Formulierungen des Gerichts beim Freispruch

[Bereitgestellt: 03.07.2015
15:34]
REPUBLIK ÖSTERREICH
LANDESGERICHT FÜR STRAFSACHEN WIEN
052 Hv 87/14i
(Bitte in allen Eingaben anführen)
Landesgerichtsstr. 11
1082 Wien
Tel.: 01/40127
IM NAMEN DER REPUBLIK
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052 Hv 87/14i
Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Claudia
GEILER über den von der Staatsanwaltschaft Wien gegen
Dr. Johann RZESZUT,
geboren
am
05.03.1941
in
Wien,
österreichischer Staatsbürger, wohnhaft in 1130
Wien, Kugygasse 14/4,
wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4
StGB erhobenen Strafantrag nach der am 18.12.2014 und 27.02.2015 in
Anwesenheit
der öffentlichen Ankläger
StA Mag. Barbara SCHMID (18.12.2014),
StA Mag. Katharina BOGNER,
des Angeklagten
Dr. Johann RZESZUT,
seines Verteidigers
Dr. Norbert WESS
und der Schriftführer
Rp Mag. Celine BRAUMANN (18.12.2014),
Rp Mag. Sarah BAUMGARTNER
durchgeführten Hauptverhandlung am 27.02.2015
zu
Recht
e r k a n n t:
Dr. Johann RZESZUT wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am
06.03.2012 in Wien in dem damals von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt
gegen AI Josef WINKLER wegen des Verdachtes des Missbrauchs der Amtsgewalt
nach § 302 Abs 1 StGB geleiteten Ermittlungsverfahren als Zeuge vor der
Kriminalpolizei,
nämlich
gegenüber
den
ihn
vernehmenden
Beamten
des
Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK), Mag. Dr.
Hansjörg RANGGER und CI Robert RENOLTNER, bei seiner förmlichen Vernehmung
zur Sache falsch ausgesagt, indem er behauptete:
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… „Auf Befragen gebe ich an, dass ich seit den beiden Treffen keinen Kontakt mehr
mit Herrn WINKLER gehabt habe. Er hat vorige Woche versucht, mich zu erreichen,
ich hatte eine SMS von ihm auf meinem Handy. Ich habe dieses SMS gelöscht.
Inhaltlich war es etwa so, dass er mich um Rückruf ersucht hat. Ich habe jedoch nicht
darauf reagiert.“....(AS 15 in ON 10)
und hiedurch das Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4
StGB begangen
gemäß § 259 Z 3 StPO f r e i g e s p r o c h e n.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens, nämlich der Aussagen der Zeugen
Chefinspektor (CI) Robert RENOLTNER, Mag. Dr. Hansjörg RANGGER und
Abteilungsinspektor (AI) Josef WINKLER sowie des gemäß § 252 Abs 2a StPO
einverständlichen Vortrages des wesentlichen Akteninhaltes steht im Zusammenhalt
mit der Verantwortung des Angeklagten Dr. Johann RZESZUT folgender Sachverhalt
fest:
Der Angeklagte bezieht als Pensionist (ehemaliger Präsident des Obersten
Gerichtshofes) eine Pension von € 5400,-- und ist für seine Gattin sorgepflichtig.
Seine Strafregisterauskunft weist keine Verurteilung auf.
Im Jahre 1998 wurde das Mädchen Natascha KAMPUSCH auf dem Weg zur
Volksschule von Wolfgang PRIKLOPIL entführt und im Keller seines Hauses
gefangengehalten. Im Sommer 2006 gelang KAMPUSCH die Flucht, PRIKLOPIL
nahm sich das Leben. Das Strafverfahren gegen den Genannten wurde eingestellt.
Aufgrund von polizeilichen Ermittlungspannen nach dem Verschwinden des Kindes
und der öffentlichen Meinungsbildung, wonach es neben dem verstorbenen Entführer
noch Mittäter geben könnte, wurde die Evaluierungskommission „KAMPUSCH“
gebildet, um die polizeilichen Ermittlungen einer Prüfung zu unterziehen und allfällige
Ansätze für weitere Ermittlungen zu finden. Der Angeklagte war in dieser Kommission
als „Schnittstellenfachmann“ zwischen Justiz und Bundesministerium für Inneres
vertreten.
Im
Dezember
2009
beendete
die
Kommission
ihre Arbeit.
Die
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Anklagebehörde sah im Ergebnis der Kommission keine Anhaltspunkte für weitere
Ermittlungen, sodass das Verfahren endgültig eingestellt wurde. Dieser Vorgang
widersprach nach Ansicht des Angeklagten dem damaligen Ermittlungsstand. Er
richtete im September 2010 ein Schreiben an alle im Parlament vertretenen
Fraktionen, in dem er darlegte, dass Ungereimtheiten und Widersprüche bestehen
würden, die weitere Ermittlungsansätze zuließen. Dieses Schreiben bewirkte in der
Öffentlichkeit beträchtliches Aufsehen, insbesondere auch in Polizeikreisen. Der
Polizeibeamte AI Josef WINKLER zeigte reges Interesse an der Causa KAMPUSCH.
Auch er war der Meinung, dass das Verfahren weitere Ermittlungsansätze bieten
würde. So kam es, dass sich im Spätherbst 2011 der Angeklagte auf Initiative von AI
WINKLER mit diesem traf. Die Männer tauschten ihre Meinungen in der Causa aus.
Während AI WINKLER beispielsweise die Ansicht vertrat, dass PRIKLOPIL und die
Schwester von Ernst HOLZAPFEL (bei HOLZAPFEL handelt es sich um einen Freund
des verstorbenen PRIKLOPIL), ein gemeinsames Kind haben, das bei der Schwester
von HOLZAPFEL (in Laxenburg) lebt, vermeinte der Angeklagte, dass PRIKLOPIL
dieses Kind (ein Mädchen) mit Natascha KAMPUSCH in deren Gefangenschaft
gezeugt habe. Etwa eine Woche nach diesem Treffen überreichte der Angeklagte AI
WINKLER im Zuge einer erneuten Zusammenkunft das von ihm verfasste und an das
Parlament gerichtete Schreiben und weitere Unterlagen.
Am 21.02.2012 um 15:01:41 Uhr rief der Angeklagte AI WINKLER an und erkundigte
sich, ob er eine „ladungsfähige Adresse“ der Mutter von PRIKLOPIL wisse, damit
diese vom Unterausschuss im Parlament geladen werde könne.
Obwohl das Verfahren in der Causa KAMPUSCH – wie oben ausgeführt – eingestellt
worden war, wollte AI WINKLER zwecks weiterer Aufklärung ohne Vorliegen einer
richterlichen Anordnung die genetische Abstammung des erwähnten Mädchens
herausfinden. Zu diesem Zweck suchte er am späten Vormittag des 22.02.2012 jene
Schule in Laxenburg auf, die das Kind besuchte und ersuchte die Direktorin um einen
DNA-tauglichen Spurenträger des Mädchens, wie beispielsweise ein benutztes
Taschentuch. Er besprach dieses Vorgehen weder mit dem Angeklagten noch setzte
er diesen bei dem Gespräch am 21.02.2012 von seinem Vorhaben in Kenntnis. Es
konnte nicht geklärt werden, ob AI WINKLER zum Zeitpunkt des Gespräches mit dem
Angeklagten den Entschluss zu diesem Vorhaben überhaupt schon gefasst hatte. Die
Direktorin kam dem Ersuchen von AI WINKLER nicht nach und verständigte die
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Polizei. Noch am Nachmittag des 22.02.2012 wurde AI WINKLER auf die
Dienstbehörde beordert, um zu seinem Vorgehen in Form einer niederschrifltichen
Einvernahme Stellung zu beziehen. AI WINKLER ahnte, dass er etwas „nicht
dienstkonformes“ gemacht hatte und versuchte vor seiner Einvernahme bzw. in einer
Pause vom Festnetz im Vernehmungszimmer (im Büro seines Vorgesetzten)
vergeblich den Angeklagten zu erreichen, um diesen zu fragen, ob sein Verhalten
strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Der Angeklagte registrierte die
Kontaktversuche und rief AI WINKLER um 14:22:02, 16:58:18, 16:59:12 und 17:00:10
Uhr zurück. AI WINKLER konnte die Anrufe wegen der Befragung, die bereits einige
Zeit vor Beginn der Niederschrift (um 16:10 Uhr) begonnen hatte, nicht
entgegennehmen. Der Angeklagte schickte AI WINKLER um 20:08:37 Uhr eine SMS,
in der er auf seine Kontaktversuche hinwies. Der genaue Inhalt der SMS steht nicht
fest. Um 20:09:36 Uhr rief AI WINKLER den Angeklagten an, es kam jedoch erneut
kein Kontakt zustande. Kurz darauf, um 20:30:10 Uhr schickte AI WINKER dem
Angeklagten eine SMS und ersuchte um Rufruf bzw. Rechtsauskunft. Der genaue
Inhalt der SMS ist nicht bekannt. Am nächsten Tag, den 23.02.2012, um 09:44:37 Uhr
rief der Angeklagte AI WINKLER an, es kam wieder kein Kontakt zustande. Daraufhin
versuchte AI WINKLER den Angeklagten mehrmals (09:44:57, 09:45:43, 09:48:49 und
09:51:59 Uhr) telefonisch zu erreichen. In zwei Fällen (120 bzw. 166 Sekunden) kam
ein Kontakt zustande, jedoch konnten die Männer wegen der schlechten Verbindung
einander nicht verstehen.
Das Protokoll der dienstrechtlichen Einvernahme von AI WINKLER wurde an das BAK
weitergeleitet, welches am 01.03.2012 einen Anfalls-Bericht an die Staatsanwaltschaft
Wiener Neustadt sandte (ON 2). Am gleichen Tag ordnete die Anklagebehörde an, AI
WINKLER „umgehend zum Tatverdacht des Verbrechens des Missbrauches der
Amtsgewalt zu vernehmen, er möge insbesondere befragt werden, …. ob und
gegebenenfalls
von
wem
er
dazu
beauftragt
wurde
(auf
diesbezügliche
Medienberichte wird verwiesen)“, Seite 1/ON 3. Auf welche Medienberichte sich die
Anklagebehörde konkret bezog, lässt sich dem Akt nicht eindeutig entnehmen. Es
finden sich jedoch Ablichtungen von Zeitungsberichten und oneline-Ausdrucke von
Printmedien im Akt. Diesen Berichten zufolge soll der Angeklagte AI WINKLER zur
Beschaffung eines DNA-tauglichen Spurenträgers angestiftet habe (ON 5). Noch am
01.03.2012 wurde AI WINKLER vom BAK als Beschuldigter wegen des angeführten
Verdachts einvernommen. AI WINKLER sandte dem Angeklagten am 02.03.2012, um
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08.09 Uhr eine (nicht in Schriftform vorliegende) SMS mit dem Ersuchen um Rückruf
bzw. Rechtsauskunft. Der Angeklagte reagierte darauf nicht. Um 09.45 Uhr desselben
Tages leitete Mag. Dr. RANGGER das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung von AI
WINKLER per Mail an die zuständige Sachbearbeiterin bei der Staatsanwaltschaft
Wiener Neustadt weiter (S 1 /ON 4). Die Anklagebehörde beauftragte noch am
02.03.2012 die „Zeugenschaftliche Einvernahme des Dr. Johann Rzeszut, OGHPräsident iR, zum angezeigten Sachverhalt“ (ON 8). Mag. Dr. RANGGER kontaktierte
fernmündlich den Angeklagten und vereinbarte mit diesem einen Einvernahmetermin
für den 06.03.2012. Als Gegenstand der Vernehmung nannte er sinngemäß das
Verhalten von AI WINKLER in Laxenburg.
In den Medien wurde ab Ende Februar 2012 berichtet, dass AI WINKLER im Auftrag
des Angeklagten gehandelt habe bzw. von diesem angestiftet worden sei, einen DNAtauglichen Spurenträger zu beschaffen. Da AI WINKLER weder in seiner
dienstrechtlichen Einvernahme noch in seiner Beschuldigtenvernehmung eine
konkrete den Angeklagten diesbezüglich eindeutig belastende Aussage traf, aufgrund
der Medienberichte aber dieser Eindruck entstand, wollte er dies dem Angeklagten
gegenüber klarstellen. Deshalb sandte er diesem am 04.03.2012, um 18.52 Uhr eine
SMS mit folgendem Inhalt: „Sg. Hr. Dr. Ich habe zu keinem Zeitpunkt angegeben Sie
hätten mich zu Ermittlungen aufgefordert oder ermuntert. Unser erster persönlicher
Kontakt erfolgte im Oktober 2011. Ich habe Sie angesprochen. Wir haben uns zwei
Mal auf einen Kaffee – Ritter getroffen. 4 od. 5 Telefonate. Die Initiative ging immer,
mit einer Ausnahme – Rückruf – von mir aus. MfG Winkler“.
Am 06.03.2012, 09.58 Uhr richtete Mag. Dr. RANGGER folgende Mail an die
zuständige Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt: „ … die
bisherigen relevanten Inhalte der TÜ; …. Da Dr. R. ab morgen in der Schweiz ist,
konnte nur für heute 16.30 Uhr ein Einvernahmetermin vereinbart werden, dzt. gehen
wir davon aus, dass Dr. R. als Zeuge zu befragen sein wird …..“ (Seite 1/ON 9).
Mag. Dr. RANGGER legte der Mail u.a. die verschriftete oben zitierte SMS vom
04.03.2012 (Druckdatum: 05.03.2012) als attachment bei (S. 9/ON 9).
Am
06.03.2012, ab 16:35 Uhr wurde der Angeklagte vom BAK als Zeuge (im
Ermittlungsverfahren gegen AI WINKLER wegen des Verdachts des Missbrauchs der
Amtsgewalt) einvernommen. Der Angeklagte war sich seiner Stellung als Zeuge und
den Umstand, dass es sich um eine förmliche Vernehmung zur Sache im erwähnten
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Ermittlungsverfahren handelte, bewusst. Die vernehmenden Beamten begannen die
Vernehmung mit folgender Aussage bzw. Frage: „ ..... WINKLER wird beschuldigt, auf
eigene Faust Ermittlungen in der Causa KAMPUSCH vorgenommen zu haben. In
seiner Verantwortung werden auch Sie genannt. Was könnten Sie zu dieser Person
angeben?“ Daraufhin erklärte der Angeklagte seine Funktion als Mitglied der
Evaluierungskommission und legte detailliert die Umstände der persönlichen Treffen
mit AI WINKLER dar. Im Ergebnis brachte er zum Ausdruck, dass von seiner Seite
gegenüber AI WINKLER keinerlei Motivationen zu irgendwelchen Maßnahmen oder
Nachforschungen ausgegangen seien. Die anschließend von den vernehmenden
Beamten gestellte Frage, ob er seit den beiden Treffen noch Kontakte mit AI
WINKLER gehabt habe, verneinte der Angeklagte, indem er die im Strafantrag
angeführte inkriminierte Äußerung tätigte. Der Angeklagte bezog die Frage auf
Gesprächskontakte mit AI WINKLER, in denen das Vorhaben der Beschaffung eines
DNA-tauglichen Spurenträgers thematisiert worden sei. Da es solche Kontakte nicht
gegeben hatte, verneinte er die Frage. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der
Angeklagte die Kontakte bzw. Kontaktversuche mit AI WINKLER, nämlich das
Telefongespräch am 21.02.2012, die gegenseitigen telefonischen Kontaktversuche am
22.02. und 23.02.2012 sowie die SMS am 04.03.2012 mit zumindest bedingten
Vorsatz verschwieg.
Zur Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und Umständen des
Angeklagten beruhen auf dessen Angaben und der Strafregisterauskunft. Jene zum
Ablauf der Geschehnisse in der Causa KAMPUSCH sind gerichtsbekannt bzw.
ergeben sich aus dem Akt. Die Feststellungen zu den zwischen dem Angeklagten und
AI WINKLER nach den persönlichen Treffen stattgefundenen Kontakten bzw.
Kontaktversuchen und deren Inhalte basieren auf dem Ergebnis einer Überwachung
von Nachrichten im Zusammenhalt mit den Aussagen des Zeugen AI WINKLER und
der Verantwortung des Angeklagten. Der Zeuge bestätigte seine im Rahmen der
Beschuldigtenvernehmung am 01.03.2012 gemachte Aussage betreffend Anzahl und
Art der Kontakte mit dem Angeklagten (zwei persönliche Treffen und fünf bis sechs
Telefongespräche). Wenngleich er zum Inhalt des Gespräches am 21.02.2012 keine
konkreten Angaben machen konnte, hielt er es für möglich, dass sich der Angeklagte
– wie von diesem behauptet - nach einer „ladungsfähigen“ Adresse erkundigte. Der
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Zeuge sagte aus, am 22.02.2012 vor seiner dienstrechtlichen Befragung bzw. in einer
Pause vom Festnetz im Büro seines Vorgesetzten vergeblich versucht zu haben, den
Angeklagten fernmündlich zu erreichen, um diesen zu fragen, ob sein Verhalten in
Laxenburg strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Die Kontakte am
23.02.2012 seien ergebnislos geblieben, weil aufgrund der schlechten Verbindung –
er habe sich in einem Weinberg am Bisamberg aufgehalten - kein Gespräch zustande
gekommen sei. Er habe dem Angeklagten am 02.03.2012 eine SMS geschickt und um
Rückruf gebeten. Das SMS vom 04.03.2012 (mit dem oben zitierten Inhalt) habe er
versandt, um den Angeklagten darüber aufzuklären, dass die Medienberichte falsch
seien und nicht seinen Aussagen entsprechen würden. Ein Grund sei auch gewesen,
dass ihm im Zuge seiner Beschuldigtenvernehmungen durch CI RENOLTNER
suggeriert worden sei, der Angeklagte habe eingestanden, ihn (AI WINKLER) zur
Beschaffung eines DNA-tauglichen Spurenträgers angestiftet zu haben. Er möge dies
deshalb zugeben.
Der Angeklagte stellte den Vorwurf der falschen Beweisaussage in Abrede und
behauptete, die Frage der vernehmenden Beamten Mag. Dr. RANGGER und CI
RENOLTNER auf Kontakte bezogen zu haben, in denen die „Aktion des Herrn
WINKLER in Laxenburg“ besprochen worden sei. Da es nach den beiden Treffen
keine Kontakte, seien es persönliche Zusammenkünfte oder über Telefon, in denen
das Vorgehen von AI WINKLER in Laxenburg thematisiert worden sei, gegeben habe,
habe er die Frage (nach weiteren Kontakten) verneint. Er sei aufgrund der
Medienberichte, wonach er AI WINKLER zu diesem Verhalten angestiftet habe und
des ihm fernmündlich zur Kenntnis gebrachten Gegenstandes der Vernehmung,
nämlich „die Aktion des Herrn WINKLER in Laxenburg“, mental auf dieses Thema
fixiert und der Meinung gewesen, die Beamten würden ihm Absprachen mit AI
WINKLER bezüglich dessen Vorgehen in Laxenburg unterstellen. Er sei in dieser
Ansicht durch deren Verhalten auch noch bestärkt worden, indem sie die Unrichtigkeit
der Medienberichte nicht aufgeklärt und ihn in diesem irrigen Glauben belassen
hätten. Dass er „nichts (habe) verheimlichen“ wollen und tatsächlich nur an
„persönliche Absprachen“ gedacht habe, ergäbe sich schon aus seiner im Anschluss
an die inkriminierte Aussage gemachte Äußerung („... Er hat vorige Woche versucht,
mich zu erreichen, ich hatte eine SMS von ihm auf meinem Handy. Ich habe dieses
SMS gelöscht. Inhaltlich war es etwa so, dass er mich um Rückruf ersucht hat. Ich
habe jedoch nicht darauf reagiert“), die sonst widersprüchlich sei, wenn er Kontakte
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verneine.
Die Verantwortung des Angeklagten ist plausibel und nicht mit der für ein
Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zu widerlegen. So konnte er vor dem
Hintergrund der unrichtigen Medienberichte und des fernmündlich von Mag. Dr.
RANGGER bekanntgegebenen Gegenstandes der Vernehmung sowie aufgrund der
noch darzulegenden Umstände nachvollziehbar davon ausgehen, dass sich die Frage
nach weiteren Kontakten mit AI WINKLER auf diese Thematik bezog. Die verdeckte
Fragestellung am Beginn der Vernehmung, nämlich in der Form, dass der Angeklagte
allgemein zur Person des AI WINKLER befragt und nicht mit dessen Aussagen
konfrontiert wurde, war geeignet, diesen zu verunsichern und in seiner irrigen
Meinung, er werde von AI WINKLER – den Medienberichten folgend - belastet, zu
bestärken. Der Angeklagte durfte bei vernünftiger Betrachtungsweise davon
ausgehen, dass ihm die Aussagen von AI WINKLER aus kriminaltaktischen Gründen
(vorweg) bewusst nicht zur Kenntnis gebracht wurden, um seine Aussagen allfälligen
belastenden Momenten nicht anpassen zu können. Wohl durch diese Art der
Fragestellung sah sich der Angeklagte veranlasst, die Hintergründe der beiden Treffen
mit AI WINKER detailliert darzulegen und zu beteuern, dass von konkreten Intentionen
des AI WINKLER, irgendwelche Maßnahmen oder Nachforschungen anzustellen, nie
die Rede gewesen sei (Seite 13/ON 10). Diese Aussagen bezog der Angeklagte
offensichtlich auf das Vorgehen von AI WINKLER in Laxenburg, sodass es
glaubwürdig erscheint, dass er die anschließend an seine Ausführungen gestellte
Frage nach weiteren Kontakten mit solchen in Verbindung brachte, die das erwähnte
Vorhaben zum Gegenstand hatten. Dass der Angeklagte dieses von sich aus nicht
ansprach, obwohl er gedanklich in dieser Thematik verfangen war, ist verständlich,
weil er in diesem Fall den ermittelnden Beamten gegenüber den Anschein hätte
erwecken können, davon (zumindest) in Kenntnis gewesen zu sein, was den in den
Medien kolportierten Verdacht gegen seine Person bestärkt hätte. Eine Erörterung der
Medienberichte durch die Ermittlungsbehörde wäre wünschenswert gewesen, um dem
Angeklagten gegenüber nicht den Anschein einer Voreingenommenheit zu vermitteln,
weil die Berichte scheinbar auf „Polizeinterpretationen“ der Aussagen von AI
WINKLER beruhten und aus dem Umfeld der Polizei den Medien zugespielt worden
waren („W. scheint nicht auf eigene Faust gehandelt zu haben. Vermutlich hat ihn ein
Mitglied der Evaluierungskommission beauftragt“, so ein Polizeiinsider, S 1/ON 5,
oder: „Wie der Falter aus Ermittlerkreisen erfuhr, soll jener Polizist, der illegal DNA9 von 15
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Proben
eines
Schulkindes
besorgt
haben
soll,
vor
dem
Bundesamt
für
Korruptionsbekämpfung ausgesagt haben, dass er im Auftrag des ehemaligen OGHPräsidenten Johann Rzeszut gehandelt habe“, Seite 5/ON 5). Der Ansicht des Zeugen
CI RENOLTNER, der eine Konfrontation des Angeklagten mit den Medienberichten
nicht für notwendig erachtete („Wenn der Herr Winkler das gesagt hat, dann werden
Sie [gemeint: der Angeklagte] ja sowieso mit diesem Vorwurf konfrontiert. Wir können
doch nicht alles ausschließen, was jemand nicht gesagt hat“), konnte das Gericht
nicht folgen. Der Zeuge CI RENOLTNER sagte weiter aus, dass für ihn nicht
erkennbar gewesen sei, dass der Angeklagte „mit Herrn WINKLER in Verbindung
stehen könnte“ und meinte, dass die Frage (nach Kontakten mit AI WINKLER)
unmissverständlich formuliert worden sei. Außerdem sei der Vorfall in Laxenburg zum
Zeitpunkt der Vernehmung des Angeklagten gar nicht relevant gewesen. Diese
Aussagen sind irritierend. Der Ermittlungsbehörde standen zu diesem Zeitpunkt nur
die Protokolle der dienstrechtlichen Befragung und der Beschuldigtenvernehmung von
AI WINKLER vom 22.02.2012 und vom 01.03.2012 zur Verfügung. Grund für die
dienstrechtliche Befragung war das Verhalten von AI WINKLER in Laxenburg, das zu
Ermittlungen gegen seine Person wegen des Verdachts des Missbrauches der
Amtsgewalt führte, wozu AI WINKLER als Beschuldigter vernommen wurde. Wieso
der Zeuge daher die Meinung vertreten konnte, dass dieser Vorfall unerheblich („nicht
relevant“)
gewesen
Berücksichtigung
sei,
des
war
dem
Gericht
unerklärlich,
staatsanwaltschaftlichen
Auftrages
insbesondere
unter
(„Zeugenschaftliche
Einvernahme des Dr. Johann Rzeszut ... zum angezeigten Sachverhalt“. Die weitere
Aussage des Zeugen, dass für ihn eine Verbindung des Angeklagten mit AI WINKLER
nicht erkennbar gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar. Dass zwischen den beiden
Männern Kontakt bzw. eine Verbindung bestand, war aufgrund der vorliegenden
Protokolle offensichtlich (außer man ging davon aus, dass die Aussagen von AI
WINKLER erfunden sind, wofür es keine Anhaltspunkte gab), sonst hätte sich eine
Zeugenvernehmung des Angeklagten wegen Sinnlosigkeit wohl erübrigt. Es galt eben
abzuklären, ob es diese von AI WINKLER erwähnten Kontakte (zwei persönliche
Treffen und fünf bis sechs Telefongespräche) tatsächlich gab und ob diese inhaltlich
allenfalls strafrechtlich von Bedeutung sein konnten (siehe Urteil Seite 5 letzter
Absatz: …. ob und gegebenenfalls von wem er dazu beauftragt wurde ...“). Nachdem
der Zeuge unmittelbar nach dieser Aussage erklärte, im Auftrag der Anklagebehörde
die zeugenschaftliche Vernehmung des Angeklagten durchgeführt zu haben, „weil
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Herr Winkler ihn [gemeint: den Angeklagten] als Kontakt angegeben hatte“, gab er
doch zu verstehen, vom Inhalt der Protokolle in Kenntnis gewesen zu sein, weshalb
seine diesbezüglichen Aussagen nicht verständlich sind. Der weiteren Aussage des
Zeugen, er könne die Verantwortung des Angeklagten nicht nachvollziehen, weil die
Frage nach Kontakten unmissverständlich formuliert worden sei („Die Frage lautete:
Kennen Sie den Herrn WINKLER, und wenn ja, in welcher Weise hatten Sie Kontakt?
Wenn es Kontakt gab, dann welchen?“), ist zunächst entgegenzuhalten, dass der
Text der Frage nicht protokolliert wurde. Darüber hinaus wäre es Aufgabe des
zuständigen Sachbearbeiters gewesen wäre, (spätestens) nach Ausspruch der vom
Angeklagten getätigten inkriminierten Äußerung diesem unter Vorhalt der Bestimmung
des § 157 Abs 1 Z 1 StPO den Kontakt per SMS vom 04.03.2012 vorzuhalten, um
allfällige Missverständnisse aufzuklären. Im Gegensatz zum Zeugen CI RENOLTNER
war für den Zeugen Mag. Dr. RANGGER das Vorgehen von AI WINKLER in
Laxenburg schon Gegenstand der Vernehmung. Der Zeuge bestätigte, diese
Thematik dem Angeklagten im Zuge der fernmündlichen Ladung bekanntgegebenen
zu haben. Mag. Dr. RANGGER legte dar, dass es für ihn schlichtweg unvorstellbar
gewesen sei, dass der Angeklagte „bei so einer Aktion irgendwie in Täterschaft
beteiligt“ gewesen sein könnte. Er habe der Leiterin der Staatsanwaltschaft Wiener
Neustadt im Zuge eines Telefongespräches, in dem thematisiert worden sei, ob es
„denkmöglich wäre“, dass der Angeklagte als Beschuldigter zu vernehmen sei,
mitgeteilt, dass die ermittelnde Behörde keinerlei Anhaltspunkte habe, dass der
Angeklagte „in diese Aktion als Beschuldigter“ involviert sein könnte. Dies habe er im
Mail vom 06.03.2012, 09.58 Uhr an die zuständige Sachbearbeiterin bei der
Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt auch schriftlich festgehalten (“dzt. gehen wir
davon aus, dass Dr. R. als Zeuge zu befragen sein wird“). Der Zeuge erklärte, dass
die Anklagebehörde Ermittlungshandlungen (gegen den Angeklagten) ohne deren
ausdrückliche Anordnung untersagt habe, auch deshalb sei eine Einvernahme des
Angeklagten
als
Zeuge
erfolgt.
Auf
die
Frage
des
Gerichtes,
welche
zeugenschaftlichen Aussagen sich die Ermittlungsbehörde vom Angeklagten erwartet
hatte, die unter Berücksichtigung der Aussagen von AI WINKLER zur Aufklärung einer
allenfalls strafbaren Handlung hätten beitragen können, konnte der Zeuge Mag. Dr.
RANGGER keine schlüssige Erklärung geben und meinte, „ob diese Behauptung
stimmt, dass eine Mittäterschaft stattgefunden hat“. Diese Antwort impliziert, dass dem
Zeugen bewusst war, dass eine Involvierung des Angeklagten in die Sache zum
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damaligen Zeitpunkt lebensnah erschien oder zumindest nicht denkunmöglich war.
Sollte der Zeuge seine Aussage auf die unrichtigen Medienberichte bezogen haben,
so würden die Ermittlungen wohl ad absurdum geführt: Das BAK versucht zu klären,
ob der (unrichtige) Verdacht der Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt, der
von der Polizei den Medien zugespielt wurde, den Tatsachen entspricht, indem der
Verdächtige zeugenschaftlich dazu befragt wird.
Auch wenn AI WINKLER weder in seiner dienstrechtlichen Befragung noch in seiner
Beschuldigtenvernehmung eindeutige den Angeklagten belastende Aussagen traf,
ließen dessen Angaben zumindest unterschwellig eine Involvierung des Angeklagten
mitklingen. So gab AI WINKLER am 22.02.2012 zu Protokoll, am 21.02.2012 im Zuge
eines Gespräches mit dem Angeklagten von diesem erfahren zu haben, dass das
Mädchen in Laxenburg lebe und die dortige Volksschule besuche. Da ihm „das Ganze
nicht aus den Kopf gegangen“ sei, habe er am 22.02.2012 die Direktorin der Schule
um einen DNA-tauglichen Spurenträger gebeten (Seite 25 f/ON 2). Am 01.03.2012
sagte AI WINKLER zusammengefasst aus, die Causa KAMPUSCH seit Monaten zu
verfolgen und sich im Internet „schlau gemacht“ zu haben. Er habe sich mit dem
Angeklagten zweimal getroffen und mit diesem über die Causa geredet. Er habe
seitdem „fünf, sechs Mal telefonisch mit dem Angeklagten gesprochen“. Am
22.02.2012 habe ihn „dann der Teufel geritten“, er habe die Direktorin der Volksschule
in Laxenburg um einen DNA-tauglichen Spurenträger ersucht. Der Umstand, dass
beide Männer in der gegenständlichen Causa weitere Ermittlungsansätze sahen und
sich gegenseitig austauschten, der Inhalt der SMS vom 04.03.2012 sowie die
dargelegten Aussagen von AI WINKLER in den erwähnten Protokollen ließen zum
Zeitpunkt der Zeugenvernehmung des Angeklagten den Verdacht einer Involvierung
seiner Person in die Laxenburg-Aktion nicht denkunmöglich erscheinen, auch wenn AI
WINKLER behauptete, weder im Auftrag noch über Ersuchen des Angeklagten
gehandelt zu haben, zumal dieser den Angeklagten ja decken konnte. Ob eine
Belehrung nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO, nämlich darüber, dass der Angeklagte ein
Recht auf Verweigerung der gesamten oder eine Teils der Aussage habe, soweit er
durch wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen sich der Gefahr strafrechtlicher
Verfolgung aussetzen würde, erfolgte, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Es
enthält zwar alle vom System vorgegebenen Belehrungen, aber keinen Hinweis, ob
und welche Belehrung im konkreten Fall getätigt wurde. Der Zeuge Mag. Dr.
RANGGER führte aus, eine entsprechende Belehrung vorgenommen zu haben,
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schwächte diese Aussage über Vorhalt, dass dies aufgrund seiner eigenen Aussage,
wonach er den Angeklagten über jeden Verdacht einer strafbaren Handlung erhaben
sah, wenig überzeugend sei, ab und meinte, dass eine solche auch konkludent erfolgt
sein könnte. Der Zeuge vermeinte auf Nachfrage des Gerichtes, dass es keinen
Grund gegeben habe, den Angeklagten mit den Aussagen von AI WINKLER zu
konfrontieren oder diesem das SMS vom 04.03.2012 vorzuhalten, weil dieser alles
erklärt habe: er habe eine SMS erhalten, die er gelöscht habe. Er habe den Aussagen
des Angeklagten Glauben geschenkt. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Aussage
des Angeklagten zum Inhalt der SMS nicht mit dem Inhalt der SMS vom 04.03.2012 in
Einklang zu bringen ist. Offenbar meinte der Angeklagte die SMS vom 02.03.2012.
Die SMS vom 04.03.2012 ließ jedoch Spekulationen in verschiedene Richtungen zu.
So war – wie oben dargelegt - denkbar, dass AI WINKLER eine Involvierung des
Angeklagten in die Laxenburg-Aktion zu decken beabsichtigte und seine Haltung
diesem – im Hinblick auf die unrichtigen Medienberichte – per SMS zur Kenntnis
bringen wollte. Eine Konfrontation des Angeklagten mit den Aussagen von AI
WINKLER, eine Thematisierung der Medienberichte und eine Erörterung der SMS
vom
04.03.2012
hätten
Aufklärung
gebracht,
sodass
es
nicht
zu
dieser
missverständlichen inkriminierten Aussage des Angeklagten gekommen wäre.
Der Zeuge AI WINKLER machte auf das Gericht einen guten Eindruck. Er konnte sich
zwar teilweise an Details wie Art der Kontakte (SMS/Sprachnachrichten) und Inhalte
nicht mehr erinnern, was aber aufgrund der bereits mehr als zwei Jahre zurück
liegenden Ereignisse nachvollziehbar erscheint. Der Zeuge ging bei der Anzahl der
Telefongespräche von insgesamt fünf bis sechs Kontakten (die fehlgeschlagenen am
22.02. und 23.02.2012 offenbar nicht berücksichtigt) aus. Diese Aussage deckt sich im
wesentlichen mit den Ergebnissen der Überwachung von Nachrichten: Neben dem
Gespräch am 21.02.2012 gab es Kontakte am 22.12.2011, 09.01.2012 und
30.012012, die aufgrund der Länge (92, 295 und 98 Sekunden) zu (kurzen)
Gesprächen geführt haben können. Auch die Aussage, dass am 23.02.2012 zwar ein
Kontakt hergestellt werden konnte, das Gespräch aber aufgrund der schlechten
Verbindung abbrach, deckt sich mit dem Ergebnis der Überwachung von Nachrichten.
AI WINKLER erklärte, ihm sei von CI RENOLTNER zu verstehen gegeben worden,
dass es sei sinnlos sei, den Angeklagten zu decken, weil dieser seine Involvierung in
die Laxenburg-Aktion bereits zugegeben habe. Dieser falsche Vorhalt sei neben der
unrichtigen Medienberichterstattung auch ein Grund für das Versenden der SMS am
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04.03.2012 gewesen. Das Gericht vermeinte, dass der Zeuge in dieser Hinsicht einem
Irrtum unterliegen muss, weil bei der ersten Beschuldigtenvernehmung von AI
WINKLER am 01.03.2012 CI RENOTNER nicht anwesend war. Trotz Aufklärung
durch das Gericht blieb der Zeuge AI WINKLER bei dieser Behauptung und erklärte,
dass dieser Druck in allen Beschuldigtenvernehmungen (01.03., 15.03., 13.04. und
26.07.2012) gemacht worden sei, insbesondere jedoch von CI RENOLTNER. Da
diese Vorhalte in den Protokollen aber nicht festgehalten worden seien, sei er sich
sicher gewesen, dass sie nicht den Tatsachen entsprechen. Die diesbezüglichen
Aussagen des Zeugen AI WINKLER waren nachvollziehbar. Während der Zeuge AI
WINKLER sachlich auftrat und bemüht war, an der Aufklärung mitzuwirken, gab sich
der Zeuge CI RENOLTER unwissend, beantwortete Fragen ausweichend oder
verwies auf seinen Kollegen Mag. Dr. RANGGER.
Im Ergebnis war aufgrund der dargelegten Umstände die leugnende Verantwortung
des Angeklagten nicht zu widerlegen.
In rechtlichen Hinsicht folgt:
Das Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB begeht, wer
vor Gericht als Zeuge oder, soweit er nicht zugleich Partei ist, als Auskunftsperson bei
seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagt oder als Sachverständiger
einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten erstattet. Nach Abs 4 leg.cit. ist
auch zu bestrafen, wer als Zeuge oder Sachverständiger eine der dort genannten
Handlungen in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor
Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft begeht. Es genügt Eventualvorsatz (§ 5 Abs
1); dieser muss sich auf die Stellung als Zeuge bzw. als Auskunftsperson, die
objektive Unrichtigkeit des Aussageinhaltes und den Umstand beziehen, dass es sich
um eine förmliche Vernehmung zur Sache handelt (Plöchl/Seidl in WK-StGB 2, § 288
Rz 40). Anhand der getroffenen Feststellungen war ein Eventualvorsatz in Bezug auf
die objektive Unrichtigkeit des Aussageinhaltes nicht erweislich, weshalb mit einem
Freispruch vorzugehen war
Im Übrigen kommt dem Angeklagten der besondere Entschuldigungsgrund des
Aussagenotstands nach § 290 Abs 1 Z 2 StPO zugute, will man der Verantwortung
des Angeklagten keinen Glauben schenken. Wer nämlich eine falsche Beweisaussage
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(§§ 288, 289) ablegt, um von sich oder einem Angehörigen Schande oder die Gefahr
strafrechtlicher Verfolgung abzuwenden, ist nicht zu bestrafen, wenn er von der
Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses befreit war oder hätte befreit werden
können und wenn er den Befreiungsgrund nicht geoffenbart hat, um die schon aus der
Offenbarung drohenden Folgen der bezeichneten Art abzuwenden.
Hätte der Angeklagte wahrheitsgemäß ausgesagt bzw. das Telefongespräch am
21.02.2012 sowie die Kontaktversuche am 22. und 23.2.2012 sowie das SMS am
04.03.2012 erwähnt, so wären mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen den Angeklagten
Ermittlungen zwecks Aufklärung des Verdachts der Bestimmung zum Missbrauch der
Amtsgewalt nach §§ 12, 2. Fall, 302 Abs 1 StGB veranlasst worden. Dass diese
Gefahr konkret bestand, war aufgrund der zeitlichen Nähe der Kontakte zum
Tatzeitpunkt (21.02.2012) evident. Die Einleitung von Ermittlungen hätte durch
gleichzeitige Beteuerungen, dass die Kontakte inhaltlich nicht von strafrechtlicher
Relevanz waren, wohl nicht verhindert werden können. Dies zeigt sich schon daran,
dass unmittelbar nach Vorliegen sämtlicher Ergebnisse der Überwachung von
Nachrichten gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen § 288 Abs 1 und
4 StGB und §§ 12, 2. Fall, 302 Abs 1 StGB eingeleitet wurde. Dass der Angeklagte
den Befreiungsgrund aufgrund der Vorverurteilung in den Medien und der oben
dargelegten Verhalten der vernehmenden Beamten nicht dargelegt bzw. offenbart hat,
um die beschriebenen schädlichen Folgen abzuwenden, liegt auf der Hand.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Landesgericht für Strafsachen Wien, Abteilung 052
Wien, 27. Februar 2015
Mag. Claudia GEILER, Richterin
Elektronische Ausfertigung
gemäß § 79 GOG
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