Besprechung der II. Klausur

Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Professur für Privatrecht und Recht des geistigen Eigentums
Prof. Dr. Gesmann-Nuissl
Besprechung der II. Klausur
Klausurenkurs zum
Handels- und Gesellschaftsrecht
28. Januar 2016, 07:30 Uhr – 09:00 Uhr, 2/N114
Es wird allen Studierenden der Vorlesung „Handels-und
Gesellschaftsrecht“ die Teilnahme empfohlen, auch wenn die
Klausur nicht mitgeschrieben bzw. abgegeben wurde.
Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner
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Prof. Dr. Gesmann-Nuissl
Sprechstunde
zur Vorlesung
Handels- und Gesellschaftsrecht
03. Februar 2016, 13:00 Uhr – 17:00 Uhr, Thüringer Weg 7, Zi. 412
Sie haben noch Fragen zur Vorlesung „Handels- und Gesellschaftsrecht“,
dann können Sie mir diese gern persönlich stellen. Um die Termine besser
planen zu können, bitte ich Sie jedoch um eine vorherige formlose
Anmeldung.
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Übung zum
Handels- und Gesellschaftsrecht
10. Stunde
Kapitalgesellschaften: GmbH I
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Inhalt der Übung
I.
Literatur & Allgemeine Infos
II.
Einführung
III.
Handelsrecht
1.
Die Facetten des Kaufmannbegriffs, § 1 ff. HGB
2.
Das Handelsregister, § 15 HGB
3.
Firma und Handelsunternehmen, §§ 17 ff. HGB
4.
Handelsrechtliche Stellvertretung, §§ 48 ff. HGB
5.
Handelsgeschäfte, §§ 343 ff. HGB
IV.
Gesellschaftsrecht
1.
Recht der Personen-/Handelsgesellschaften, §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB
2.
Recht der Kapitalgesellschaften, §§ 21 ff. BGB, GmbHG, AktG
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 - Sachverhalt
Die bislang konkurrierenden Einzelunternehmer A und B beschließen anlässlich eines
gemeinsamen Strategiemeetings, zukünftig enger zusammenzuarbeiten. Zu diesem
Zweck planen sie die Gründung einer GmbH, an der jeder zu 1/2 beteiligt sein soll. Die
weiteren Gründungsmodalitäten als auch die Eintragung der Gesellschaft ins
Handelsregister sollen dabei durch den Geschäftsführer G veranlasst werden.
G will keine Zeit verschwenden und nimmt – ohne Wissen und Billigung seitens A und
B – die Geschäfte auf. Sogleich schließt er mit dem sächsischen Innenministerium
einen Auftrag zur regelmäßigen Wartung und Reparatur von 100 sächsischen
Polizeifahrzeugen ab. Aufgrund einer vermeidbaren Fehlkalkulation bei der
Angebotserstellung, stellen sich in der Folge jedoch schnell Verluste in Höhe von
20.000,00 € ein. Die nötigen Ersatzteile hatte G beim Automobilzulieferer V im Namen
der A und B GmbH bestellt. Als der Kaufpreis in Höhe von 6.000,00 € fällig wird, fragt
dieser von wem er Zahlung verlangen kann.
Wie ist die Rechtslage?
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
1. Anspruch des V gegen die „GmbH“ auf Zahlung von 6.000,00 €?
A. Anspruch entstanden
I. Anspruch gem. § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 13 Abs. 1 GmbHG?
1. Gesellschaftsverbindlichkeit
1.1. Gesellschaft (GmbH) wirksam entstanden?
1.1.1. Abschluss notariell beurkundeter Gesellschaftsvertrag, § 2 S. 1 GmbHG (-)
1.1.2. Eintragung ins Handelsregister, gem. § 11 Abs. 1 GmbHG (-)
1.1.3. ZE.: GmbH wirksam entstanden (-)
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
Anmerkung: G trat bei Abschluss des Kaufvertrages mit V im Namen der „GmbH“ auf. Da
die GmbH zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht gegründet war, konnte diese
aber auch noch nicht Rechtsträger, d.h. Vertragspartei sein (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Zum
damaligen Zeitpunkt konnte G allenfalls die aus A und B bestehende
Vorgründungsgesellschaft verpflichten. G hat damit bei Abschluss des Kaufvertrages
den Rechtsträger für den er gehandelt hat falsch bezeichnet.
2. ZE.: Anspruch V gegen die „GmbH“ auf Zahlung von 6.000,00 €, gem. § 433 Abs. 1
BGB i.V.m. § 13 Abs. 1 GmbHG (-)
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
2. Anspruch des V gegen die A und B OHG/GbR auf Zahlung von 6.000,00 €
Vorüberlegung zur sog. Vorgründungsgesellschaft:

Grds. reine Innengesellschaft


einziger Zweck: Vorbereitung GmbH-Gründung
 Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages
 GmbH-Eintragung
Aber: Aufnahme Geschäftstätigkeit vor Eintragung der Gesellschaft – Haftungsproblematik!
Hier: Vorgründungsgesellschaft als OHG (§§ 105 I, II, 123 I und/oder II, 1 II HGB)

Haftungsprüfung: §§ 124 (OHG), 128 S. 1 (A und B) HGB

In kaufmännischer Weise eingerichteter und ausgeübter Geschäftsbetrieb erforderlich (+)


Art und Umfang des Gewerbes (Wartung/Reparatur von Kfz) entscheidend

Hohe finanzielle Verpflichtungen (Rückschluss auf Gesamtvolumen des Auftrages)

Vermutung des § 1 II HGB
Anmerkung: Wer – vertretbar – eine (Außen-)GbR annimmt, sollte die Prüfung der Haftung der
Gesellschaft auf § 124 Abs. 1 HGB analog (bzw. § 128 S. 1 HGB analog) stützen.
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
2. Anspruch des V gegen die A und B OHG/GbR auf Zahlung von 6.000,00 €
A. Anspruch entstanden
I. Gem. § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB?
1. Gesellschaftsverbindlichkeit
1.1. OHG wirksam entstanden?
1.1.1. Innenverhältnis, gem. § 105 HGB
•
Mind. 2 persönlich haftende Gesellschafter
•
Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 1 Abs. 2 HGB)
•
unter gemeinschaftlicher Firma
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
1.1.2. Außenverhältnis
•
Mit Eintragung ins Handelsregister, § 123 Abs. 1 HGB bzw. Aufnahme der Geschäftstätigkeit
gem. §§ 123 Abs. 2, 105 Abs. 2, 1, Abs. 2 HGB (+/-)
Anmerkung: An dieser Stelle können Sie – mit gut vertretbaren Argumenten – die Aufnahme der
Geschäftstätigkeit (mit Erlaubnis der beiden Gesellschafter) bereits verneinen und damit die wirksame
Entstehung der OHG ablehnen. Aus klausurtaktischen Erwägungen können Sie diese Frage aber auch offen
lassen, wenn die weitere Prüfung zu demselben Ergebnis gelangen würde. Die Frage des Handelns mit
Vertretungsmacht (s.u.) ist allerdings eine Vorfrage bei der Behandlung des nächsten Anspruchs (s.u.), so dass
man an der dortigen Stelle einfach nach oben weisen könnte.
2. Gesellschaftsverbindlichkeit OHG, gem. § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB
2.1. wirksames Schuldverhältnis
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
2.1.1. Voraussetzung: zwei inhaltlich übereinstimmende, korrespondierende
Willenserklärungen (Angebot/Annahme, §§ 145, 147 Abs. 1 BGB)
a) Angebot des V, § 145 BGB (+)
b) Annahme der OHG, gem. § 147 Abs. 1 BGB?
(aa) Willenserklärung OHG (direkt) (-)
•
Die offene Handelsgesellschaft handelt durch Ihre gesetzlichen Vertreter, § 164 BGB
(Gesellschafter A und B, vgl. § 125 HGB)
(bb) Willenserklärung A und/oder B (-)
•
Hier: Geschäftsführer G handelt im Namen der „GmbH“, kein persönliches Handeln v. A/B
•
Problem: Verstoß geg. Prinzip der Selbstorganschaft
•
•
G ist ein nicht an der Gesellschaft beteiligter Dritter, der die OHG verpflichten will
•
Aber: Handeln eines Dritten aufgrund Vollmacht möglich, vgl. § 126 I HGB a.E.
Problem: Reichweite der Vollmacht:
•
Kann dahinstehen, wenn auch als Stellvertreter keine wirksame Verpflichtung der Gesellschaft
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
(1) eigene Willenserklärung (+)
(2) im Namen der Gesellschaft (Offenkundigkeitsprinzip) (+)
(3) mit Vertretungsmacht? (-)
(3.1.) Organschaftlich (-), da GmbH noch nicht gegründet
(3.2.) Gesetzlich (-), kein Gesellschafter der OHG
(3.3.) Vollmacht gem. § 167 Abs. 1 BGB?
•
Grds. Innenvollmacht (§ 167 Abs. 1, Var. 1 BGB, aber begrenzt (Gründungsvorbereitung)
•
Hier: eigenmächtiges Überschreiten der Grenzen der Vertretungsmacht durch G
•
Konsequenz: schwebende Vertragsunwirksamkeit
•
G als Vertreter ohne Vertretungsmacht, § 177 I BGB
•
A und B können im Namen der OHG genehmigen, §§ 177 I, 184 I BGB
Anmerkung: Ebenso bedürfte eine Haftungsübernahme durch die Vor-GmbH oder die GmbH einer
ausdrücklichen Parteivereinbarung.
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
cc) ZE.: WE des G wirkt grds. (Genehmigung!) nicht für und gegen die OHG
2.1.2. Ergebnis: Annameerklärung durch OHG (-)
II. Ergebnis: Anspruch V gegen OHG gem. § 433 Abs. 2 i.V.m. § 124 Abs. 1 OHG (-)
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
3. Anspruch V gegen A und B auf Kaufpreiszahlung i.H.v. 6.000,00 €
Vorüberlegung:
Da wir unter 3. bereits das Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit zu Lasten der OHG verneint haben,
kann die Frage nach der Haftung von A und B für die Verbindlichkeiten der OHG (gem. § 128 S. 1 HGB)
grds. verneint werden. Dennoch verlangt die Fallfrage („Wie ist die Rechtslage?) eine umfassende Prüfung
von Ihnen. Sie sollten also zumindest die Frage der Haftung von A und B thematisieren und im Rahmen des
Zulässigen nach oben verweisen.
A. Anspruch entstanden
I. Anspruch gem. § 433 Abs. 1 BGB i.V.m. § 128 S. 1 HGB?
1. Gesellschaftsverbindlichkeiten (-)
Eine (akzessorische) Haftung von A und B für die Verbindlichkeiten muss mangels
Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit (vgl. oben) verneint werden.
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
4. Anspruch des V gegen G auf Kaufpreiszahlung i.H.v. 6.000,00 €
A. Anspruch entstanden
I. Anspruch gem. § 11 Abs. 2 GmbHG („Handelndenhaftung“)
•
Anwendungsbereich § 11 II GmbHG:
•
dient primär Gläubigerschutzinteressen - Sicherstellung des Haftkapitals bis zur Eintragung
•
Aber: nicht erforderlich, wenn persönliche Haftung der Vertragspartner (Vorgründungsgesellschaft)
•
VSS: Errichtung der Gesellschaft, d.h. Abschluss notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages
•
Konsequenz: G haftet daher nicht gem. § 11 Abs. 2 GmbHG
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
II. Anspruch gem. § 179 Abs. 1 BGB
1. Anwendbarkeit?
•
Haftung aufgrund speziellerer Vorschriften (-)
•
Bsp.: §§ 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG und 41 Abs. 1 S. 2 AktG (-)
2. Voraussetzungen § 179 Abs. 1 BGB
2.1. Handeln im fremden Namen ohne Vertretungsmacht? (+) s.o.
2.2. keine Genehmigung des Rechtsgeschäfts (+), lebensnahe SV-Auslegung
2.3. Rechtsfolge: Nach Wahl des Gläubigers Erfüllung oder Schadensersatz
2.4. kein Haftungsausschluss, § 179 Abs. 3 BGB (-)
3. ZE.: G haftet V gem. § 179 Abs. 1 BGB auf Erfüllung (Kaufpreiszahlung i.H.v.
6.000,00 €)
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Abwandlung 1 zu Fall 27 - Sachverhalt
Bereits wenige Wochen nach dem gemeinsamen Meeting findet vor einem Chemnitzer
Notar die Beurkundung des Gesellschaftsvertrages der in Gründung befindlichen A
und B GmbH statt. In § 4 des Gesellschaftsvertrages wird das Stammkapital der
Gesellschaft auf 25.000,00 € festgesetzt, so dass A und B jeweils mit einer
Stammeinlage in Höhe von 12.500,00 € beteiligt sind. Nachdem A und B ihren
Einlageverpflichtungen nachgekommen sind, wird die Gesellschaft zur Eintragung ins
Handelsregister angemeldet. Wie ist die Rechtslage, wenn zum Zeitpunkt der
Geltendmachung der Forderung, die Eintragung der Gesellschaft weiterhin aussteht?
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Abwandlung 1 zu Fall 27 – Lösung
Nach Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages tritt die
Gesellschaft in das Stadium der sog. Vor-GmbH ein. Im Hinblick auf die Haftung der
Vor-GmbH und ihrer Gesellschafter ergeben sich – da es auch hier an der
Ermächtigung des G zur Aufnahme der Geschäfte bzw. an der Genehmigung durch die
Gesellschafter fehlt – keine anderen Probleme als im Ausgangsfall.
Die Haftung des G richtet sich nunmehr aber nach der spezielleren Haftungsnorm des
§ 11 Abs. 2 GmbHG.
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 28 - Sachverhalt
A und B wollen die XY Schokoladenfabrikations-GmbH mit einem Stammkapital von
50.000,00 € gründen. Zum Geschäftsführer wollen sie G bestellen. Der
Gesellschaftsvertrag wird notariell beurkundet. Gleichzeitig einigt man sich, dass B
seine Einlage durch Übereignung eines Grundstücks erbringen soll.
Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister stellt sich heraus, dass das
Grundstück – was A nicht wusste und auch nicht hätte wissen können – erheblich mit
Schwermetallen belastet ist und daher nur einen Wert von 10.000,00 € aufweist.
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 28 - Sachverhalt
Namens der Gesellschaft verlangt der Geschäftsführer G daher von B Zahlung in Höhe
von 10.000,00 € sowie weiterer 5.000,00 € die die GmbH zur Dekontaminierung des
Grundstücks aufwenden müsste. Um die drohende Zahlung doch noch abzuwenden,
bietet B an die Reinigung des Grundstücks „eigenhändig“ durchzuführen. Notfalls
rechne er mit einem Kaufpreiszahlungsanspruch – resultierend aus dem Verkauf
einer Maschine an die GmbH – gegen die GmbH in gleicher Höhe auf.
Wie ist die Rechtslage?
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
1. Anspruch der GmbH gegen B auf Zahlung von 15.000,00 €
A. Anspruch entstanden
I. Anspruch gem. § 9 Abs. 1 GmbHG („Differenzhaftung“)
1. B = Gesellschafter der mit A errichteten GmbH? (+)
2. Leistung einer Sacheinlage auf Nennbetrag des Geschäftsanteils? (+)
•
•
Problem: Grundstück als Sacheinlage?
•
Definition Sacheinlage: alle Einlagen, die nicht in der Erbringung einer Geldleistung
bestehen
•
Konsequenz: Sacheinlage i.S.d. § 9 I GmbHG (+)
Nennbetrag des Geschäftsanteils (25.000,-- EUR) und Gegenstand der Sacheinlage im
Gesellschaftsvertrag bezeichnet, § 5 IV GmbHG (+)
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Fall 27 – Lösung
2.1. Wert der Sacheinlage = Nennbetrag des dafür übernommen Geschäftsanteils (-)
•
Nennbetrags des Geschäftsanteils: 25.000,00 €
•
Wert des Grundstücks: 10.000,00 €
2.2. Maßgeblicher Bewertungszeitpunkt
•
Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister, § 9 Abs. 1 GmbHG
•
Grundstück war zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits kontaminiert
3. ZE.: GmbH geg. B Anspruch auf Zahlung i.H.v. 15.000,00 €, § 9 Abs. 1 GmbHG
•
Anm.: Auf ein Verschulden des B kommt es bei § 9 Abs. 1 GmbHG nicht an.
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Fall 27 – Lösung
II. Nacherfüllungseinwand des B (Reinigung) (-)
•
Differenzhaftung: Grundsatz realen Kapitalaufbringung (§ 19 Abs. 2 GmbHG) – Gläubigerschutz
•
Wert der Sacheinlageleistung < Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils =
Wiederaufleben der subsidiären Barleistungspflicht, § 9 Abs. 1, S.1. a.E.
•
Der Nacherfüllungseinwand des B geht daher ins Leere.
Anmerkung: Vereinzelt (vgl. Schlößer, NZG 2012, 1047ff.) wird diskutiert, dass neben dem
Differenzhaftungsanspruch in Geld, die Gesellschaft bei Übereignung eines mangelhaften Gegenstandes
ebenfalls von einem Nacherfüllungsanspruch (Mängelgewährleistungsrecht BGB) Gebrauch machen
könnte, da bei entsprechender Nacherfüllung die Werthaltigkeit der Einlage wieder hergestellt wäre. Dies
wird von der h.M. jedoch noch immer abgelehnt (vgl. Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht,
2012, S. 74 f. m.w.N.).
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Abwandlung 1 zu Fall 28 - Sachverhalt
Ändert sich die Rechtslage, wenn die Übereignung der Maschine zur Erfüllung der im
Gesellschaftsvertrag übernommenen Einlageverpflichtung im Vertrag festgehalten
wurde?
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Abwandlung 1 zu Fall 28 – Lösung
Eine Aufrechnung ist nunmehr gem. § 19 Abs. 2, S. 2 zulässig. Sofern der Wert der
Maschine die Differenz des in seinem Wert geminderten Grundstücks auszugleichen
vermag, ist die Einlageverpflichtung des B erfüllt.
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Abwandlung 2 zu Fall 28 - Sachverhalt
B hat im Gesellschaftsvertrag eine Bareinlageverpflichtung übernommen. Dennoch
bringt er – wie im Vorhinein mit A und G abgesprochen – das Grundstück in Erfüllung
seiner Einlageverpflichtung in die Gesellschaft ein. Trotz eines durch G in Auftrag
gegebenen Rechtsgutachtens – welches die Schwermetallbelastung dokumentiert –
versichert G in der Anmeldung zur Eintragung der GmbH ins Handelsregister, dass die
zu leistenden Einlagen bewirkt wurden und sich zur freien Verfügung der Gesellschaft
befinden. Nach der Eintragung der GmbH kommt G auf Sie zu und fragt nach den
möglichen Konsequenzen seines Tuns.
Wie ist die Rechtslage?
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Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde
Abwandlung 2 zu Fall 28 – Lösung
Mögliche Anspruchsgrundlagen einer Haftung des G im Innenverhältnis:
•
§§ 9a Abs. 1, § 43 Abs. 2 GmbHG, § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag
•
Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund denkbar (§ 38 Abs. 2 GmbHG)
•
Sonstiger arbeitsrechtlicher Maßnahmen (Abmahnung/Kündigung) aus Anstellungsverhältnis
•
Strafrechtlichen Konsequenzen (§ 82 GmbHG) – ggf. Anstellung als Geschäftsführer für 5 Jahre
ausgeschlossen, § 6 II GmbHG
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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Fragen?
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