Bausteine von zeitgemäßem Gemeindeliedgut Der Chorus als Phänomen der Gegenwart Das Gemeindeliedgut der vergangenen Zeiten erscheint weitaus komplizierter und vielseitiger (manche Hymnen sind regelrechte Predigten und Lehrvorträge). Die Gründe liegen in der Länge des Zusammenseins der singenden Gemeinde (meist schon von Kindheit an und immer an demselben Ort im Gegensatz zur hohen Mobilität der Gegenwart) und der höheren Literarität (Bewanderung im Lesen und Lernfähigkeit abstrakter Konzepte) im Gegensatz zur jetzigen Generation, die mit Fernsehen und Radio aufgewachsen ist und zum (Gesangs−) Buch kaum noch ein Verhältnis hat. Der Chorus trifft das Bedürfnis nach leichter Erlernbarkeit (Text in der Regel nicht mehr als acht Zeilen) und musikalischer Einprägsamkeit (wird mehrfach wiederholt, schleifenförmig konzipiert). Die Gemeinde der Gegenwart und der unmittelbaren Zukunft wird das Chorussystem zur Integration neuer Teilnehmer in einer immer mobileren Welt brauchen, denn nichts schließt neue Besucher so sehr aus wie die Unfähigkeit, an einer gemeinsamen Aktivität (wie dem Lobpreis) mit persönlichem Gewinn teilnehmen zu können. Gemeinden mit großen Gesangsbüchern, deren Lieder die „Eingesessenen“ alle kennen, schließen psychologisch neu Hinzukommende durch dieses „Insiderritual“ aus. Die Chorussingende Gemeinde vermittelt durch leichter Erlernbarkeit und Projektion der Texte gleich die unterschwellige Botschaft: Wir haben dich erwartet und es so eingerichtet, dass du mit Gewinn an dieser Erfahrung teilnehmen kannst. Komponenten eines guten Chorusses Musikalisch − einfache Melodieführung (keine zu großen Sprünge) − homogene Struktur (ein Feeling, kein Wechselbad) − zyklische Struktur (muss schleifenförmig gesungen werden können) − harmonische Entsprechungen (Echos, Frage und Antwort) − Entfaltung und Bewegung (Steigerung, Höhepunkt, Beruhigung) − Spannung und Auflösung im diatonischen (tonarteigenen) Gefüge Inhaltlich − keine Leeren Klischees (manche Klischees trotzdem hilfreich) − auf Sprache „Kanaans“ achten (kein Insiderklima züchten) − biblische Inhalte „übersetzen“ und für heutige Menschen bedeutungsvoll machen − geistliche Lektionen und Stimmungen vermitteln (welches Bewusstsein oder Gefühl soll das Lied hinterlassen) Möglichkeiten der Melodiebildung − Tonleiterelemente (Groovy kind of love − Phil Collins, Erhebet Gott den Herrn, Singt Halleluja zu dem Herrn, No son of mine – Genesis, All verzehrend Feuer, El condor Pasa – Simon und Garfunkel) − Tonwiederholungen (Führ mich zu dem Felsen; Love – Martika; Mein Herz, meinen Leib; Friede wie ein Strom; gesamte Rap−Musik) − Grundtöne des Akkordes (Obladi, Oblada; Friedefürst, Herr im Glanz; Unser Gott ist ein mächtiger Gott; Preist den Namen Jesu) − Durchgangstöne (The Wall – Pink Floyd; Feiert unsern Herrn) − Chromatische Töne (Jesus will uns baun; Oh, ich liebe Jesus) − Umspielung eines Tones (O lasset uns anbeten; In dir ist mein Leben; Der Herr ist hier; Herr deine Güte reicht so weit) − Riffs und Licks (I don’t know why I keep coming back to you – Richard Marx; Öffne meine Augen – Moll; Über alles andere – Dur) − Tonintervalle (Steh auf, Gemeinde Jesu; Ich will durch euch bauen; For your eyes only – James Bond Melodie von Sheena Easton; Majestät) − Treppauf, Treppabbewegungen (Kommet in das Allerheiligste; Öffne mir die Augen; Wir sind hier zusammen in Jesu Namen; Hab Dank) − Betonung des zweiten oder neunten (I love your smile – Shanice; Ich bet dich an, Allmächtiger) − „Call and response“ (Ich will rufen zu dem Herrn; Ich will durch euch bauen) Möglichkeiten der Rhythmik − die Synkope in der Melodiebildung (verzogene Betonung mit Ausklang im anschließenden Takt – Münchner Freiheit; Ich stehe vor dem Gnadenthron; Ich steh in deiner Gegenwart und bete an...) − bei vorhandenem Schlagzeug variieren zwischen real time (snare auf jede zweite Takteinheit) half time (snare auf jede dritte Takteinheit) und double beat feels (bassdrum und snare in dichtem Wechsel) o In dir ist mein Leben o Nur mit Gott werden wir Sieger sein − zwischen ternären und binären Rhythmen unterscheiden: Ternär (unterliegende Zählweise in betonten Triolen) swing/shuffle o Ich klatsche in die Hände o Über alles andere Binär (unterliegende Zählweise in geraden „Zweierschritten) − Stücke mit unterschiedlicher Akkorddichte spielen o Ich will durch euch bauen (Akkorde mal auf 4tel, mal durchgezogene 8tel) o Der Himmel zeugt (Beispiel für ruhige Stücke mit diesem Prinzip) o Erhebt den Herrn, er ist voller Majestät... − Gerade gespielte Akkordfolgen mit synkopierter Bassbegleitung: o Herr, deine Güte reicht so weit o Wer dich von ganzem Herzen liebt − Stücke, die in einem Rhythmus bekannt sind, mit völlig neuem unterlegen o Set a drift of memory bliss – PM Dawn (HipHop−Rhythmus auf Popballade) o True – Spandau Ballett o I still haven’t found what I’m looking for / Night and day – U2 (underground) o Wir sind hier zusammen im Soul−Stil von Marvin Gaye o Friedefürst mit ternärem groove o Würdig, ja würdig ist der Herr (mit Dooby Brothers groove) Möglichkeiten der (Re) Harmonisierung Wenn eine Melodie feststeht, kann sie mit unterschiedlichen Akkorden untermalt werden. Sie müssen nur diatonisch (d.h. der Tonart entsprechend oder auf den Grundtönen der Tonleiter aufgebaut) und Melodie−integrierend sein (d.h. die Melodie aufgreifen und verstärken, anstatt sie zu stören und in Konkurrenz mit ihr zu treten) − Preist den Namen Jesu − Ich will rufen zu dem Herrn − Mein König bist du, Herr Möglichkeiten der Einleitung und Beendigung − Der Vamp (Grundrhythmus und Grundakkord) egal, ob Stampfer oder soft o Der Herr ist König o Nur mit Gott o Vater im Himmel o Erhebet Gott − Die letzen zwei Takte als Einleitung vorweg spielen − Verlängerung durch „deceptive cadence“ (zu VI m anstatt zu I gehen; „Trugschluss“) o Der Herr lebt in Ewigkeit... o Heilig ist der Herr... o Ende von Friedefürst − Verlängerung durch verlangsamte Wiederholung der letzen Zeile
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