Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Professur für Privatrecht und Recht des geistigen Eigentums Prof. Dr. Gesmann-Nuissl Besprechung der II. Klausur Klausurenkurs zum Handels- und Gesellschaftsrecht 28. Januar 2016, 07:30 Uhr – 09:00 Uhr, 2/N114 Es wird allen Studierenden der Vorlesung „Handels-und Gesellschaftsrecht“ die Teilnahme empfohlen, auch wenn die Klausur nicht mitgeschrieben bzw. abgegeben wurde. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Professur für Privatrecht und Recht des geistigen Eigentums Prof. Dr. Gesmann-Nuissl Sprechstunde zur Vorlesung Handels- und Gesellschaftsrecht 03. Februar 2016, 13:00 Uhr – 17:00 Uhr, Thüringer Weg 7, Zi. 412 Sie haben noch Fragen zur Vorlesung „Handels- und Gesellschaftsrecht“, dann können Sie mir diese gern persönlich stellen. Um die Termine besser planen zu können, bitte ich Sie jedoch um eine vorherige formlose Anmeldung. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Professur für Privatrecht und Recht des geistigen Eigentums Prof. Dr. Gesmann-Nuissl Übung zum Handels- und Gesellschaftsrecht 10. Stunde Kapitalgesellschaften: GmbH I Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Inhalt der Übung I. Literatur & Allgemeine Infos II. Einführung III. Handelsrecht 1. Die Facetten des Kaufmannbegriffs, § 1 ff. HGB 2. Das Handelsregister, § 15 HGB 3. Firma und Handelsunternehmen, §§ 17 ff. HGB 4. Handelsrechtliche Stellvertretung, §§ 48 ff. HGB 5. Handelsgeschäfte, §§ 343 ff. HGB IV. Gesellschaftsrecht 1. Recht der Personen-/Handelsgesellschaften, §§ 705 ff. BGB, 105 ff. HGB 2. Recht der Kapitalgesellschaften, §§ 21 ff. BGB, GmbHG, AktG Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 4 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 - Sachverhalt Die bislang konkurrierenden Einzelunternehmer A und B beschließen anlässlich eines gemeinsamen Strategiemeetings, zukünftig enger zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck planen sie die Gründung einer GmbH, an der jeder zu 1/2 beteiligt sein soll. Die weiteren Gründungsmodalitäten als auch die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister sollen dabei durch den Geschäftsführer G veranlasst werden. G will keine Zeit verschwenden und nimmt – ohne Wissen und Billigung seitens A und B – die Geschäfte auf. Sogleich schließt er mit dem sächsischen Innenministerium einen Auftrag zur regelmäßigen Wartung und Reparatur von 100 sächsischen Polizeifahrzeugen ab. Aufgrund einer vermeidbaren Fehlkalkulation bei der Angebotserstellung, stellen sich in der Folge jedoch schnell Verluste in Höhe von 20.000,00 € ein. Die nötigen Ersatzteile hatte G beim Automobilzulieferer V im Namen der A und B GmbH bestellt. Als der Kaufpreis in Höhe von 6.000,00 € fällig wird, fragt dieser von wem er Zahlung verlangen kann. Wie ist die Rechtslage? Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 5 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 1. Anspruch des V gegen die „GmbH“ auf Zahlung von 6.000,00 €? A. Anspruch entstanden I. Anspruch gem. § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 13 Abs. 1 GmbHG? 1. Gesellschaftsverbindlichkeit 1.1. Gesellschaft (GmbH) wirksam entstanden? 1.1.1. Abschluss notariell beurkundeter Gesellschaftsvertrag, § 2 S. 1 GmbHG (-) 1.1.2. Eintragung ins Handelsregister, gem. § 11 Abs. 1 GmbHG (-) 1.1.3. ZE.: GmbH wirksam entstanden (-) Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 6 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung Anmerkung: G trat bei Abschluss des Kaufvertrages mit V im Namen der „GmbH“ auf. Da die GmbH zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht gegründet war, konnte diese aber auch noch nicht Rechtsträger, d.h. Vertragspartei sein (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Zum damaligen Zeitpunkt konnte G allenfalls die aus A und B bestehende Vorgründungsgesellschaft verpflichten. G hat damit bei Abschluss des Kaufvertrages den Rechtsträger für den er gehandelt hat falsch bezeichnet. 2. ZE.: Anspruch V gegen die „GmbH“ auf Zahlung von 6.000,00 €, gem. § 433 Abs. 1 BGB i.V.m. § 13 Abs. 1 GmbHG (-) Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 7 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 2. Anspruch des V gegen die A und B OHG/GbR auf Zahlung von 6.000,00 € Vorüberlegung zur sog. Vorgründungsgesellschaft: Grds. reine Innengesellschaft einziger Zweck: Vorbereitung GmbH-Gründung Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages GmbH-Eintragung Aber: Aufnahme Geschäftstätigkeit vor Eintragung der Gesellschaft – Haftungsproblematik! Hier: Vorgründungsgesellschaft als OHG (§§ 105 I, II, 123 I und/oder II, 1 II HGB) Haftungsprüfung: §§ 124 (OHG), 128 S. 1 (A und B) HGB In kaufmännischer Weise eingerichteter und ausgeübter Geschäftsbetrieb erforderlich (+) Art und Umfang des Gewerbes (Wartung/Reparatur von Kfz) entscheidend Hohe finanzielle Verpflichtungen (Rückschluss auf Gesamtvolumen des Auftrages) Vermutung des § 1 II HGB Anmerkung: Wer – vertretbar – eine (Außen-)GbR annimmt, sollte die Prüfung der Haftung der Gesellschaft auf § 124 Abs. 1 HGB analog (bzw. § 128 S. 1 HGB analog) stützen. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 8 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 2. Anspruch des V gegen die A und B OHG/GbR auf Zahlung von 6.000,00 € A. Anspruch entstanden I. Gem. § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB? 1. Gesellschaftsverbindlichkeit 1.1. OHG wirksam entstanden? 1.1.1. Innenverhältnis, gem. § 105 HGB • Mind. 2 persönlich haftende Gesellschafter • Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 1 Abs. 2 HGB) • unter gemeinschaftlicher Firma Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 9 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 1.1.2. Außenverhältnis • Mit Eintragung ins Handelsregister, § 123 Abs. 1 HGB bzw. Aufnahme der Geschäftstätigkeit gem. §§ 123 Abs. 2, 105 Abs. 2, 1, Abs. 2 HGB (+/-) Anmerkung: An dieser Stelle können Sie – mit gut vertretbaren Argumenten – die Aufnahme der Geschäftstätigkeit (mit Erlaubnis der beiden Gesellschafter) bereits verneinen und damit die wirksame Entstehung der OHG ablehnen. Aus klausurtaktischen Erwägungen können Sie diese Frage aber auch offen lassen, wenn die weitere Prüfung zu demselben Ergebnis gelangen würde. Die Frage des Handelns mit Vertretungsmacht (s.u.) ist allerdings eine Vorfrage bei der Behandlung des nächsten Anspruchs (s.u.), so dass man an der dortigen Stelle einfach nach oben weisen könnte. 2. Gesellschaftsverbindlichkeit OHG, gem. § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB 2.1. wirksames Schuldverhältnis Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 10 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 2.1.1. Voraussetzung: zwei inhaltlich übereinstimmende, korrespondierende Willenserklärungen (Angebot/Annahme, §§ 145, 147 Abs. 1 BGB) a) Angebot des V, § 145 BGB (+) b) Annahme der OHG, gem. § 147 Abs. 1 BGB? (aa) Willenserklärung OHG (direkt) (-) • Die offene Handelsgesellschaft handelt durch Ihre gesetzlichen Vertreter, § 164 BGB (Gesellschafter A und B, vgl. § 125 HGB) (bb) Willenserklärung A und/oder B (-) • Hier: Geschäftsführer G handelt im Namen der „GmbH“, kein persönliches Handeln v. A/B • Problem: Verstoß geg. Prinzip der Selbstorganschaft • • G ist ein nicht an der Gesellschaft beteiligter Dritter, der die OHG verpflichten will • Aber: Handeln eines Dritten aufgrund Vollmacht möglich, vgl. § 126 I HGB a.E. Problem: Reichweite der Vollmacht: • Kann dahinstehen, wenn auch als Stellvertreter keine wirksame Verpflichtung der Gesellschaft Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 11 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung (1) eigene Willenserklärung (+) (2) im Namen der Gesellschaft (Offenkundigkeitsprinzip) (+) (3) mit Vertretungsmacht? (-) (3.1.) Organschaftlich (-), da GmbH noch nicht gegründet (3.2.) Gesetzlich (-), kein Gesellschafter der OHG (3.3.) Vollmacht gem. § 167 Abs. 1 BGB? • Grds. Innenvollmacht (§ 167 Abs. 1, Var. 1 BGB, aber begrenzt (Gründungsvorbereitung) • Hier: eigenmächtiges Überschreiten der Grenzen der Vertretungsmacht durch G • Konsequenz: schwebende Vertragsunwirksamkeit • G als Vertreter ohne Vertretungsmacht, § 177 I BGB • A und B können im Namen der OHG genehmigen, §§ 177 I, 184 I BGB Anmerkung: Ebenso bedürfte eine Haftungsübernahme durch die Vor-GmbH oder die GmbH einer ausdrücklichen Parteivereinbarung. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 12 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung cc) ZE.: WE des G wirkt grds. (Genehmigung!) nicht für und gegen die OHG 2.1.2. Ergebnis: Annameerklärung durch OHG (-) II. Ergebnis: Anspruch V gegen OHG gem. § 433 Abs. 2 i.V.m. § 124 Abs. 1 OHG (-) Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 13 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 3. Anspruch V gegen A und B auf Kaufpreiszahlung i.H.v. 6.000,00 € Vorüberlegung: Da wir unter 3. bereits das Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit zu Lasten der OHG verneint haben, kann die Frage nach der Haftung von A und B für die Verbindlichkeiten der OHG (gem. § 128 S. 1 HGB) grds. verneint werden. Dennoch verlangt die Fallfrage („Wie ist die Rechtslage?) eine umfassende Prüfung von Ihnen. Sie sollten also zumindest die Frage der Haftung von A und B thematisieren und im Rahmen des Zulässigen nach oben verweisen. A. Anspruch entstanden I. Anspruch gem. § 433 Abs. 1 BGB i.V.m. § 128 S. 1 HGB? 1. Gesellschaftsverbindlichkeiten (-) Eine (akzessorische) Haftung von A und B für die Verbindlichkeiten muss mangels Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit (vgl. oben) verneint werden. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 14 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 4. Anspruch des V gegen G auf Kaufpreiszahlung i.H.v. 6.000,00 € A. Anspruch entstanden I. Anspruch gem. § 11 Abs. 2 GmbHG („Handelndenhaftung“) • Anwendungsbereich § 11 II GmbHG: • dient primär Gläubigerschutzinteressen - Sicherstellung des Haftkapitals bis zur Eintragung • Aber: nicht erforderlich, wenn persönliche Haftung der Vertragspartner (Vorgründungsgesellschaft) • VSS: Errichtung der Gesellschaft, d.h. Abschluss notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages • Konsequenz: G haftet daher nicht gem. § 11 Abs. 2 GmbHG Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 15 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung II. Anspruch gem. § 179 Abs. 1 BGB 1. Anwendbarkeit? • Haftung aufgrund speziellerer Vorschriften (-) • Bsp.: §§ 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG und 41 Abs. 1 S. 2 AktG (-) 2. Voraussetzungen § 179 Abs. 1 BGB 2.1. Handeln im fremden Namen ohne Vertretungsmacht? (+) s.o. 2.2. keine Genehmigung des Rechtsgeschäfts (+), lebensnahe SV-Auslegung 2.3. Rechtsfolge: Nach Wahl des Gläubigers Erfüllung oder Schadensersatz 2.4. kein Haftungsausschluss, § 179 Abs. 3 BGB (-) 3. ZE.: G haftet V gem. § 179 Abs. 1 BGB auf Erfüllung (Kaufpreiszahlung i.H.v. 6.000,00 €) Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 16 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Abwandlung 1 zu Fall 27 - Sachverhalt Bereits wenige Wochen nach dem gemeinsamen Meeting findet vor einem Chemnitzer Notar die Beurkundung des Gesellschaftsvertrages der in Gründung befindlichen A und B GmbH statt. In § 4 des Gesellschaftsvertrages wird das Stammkapital der Gesellschaft auf 25.000,00 € festgesetzt, so dass A und B jeweils mit einer Stammeinlage in Höhe von 12.500,00 € beteiligt sind. Nachdem A und B ihren Einlageverpflichtungen nachgekommen sind, wird die Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet. Wie ist die Rechtslage, wenn zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Forderung, die Eintragung der Gesellschaft weiterhin aussteht? Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 17 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Abwandlung 1 zu Fall 27 – Lösung Nach Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages tritt die Gesellschaft in das Stadium der sog. Vor-GmbH ein. Im Hinblick auf die Haftung der Vor-GmbH und ihrer Gesellschafter ergeben sich – da es auch hier an der Ermächtigung des G zur Aufnahme der Geschäfte bzw. an der Genehmigung durch die Gesellschafter fehlt – keine anderen Probleme als im Ausgangsfall. Die Haftung des G richtet sich nunmehr aber nach der spezielleren Haftungsnorm des § 11 Abs. 2 GmbHG. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 18 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 28 - Sachverhalt A und B wollen die XY Schokoladenfabrikations-GmbH mit einem Stammkapital von 50.000,00 € gründen. Zum Geschäftsführer wollen sie G bestellen. Der Gesellschaftsvertrag wird notariell beurkundet. Gleichzeitig einigt man sich, dass B seine Einlage durch Übereignung eines Grundstücks erbringen soll. Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister stellt sich heraus, dass das Grundstück – was A nicht wusste und auch nicht hätte wissen können – erheblich mit Schwermetallen belastet ist und daher nur einen Wert von 10.000,00 € aufweist. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 19 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 28 - Sachverhalt Namens der Gesellschaft verlangt der Geschäftsführer G daher von B Zahlung in Höhe von 10.000,00 € sowie weiterer 5.000,00 € die die GmbH zur Dekontaminierung des Grundstücks aufwenden müsste. Um die drohende Zahlung doch noch abzuwenden, bietet B an die Reinigung des Grundstücks „eigenhändig“ durchzuführen. Notfalls rechne er mit einem Kaufpreiszahlungsanspruch – resultierend aus dem Verkauf einer Maschine an die GmbH – gegen die GmbH in gleicher Höhe auf. Wie ist die Rechtslage? Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 20 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 1. Anspruch der GmbH gegen B auf Zahlung von 15.000,00 € A. Anspruch entstanden I. Anspruch gem. § 9 Abs. 1 GmbHG („Differenzhaftung“) 1. B = Gesellschafter der mit A errichteten GmbH? (+) 2. Leistung einer Sacheinlage auf Nennbetrag des Geschäftsanteils? (+) • • Problem: Grundstück als Sacheinlage? • Definition Sacheinlage: alle Einlagen, die nicht in der Erbringung einer Geldleistung bestehen • Konsequenz: Sacheinlage i.S.d. § 9 I GmbHG (+) Nennbetrag des Geschäftsanteils (25.000,-- EUR) und Gegenstand der Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag bezeichnet, § 5 IV GmbHG (+) Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 21 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung 2.1. Wert der Sacheinlage = Nennbetrag des dafür übernommen Geschäftsanteils (-) • Nennbetrags des Geschäftsanteils: 25.000,00 € • Wert des Grundstücks: 10.000,00 € 2.2. Maßgeblicher Bewertungszeitpunkt • Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister, § 9 Abs. 1 GmbHG • Grundstück war zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits kontaminiert 3. ZE.: GmbH geg. B Anspruch auf Zahlung i.H.v. 15.000,00 €, § 9 Abs. 1 GmbHG • Anm.: Auf ein Verschulden des B kommt es bei § 9 Abs. 1 GmbHG nicht an. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 22 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Fall 27 – Lösung II. Nacherfüllungseinwand des B (Reinigung) (-) • Differenzhaftung: Grundsatz realen Kapitalaufbringung (§ 19 Abs. 2 GmbHG) – Gläubigerschutz • Wert der Sacheinlageleistung < Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils = Wiederaufleben der subsidiären Barleistungspflicht, § 9 Abs. 1, S.1. a.E. • Der Nacherfüllungseinwand des B geht daher ins Leere. Anmerkung: Vereinzelt (vgl. Schlößer, NZG 2012, 1047ff.) wird diskutiert, dass neben dem Differenzhaftungsanspruch in Geld, die Gesellschaft bei Übereignung eines mangelhaften Gegenstandes ebenfalls von einem Nacherfüllungsanspruch (Mängelgewährleistungsrecht BGB) Gebrauch machen könnte, da bei entsprechender Nacherfüllung die Werthaltigkeit der Einlage wieder hergestellt wäre. Dies wird von der h.M. jedoch noch immer abgelehnt (vgl. Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, 2012, S. 74 f. m.w.N.). Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 23 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Abwandlung 1 zu Fall 28 - Sachverhalt Ändert sich die Rechtslage, wenn die Übereignung der Maschine zur Erfüllung der im Gesellschaftsvertrag übernommenen Einlageverpflichtung im Vertrag festgehalten wurde? Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 24 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Abwandlung 1 zu Fall 28 – Lösung Eine Aufrechnung ist nunmehr gem. § 19 Abs. 2, S. 2 zulässig. Sofern der Wert der Maschine die Differenz des in seinem Wert geminderten Grundstücks auszugleichen vermag, ist die Einlageverpflichtung des B erfüllt. Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 25 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Abwandlung 2 zu Fall 28 - Sachverhalt B hat im Gesellschaftsvertrag eine Bareinlageverpflichtung übernommen. Dennoch bringt er – wie im Vorhinein mit A und G abgesprochen – das Grundstück in Erfüllung seiner Einlageverpflichtung in die Gesellschaft ein. Trotz eines durch G in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens – welches die Schwermetallbelastung dokumentiert – versichert G in der Anmeldung zur Eintragung der GmbH ins Handelsregister, dass die zu leistenden Einlagen bewirkt wurden und sich zur freien Verfügung der Gesellschaft befinden. Nach der Eintragung der GmbH kommt G auf Sie zu und fragt nach den möglichen Konsequenzen seines Tuns. Wie ist die Rechtslage? Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 26 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Abwandlung 2 zu Fall 28 – Lösung Mögliche Anspruchsgrundlagen einer Haftung des G im Innenverhältnis: • §§ 9a Abs. 1, § 43 Abs. 2 GmbHG, § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag • Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund denkbar (§ 38 Abs. 2 GmbHG) • Sonstiger arbeitsrechtlicher Maßnahmen (Abmahnung/Kündigung) aus Anstellungsverhältnis • Strafrechtlichen Konsequenzen (§ 82 GmbHG) – ggf. Anstellung als Geschäftsführer für 5 Jahre ausgeschlossen, § 6 II GmbHG Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 27 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php Kapitalgesellschaften: GmbH I – 10. Stunde Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Fragen? Chemnitz ∙ 25.01.2016 ∙ Wiss. Mitarbeiter Gernot Kirchner 28 www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/jura2/index.php
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