Besprechung der Übungsklausur und Fallübung im

Besprechung der Übungsklausur und Fallübung
im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
17.07.2015
1. Besprechung der Übungsklausur
Ass. iur. Jan Niklas Klein
17.07.2015
Statistik
25 Teilnehmer
Durchschnitt: 5,44 Punkte
Durchfallquote: 36 Prozent
Besprechung der Übungsklausur
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3
Lösung
Besprechung der Übungsklausur
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4
Vorbemerkungen
Wie prüft man die Erfolgsaussichten einer
Verfassungsbeschwerde?
•  Zulässigkeit
•  Begründetheit
•  Obersatz: „Die Verfassungsbeschwerde hat
Aussicht auf Erfolg, wenn Sie zulässig und
begründet ist.“
Besprechung der Übungsklausur
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Zulässigkeit
Wie prüft man die Zulässigkeit einer
Verfassungsbeschwerde?
•  Zuständigkeit
•  Beschwerdefähigkeit
•  Beschwerdegegenstand
•  Beschwerdebefugnis
•  Rechtserschöpfung und Subsidiarität
•  Form und Frist
Besprechung der Übungsklausur
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Zulässigkeit – Zuständigkeit
Warum ist das Bundesverfassungsgericht für eine
Verfassungsbeschwerde zuständig?
•  Ein Satz:
„Das Bundesverfassungsgericht ist für die
Entscheidung im Verfahren der
Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a
GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG zuständig.“
Besprechung der Übungsklausur
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Zulässigkeit –
Beschwerdefähigkeit
Ist der A beschwerdefähig?
•  Grundsätzlich ist jedermann nach Art. 93 Abs. 1 Nr.
4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG beschwerdefähig
•  A ist als natürlich Person beschwerdefähig/
grundrechtsfähig
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Zulässigkeit –
Beschwerdegegenstand
Liegt ein tauglicher Beschwerdegegenstand vor?
•  Was sind taugliche Beschwerdegegenstände?
•  Lösung steht im Gesetz: Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §
90 Abs. 1 BVerfGG
•  jeder Akt öffentlicher Gewalt
•  jedes Tun und Unterlassen der Exekutive,
Legislative und Judikative
•  Hier: § 166 StGB (Maßnahme der Legislative)
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Zulässigkeit –
Beschwerdebefugnis (1)
Ist der Beschwerdeführer beschwerdebefugt?
•  Wann ist der Beschwerdeführer
beschwerdebefugt?
•  Lösung steht im Gesetz: Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §
90 Abs. 1 BVerfGG
•  Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt
zu sein
Besprechung der Übungsklausur
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Zulässigkeit –
Beschwerdebefugnis (2)
Zweischichtige Prüfung:
1.  Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung
2.  Beschwerdeführer muss durch den angegriffenen
Akt öffentlicher Gewalt selbst, gegenwärtig und
unmittelbar betroffen sein
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Zulässigkeit –
Beschwerdebefugnis (3)
1.  Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung
-  Die behauptete Rechtsverletzung darf nicht von
vornherein ausgeschlossen sein
-  „Vorprüfung“: Ist es denkbar, dass ein Grundrecht
verletzt wurde (meistens: Ja!)
-  Hier: Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG
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Zulässigkeit –
Beschwerdebefugnis (4)
2.  Beschwerdeführer muss durch den angegriffenen
Akt öffentlicher Gewalt selbst, gegenwärtig und
unmittelbar betroffen sein
a)  Selbst
b)  Gegenwärtig
c)  Unmittelbar
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Zulässigkeit –
Beschwerdebefugnis (5)
a)  Selbst
Beschwerdeführer muss in einem seiner eigenen
Grundrechte verletzt sein
•  Hier (+), A ist Betroffener des § 166 StGB (insb. da
er sich mit den nun verbotenen Inhalten
beschäftigen will)
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Zulässigkeit –
Beschwerdebefugnis (6)
b)  Gegenwärtigkeit
Beschwerdeführer muss schon oder noch betroffen
sein
•  Hier (+), konkretes Verbot der Darstellung von
Inhalten, mit denen A sich häufig beschäftigt, Verbot
ist in Kraft
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Zulässigkeit –
Beschwerdebefugnis (7)
b)  Unmittelbarkeit
Sind weitere Vollzugsakte nötig?
•  Problem: A wurde noch nicht verurteilt
•  Aber: Abwarten von Strafe ist nicht zumutbar, das
Verbot entfaltet schon jetzt „verhaltenssteuernde
Tendenz“ da man die Gefahr der Strafe nicht
eingehen will (Norm hat „self-executing character“)
•  Unmittelbarkeit (+)
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Zulässigkeit –
Rechtswegerschöpfung
Beschwerdeführer muss alle zur Verfügung
stehenden und zumutbaren Möglichkeiten
verwaltungsbehördlichen und fachgerichtlichen
Rechtsschutz ordnungsgemäß ausschöpfen, um die
Grundrechtsverletzung zu beseitigen, § 90 Abs. 2 S.
1 BVerfGG
•  Hier: (+), gegen Gesetze gibt es keinen Rechtsweg
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Zulässigkeit – Subsidiarität
Subsidiarität? – Was ist das überhaupt und wo ist der
Unterschied zur Rechtswegerschöpfung?
•  Allgemeiner Grundsatz der Subsidiarität=erweiterte
Auslegung des § 90 Abs. 2 BVerfGG
•  Beschwerdeführer muss neben Rechtswegerschöpfung alle
anderweitig bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, die
geeignet sind, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen
•  Hier: evtl. inzidente Normenkontrolle durch das Strafgericht
(Art. 100 I GG, § 13 Nr. 11 BVerfGG)
•  Aber: Strafverfahren mit evtl. empfindlichen Sanktionen ist
nicht zumutbar
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Zulässigkeit – Form
Welche Form muss man bei einer
Verfassungsbeschwerde einhalten?
•  Lösung steht im Gesetz: § 23 Abs. 1 BVerfGG
•  Schriftform+Begründung
•  Kann hier unterstellt werden
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Zulässigkeit – Form
Welche Frist muss man bei einer
Verfassungsbeschwerde einhalten?
•  Lösung steht im Gesetz: § 93 Abs. 3 BVerfGG
•  Binnen eines Jahres
•  Kann hier noch eingehalten werden
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Zwischenergebnis: Die
Verfassungsbeschwerde ist
zulässig.
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Fragen?
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Begründetheit
Wie prüft man die Begründetheit einer
Verfassungsbeschwerde?
•  Verletzung eines Grundrechts (Eingriff in den
Schutzbereich ohne verfassungsrechtliche
Rechtfertigung)
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Begründetheit – Verletzung eines
Grundrechts
Welches Grundrecht kommt in Frage?
•  Art. 5 III GG
„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre
sind frei.“
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Begründetheit – Schutzbereich
(1)
Ist der Schutzbereich der Kunstfreiheit eröffnet?
•  Was schützt Art. 5 III GG?
a)  Persönlicher Schutzbereich
•  Jedermann-Grundrecht (jeder Grundrechtsträger)
•  A als natürliche Person Grundrechtsträger und
damit vom persönlichen Schutzbereich umfasst
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Begründetheit – Schutzbereich
(2)
b) Sachlicher Schutzbereich
•  Kunst = verschiedene Kunstbegriffe
•  formeller Kunstbegriff: Kunst (+), wenn gewählte
Äußerungsform traditionellen Kunstformen zugeordnet
werden kann (Bsp.: Malerei, Bildhauerei, Theater)
•  materieller Kunstbegriff: wesentlich ist die freie
schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen,
Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer
bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung
gebracht werden
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Begründetheit – Schutzbereich
(3)
•  „offener“ Kunstbegriff: maßgeblich ist, dass es
wegen der Mannigfaltigkeit des Aussagegehalts der
künstlerischen Tätigkeit möglich ist, der Darstellung
im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer
weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen
•  Hier: nach allen Begriffen Kunst (+)
•  Schutzbereich (+)
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Begründetheit – Eingriff
Was ist ein Eingriff?
•  jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein
Verhalten, das in den Schutzbereich eines
Grundrechts fällt, erheblich erschwert oder
unmöglich macht
•  Hier: grundrechtsrelevante Handlung steht unter
Strafe
•  Eingriff (+)
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (1)
Was heißt verfassungsrechtliche Rechtfertigung?
•  Nicht jeder Eingriff ist verfassungswidrig
•  Grundrechtseinschränkungen können rechtmäßig
sein, sofern Rechtfertigung durch das Grundgesetz
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (2)
Wie ist ein Eingriff in die Kunstfreiheit zu
rechtfertigen? Wie erkenne ich die Schranken?
•  Erster Schritt: Blick ins Gesetz!
•  Da steht aber nix?
•  Art. 5 III GG vorbehaltlos gewährleistet
Besprechung der Übungsklausur
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (3)
Heißt vorbehaltlos auch schrankenlos?
•  Nein!
•  Bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten
gelten verfassungsimmanente Schranken
•  Rechtfertigung durch kollidierende Grundrechte
sowie anderweitige Verfassungsgüter
Besprechung der Übungsklausur
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (4)
Welche möglichen kollidierenden Grundrechte oder
anderweitigen Verfassungsgüter gibt es hier?
•  Schutz der öffentlichen Sicherheit
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (5)
Erforderlich ist aber auch ein Gesetz, das die
verfassungsimmanenten Schranken verwirklicht
•  Warum ist das so?
•  Vorbehalt des Gesetzes: jeder Eingriff bedarf einer
gesetzlichen Grundlage
•  § 166 StGB setzt verfassungsimmanente Schranke
des Schutzes der öffentlichen Sicherheit gesetzlich
um (Kollisionsgesetz) und ist somit eine taugliche
Schranke
Besprechung der Übungsklausur
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (6)
§ 166 StGB müsste verfassungsmäßig sein
a)  Formelle Verfassungsmäßigkeit
•  Zuständigkeit (Gesetzgebungskompetenz)
•  Gesetzgebungsverfahren
•  Form
•  Problem hier: Verfahrensfehler wegen einer evtl.
Beschlussunfähigkeit des Bundestags?
Besprechung der Übungsklausur
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (7)
•  Beschlussfähigkeit des BT richtet sich nach § 45
GO-BT
•  Abs. 1: BT beschlussunfähig, wenn wenigers als
die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal
anwesend ist (hier (+))
•  Aber Abs. 2: Beschlussunfähigkeit muss auf Antrag
festgestellt werden (hier (-))
•  Ergebnis: Bundestag beschlussfähig, keine formelle
Verfassungswidrigkeit
Besprechung der Übungsklausur
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35
Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (8)
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit
•  Insb: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
(1) Legitimer Zweck: Schutz der öffentlichen
Sicherheit (+)
(2) Geeignetheit (+)
•  (Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers), der
Zweck wird jedenfalls gefördert
Besprechung der Übungsklausur
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (9)
(3) Erforderlichkeit
•  Maßnahme ist erf., wenn es kein milderes Mittel
gibt, dass den verfolgten Zweck gleichermaßen
fördert
•  Mögliche mildere Mittel: nur Strafbarkeit von reinen
Schmähungen ohne künstlerische Funktion, Schutz
der Karikaturisten durch Polizei
•  Gleiche Geeignetheit aber zweifelhaft
•  Erforderlichkeit (+)
Besprechung der Übungsklausur
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37
Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (10)
(4) Angemessenheit
•  Angemessenheit verlangt die Herstellung eines
möglichst milden Ausgleichs zwischen den
widerstreitenden Interessen
•  Hier stehen sich die Kunstfreiheit und die
öffentliche Sicherheit gegenüber.
Besprechung der Übungsklausur
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38
Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (11)
Schutz der öffentlichen Sicherheit
Kunstfreiheit
Gefahr laut Sachverhalt nicht nur
abstrakt
Stellenwert der Kunstfreiheit
Anhaltspunkte durch genau solche
Zeichnung des A
Gesellschaftsform mit freiheitlich
demokratischen Grundordnung
Besprechung der Übungsklausur
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Begründetheit – Verf.-rechtl.
Rechtfertigung (12)
Ergebnis:
•  Angemessenheit abzulehnen
Ergebnis zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung:
•  § 166 StGB ist nicht verhältnismäßig, sodass die
Grenzen der Einschränkbarkeit (SchrankenSchranken) nicht gewahrt wurden.
•  Eingriff ist mithin nicht verfassungsrechtlich
gerechtfertigt. Art. 5 III GG ist durch § 166 StGB
verletzt.
Besprechung der Übungsklausur
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40
Endergebnis: Die
Verfassungsbeschwerde ist zulässig
und begründet.
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Fragen?
Besprechung der Übungsklausur
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Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
- Sachverhalt Da sich die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte, insbesondere der
Städte und Gemeinden, zusehends verschlechtert, beschließt die
Bundesregierung eine Steuer auf den elektronischen Postverkehr (E-Mail)
zu erheben. Hierzu soll für jede versandte Nachricht ein Betrag von 1 Cent
erhoben werden. Die Einnahmen sollen zu 70% den angeschlagenen
Kommunen zugutekommen. Entsprechend der Gesetzesbegründung
erhofft man sich, damit sowohl den Finanzbedarf für lokale
Sozialeinrichtungen zu decken als auch dem lästigen Versand
unerwünschter elektronischer Nachrichten, der zumeist der Werbung für
unseriöse Produkte diene (sog. Spam-E-Mails), entgegenzuwirken. Um
kurzfristig an Finanzmittel zu kommen, soll das Gesetz mit Wirkung zum
1.1.2012 in Kraft treten.
Da aus Sicht des Bundes keine Zeit zu verschenken ist, beschließt der
Bundestag das ordnungsgemäß eingebrachte Gesetz und leitet es dem
Bundesrat am 2.4.2014 zu.
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
- Sachverhalt Der Bundesrat, der von der oppositionellen P-Partei dominiert wird,
äußert sich zu dem Vorhaben nicht. Lediglich der Oppositionsführer
X gibt in der Presse in mehreren Interviews bekannt, dass eine
Unterstützung des Bundesrats für eine derartige „Witzidee“ zu
Lasten der Bürger vom Bundesrat nicht zu erwarten sei. „Mit einer
solchen Sauerei befasse man sich erst gar nicht!“.
Die Regierungsfraktionen des Bundestags fühlen sich durch die
Äußerungen des X herausgefordert. Man leitet deshalb das Gesetz
am 14.4.2014 dem Bundespräsidenten mit der Aufforderung zu,
dieses umgehend auszufertigen. Man habe schon genug Zeit
verloren und die öffentlichen Haushalte bräuchten schnell neue
Einnahmequellen.
Bundespräsident B verweigert am 17.4.2014 seine Unterschrift. Er
äußert Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Gesetzes.
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
45
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
- Sachverhalt Nach seinem Verständnis gebe es Verfahrensfehler und die
Rechtsstaatlichkeit Deutschlands sei bei einem Inkrafttreten des Gesetzes
verletzt. Als Gesetzesorgan könne er nicht dazu gezwungen werden,
„sehenden Auges“ ein verfassungswidriges Gesetz auszufertigen. Zur
weiteren Begründung führt er an, dass „das Verhalten der Regierung
politisch verfehlt sei und von Raffgier, nicht von umsichtigem Regieren
zeuge“.
Die Regierungsfraktion des Bundestags ist über die Entwicklung der Dinge
empört. Sie ist der Ansicht, dass die Überprüfung der
Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ausschließlich dem obersten
Gericht vorbehalten sei.
Am 18.4.2014 sucht sie deshalb Rat bei dem erfahrenen Anwalt D und
bittet ihn zu prüfen, ob der Bundestag erfolgreich gerichtliche Schritte
gegen den Bundespräsidenten beim BVerfG einleiten könne, um das
Gesetzgebungsverfahren erfolgreich abzuschließen.
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
Bearbeitervermerk
Fertigen Sie das Gutachten des D an. Gehen Sie dabei auf alle
Rechtsfragen des Falles ein.
Hinweis: Es ist davon auszugehen, dass der Bundespräsident
nicht vorsätzlich gegen die Verfassung verstoßen wollte. Bitte
gehen Sie zudem bei der Lösung des Falles davon aus, dass der
Bund einen hinreichenden Kompetenztitel zur Regelung des
umstrittenen Gesetzes besitzt. Auch lagen insbesondere keine
zwingenden Gründe des öffentlichen Wohls vor, die das Gesetz
rechtfertigen.
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
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Lösungsvorschlag
Die E-Mail-Steuer
Obersatz:
Der Bundestag kann mit Erfolg gegen die Entscheidung
des Bundespräsidenten vorgehen, soweit ein Verfahren
vor dem Bundesverfassungsgericht zulässig und
begründet ist.
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
A. Zulässigkeit
I. 
• 
• 
II. 
• 
Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; §§ 13 Nr.
6, 76 ff. BVerfGG
Tauglicher Antragsgegenstand (-)
à Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen: Gesetz
weder ausgefertigt noch verkündet
Antragsgrund (-)
à Das vom Bundestag angestrebte Verfahren richtet sich nicht
gegen das Gesetz als solches, sondern gegen die Ausfertigung
des Bundespräsidenten
Präsidentenanklage, Art. 61, 93 Abs. 1 Nr. 5 GG; §§ 13 Nr. 4, 49
ff. BVerfGG
Zulässig, soweit alle Sachentscheidungsvoraussetzungen der Art.
61, 93 Abs. 1 Nr. 5 GG, §§ 13 Nr. 4, 49 ff. BVerfGG vorliegen.
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
49
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
A. Zulässigkeit
1.  Zuständigkeit
•  BVerfG nach Art. 61, 93 Abs.1 Nr. 5 GG; §§ 13 Nr. 4, 49 ff. BVerfGG
2.  Anklageberechtigung
•  Liegt nach Art. 61 Abs.1 S.1 GG beim Bundestag oder Bundesrat
•  Antrag bedarf dabei der Unterstützung einer qualifizierten
Minderheit: Gem. § 61 Abs. 1 S.2 GG muss der Antrag mindestens
von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem
Viertel der Stimmen des Bundesrats gestellt werden
à Anklageberechtigung des Bundestages (+)
3.  Anklagegegner
•  Gem. Art. 61 Abs. 1 S. 1 GG, § 49 Abs. 1 BVerfGG der
Bundespräsident
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
50
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
A. Zulässigkeit
4.  Antragsgrund gemäß Art. 61 Abs. 1 S. 1 GG, § 49 Abs. 1 BVerfGG
•  Es muss eine „vorsätzliche Verletzung des Grundgesetzes oder
eines anderen Bundesgesetzes“ durch den Bundespräsidenten
plausibel geltend gemacht werden.
à  Weigerung, das Gesetz auszufertigen könnte eine solche Verletzung
des Grundgesetzes durch den Bundespräsidenten darstellen. Art. 82
Abs. 1 S. 1 GG deutet auf eine entsprechende Verpflichtung hin
•  Aber: Wortlaut des Art. 61 Abs. 1 S. 1 GG
à  Vorsatz muss sich direkt auf eine Verfassungs- oder
Gesetzesverletzung beziehen
à  Bundespräsident muss erkannt haben, dass er durch sein Handeln
gegen die Verfassung verstößt bzw. ein Bundesgesetz verletzt
à  Hier (-)
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
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51
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
A. Zulässigkeit
5.  Zwischenergebnis
à  Präsidentenklage (-)
III.  Organstreitverfahren gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG; § 13 Nr.
5, 63 ff. BVerfGG
à  Aussicht auf Erfolg, wenn es zulässig und begründet ist
1.  Zulässigkeit
•  Zulässig, wenn alle Sachentscheidungsvoraussetzungen des
Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG
vorliegen
a.  Zuständigkeit
•  Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG das BVerfG
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
A. Zulässigkeit
b.  Parteifähigkeit
•  Organstreit als kontradiktorisches Verfahren
à  Sowohl Antragssteller als auch Antragsgegner müssen parteifähig sein
•  Parteifähig sind gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG die obersten
Bundesorgane und andere Beteiligte, die durch das Grundgesetz
oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit
eigenen Rechten ausgestattet sind
•  Konkretisierung durch § 63 BVerfGG: insb. der Bundespräsident,
der Bundestag, der Bundesrat, sowie die Bundesregierung sind
parteifähig
à Hier: Bundestag als Antragssteller (+), Bundespräsident als
Antragsgegner (+)
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
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53
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
A. Zulässigkeit
c.  Antragsgegenstand
•  Erforderlich, dass ein Streit über den Umfang der aus dem
Grundgesetz folgenden Rechte und Pflichten der Parteien besteht.
•  Antragssteller muss eine rechtserhebliche Maßnahme oder
Unterlassung des Antragsstellers geltend machen
Hier: Antrag richtet sich gegen die Nichtausfertigung des Gesetzes durch
den Bundespräsidenten
–  Unterlassen
–  rechtserheblich, da ein Gesetz ohne die Ausfertigung nicht in Kraft treten kann
–  Ausfertigung könnte deshalb auch Pflicht des Bundespräsidenten darstellen,
welche sich direkt aus der Verfassung ergibt, vgl. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG
à Tauglicher Antragsgegenstand (+)
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
A. Zulässigkeit
d.  Antragsbefugnis
•  Antragssteller muss gem. § 64 Abs. 1 BVerfGG plausibel geltend
machen, dass er durch die Unterlassung des Antragsgegners in
seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und
Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist
Hier: Art. 77 Abs. 1 S. 1, 78 i.V.m. 82 GG
–  Bundestag kommt hier neben dem Bundesrat eine zentrale
Stellung zu
–  Daher erscheint es möglich, dass das Recht des Bundestages,
dass von ihm beschlossene Gesetze letztlich auch verkündet
werden und Rechtsverbindlichkeit erlangen, durch die
unterlassene Ausfertigung verletzt worden sind
à Antragsbefugnis (+)
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
A. Zulässigkeit
e.  Form und Frist
•  Form gem. §§ 23 Abs. 1, 64 Abs. 2 BVerfGG: Antragssteller muss
Antrag schriftlich und mit einer Begründung erreichen, wobei die
Norm des Grundgesetzes zu nennen ist, gegen die der
Bundespräsident verstoßen haben soll
à (+)
•  Frist gem. § 64 Abs. 3 BVerfGG: Antrag binnen 6 Monaten,
nachdem der Antragssteller von der Weigerung des
Bundespräsidenten erfahren hat
à  (+)
f.  Zwischenergebnis: Organstreitverfahren ist zulässig
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
Das Organstreitverfahren ist begründet, soweit das
angegriffene Unterlassen des Bundespräsidenten gegen
eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt und dadurch
Rechte des Bundestags verletzt worden sind, vgl. §§ 67 S.
1, 64 Abs. 1 BVerfGG.
à dann der Fall, wenn der Antragsteller einen
verfassungsrechtlichen Anspruch gegen den
Antragsteller auf Vornahme der begehrten Handlung
hat
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
•  Bundespräsident kann nur eine Rechtsverletzung begangen
haben, wenn er zur Ausfertigung des Gesetzes verpflichtet
gewesen ist
à Pflicht evtl. aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG (zustande
gekommenen Gesetze werden vom Bundespräsidenten
ausgefertigt)
à Problem: Ist der Bundespräsiden berechtigt, ein ihm
vorgelegtes Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu
überprüfen? Kann er bei Feststellung eines Verstoßes
gegen das GG dessen Ausfertigung auch verweigern?
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
58
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
Im Folgenden ist damit zu prüfen, ob dem Bundespräsidenten
I.  grundsätzlich ein Prüfungsrecht aus formellen, materiellen
oder politischen Gesichtspunkten zusteht
und
II.  ob der Bundespräsident das ihm zustehende Prüfungsrecht
vorliegend auch rechtmäßig wahrgenommen hat.
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
59
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
I. 
Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
1.  Formelles Prüfungsrecht
•  Könnte sich aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG ableiten
lassen
•  Danach werden die „nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes
zustande gekommenen Gesetze“ vom Bundespräsidenten
ausgefertigt
-  Bezugnahme auf das „Zustandekommen“ in Art. 78 GG
-  Vorschrift bezweckt, die Ergebnisse des Gesetzgebungsverfahrens zu
systematisieren, und bezieht sich dabei ausdrücklich auf Art. 77 GG
-  Somit bezieht sich die Verfassungsnorm des Art. 78 GG zumindest auf die
verfahrensmäßigen Aspekte der Beschlussfassung durch den Bundestag und die
Wahrung der Rechte des Bundesrates
à  Formelles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten (+)
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
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Exkurs: Formelle Prüfungskompetenz
des Bundespräsidenten
Die formelle Prüfungskompetenz des
Bundespräsidenten nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG
erstreckt sich auf:
Einhaltung der
Gesetzgebungskompetenz
Beachtung der
Vorschriften zum
Gesetzgebungsverfahren
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
Mitwirkung des
Bundesrates im
Gesetzgebungsverfahren
61
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
•  Problem: Hat der Bundespräsident auch ein materielles
Prüfungsrecht?
•  = Befugnis des Bundespräsidenten Gesetze auf ihre
inhaltliche Vereinbarkeit mit den Grundgesetz zu
kontrollieren
•  Ob dem Bundespräsident ein solches zusteht, ist streitig
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
Ass. iur. Jan Niklas Klein
62
Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
Wortlautauslegung des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG
•  Ausfertigung nur von Gesetzen, die „nach den Vorschriften dieses
Grundgesetzes“ zustanden gekommen sind
•  Aber: Systematischer Zusammenhang mit dem „Zustandekommen“ nach
Art. 78 GG, nicht eindeutig, ob sämtliche Verfassungsbestimmungen erfasst
werden sollen
Historische Auslegung des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG
•  Nach Art. 70 WRV hatte der Reichspräsident „die verfassungsmäßig zu
Stande gekommenen Gesetze auszufertigen“.
•  Aber: Bundespräsident hat deutlich schwächere Stellung als
Reichspräsident, damals gab es noch kein BVerfG das Entscheidungen
korrigieren konnte
Fallübung im Staatsorganisationsrecht
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
Systematische Auslegung
•  Materielles Prüfungsrecht wegen des Amtseids gem. Art. 56 GG („das
Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen“)
•  (-), keine Begründung von Rechten und Pflichten durch Art. 56 GG
•  Auch Art. 61 GG (Präsidentenanklage) trifft keine Aussage über Inhalt und
Reichweite der Pflichten und Befugnisse des Bundespräsidenten
•  Aber: Bindung des Bundespräsidenten an die verfassungsmäßige Ordnung
(Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG)
•  Umfasst alle staatliche Gewalt
•  Bundespräsident dar im Rahmen seiner Tätigkeit nur Gesetze ausfertigen,
die mit der Verfassung im Einklang stehen
Zwischenergebnis: Formelles und materielles Prüfungsrecht des
Bundespräsidenten
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
Aber: Beschränkung der Prüfungsintensität
-  Beschränkung des Rechts zur materiellen Prüfung nach der
herrschenden Meinung auf offensichtliche oder schwerwiegende
Verfassungsverstöße
à Evidenzkontrolle
-  In allen anderen Fällen kann insb. der Bundestag im Wege des
Organstreitverfahrens gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG feststellen lassen,
dass die Verweigerung der Ausfertigung im konkreten Fall gegen Art.
82 Abs. 1 Satz 1 GG verstößt.
Merke: Der Bundespräsident kann die Ausfertigung eines formell
verfassungswidrigen Gesetzes verweigern. Bezüglich der materiellen
Verfassungsmäßigkeit steht ihm nur eine Evidenzkontrolle zu.
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
B. Begründetheit
•  Problem: Hat der Bundespräsident auch ein politisches
Prüfungsrecht? Kann er ein Gesetz aus politischen oder
persönlichen Gründen nicht unterzeichnen?
•  Hier: Bundespräsident ist der Ansicht, dass das
„Verhalten der Regierung politisch verfehlt sei und von
Raffgier, nicht von umsichtigem Regieren zeuge“.
•  Politisches und persönliches Prüfungsrecht aber (-),
ergibt sich nicht aus dem GG
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B. Begründetheit
II. Rechtmäßige Ausübung des Prüfungsrechts
1.  Formelles Prüfungsrecht
•  Fehler im Gesetzgebungsverfahren?
•  Wurde der Bundesrat hier gem. Art. 77 Abs. 2-4 GG
ordnungsgemäß beteiligt?
•  Hier: Zustimmungsvorbehalt in Art 105 Abs. 3 GG (Einnahmen
sollen auch den Kommunen zugutekommen)
•  Problem: Bundesrat hat sich nicht geäußert (Art. 77 Abs. 2a GG
•  Aber: Schweigen ist nicht als Zustimmung zu werten, Art. 77 Abs. 2a
GG fordert ausdrückliche Zustimmung
•  Bundespräsident hat formelles Prüfungsrecht rechtmäßig ausgeübt
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B. Begründetheit
2. Materielles Prüfungsrecht
•  Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (Gesetz greift ändernd in
abgewickelte, der Vergangenheit angehörende, Tatbestände ein)?
•  (+), Besteuerungszeiträume abgeschlossen
•  Gesetz materiell verfassungswidrig
•  Auch offensichtlicher Verfassungsverstoß
•  Zwischenergebnis: Bundespräsident hat auch sein materielles
Prüfungsrecht rechtmäßig ausgeübt
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Übungsfall: Die E-Mail-Steuer
Lösungsschema
A. 
I. 
II. 
III. 
1. 
2. 
3. 
4. 
5. 
6. 
Zulässigkeit
Abstrakte Normenkontrolle (-)
Präsidentenanklage (-)
Organstreitverfahren
Zuständigkeit des BVerfG, Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG
Parteifähigkeit
Antragsgegenstand
Antragsbefugnis
Form und Frist
Zwischenergebnis: Organstreitverfahren zulässig
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Lösungsschema
B. Begründetheit
(+), soweit das angegriffene Unterlassen des Bundespräsidenten
gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt und dadurch
Rechte des Bundestags verletzt worden sind, vgl. §§ 67 S. 1, 64 Abs. 1
BVerfGG
I.  Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
1.  Formelles Prüfungsrecht (+)
2.  Materielles Prüfungsrecht (+)
3.  Umfang des Prüfungsrechts: Evidenzkontrolle
II.  Rechtmäßige Ausübung des Prüfungsrechts
1.  Formelles Prüfungsrecht (hier rechtmäßig ausgeübt)
2.  Materielles Prüfungsrecht (hier rechtmäßig ausgeübt)
Endergebnis: Organstreitverfahren zulässig, aber unbegründet
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