ERINNERUNGEN aus dem Theaterleben

ERINNERUNGEN
aus
dem
Theaterleben
Status Quo:
Wohl einmalig am Theater dürften die Vorkommnisse
1865/66 gewesen sein. Das erst neu gebildete Ensemble setzte sich vor allem aus Preussen
und Österreichern zusammen. Der sich anbahnende Krieg zwischen beiden Ländern
belastete das Arbeitsklima so sehr, daß man entsprechende Einteilungen vornehmen mußte.
Spielten die Österreicher Operette, gingen die Preussen spazieren, dann wieder umgekehrt.
Im Juli 1866, während des Krieges, wurde das Haus dann für 14 Tage vollends geschlossen.
Königsgunst:
Dem Münchner Aktien-Volkstheater (Gärtnerpl.)
wurde ein Jahr nach seiner 1865 erfolgten Gründung eine hohe Gunst zuteil. Seine Majestät
König Ludwig II. war unversehrt und glücklich aus dem Kriege von 1866 zurückgekehrt. Zu
den Empfangsfeierlichkeiten trug auch das neue Theater bei und gab eine Festvorstellung zu
Ehren des jungen Monarchen, der er höchstpersönlich beiwohnte.
VerSicherungen:
Der Ringtheaterbrand in Wien hatte,
um der gleichen Gefahr zu begegnen, auch für das Gärtnerplatztheater Folgen. 1883 wurde
ein 17000 kg schwerer eisener Vorhang, der durch hydraulischen Handbetrieb bewegt
wurde, eingebaut. In Sekundenschnelle konnte die gleichzeitig installierte Beregnungsanlage
die ganze Bühne unter einen Wasser-schleier setzen. Durch diese Sicherheitsmaßnahmen
gehörte dieses Theater nun zu den bestgesicherten Bühnenhäusern Deutschlands.
TenorDirektion:
Heftige Reaktionen der Kollegen und der
Presse löste 1898 die Ernennung des beliebten Tenors Josef Brakl zum neuen Direktor des
Theaters am Gärtnerplatz aus. Dem sogenannten Aufklärungsbuch eines Kritikers über die
Zusammenhänge dieser Ernennung kann man entnehmen daß der Tenor als langjähriges
Mitglied des Hauses bei der vorherigen Direktion großen Einfluß hatte, was auf sein
geschäftstüchtiges Verhalten als Besitzer eines Theaterverlages zurückzuführen war. Doch
schon nach einer Spielzeit endete die ungewöhnliche Direktion.
Freibillett?:
Auch zur Finanzierung eines Krieges wurde der
Untertan herangezogen. Mit eintrittsfreien Vorstellungen erfüllten nun auch das Theater und
seine Künstler die Erwartungen der Regierenden. Ab November 1915 bekam jeder Patriot,
der an der Theaterkasse ein 10- oder 20- Markstück abzugeben bereit war, ein Freibillett für
eine Vorstellung. In 6 Wochen brachte man durch diese Goldsammlung eine Summe von
25500 Mark zusammen, die an die Reichsbank abgeführt wurde.
Kulturschande:
Angeregt durch den Wiener Erfolg von Kreneks
Jazz-Oper "Jonny spielt auf" holte man das Stück 1928 ans Gärtnertheater. Die Hauptrolle,
der Neger Jonny, wurde mit dem Wiener Jonny-Darsteller Alfred Jerger besetzt. Doch man
hatte die neue politische Strömung in Deutschland nach der Rheinland-Besetzung durch
farbige Soldaten der Westmächte dabei außer acht gelassen. Eine radikale Organisation
kaufte unerkannt die meisten Plätze für die Premiere. Der Zuschauerraum, gefüllt mit Leuten
in Arbeitsanzügen, verwandelte sich nach einer halben Stunde eisigen Schweigens auf ein
vereinbartes hin in einen Hexenkessel. Der Vorhang mußte wegen des Bombardements mit
faulen Eiern und Äpfeln eiligst geschlossen werden. Vergeblich erwarteten die aufgehetzten
Zuschauer, die einen echten Neger vermuteten, vor dem Bühnenausgang den "Jonny" um
ihn zu verprügeln. Die nächsten Vorstellungen blieben ohne Demonstrationen, denn das
Haus war jedesmal fast leer.
Tagtheater:
Einen ungewöhnlich frühen Vorstellungsbeginn erzwang die
verfügte nächtliche Ausgangssperre der Besatzungsmacht. Um bis 21 Uhr wieder zu Hause
zu sein, mußten die Aufführungen, die wegen des bombengeschädigten Gärtnerplatztheaters
in einem Gemeindesaal an der Schornstraße stattfanden, um 17 Uhr ihren Anfang nehmen.
Geldfassen:
In einen einwöchigen Zwangsurlaub wurde 1948 das
gesamte Gärtnerplatz-Ensemble geschickt, denn die Siegermächte hatten sich entschlossen,
den um sich greifenden Tauschhandel zu beenden und mit Hilfe der neu gebildeten
Bundesregierung eine neue "Deutsche Mark" herauszugeben. Jeder Bürger bekam 40.- DM
der neuen Währung, die man für wichtigeres brauchte als den Theaterbesuch.
Irrwege:
Die Orientierung in einer Partitur bereitet einem Kapellmeister sicher
keine Schwierigkeiten, doch in einer fremden Stadt? Nach einer ersten Gastspiel-Vorstellung
in Ludwigshafen verließ der ortsunkundige Dirigent als letzter das Theater und suchte
vergeblich nach einem Taxi. Nichts Gutes ahnend versuchte er auf gut Glück sein Hotel
Ramada zu Fuß zu finden. Er irrte schon einige Zeit durch die menschenleeren Straßen, als
zufällig der Chorobmann dem ratlosen Professor über den Weg lief. Erleichtert ob der
unerwarteten Hilfe aus dem eigenen Ensemble gelobte ihm der Kapellmeister: Du griagst vo
mia zukünftig a jedn Einsatz bei meine Vorstellungen, gell glaub mias.
Gegenleistung:
Eine resolute Chordame war zum Singen einer
kleinen Solopassage ausgewählt worden. Doch bei der Aufführung verpatzte Sie ihren Satz.
Der in der Pause auf Sie treffende Kapellmeister äußerte sich verärgert. Darauf entgegnete
die Kritisierte schnippisch: "Für das lächerliche Honorar hat es allemal gereicht".
StraßenbahnCaruso:
Begeisterung und Liebe zum Theater
wird erkennbar, wenn man den Tages- und Nachtverlauf des singenden Trambahnschaffners
Karl Zellner betrachtet, der 38 Jahre im Extrachor des Gärtnerplatztheaters mitwirkte. Um
23 Uhr nach der Vorstellung setzte er sich an die Fahrkurbel seiner alten Straßenbahn und
fuhr die ganze Nacht, oftmals zur Gaudi seiner späten Fahrgäste Arien schmetternd, bis um
4 Uhr seine letzte Fahrt (Lumpensammler) wieder am Gärtnerplatz vorbeiführte. Einige
Stunden später um 10 Uhr nahm er wieder an der Probe, oftmals in kleinen Solorollen, teil
und war immer noch zu Spaßen bereit. Wenn er in einer gemütlichen Runde sein schwarzes
Witzbüchlein hervorholte, bogen sich die Anwesenden in kurzer Zeit vor Lachen. Dieses
sympathische Unikum bleibt seinen Kollegen und auch seinem Publikum unvergessen.
Meisterlob:
Der Herrenchor hatte im Finale einer Oper seine
Einsätze erbärmlich geschmissen. Jeder wollte danach dem Donnerwetter des
Chefdirigenten aus dem Wege gehen. Doch der Professor war schneller, strahlend kam er
auf die verlegen blickenden Chorherren zu und sagte: "Exzellent, exzellent, meine Herren"!
Empfangskomitee:
Die Reaktion von Studentengruppen auf
die Einführung der Notstandsgesetze 1968 beunruhigte auch das in Erlangen gastierende
Gärtnerplatz-Ensemble. Zum Empfang vor dem markgräflichen Theater skandierten die
protestierenden, vor dem Eingang sitzenden Demonstranten: "Heute fängt der Notstand an
wir spielen Zar und Zimmermann". Sogar die Bühne wurde für kurze Zeit besetzt, doch die
beruhigenden Worte des Intendanten veranlaßte die Protestler zum allmählichen Abzug. Die
Vorstellung konnte ohne weitere Störung beendet werden.
TerrorFeuer:
Ein Drama ereignete sich während einer "Zar und
Zimmermann"-Vorstellung außerhalb des Hauses. Das dem Theater gegenüberliegende
jüdische Altersheim in der Reichenbachstraße stand in hellen Flammen, von
palästinensischen Terroristen in Brand gesteckt. Das im benzingetränkten Holztreppenhaus
lodernde Feuer verhinderte jegliche Flucht, sodaß die bedauernswerten Bewohner in
panischer Angst zu den Fenstern und zum Dachboden drängten. Durch die
Straßenbahn-Oberleitungen war das Ausfahren der Feuerleitern stark behindert. Rauch und
Feuer im Rücken trieben einige aus dem Fenster springende alten Leute direkt in den Tod.
Von alle dem bemerkten die Zuschauer im Theater nichts. Der eingerufene Chor mußte auf
die Bühne zur heiteren Singschule, doch das schreckliche Geschehen war den Stimmen und
Gesichtern deutlich anzumerken.
Spielverderber:
Zur Hauptprobe für "Hallo Dolly" im Deutschen
Theater wartete das kostümierte und geschminkte Ensemble in den Garderoben. Doch
warum ging es nicht los? Auf der Bühne mühten sich inzwischen schwitzende und fluchende
Techniker vergeblich um die Liftung des eisernen Vorhangs. Trotz aller Versuche,"Er" blieb
eisern. Eingeschlossen wollte Regisseur Ponnelle denn doch nicht proben und schickte alle
nach Hause.
Aufwertung:
Nach einem MERAN-Gastspiel waren noch 2 Aufführungen in
MAILAND zu erbringen. Die Zugfahrt dorthin war schon mit allerlei Hindernissen versehen.
Doch Ernüchterung stellte sich beim Anblick des Gasttheaters ein. Statt des erwarteten
Prachtbaues landete man in einem miesen Kellerkino, dessen Spielfläche kaum für den Chor
ausreichte. Die Gemeinschaftsgarderoben waren ohne Fenster und die sanitären
Verhältnisse katastrophal, doch die Sehenswürdigkeiten dieser interessanten Stadt ließen
diese Widrigkeiten etwas vergessen. Entschädigt wurde das genervte Ensemble nach der
Rückkehr durch die Berichte der Münchener Zeitungen, wonach das Staatstheater am
G ärtn erp latz erfolg reich an d er „M ailän d er S cala“ g astiert h atte.
Regenfolgen:
Nach dreistündiger Busfahrt zur Freilichtbühne
Weißenburg kam die Überraschung, es regnete in Strömen. Eine schwierige Entscheidung
hatte nun der ortswetterunkundige Reiseleiter zu treffen. Das Gastspiel wurde nach einer
Stunde Wartezeit abgesagt und das Ensemble nach München zurückgebracht. Am nächsten
Tag erfuhr man von der überraschenden Wetterbesserung in Weißenburg mit abgetrockneter
Bühne bis zum vorgesehenen Beginn. Die enttäuschten Stadtväter haben uns nie mehr
eingeladen.
Könnerermittlung:
Normalerweise dürfte die Synkopenstelle im
"Fast ihn Geister"-Chor bei "Die lustigen Weiber von Windsor" einem Berufschor keine
Schwierigkeiten bereiten. Doch bei einer Vorgänger-Inszenierung hatte man die
Synkopenstelle einfach begradigt und felsenfest ins Gedächtnis übernommen. Fast
unüberwindliche Schwierigkeiten hatte der auf Originalsynkopen bedachte neue Chordirektor
bei einer Neuinszenierung. Es wollte sich einfach kein regelmäßiges Gelingen dieser von
Tenor und Alt zu erbringenden Passage einstellen. Wutentbrannt entschloß er sich zu einer
ungewöhnlichen
Fehlerermittlungsmethode.
Jeder
Tenor
mußte
den
besagten
Synkopenabschnitt alleine singen und konnte bei Gelingen nach Hause gehen. Mit den
Übriggebliebenen wurde dann geübt bis es funktionierte.
Stuhlschwäche:
Die höfisch steife Atmosphäre der Oper
"Manon", überfüllt mit Rokokokostümen und Getue, steigerte die Wirkung des
Vorgefallenen. Eine Festtafel, von zierlichen Stühlen umstanden, lud die kokette Gesellschaft
ein. Dem Ruf "est servi!" folgend nahm alles Platz. Für eine korpulente Chordame wurde ein
vermutlich beschädigter Zierstuhl zum Trauma. Der zusammenkrachende Stuhl und die mit
Reifrock, Schleifen und Rüschen geschmückt am Boden Liegende löste im Publikum und auf
der Bühne spontane Heiterkeit aus. Diese wurde weiter angeheizt durch die vergeblichen
Hebeversuche der durch unterdrücktes Lachen geschwächten, ihr behilflichen
Tischnachbarn. Da entschloß sich die Gefallene zur Selbsthilfe. Sie drehte sich und mit
Händen und Knien sich abstützend, gelang ihr dann vor dem feixenden Publikum endlich die
Aufrichtung. Während dieser Szene war es den Umstehenden, sich vor Lachen krümmenden
unmöglich, die laufenden musikalischen Einsätze zu bringen.
Sterbestörung:
Tragische Szenen können durch unpassende
Zwischenfälle sehr schnell zur Lache werden. So geschehen im Sterbebild der Oper
"Margarethe". Valentin liegt sterbend am Boden, alles strömt herbei und steht entsetzt um
den Edlen. Ein neuer Kollege, noch nicht vertraut mit den Tücken der Bühne, kommt etwas
verspätet in die düstere Szene gelaufen. Die Verbindungsschiene der Torkulisse, welche
nicht ganz abgesenkt 3 cm über dem Boden schwebte, wurde dem Anlaufenden zum
Verhängnis. Sein Tempo beim Stolpern besorgte eine rutschende Bauchlandung, die er
knapp vor dem liegenden Valentin abbremsen konnte. Hut und Degen rollten und
schepperten durch die Gegend. Mit der vorgesehenen Trauer war es auf der Bühne wie auch
beim Publikum vorbei.
Tonfall:
Zdzislawa Donat als "Lucia" in Donizettis gleichnamiger
Oper zu hören war ein Erlebnis. Ihre wunderschön gesungene Wahnsinnsarie versetzte die
Zuhörer in einen tönetrinkenden Zustand. Für einen der vielen Statisten, die mit
Wappenstangen regungslos im Schloßsaal die Hofgesellschaft umstanden, hatten Ihre
höchsten Töne eine besondere Wirkung. Während alles auf die Wahnsinnige starrte, gab es
ein der Szene nicht entsprechendes dumpfes Geräusch. Der für Hochtöne sensible
Wappenträger lag ohnmächtig mit der Stange in den Händen am Boden. Bei der nächsten
Vorstellung konnte er gerade noch rechtzeitig abtaumeln, was ihn dann bewog, auf eine
weitere Mitwirkung zu verzichten.
V e r“s t e c k “s p i e l:
Ein Gastspiel mit "Die lustigen Weiber von
Windsor" in Straubing machte durch eine sehr beengte Bühne den Technikern schon beim
Aufbau Kopfzerbrechen. Während der Vorstellung wurde eine sonst problemlose Szene zum
Dilemma. Der als altes Weib verkleidete, um die Hausdame bemühte Falstaff versteckt sich,
um dem eifernden Ehemann zu entkommen, in einem großen Wäschekorb, der von zwei
Chorherren abgetragen wird. Unversehens endete der Abtransport des sehr schweren Korbs
zwischen den hier enger gestellten Aufbauten. Die Korb Vorderseite paßte noch genau
dazwischen, aber der durch den inliegenden Kammersänger Kogel ausgebeulte Mittelteil
steckte trotz verzweifelter Zug- und Schubversuche. Jenen auf der Hängebrücke sich
befindenden und zusehenden Chorherren gelang kein vernünftiger Ton mehr. Falstaff mußte
trotz heftiger Proteste aus dem verschlossenen Korb in diesem ausharren, bis die Träger,
nun gemeinsam hinten schiebend und stoßend, die Passage bewältigt hatten. Das
Donnerwetter des vor Wut und Atemnot schnaubenden Kammersängers in deftigster
bayerischer Art war bis in den Zuschauerraum zu vernehmen.
Fehlanzeige:
Auch in Jngolstadt mit den "lustigen Weibern"
war Kogel wieder der Genervte. Diesmal war ein überhörter Einruf der Grund für das Fehlen
des Herrenchors zum Trinkchor mit Falstaff. Dieser saß trinkend und wartend auf der Szene
und deklamierte mehrmals an Lautstärke zunehmend: "Wo bleiben denn die Jäger heute!"
Der dadurch alarmierte Inspizient beorderte die Fehlenden im Eilschritt zur Bühne. Kogel
empfing die atemlosen Herren mit den Worten: "Auf euch kann man sich auch nicht mehr
verlassen" und begann zu singen: "Als Büblein klein an der Mutterbrust...".
Einmalig:
Die Betreuung vieler Chorsaalproben zu "Tiefland"
durch Prof. Eichhorn, der mit seinem mitreißenden Engagement motivierend auf den Chor
wirkte, hatte Einfluß auf den weiteren günstigen Verlauf der Inszenierung des Regisseurs
Schubert. Auch die Bühnenproben dieser dramatischen Handlung gestaltete Schubert
überzeugend. Nach der 2. Hauptprobe versammelten sich alle Beteiligten zur üblichen Kritik.
Doch welche Überraschung, statt der Aufzählung von Fehlern kamen Bemerkungen wie
"ausgezeichnete Leistung" und "erfreuliche Mitarbeit". Schubert weiter: "nach dieser
einwandfreien Leistung von Ihnen ist eine Generalprobe für mich und auch für Prof. Eichhorn
überflüssig geworden. Vielen Dank und toi, toi, toi für unsere Premiere!" Mit Beifall und
Freudengeheul dankte das überraschte Ensemble.
Fallbeispiel:
Drehbühnen sind eine Bereicherung für die Regie
und ermöglichen ineinanderfließende Szenenübergänge. Allerdings haben Ungeübte so ihre
Probleme mit der drehenden Scheibe, besonders zu- und absteigen will gekonnt sein.
Tückisch für stöckelschuhtragende Damen ist der notwendige 1 1/2 cm breite Spalt zwischen
Drehfläche und festliegendem Bühnenboden. In der "lustigen Witwe" hatten verschiedene
Chorpaare sich im Walzer-takt über die Vorderbühne zu schwingen. Ein Tanzpaar, das sich
sehr um Eleganz ihrer Bewegungen bemühte, kam dem Drehspalt immer näher. Dann
ereignete sich der Alptraum jedes Tänzers. Der dünne Stockabsatz der Chordame
verklemmte sich im Spalt, wodurch sie schlagartig abgebremst wurde. Ihr Tanzpartner
vermochte seinen Walzerschwung nicht schnell genug beenden und beide landeten am
Bühnenboden. Sonderbeifall bedeckte die Blöße der Gestürzten.
Gelegenheit:
Kontrahenten waren sie von Anfang an, doch die
Konfrontation wurde durch die strengen Theatergesetze verhindert und auf einige lautstarke
Begegnungen beschränkt. Eine Zigeunerbaron-Inszenierung ließ der Raufszene zwischen
Bauern und Zigeuner relativ freien Lauf. Unsere beiden Chorsänger hatte man, rein zufällig,
auch auf der Bühne gegenüber gestellt. Die Begegnung blieb nicht aus, zuerst wie bei
Jungen im Spaß, wurden die Griffe zunehmend fester und eh man sich versah, lag der Große
am Boden. Sein schmerzliches Gesicht ließ schon eine Beschädigung ahnen. Nur weil diese
Knöchelverletzung während der Spielhandlung entstand, blieb sie für den Anderen ohne
Folgen.
Filmschnupfen:
Was einem Chor selten geboten wird, ist die
Mitwirkung in einem Opernfilm und noch dazu mit Karajan als Regisseur. UNITEL, eine Filmund Fernsehgesellschaft, verfilmte die Oper "Othello" mit Spitzensolisten und dem Chor des
Gärtnerplatztheaters, verstärkt durch viele Statisten. Der Chor der Deutschen Oper Berlin
sorgte für ein gewaltiges Playback, das während der Proben- und Aufzeichnungsdurchläufe
immer wieder über das Filmgelände dröhnte und die Mundbewegungen des Volkes vom
Gärtnerplatz steuerte. Besonders schwierig gestaltete sich der Empfang des siegreichen
Othello im Hafen. Man benötigte sturmgepeitschte See und die anrollende Brandung. Durch
ein donnerndes Riesengebläse wurde der kleine Baggersee aufgewühlt und mit einer
rhythmisch im Wasser bewegten Wand Wellen erzeugt. Von einem 10 Meter hohen Gerüst
mit Behälter ergossen sich immer wieder auf Stichwort umgekippte Wassermassen über eine
Rutsche auf die wartenden Menschen, die von dieser künstlichen Brandung völlig durchnäßt
knöcheltief im Wasser standen. Die kunstblitzerhellten 2-tägigen Nachtaufnahmen
bescherten den meisten Teilnehmern einen ordentlichen Schnupfen, doch die Wirkung dieser
Nacht- und Nebelrückkehr des Heerführers und seiner Krieger im Film war ungeheuer
realistisch und eine bleibende Erinnerung.
Würdelos:
Eine ehrwürdige Versammlung von Weisen, den wichtigen
Worten des Oberpriesters Sarastro ernsthaft lauschend; so hatte sich der Regisseur die
Priesterszene in der "Zauberflöte" vorgestellt. Jedoch bei einer Vorstellung geriet die Runde
von verkleideten Herren völlig außer Kontrolle. Der Darsteller des Sarastro hatte durch seine
Angewohnheit, zur Bestärkung eines hohen Tones mit dem Fuß aufzustampfen, einen ersten
Lachreiz ausgelöst. Des weiteren begann er seinen Monolog mit auffallender Unsicherheit.
Textpassagen wie "Tamino soll als Eingeborener" anstelle von Eingeweihter" und "Das Volk
zu verücken" statt "berücken" brachten Stimmung in die Runde. Auf ein Posaunensignal hin
erhob sich der Kreis und drehte sich mit dem Rücken zum Publikum um zu beten. Doch das
vorher unterdrückte Lachen entlud sich, für die Zuschauer an den sich schüttelnden
Oberkörpern zu erkennen. Zur Fortsetzung des Gesprächs nahmen alle wieder die Plätze ein.
Sarastro nahm sich zusammen und sprach weiter bis zu der Stelle: "unseren festen
Tempelbau zu zerstören", stattdessen aber kam: "unser - äh - äh -Bauwerk äh herunterreißen.... , es ging einfach nicht mehr. Der Dirigent setzte blitzschnell das nächste
Gebetssignal und erlöste die von Lachkrämpfen gepeinigte Priesterrunde. Um bei den
nächsten Vorstellungen ernst zu bleiben, vermieden die Weisen jeden Blickkontakt.
Frackmißbrauch:
Eine aufgeheiterte Stimmung während des
Gastspiels in Böblingen machte folgenden Schabernack möglich. Bei der "Feenkönigin" war der Chor nur
singend im Orchestergraben mit den Musikern zusammen untergebracht. Die sehr beengte Lage schaffte
fast Tuchfühlung mit dem konzentrierten Dirigenten. Einem übermütigen Chorsänger gelang es
unbemerkt, dem während einer Spielpause sitzenden dem Spielgeschehen folgenden Kapellmeister, die
Schwalbenschwänze seines Fracks hinter der Stuhllehne zu verknoten. Nun erwarteten die versteckt
kichernden Umsitzenden sein Aufstehen beim gleich folgenden Orchestereinsatz. Mit Schwung erhob sich
der Dirigent und der Stuhl baumelte an seiner Frackjacke. Der schon durch die Disziplinlosigkeit gereizte
Meister mußte wütend zu Ende dirigieren. Während der Pause in der Chorgarderobe entlud sich lautstark
sein aufgestauter Zorn.
Intendantensturz:
Als Schauspieler wollte sich der ehemalige Staatsintendant
Pscherer seinem Hause und Publikum vorstellen, welches er erst einige Monate vorher seinem Nachfolger
übergeben hatte. Auftrittsplattform des Sprechers in "Aufstieg und Falll der Stadt Mahagonny" war die
Proszeniumsloge. Eine schmale Eisenleiter diente als Verbindung zur Vor-bühne. Mit Engagement
gestaltete Pscherer seine Rolle, dabei überging er beim Abstieg zur Bühne eine Sproße. Entsetzt sahen
alle den unvermeidlichen Sturz. Mit einem Schlüsselbeinbruch lag der Chef hilflos vor seinem Ensemble.
Bühnenkoller:
Zur Inszenierung Oliver holte Prof. Everding
ein echtes Ponny mit Tierpfleger auf die Bühne. Mit stoischer Ruhe ertrug dieses Tier alle Belastungen des
turbulenten Finales. Der sonst problemlose Heimtransport wurde eines Abends zum Problem. Als hätte es
den immer wieder ertragenen Streß gespeichert und auf einmal die Nase voll, riß sich das Tier auf dem
Weg zum Transportwagen los und galoppierte die Klenzestraße entlang, bog in die Frauenhoferstraße ein
in Richtung Isarbrücke und ließ sich von niemandem bremsen. Der Verkehr war zum Erliegen gekommen.
Die inzwischen angerückte Feuerwehr konnte den Amoklauf kurz vor der Brücke beenden. In aller Ruhe
trottete das nun abreagierte Pferdchen an der Hand des Uniformierten zum Transportwagen zurück.
Dachschaden:
Ein verheerendes Hagel-Unwetter über München
ließ eine Unmenge von Fensterscheiben zu Bruch gehen. Die taubeneigroßen Hagelkörner durchschlugen
im Theater das Glasdach auf der Hinterbühne und beschädigten auch das Bühnenhausdach. Da die
Vorstellung "Der Freischütz" weiter lief, übertönte das Prasseln der Körner sogar das Orchester und
brachte der gerade laufenden Wolfsschluchtszene einen zusätzlichen Effekt, dazu kam noch der
Originalregen durch das undicht gewordene Dach. Mit dem Ende der Wolfsschlucht verebbte auch die
Heftigkeit des Unwetters.
Opernchormitglieder
Spielzeit 1989/90
Höß Svobodova Ulllmann Schneider Wozniak Loeser Schotte
Linsenmeier Hilber Brown Pregartner Weimann Bank
Fiedler Schürer Fisher Schröder Weberling Bäuerle
Koczur Dittebrandt Kirchner Gwudsch Edelmayr Butler Capece
Böke Temizel Wess Tschakert Kögler Wieser Weiß
Freyer Bauriedl Starrernmayer Höß Roemer Ackermann Merz Kröner
Pscherer Sprüche:
"Ein wenig müssen Sie sich schon anstrengen, nicht nur am 15. das Geld abholen, das ist zu wenig".
Kurt Pscherer erklärt ein Regie-Konzept:
„M an kan n es so m ach en , m an kan n es so m ach en ; h ier w ird es eb en so g em ach t“. „W ir sp ie len
eh rlich es T h eater“.
"Seit 10 Minuten beobachte ich Sie, steh’n da wie Pik 7, ohne Fleisch und Blut, als ob Sie das alles nichts
anginge. Da kann ich ja gleich Leute von der Straße holen. - Sooo."
"Da beschweren Sie sich über zu strengen Dienst und sitzen in der Garderobe, trinken Bier und spielen
Karten".
„S ie ste h e n d a , w ie d a s S tü ck H o lz h in te r Ih n e n , u n d se lb st d a s a rb e ite t n o ch !“
Kurt Pscherer unterbricht eine Orchester-Hauptprobe, bei der drei Kollegen zu spät aufgetreten sind, indem er auf die
Bühne stürmt und schreit:
„Ich w ill so fo rt w isse n , w a ru m sie zu sp ä t a u fg e tre te n sin d ? !“
Einer der Drei:
„Ja , C h e f, w ir h a b e n … “
Kurt Pscherer:
„R u h e , ke in e D isku ssio n !“
Geht wieder in den Zuschauerraum und die Probe (PARISER LEBEN) geht weiter.
„W e n h a b e ich e ig e n tlich vo r m ir? “. „L a u te r 9 0 jä h rig e m it L e ich e n b itte r-M ie n e !“
Zu einem Kollegen, der mehr als heftig agierte:
„S o lch e L e u te b ra u ch e n w ir, L a n g w e ilig e h a b e n w ir g e n u g .“
E in an d eres M al verteilt d er „C h ef“ d ie K o lleg en au f d er B ü h n e g em äß sein er M axim e:
„Man muss d e n E in d ru ck h a b e n d a sin d R e ch ts u n d L in ks n o ch h u n d e rt L e u te .“
Plötzlich zeigt er in die Menge und ruft:
„D a h in te n ist e in a n o n ym e s L o ch !“
Diesmal deutet der Chef auf drei Herren die nebeneinender stehen:
„Die drei Großen hierher“,
dann deutet er auf einen der drei:
„S ie h a b e ich n ich t g e m e in t, a u ch w e n n S ie sich g ro ß fü h le n !“
„Ich w e iß n ich t w a ru m ich S ie e n g a g ie rt h a b e .“
„E s g ib t so vie l sch ö n e B e ru fe , m ü sse n S ie u n b e d in g t a m T h e a te r se in ? “
Und für mich der schönste von Allen:
„P riva t können Sie machen was Sie wollen. Auf der Bühne haben Sie Menschen darzustellen!“
ERGÄNZUNGEN von Werner Stückmann:
Die Geschichte mit der Menschendarstellung habe ich selbst über die Mithöranlage verfolgt: Ich saß in der
Garderobe und verfolgte das Treiben auf der Bühne. Plötzlich hat Pscherer sich einen Tänzer vorgeknöpft und
ihn so gemaßregelt:"Was Sie in Ihrem Privatleben machen interessiert mich nicht. Hier haben Sie Menschen
darzustellen." Ich habe mir das sofort in dem vor mir liegenden Klavierauszug notiert.
Pscherer erklärte auf der Bühne einem Kollegen, wie dieser zu agieren habe. Wild gestikulierend spielte er ihm
die Szene vor und schließt mit den Worten:"Aber alles ohne Hände."
Pscherer zu einem Chorkollegen: "Ich sehe dahinten jemand, den sehe ich gar nicht."
Pscherer öffentlich stolz zu den Anwesenden, nachdem Ulf Fürst ihn auf Pscherers Wunsch imitiert hatte:"Das
habe ich alles gesagt."
Ein oftmals, auch öffentlich, gefallener Satz: "Ich habe das beste Ensemble der Welt."
Première "Krutnava": Pscherer kommt vor Beginn in die Garderobe und gibt jedem einen letzten Ratschlag.
Auch vor mir baut er sich auf und beginnt:"Stückmann", ....Pause, (ich muß dazusagen, daß ich eine
verschwindet kleine Partie hatte, und er konnte mich demzufolge wohl nicht recht einordnen). Er vollendete
dann kurzerhand mit "deutlich".
Bühnenprobe zu "Alcina": Pscherer unterbricht, eilt vom Regiepult auf die Bühne und sagt zu Kapellmeister
Imig: "An dieser Stelle brauche ich einen großen "Dschamm". Dabei vollführte er mit beiden Fäusten eine Art
In-den-Boden-Stampfen. Imig fügte einen entsprechend wirkungsvollen Akkord in die Partitur ein, sodaß auf
diese Art das Händel’sche Werk eine letztwillige Bearbeitung erfuhr.
Nun noch etwas mit und über Prof. Eichhorn:
Ich weiß leider nicht mehr, um welches Stück es sich handelte, es könnte die "Bohème" gewesen sein.
Eichhorn leitete eine Orchester-Stückprobe, unterbrach mehrmals an einer bestimmten Stelle und schimpfte
mit dem Chor. Da trat Jürgen Kröner an die Rampe und versuchte dem Professor mit wohlgesetzten, aber sehr
bestimmten Worten klarzumachen, dass sie ihr Bestes gäben und mehr einfach nicht drin sei. Eichhorn
unterbrach ihn sehr laut und ungehalten mit "sei ruhig". Darauf setzte er die Probe fort. Nach einigen Takten
unterbrach er und rief dem noch auf dem Rückweg begriffenen Jürgen nach: "Dich lieb ich ja, weil Du Dich
aufregst."
Bühnenprobe: Toni de Ridder im Duett. Eichhorn: "De Ridder, schau Dir des Madl an, Du mußt sie lieben."
Toni: "Herr Professor, morgens um ssehn kann ich noch nich lieben."
Eichhorn vor vielen Jahren bei einer Einstudierung von "Eine Nacht in Venedig": "Des san unsere
Meistersinger."
Eichhorn bei einem Kontrabass -Solo im "Freischütz:" "Und jetzt, achtzehn Kontrabässe." Er hatte höchstens
drei.
Eichhorn vor der Première "Italienerin in Algier": Er kommt in der Garderobe zu mir, gibt mir einen heftigen Kuß
auf die Stirn und sagt:"Woaßt es jetzt?"