Schauspiel : Das Fleischwerk Der Dramatiker Christoph Nußbaumeder wurde in Niederbayern geboren. Seine Stücke wurden bisher u. a. an der Berliner Schaubühne, am Nationaltheater Mannheim, am Schauspiel Bochum und am Schauspiel Köln uraufgeführt sowie mit zahlreichen Preisen, wie z.B. dem Thomas-Bernhard-Preis, ausgezeichnet. 2015 werden vier seiner Stücke bundesweit uraufgeführt. Er ist außerdem Kapitän der Autorenfußballnationalmannschaft und lebt mit seiner Familie in Berlin. Er hat extra für unsere Nürnberger Inszenierung einen Kommentar geschrieben: Mann muss IN die eigenen SCHLACHTHÖFE SCHAUEN Die Protagonisten in meinem Stück „Das Fleischwerk“ haben allesamt eine große Strapazierfähigkeit. Sie sind nicht gerade verwöhnt, und man kann davon ausgehen, dass ihnen neurotisches Verhalten ziemlich fernliegt. Wer sich in die Fremde aufmacht, um dort in einem Schlachthof zu arbeiten, kann sich keine Empfindlichkeiten leisten. So jemand ist hart im Nehmen. Für diese Menschen ist das Leben kein Rätsel, das es zu lösen gilt. Sie sind in die Welt geworfen, ohne alternative Geschichte. Sie können das „Lied von der belebenden Wirkung des Geldes“ auswendig. Für sie ist der Sinn des Lebens, zu leben. Zumindest besser als bisher. Ihr Ziel ist es, elementaren Besitzstand zu generieren: fließendes Wasser, ein stabiles Stromnetz, vier Wände für sich et cetera. Die Auflistung lässt sich seitenlang erweitern. Was sie davon tatsächlich brauchen, steht auf einem anderen Blatt. Sie sind gekommen, um die Liste abzuarbeiten. Irgendwann aber wird auch ihnen klar werden, dass die Sterne oben bleiben, dass sie nicht zum Greifen nah sind. Sie müssen sich gehörig strecken, mit dem Rücken zur Wand und mit einem Optimismus, der an fahrlässige Selbstgefährdung grenzt, damit sich der Gang ins Ausland einigermaßen für sie lohnen wird. Wer meint, diese Menschen gehörten einer anderen Welt an, der irrt. Sie gehören zu uns, denn sie sind fundamentaler Teil unserer westlichen Wirtschaftsdelegation, beziehungsweise deren effizienter Bodensatz. Ihr Kostenfaktor ist gering, und außer ein paar Scherereien mit Ämtern und Anwohnern produzieren sie im Wesentlichen nur Überschuss für Konzerne, denen kein Cent wurscht ist. Im Stück stößt das einem der Arbeiter dermaßen auf, dass aus seiner Wut ein Fanal für alle erwächst. An dieser ungewaschenen Wucht habe ich eine große Freude, nicht zuletzt, weil sie eine eigentümliche Schönheit birgt: das Verlangen nach Gerechtigkeit. Am Ende kommt es nicht zum Aufstand, aber es hätte sein können ... Wogegen ich mich sträube, ist das Bestreben, Menschen in anderen Ländern politisch zu belehren. Wenn ich selber in China oder in Russland leben würde, wäre das was anderes. Aber das, was bei uns an Nivellierung europäischer Kultur, an Demokratiedefiziten durch Brüssel geschieht, was wir mit der Umwelt anstellen, die wir ohne Skrupel ausbeuten, sowas geht auf keine Kuhhaut. Jemand aus einer Gesellschaft, die ihren Lebensstil nicht durchhalten kann, kann nicht irgendwo hinfahren und andere belehren. Man muss in die eigenen Schlachthöfe schauen. Christoph Nußbaumeder, Juni 2015 Premiere : 24. Oktober 2015, 19.30 Uhr, Schauspielhaus Das Fleischwerk Christoph Nußbaumeder Inszenierung: Markus Heinzelmann Bühne: Gregor Wickert Kostüme: Tine Becker Musik: Christine Hasler Dramaturgie: Katja Prussas Mit: Bettina Langehein (Susanna), Ksch. Adeline Schebesch (Valentina), Marion Schweizer (Gabi); Frank Damerius (Georgi), Stefan Lorch (Daniel Rabanta), Thomas Marx (Weidenfeller), Stefan Willi Wang (Akif Kral), Philipp Weigand (Andrei); Statisten Weitere Vorstellungen: 04., 12., 14., 17., 28.11.; 03.12.2015 Im Rahmen des diesjährigen Theaterfestes besteht die Möglichkeit, bei einer öffentlichen Probe Regisseur Markus Heinzelmann und sein „Fleischwerk“-Ensemble zu erleben und Einblicke in den Arbeitsprozess einer Schauspielproduktion zu bekommen. 20. September 2015, 11.30 Uhr im Schauspielhaus. 26
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