedlichen Orten, die dann jeweils mit einem Kanal belegt sind, und wenn man da so durchgeht, verändert sich das Musikstück permanent, weil man diesen Track fragmentiert hören wird. ATMO Einzeln Gitarre, Bass, Flöte, OT 48 c JG: Ich heiße Jürgen Galli und ich nenn mich selbst Medienkunsttechniker und ich entwickele mit Michaela Melián zusammen diese Installation, was Licht und Tontechnik angeht. JG: Sie hat ein neues Stück gemacht, Electric Ladyland, und ihre Idee war es, dass auf 16-Kanal-Tonspuren zu verteilen. Also einzelne Instrumente auf einzelne Lautsprecher zu verteilen, sodass ein räumliche Hören stattfinden kann. Jetzt haben wir natürlich die ganze Woche schon probiert, welches Instrument auf welchen Lautsprecher und wir sind auch noch nicht ganz fertig, aber einen kleinen Eindruck gibt’s auf jeden Fall schon mal. MUSIK. Ein sehr, sehr langsames Tempo, da muss man sich erst mal dran gewöhnen. Weil der Roboter, die Olympia, ist ganz ungelenk und ganz langsam. 16 OT 54 Anrede Kribli Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Michaela Melián. Es ist schon außergewöhnlich, dass der Hörspielpreis der Kriegsblinden einer bildenden Künstlerin zuerkannt wird. CD MM: Föhrenwald LC 01806 OT 56 Föhrenwald (Hörspielauschnitt) SPRECHERIN Föhrenwald ist ein Kunstwerk. Gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und ausgestellt in München, Frankfurt, Fürth, Dresden und Berlin. Eine Installation über eine nationalistische Mustersiedlung in Oberbayern. Erst ein Arbeitslager, das die US-Amerikaner nach Kriegsende als Auffanglager nutzten. Ein Sammelplatz für die Displaced Persons, abgekürzt die DPs, Überlebende des Holocaust, die hier darauf warteten, auswandern zu können. OT 55 Radio und Installation Eine wichtige Überlegung war auch, die Komposition so anzulegen, dass ein Einstieg jederzeit möglich sein sollte. Für den Hörer wie auch für den Besucher der Ausstellung, der den Anfang verpasst hat, was ja zum Wesen des Radios gehört – genau wie auch der Kunstinstallation, die den Faktor Zeit beinhaltet. Es wird also nicht linear erzählt, sondern anhand von Schleifen und Spiralen baut sich die Siedlung immer wieder neu auf, verschränkt die Zeitebenen miteinander, während der imaginäre Spaziergänger durch die Siedlung gelangt. SPRECHERIN Für die Installation hat Melián einen Rundbau konstruiert. Darin läuft eine Diaprojektion mit 80 Zeichnungen von den Gebäuden der Siedlung. OT 59 Vorgeschichte Föhrenwald Bei Föhrenwald ist es so, dass ich mich mit der Lokalgeschichte eines Vorortes von München befassen musste. In der Nähe wohne ich eben und es war ziemlich schnell klar: Ich will nicht mit historischen Fotos arbeiten, ich will auch nicht mit O-Tönen 17 arbeiten, sondern es soll eine Art fiktionales Gebäude entstehen. Der Ort soll neu entstehen anhand der Erzählungen der Leute, die bunt durcheinander gemischt waren aus verschiedenen Zeiten. Und wo gleichzeitig verhandelt wird, wie ich Geschichte selbst entstehen lasse, indem ich sie neu formuliere durch Sprache. Da wurden auch verschiedene Statements ganz klar gegeneinander gestellt, wo Leute Sachen unterschiedlich erinnern. Es geht eigentlich darum, was bleibt, wer erinnert was und wie wird erinnert. OT 60 HÖRSPIEL-Auschnitt „Föhrenwald“ Stettl OT 61 MELIÁN Aufbau Föhrenwald (1) KRIBLI Ich habe ehemalige und heutige Bewohner der Siedlung befragt und Anwohner und Archivmaterial ausgewertet. Aus diesem umfangreichen Konvolut habe ich auf 10 Sprecherpositionen verteilt eine vielstimmige Collage erstellt, mit der grundsätzlichen Entscheidung, keine Originalstimmen aus den Interviews zu verwenden, sondern das Textmaterial in eine strenge, minimalistische Form zu bringen. SPRECHERIN Föhrenwald ist auch ein Hörspiel, das in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk entsteht, so wie alle ihre Radioarbeiten. Das Hörspiel fungiert gleichzeitig als Soundtrack zur Installation. Während die Bilder sich überblenden, erzählt Melián in kurzen Episoden 20 Jahre deutsch jüdische Geschichte. OT 67 Feature od. Hörspiel ZEYN: Das ist ja ein Radiostück, das absichtlich anders klang, als man es erwarten würde. Melián: Ja, die ganze Arbeit stellt die Frage: Was ist ein Dokument? Der O-Ton wird als Dokument genommen. Wenn ich hier was erzähle, wird das als Aussage genommen. Aber dass das auch sehr stark damit zu tun hat, bin ich müde, bin ich wach, habe ich Hunger oder nicht, alles Mögliche, ob man gerade Lust hat zu erzählen, oder man auch schlichtweg was vergessen hat, oder der Mensch, der mich aufnimmt, hinterher, was ich eigentlich sagen wollte, wegschneidet, das ist ja alles variabel. Auf was ich gucke ist immer schon eine Konstruktion, die im Kopf stattfindet 18 und darum geht es auch bei Kunst. Ich stelle was zusammen, ich stelle was zur Diskussion. Und da arbeite ich lieber mit Künstlichkeit. KAPITELMUSIK ATMO AUFBAU ATMO Performance OLYMPIA nur Gesang im LENBACHHAUS Gut, sollen wir zum Soundcheck so rein. So hello, ja. Das ist doch ganz gut. JG: Sing mal etwa in der Lautstärke wie Du später… MR singt: Alle Jungen lächeln.. SPRECHERIN über ATMO Zwei Tage noch bis zur Eröffnung. Alles steht. Jetzt nur noch die Generalprobe der Performance, die jeden Sonntag in der Ausstellung aufgeführt werden wird. Zwei Boxen, ein Plattenspieler, der Musik von einer Platte, die es zu diesem Zeitpunkt nur in einer Auflage von drei Exemplaren gibt. Die Sopranistin Maximiliane Reichart singt die Arie der Olympia aus Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“, extrem verlangsamt, zu einer Komposition von Melián. ATMO TRAILEREINSPIELUNG HFBK Besprechung MM: Also ich fände es besser – haben wir ein Papier? Papiergeräusch Ist das was Wichtiges? Studentin: Ne. SPRECHER Sommer 2015. Ein Seminar an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Melian ist hier seit fünf Jahren Professorin. Die heutige Aufgabe für die Studierenden: eine Website zu kreieren. Alles, was hinein soll, ist schon da: Plakate, Trailer, Mitschnitte einer Veranstaltungsreihe zum Thema „Symposion“. SPRECHERIN Melián lehrt zeitbezogene Medien: Video, Sound- und Webinstallationen, aber eben auch den Umgang mit Veranstaltungsreihen, Musik und Radio. Also das, wofür sie selber steht: Kunst als Bespielen von vielen Plattformen. 19 OT HFBK Jahresausstellung Ja, wir hatten im Februar die Jahresausstellung der Studierenden. Und ich versuche ja immer was im Klassenverband der Studierenden entsteht. Die Hochschule hat einen kommunalen Sender installiert. Agora Radio. Und wir haben hier ein Gespräch gehabt hier mit einem Philosophen. Der gerade im Haus ist, Markus Steinweg, und da wollen wir das Gespräch mit ihm zur Sendung umbauen und gleichzeitig machen Leute aus der Klasse Musik und dann gleichzeitig noch Live-Musik dazuspielen. Gucken wir mal. OT 77 Liste Medien MM: Ich unterhalte mich gerne mit Leuten und in meiner Arbeit ist es wichtig geworden, um Sachen, die ich als Background brauche, sich mit Leuten zu treffen, die dazu was wissen. Dann ist man als Befragerin bei den Leuten, als die ich mich aber nicht sehen will, sondern eher als Gesprächspartnerin. Ich tauche dann in den Arbeiten auch nicht wirklich auf. Sondern ich bin die Person, die mit dem Material, was mir gegeben wird, weiterarbeitet. MZ: Die Nähmaschine MM: Die Nähmaschine – ein frühes Digitalisierungsinstrument. Das Löcher und Striche produziert, also Nullen und Einsen und auf der anderen Seite auch eine Art Waffe ist, weil sie eine Art Zerstörung im Papier anrichtet. Ich benutze sie selten mit Stoff, sondern eher perforiere ich damit das Papier. MZ: Die Zeichnung MM: Die Zeichnung als ein Medium, mit der Vorstellungen in die Welt kommen. Und das ist der erste Schritt, um Sachen zu visualisieren, die man sich vorher vorgestellt hat. MZ: Der Loop MM: Der Loop ist wichtig, weil erst in der Wiederholung ein Rhythmus entsteht, in der Wiederholung kommt immer wieder was Neues dazu. Ich mag auch die Bewegung des Umkreisens, einen Gegenstand zu umkreisen, ein Thema umkreisen, das ist alles im Loop drin. 20 OT 69a Wirkungskreis Radio Die Welt der zeitgenössischen Kunst und die Hörspiellandschaft überschneidet sich ja leider nicht so oft. Hier hat das Radio als öffentlicher, medialer und virtueller Raum den Wirkungskreis für diese Arbeit außerordentlich vergrößert. SPRECHERIN „Föhrenwald“ war Meliáns erstes Hörspiel. Bisher sind vier weitere gefolgt. „Speicher“ über eine verloren gegangene Multi-Media-Arbeit von Alexander Kluge, Edgar Reitz und Josef Anton Riedl. Hörspiel des Jahres 2008. Ein Radiostück, eine Installation und überarbeitet eine Theaterinszenierung, die dann den neuen Titel „Rückspiegel“ bekam. OT 72a Memory Loops 0:32 MUSIK. 1943 war mein späterer Mann in einem Außenlager des KZ Dachau. Die Häftlinge mussten in Sträflingskleidung begleitet von den Posten durch den Ort marschieren. Meine Mutter und Großmutter haben dann immer, wenn Brot oder etwas übrig war, zusammengepackt. Ich habe dann das auf meinem Weg zur Arbeit an einen Ort gepackt, wo die Häftlinge vorbei gekommen sind. SPRECHERIN „Memory Loops - Tonspuren zu Orten des NS-Terrors in München 1933-1945. Formal „Föhrenwald“ sehr ähnlich, nur viel größer. 5 Stunden Hörspiel und ein Netzprojekt, dessen Umfang und Komplexität Neuland für Melián und ihre Programmierer darstellte. 2012 gab es dafür den Grimme Online Award. Memory Loops erzählt zu konkreten Orten, zu Plätzen und Straßen, manchmal sogar mit Hausnummern, die Geschichte der Verfolgung. Ein Klick Judendeportation. Ein Klick Roma- und Sinti. Einer Homosexuelle. Überall in München. Von überall her abrufbar. CD MM: Geometrie der Liebe LC 01806 OT 73 Memory Loops Beschreibung Ich habe den Preis der Stadt München gewonnen: „Neue Formen des Erinnerns und Gedenkens“, wo es um die Opfer des Nationalsozialismus 33-45 ging. Und da die Stadt München keinen Ort dafür vorgeschlagen hatte, habe ich dann ein 21 Audiokunstwerk vorgeschlagen, das mobil ist. Man kann damit herumgehen, es gibt 61 Schilder in der Innenstadt mit Festnetznummern, die nichts kosten und man hört dann Audiospuren, die ich produziert habe. OT 75 Memoryloops.net L: 0:28 München, den 16. Oktober 1934. Polizeipräsidium an das Staatsministerium des Innern. Betreff Maßnahmen der Polizeidirektion gegen die auf sexuellem Gebiet als Verderber der Jugend amtbekannten Personen. In der Nacht vom den 20. auf den 21. Oktober 1934 fand im ganzen Stadtgebiet eine umfassende Streife auf amtbekannte Homosexuelle statt. OT 74 Melián Memory Loops Beschreibung Im Endeffekt sind es 24 Stunden Tonaufnahmen, die im Internet verfügbar sind, die man sich downloaden kann und sich Audio-Spaziergänge zusammenstellen kann durch die Stadt München. SPRECHERIN Auf der Seite Memoryloops.net ist ein von Melián gezeichneter Stadtplan von München zu sehen. Blaue Kreise markieren jene Orte, zu denen ein AudioAusschnitt hinterlegt ist. OT Küppers Es hat heftigen Widerstand gegeben von Seiten der Politik und von Seiten der Presse. Man könne doch nicht per Telefon oder per Internet erinnern – das ginge doch überhaupt nicht, das sei der Sache nicht würdig. SPRECHERIN Hans-Georg Küppers, Kulturreferent der Stadt München. 350.000 Euro stellte der Münchner Stadtrat 2008 für das Projekt zur Verfügung. Presseleute, aber auch der damalige Oberbürgermeister Christian Ude beklagten, das sei zu viel Geld für ein unsichtbares Denkmal. Über zwei Jahre zog sich der Streit in der Öffentlichkeit und den Stadtgremien hin, bis die Arbeit realisiert werden konnte. 22 OT Küppers HGK: Wir haben diese Auseinandersetzung aber sehr sicher durchgestanden, weil wir wussten, wenn wir über neue Formen des Erinnerns reden, dann muss ich auch über Formen reden, die jetzt von Jugendlichen angenommen werden. Und dies war eben dieses internetbasierte Denkmal, das sich wie ein Netz über die Stadt zog, es gab keinen festen Ort, aber feste Bezugspunkte. Micha(ela) Melián hat es ja als 300 Kurzhörstücke gemacht, sodass eine Unmittelbarkeit entsteht, die man jederzeit abrufen kann, die ein Denkmal, welches in der Stadt herumsteht, nicht hat. MM: Das Projekt existiert ja schon ein paar Jahre im Netz, können Sie sagen, funktioniert es, funktioniert es nicht, welche Erwartungen haben sie gehabt? HGK: Was wir feststellen können, ist, dass es bisher über 1,3 Millionen Klicks gegeben hat, dass diejenigen, die auf unsere Internetseite gehen, bis zu 10 Minuten dort verweilen. Das ist viel. Und das wir Klicks aus 64 Ländern haben, ob Finnland, USA, natürlich Deutschland und auch Schweden. Das heißt also, dieses Projekt ist sicher eines, das durch seine Verbreitung wichtige Impulse in unserer Erinnerungskultur geben kann. OT 78 Geschichte Ja, im Endeffekt geht es natürlich darum, wenn ich hier durch die Welt gehe, dann ist das nicht, was im Moment entsteht, sondern bringt was mit, sondern ist das, was es geworden ist durch uns oder unsere Eltern und Vorfahren. Und ich kann das nur begreifen, wenn ich schon immer, was hinter mir liegt, mitdenke. ATMO Eröffnung Lenbachhaus Menschenmenge + Musik OT 39 Mühling Eröffnung Liebe Stadträte, liebe Michaela, liebe Freunde. Diese Ausstellung ist für uns, Sie haben sie noch nicht gesehen, für uns ein glücklicher Moment, weil sie ganz wunderbar elegant geworden ist. 23 SPRECHERIN München, 7. März 2016. Der Leiter des Lenbachhaus, Matthias Mühling, eröffnet die Ausstellung „Electric Ladyland“. OT 39 Mühling Eröffnung Roberta Smith, die große Dame der US-amerikanischen Kunstkritik, in der NY Times: „Ihr Werk und ihr Umgang sowohl mit realem als auch mit metaphorischen Raum ist so sparsam wie umfassend, sicher und sehr berührend.“ Auch das ist ein Satz, der viel zusammenfasst. SPRECHERIN Es ist voll, hunderte von Besuchern. Das große Finale. Nach neun Monaten Vorbereitung. Nach vier Wochen harter Aufbauzeit. Die erste Einzel-Ausstellung der 59 jährigen Künstlerin in ihrer Heimatstadt. ABSAGE Rückspiegel, Speicher und Loops Tonspuren der Künstlerin Michaela Melián von Martin Zeyn Es sprach Birte Schrein Technik Christoph Gieseberg und Roman Weingardt Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Tina Klopp Eine Produktion des Deutschlandfunks 2016 24
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