72 REVIEW ARTICLE Oberstes Ziel der Sportkardiologie ist die Prävention des plötzlichen Herztods im Sport EKG-Interpretation bei Sportlern – die «Seattle-Kriterien» Michael J. Schindler, Christian Schmied UniversitätsSpital Zurich, Switzerland der meisten kardiovaskulären Erkrankungen ist ein Summary generelles Sportverbot praktisch nie notwendig, je doch sind auf den aktuellen Richtlinien basierende, Current guidelines for ECG interpretation in athletes — aber immer auch individuell angepasste Sportempfeh the “Seattle Criteria” According to most surveys, sudden cardiac death is the most common tektion aller bisweilen morphologisch und klinisch inapperzepten Erkrankungen trotz optimaler Vor sports-related cause of death amongst young athletes, whether during lungen essentiell [9]. Auch weil eine vollständige De Reliable screening is crucial in order to prevent such tragic deaths. ECGs still make up a vital diagnostic tool to this end. Critics of this method have long condemned the high number of false-positive results, which have led to numerous unnecessary, unsettling and costly investigations, particularly for athletes exhibiting physiological changes on account of the athletic heart syndrome. Through steady refinement of the ECG criteria for athletes, however, the investigation’s specificity has improved consider sorgestrategie letztlich niemals möglich sein wird, kommt selbstverständlich auch der Sekundärpräven tion bzw. der Akutbehandlung bei Herzstillstand eine entscheidende Rolle zu. Der Erfolg der Akutbehandlung hängt neben der ver zugslosen Herzmassage unmittelbar mit der Verfüg gaging in recreational sports. training or competitions, both for professional athletes and for those en- barkeit von externen Defibrillatoren zusammen [10]. Im Rahmen dieser Übersichtsarbeit wird diese Thema tik für einmal ausgeklammert, und die Primärpräven ably in recent years. The “Seattle Criteria” or the latest “refined criteria” tion durch kardiales Screening wird in den Vorder currently lay out the most accurate guidelines for ECG diagnostics grund gestellt. Trotz inzwischen guter Daten tion of these guidelines has also allowed the specificity of the examination herrscht immer noch kein globaler Konsens bezüglich to be increased to over 90%. This makes arguments against the integration der anzustrebenden Screening Strategie [5–8]. Die in of ECGs into the basic screening examinations of young athletes difficult diesem Artikel formulierten Überlegungen und ein to understand, and hopefully the latest “Seattle Criteria”, scheduled for spezifisches Ausleuchten des entscheidenden Scree publication in 2016, will serve as a basis for internationally accepted pre- ning Tools, des Ruhe EKG, sollen den Standpunkt der ventive examinations in young athletes. grossen Sportverbände und der «Sports Cardiology und Studienlage - - - - amongst athletes. Besides consistently high sensitivity, the implementa- Section» der Europäischen Gesellschaft für Kardiolo Key words: ECG; prevention; screening; sudden cardiac death; sports; Seattle Criteria; refined criteria gie begründen. Die Entwicklung des kardialen Screenings von Sportlern Vorreiter aus klinischer wie auch wissenschaftlicher gen die häufigste sportassoziierte Todesursache bei Sicht waren Ende der siebziger Jahre die italienischen jungen Sportlern dar – im Training oder im Wett Kollegen: Das Problem des plötzlichen Herztods im kampf, sowohl bei Profiathleten wie auch bei der riesi Sport wurde damals erkannt. Nach Definition der Ursa gen Gruppe der immer zahlreicheren ambitionierten chen der fatalen Ereignisse bei jungen Sportlern wurde Breitensportler [1–4]. ein entsprechendes Screening Konzept mit Nachdruck Oberstes Ziel der Sportkardiologie ist deshalb die umgesetzt [11, 12]. So wurde gar gesetzlich verankert, Prävention des plötzlichen Herztods im Sport. In der dass alle Sportler, die kompetitiven Sport betreiben, Primärprophylaxe ist dazu ein kardiales Screening in sich einer kardialen Vorsorgeuntersuchung zu unter diziert, das die meist asymptomatischen oder durch ziehen haben. Diese Strategie hat bis heute Bestand. unspezifische Symptome charakterisierten zugrunde Erst bei negativem Screening Resultat kann eine Sport liegenden Erkrankungen detektiert [5–8]. Bei Vorliegen erlaubnis bzw. die offizielle Lizenz ausgestellt werden. CARDIOVASCULAR MEDICINE – KARDIOVASKULÄRE MEDIZIN – MÉDECINE CARDIOVASCULAIRE - - Der plötzliche Herztod stellt in den meisten Erhebun 2016;19(3):72–76 73 (ohne EKG) zwar eine Spezifität von 94,4% (95% CI, 92,0 tersuchung sind global akzeptierte Bestandteile des bis 96,2%) erreichte, zeigte sich eine sehr tiefe Sensiti Basis Screenings (beispielsweise orientiert an den vität des kardialen Screenings von lediglich 45,5% (95% Richtlinien der European Society of Cardiology oder CI, 16,8 bis 76,2%). Das «europäische» Konzept mit Inte des Internationalen Olympischen Komitees: Lausanne gration des EKG, das nach den damaligen Interpretati Recommendations [6, 7]). Gerade die italienischen Lang onsrichtlinien der ESC beurteilt wurde, erreichte eine zeitdaten demonstrieren jedoch die zentrale und ent sehr gute Sensitivität von 90,9% (CI, 58,7 bis 99,8%). Auf scheidende Bedeutung des EKG. So konnten mittels grund falsch positiv interpretierter EKG Untersuchun EKG neben den Ionenkanalerkrankungen und Reiz gen in bis zu 16,9% ist die Spezifität dabei mit 82,7% (CI, leitungsstörungen die meisten der zugrundeliegenden 79,1 bis 86,0%) aber relativ tief [15]. Gerade bei Sportlern angeborenen Kardiopathien, insbesondere die hyper afro karibischer Abstammung führen die ursprüngli trophe Kardiomyopathie (HCM) und die Arrhythmo chen ESC Kriterien zu einer weiteren Zunahme (falsch ) gene positiver EKG Befunde [16–18]. - - - Kardiopathie/Dysplasie - - Rechtsventrikuläre - Auch die Anamnese und eine fokussierte klinische Un Zweifelsohne ist eine derart hohe Rate an falsch posi alarmierend häufig fatalen kardialen Ereignisse tiven Befunden problematisch. Doch der Ansatz, eine relevant und auf das Niveau der Normalbevölkerung Untersuchung aufgrund ungenügender Spezifität zu reduziert werden [11–13]. übergehen, dadurch aber über die Hälfte der theo Dieses Screening Konzept wird seit Jahrzehnten bei retisch detektierbaren Erkrankungen zu übersehen, ist einer grossen Kohorte von Athleten unterschiedlichen in unseren Augen nicht vertretbar. Leistungsniveaus Sportarten Die Lösung dieses Dilemmas konnte nur dahingehend durchgeführt. Die Langzeitdaten sind überzeugend. gesucht werden, die Spezifität des teilweise durch die Doch noch ruft der Einsatz des Ruhe EKG im Basis physiologischen Adaptionen im Rahmen eines Sport - (ARVC/D), zuverlässig detektiert werden und die zuvor - verschiedener und jungen Sportlern zu verbessern. Dies wurde mit dem diopathien die zumindest früher nicht von der Hand Überarbeiten der ESC Richtlinien von Uberoi und Kol zu weisende hohe Zahl falsch positiver Befunde gegen legen getan, was die Spezifität der Untersuchung be über, die zu unnötigen, die Athleten ver unsichernden reits etwas verbesserte [19]. Doch bezeichnenderweise und kostentreibenden Zusatzuntersuchungen führen, war es mit Jonathan Drezner ein Sportmediziner und um eine Verdachtsdiagnose zu widerlegen [5]. kein Kardiologe, auf dessen Initiative die sogenannten - herzens schwierig zu interpretierenden Ruhe EKG bei potentiellen Detektion der meisten hereditären Kar screening viele Kritiker auf den Plan. Sie stellen der - article eview R Das Ruhe-EKG als «crux of the matter» - «Seattle Criteria» entwickelt wurden, die aktuell akku ratesten Richtlinien zur Interpretation von Sportler EKG [20–23]. national anerkannte Sportkardiologen und Experten mentierte unter anderem die Europäische Gesellschaft der EKG Interpretation zusammen, um die aktuellen für Kardiologie (ESC) 2010 Empfehlungen, wie die EKG Richtlinien zu verbessern. Dabei wurden Vertreter aus - Erstmals 2012 kamen in Seattle, Washington, inter lem nordamerikanischen Fachgesellschaften) imple - Trotz teilweise berechtigtem Widerstand (von vor al setzt werden sollte [14]. Sports Cardiology» der ESC, Experten aus dem Mittle Auch die grossen Sportverbände, wie etwa der Welt ren Osten, Südamerika und vor allem auch von den fussballverband FIFA, schlossen sich früh der Strategie bekannten nordamerikanischen Hochschulen eingela mit Integration der EKG Untersuchung an, während den. Dies gilt es besonders hervorzuheben, da doch die kritischen Stimmen aufgrund der zwar unumstrit gerade aus Nordamerika die kritischen Stimmen hin tenen Sensitivität, aber je nach Interpretationsansatz sichtlich Integration des EKG in das Basisscreening ungenügenden Spezifität der Untersuchung an einem herrühren und dort auch heute die zwei grossen kar Basisscreening festhielten und weiterhin festhalten, diologischen Fachgesellschaften am herkömmlichen das neben der Anamneseerhebung lediglich einen fo Regime offiziell festhalten [5]. Europa, hauptsächlich aus dem Kreise der «Section of - Interpretation in einem kardialen Screening umge kussierten klinischen Status beinhaltet [5, 8]. Dadurch doch die Sensitivität des kardialen Screenings fällt durch diese Massnahme auf ein inakzeptabel tiefes Zuverlässige Richtlinien auch für «Nicht-Kardiologen» lässt sich zwar zweifelsohne die Spezifität erhöhen, Drezner erkannte als Sportarzt, dass EKG Richtlinien Baggish und Kollegen lieferten dazu eindrückliche für Ärzte geschrieben werden müssen, die sich nicht Zahlen [15]: Während die nordamerikanische Strategie regelmässig in der Interpretation der EKG Befunde von CARDIOVASCULAR MEDICINE – KARDIOVASKULÄRE MEDIZIN – MÉDECINE CARDIOVASCULAIRE - - Niveau ab. 2016;19(3):72–76 74 Sportlern üben, um die Spezifität der Untersuchung nachhaltig zu verbessern. Physiologische Veränderungen beim jungen Sportler (Tab. 1) werte sind bei Sportlern sehr häufig (bis zu 60%). Sie derungen zu definieren (Tab. 1). sind auf physiologische Veränderungen im Rahmen Eindeutig pathologische EKG Veränderungen wurden eines «Sportherzens» mit elektrischem und struktu einerseits strukturellen, andererseits elektrischen rellem Remodelling zurückzuführen [21]. - - Physiologische EKG Veränderungen ohne Krankheits Sport bedingte und somit physiologische EKG Verän - Primäres Ziel war es deshalb, durch regelmässigen article eview R Kardiopathien zugeordnet (Tab. 2 und 3). Die 2012/13 ten Seattle Kriterien umfassten somit mehrere Einzel Auf eine primär elektrische Kardiopathie hinweisende EKG-Veränderungen (Tab. 2) publikationen [20–23]. Hereditäre primäre Arrhythmiesyndrome, wie etwa - im British Journal of Sports Medicine (BJSM) publizier Ionenkanalerkrankungen und weitere Reizleitungs störungen, sind häufige Ursachen für fatale kardiale Ereignisse im Sport. Oftmals bleiben diese Athleten lange asymptomatisch, und einzig das EKG ermöglicht eine frühzeitige und häufig auch akkurate Diagnostik. Insbesondere die im Vergleich zu den ursprünglichen - ESC Richtlinien deutlich grosszügigeren Normwerte 1. Sinusbradykardie (Herzfrequenz ≥30/min) 2. Sinusarrhythmie 3. Ektoper atrialer Rhythmus 4. Junktionaler Ersatzrhythmus 5. AV-Block Grad 1 (PQ-Zeit >200 ms) 6. AV-Block Grad 2, Typ Wenckebach 7. Inkompletter Rechtsschenkelblock 8. Isolierte QRS-Amplituden-Kriterien für linksventrikuläre Hypertrophie (cave Ausnahme: falls zusammen mit weiteren Kriterien für linksventrikuläre Hypertrophie wie Vergrösserung des linken Vorhofs, überdrehter Linkslagetyp, ST-Senkung, T-Wellen-Inversion oder pathologischer Q-Welle) - für die QTc Intervalle führten zu einer massiven Re duktion der «pathologischen» Befunde. Auf eine primär strukturelle Kardiopathie hinweisende EKG-Veränderungen (Tab. 3) Eine Publikation im Rahmen der «Seattle Criteria» suggerieren. Erfolg der Seattle-Kriterien Aufgrund zahlreicher neuerer Daten konnte gezeigt «Seat tle Criteria» die Anzahl pathologischer EKG Befunde im Vergleich zu den ESC Richtlinien von 17 auf Konvexe ST-Hebung («domed») zusammen mit T-Wellen-Inversion in Ableitung V1–V4 bei schwarzen/afrikanischen Athleten 4% gesenkt werden konnte, und dies obwohl gleichzei Tabelle 2: Abnorme EKG-Befunde, die auf eine primär elektrische Pathologie hinweisen. Diese EKG-Veränderungen entstehen nicht aufgrund eines regelmässigen Trainings und stellen keine physiologischen Adaptationen dar. Sie lassen eine patho logische kardiovaskuläre Krankheit vermuten und benötigen deshalb weiterführende Abklärungen. Amplitude 1 mm entspricht 0,1 mV. (Adaptiert nach Drezner JA, Ackerman MJ, Cannon BC, Corrado D, Heidbuchel H, Prutkin JM, et al. Abnormal electrocardiographic findings in athletes: recognising changes suggestive of primary electrical disease. Br J Sports Med 2013;47:153167, mit freundlicher Gehehmigung.) EKG-Befund Definition 1. Ventrikuläre Präexzitation PQ-Zeit <120 ms mit Delta-Welle und breitem QRS-Komplex (>120 ms) 2. Lange QT-Zeit* QTc ≥470 ms (männlich), QTc ≥480 ms (weiblich), QTc ≥500 ms (immer) 3. Kurze QT-Zeit* QTc ≤320 ms 4. Brugada-ähnliches EKG Hoher ST-Abgang und deszendierende ST-Streckenhebung ≥2 mm, gefolgt von einer negativen T-Welle in mindestens 2 benachbarten EKG-Ableitungen (V1–V3) 5. Sinusbradykardie Herzfrequenz <30/min oder Sinuspausen ≥3 s 6. Atriale Tachyarrhythmien Supraventrikuläre Tachykardie, Vorhofflimmern, Vorhofflattern 7. Ventrikuläre Extrasystolen ≥2 pro 10 s EKG-Aufzeichnung 8. Ventrikuläre Arrhythmien Couplet, Triplet, nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie * QTc-Zeit idealerweise bei einer HF von 60–90/min gemessen. EKG-Wiederholung nach leichter aerober Aktivität erwägen für grenzwertige oder abnorme QTc-Zeit bei einer Herzfrequenz <50/min. QTc: korrigierte QT-Zeit. CARDIOVASCULAR MEDICINE – KARDIOVASKULÄRE MEDIZIN – MÉDECINE CARDIOVASCULAIRE - werden, dass durch die akkurate Anwendung der Frührepolarisation («Early Repolarisation»: ST-Hebung, J-Punkt Hebung, J-Welle oder «verzogener» terminaler QRS-Komplex: «Slurring») - 10. turelle Kardiopathien, wie etwa Kardiomyopathien, 9. - befasst sich mit EKG Veränderungen, die primär struk Tabelle 1: Normale EKG-Befunde bei Athleten. Diese EKG-Veränderungen stellen physiologische Adaptationen dar, die aufgrund regelmässigen Trainings als Normalvariante bei Athleten auftreten können. Bei asymptomatischen Athleten mit isoliertem Auftreten eines oder mehrerer dieser Kriterien sind keine weiterführenden Abklärungen notwendig. (Adaptiert nach Drezner JA, Fischbach P, Froelicher V, Marek J, Pelliccia A, et al. Normal electrocardiographic findings: recognising physiological adaptations in athletes. Br J Sports Med. 2013;47:125–36, mit freundlicher Genehmigung). 2016;19(3):72–76 75 article eview R Definition T-Wellen-Inversion >1 mm Tiefe in 2 oder mehr Ableitungen in V2–V6, II und aVF oder I und aVL (mit Ausnahme III, aVR und V1) 2. ST-Senkung ≥0,5 mm Senkung in 2 oder mehr Ableitungen 3. Pathologische Q-Zacke >3 mm Tiefe oder >40 ms Dauer in 2 oder mehr Ableitungen (mit Ausnahme III und aVR) 4. Kompletter Linksschenkelblock QRS ≥120 ms, mehrheitlich negativer QRS-Komplex in V1 (QS oder rS) und mono phasische, steil ansteigende R-Zacken in I und V6 5. Intraventrikuläre Reizleitungsstörung jede QRS-Verbreiterung ≥140 ms 6. Überdrehter Linkslagetyp –30° bis –90° 7. Linksatriale Vergrösserung P-Welle >120 ms in I oder II mit negativem P-Wellen-Anteil ≥1 mm und ≥40 ms Dauer in V1 8. Rechtshypertrophiezeichen überdrehter Rechtslagetyp und R in V1 + S in V5 >10,5 mm 9. Ventrikuläre Extrasystole ≥2 pro 10 s EKG-Aufzeichnung 10. Ventrikuläre Arrhythmien Couplet, Triplet, nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie EKG-Befund 1. tig keine Einbusse bezüglich Sensitivität der Untersu Tabelle 3: Abnorme EKG-Befunde, die auf eine Kardiomyopathie hinweisen. Diese EKG-Veränderungen entstehen nicht aufgrund eines regelmässigen Trainings und stellen keine physiologischen Adaptationen dar. Sie lassen eine pathologische kardiovaskuläre Krankheit vermuten und benötigen deshalb weiter führende Abklärungen. Amplitude 1 mm entspricht 0,1 mV. (Adaptiert nach Drezner JA, Ashley E, Baggish AL, Börjesson M, Corrado D, Owens DS, et al. Abnormal electrocardiographic findings in athletes: recognising changes suggestive of cardiomyopathy. Br J Sports Med 2013;47:137-152, mit freundlicher Genehmigung.) Die «revidierten» Kriterien 2015 chung in Kauf genommen werden musste [24]. Ausser Durch die nun seit längerer Zeit klinisch breit eta ethnisch bedingte Normvarianten, wie etwa T Inver blierte Anwendung der «Seattle Criteria» konnten in sionen über V1–V4 mit vorangehender ST Hebung bei den letzten Jahren wichtige Erfahrungen gesammelt Athleten afro karibischer Herkunft [20–23]. werden [24–26]. Dabei rückten insbesondere EKG Kri - - - - - dem berücksichtigten die Seattle Kriterien erstmals CARDIOVASCULAR MEDICINE – KARDIOVASKULÄRE MEDIZIN – MÉDECINE CARDIOVASCULAIRE Abbildung 1: Die sogenannten «Refined Criteria». Eine Gruppe «grenzwertiger» Veränderungen ist in isolierter Form als benigne anzusehen. Das Auftreten mehrerer Veränderungen aus dieser Gruppe suggeriert jedoch eine Kardiopathie. (From: Sheikh N, Papadakis M, Ghani S, Zaidi A, Gati S, et al. Comparison of electrocardiographic criteria for the detection of cardiac abnormalities in elite black and white athletes. Circulation. 2014;129(16):1637–4. Reprint with permission. Promotional and commercial use of the material in print, digital or mobile device format is prohibited without the permission from the publisher Wolters Kluwer Health. Please contact healthpermissionswolterskluwer.com for further information.) 2016;19(3):72–76 76 Obwohl diese EKG Charakteristika in den «Refined hinsichtlich Signifikanz lagen und teilweise nur des Seattle Criteria» keine Berücksichtigung finden, lies - terien in den Fokus, die bisher in einem Graubereich sen sich in dieser Studie 98,1% einer Subgruppe von Athleten mit bekannter hypertropher Kardiomyo Gruppe um Sanjay Sharma publizierte in diesem Zu pathie mittels EKG identifizieren [27]. sammenhang Daten, die eben diese EKG Kriterien bei Die gleiche Gruppe untersuchte die «refined» Kriterien einer grossen Zahl von Athleten untersuchte [27]. Die in einem grossen Kollektiv von über 2400 Sportlern Quintessenz der Untersuchungen stellten die soge verschiedener Ethnien [25]: Als Schlüsselergebnis die nannten «Refined Criteria» dar, also eine weitere Adap ser Studie fand sich eine deutlich reduzierte Prävalenz tion der aktuell geltenden EKG Interpretations Richt von pathologischen EKG Befunden (5,3% bei weissen - - - - halb in den Seattle Kriterien verankert wurden, weil damals die Datenlage nicht konklusiv erschien. Die - rien (11,6%) und den ESC Richtlinien von 2010 (22,3%), tion, eine isolierte Achsendeviation oder Hinweise für während durch die Anwendung aller drei Kriterien eine rechtsventrikuläre Dilatation mit einer extrem sämtliche relevanten Pathologien mittels EKG erkannt tiefen Wahrscheinlichkeit für eine tatsächlich zugrun wurden (98,1% Sensitivität) [25]. Verglichen mit den deliegende Pathologie. klassischen ESC Empfehlungen konnte durch die - - - - Athleten) im Vergleich zu den «Original» Seattle Krite etwa eine isolierte (links oder rechts )atriale Dilata - linien (Abb. 1). Konkret zeigten sich EKG Muster, wie - article eview R Anwendung der «refined» Kriterien die Spezifität der - EKG Untersuchung bei schwarzen Athleten von 40,3 auf 84,2% und bei weissen Athleten von 73,8 auf 94,1% 100% gesteigert werden. Auch wenn bei schwarzen Athleten afro karibischer - 80% - Abstammung die Anzahl positiver EKG Befunde im mer noch etwa doppelt so hoch ist wie bei weissen 60% Sportlern kaukasischer Ethnie, konnte die Spezifität 40% bei erhaltener optimaler Sensitivität, was ja die unbe strittene Stärke der Untersuchung darstellt, massiv er 20% wichtige Argumente aus, und es bleibt zu hoffen, dass r ia auch bei den grossen amerikanischen Fachverbänden ite ein Umdenken stattfindet, das die Integration des EKG Cr tle im kardialen Screening ermöglicht. at d” Se Nicht zuletzt aufgrund dieser eindrücklichen Daten efi ne fand im Februar 2015 eine zweite Expertenkonsensus UniversitatsSpital Zürich - CH 8091 Zürich michael.schindler[at]usz.ch CARDIOVASCULAR MEDICINE – KARDIOVASKULÄRE MEDIZIN – MÉDECINE CARDIOVASCULAIRE rien implementierte und eine entsprechend adaptierte Form der Empfehlungen erarbeitete. Die Publikation ist dieses Jahr geplant. Disclosure statement No financial support and no other potential conflict of interest relevant to this article was reported. References – Die komplette Literaturliste ist im PDF der Online Version des Artikels unter www.cardiovascmed.ch zu finden. - Michael J. Schindler, M.D. Correspondence: Abbildung 2: Pathologische EKG-Befunde in einer grossen multi-ethnischen Sportlerkohorte: Die ESC-Empfehlungen führten zu der Verdachtsdiagnose einer Kardiopathie bei 16,2% der weissen und 40,4% der schwarzen Athleten. Aufgrund der «Seattle Criteria» konnten die pathologischen EKG- Befunde auf 7,1% bei weissen und 18,4% bei schwarzen Sportlern reduziert werden. Die «Refined Criteria» schliesslich führten zu einer weiteren Reduktion der pathologischen Befunde bei weissen (5,3%) und schwarzen Sportlern (11,5%). Alle drei Interpretations-Strategien identifizierten 98,1% der Athleten mit hypertropher Kardiomyopathie [25]. “R konferenz in Seattle statt, welche die «refined» Krite Cr tle at Se CG ui d ite e li r ia ne s 0% ES höht werden. Somit gehen den Kritikern der Methode Athleten mit HCM Schwarze / afrikanische Athleten Weisse / kaukasische Athleten 2016;19(3):72–76 REFERENCES Online appendix References 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Harmon KG, Asif IM, Klossner D, Drezner JA. Incidence of sudden cardiac death in national collegiate athletic association athletes. Circulation 2011;123:1594–600. Maron BJ, Doerer JJ, Haas TS, Tierney DM, Mueller FO. Sudden deaths in young competitive athletes: analysis of 1866 deaths in the United States, 1980–2006. Circulation 2009;119:1085–92. Marijon E, Tafflet M, Celermajer DS, Dumas F, Perier MC, Mustafic H, et al. Sports-related sudden death in the general population. Circulation 2011;124: 672–81. Harmon KG, Asif IM, Klossner D, Drezner JA. 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