Sicherheitstechnik – NME-Bauweise von Zündern

HISTORIE
Der Brand auf dem Frachtschiff Hornestrand und der ungewollte Nachweis der Nichtmassenexplosionsfähigkeit von Zündern
The fire on the cargo ship Hornestrand and its unintended demonstration of the non-massexplosives feature from detonators
von Frank Hammelmann und Holger Krebs
25 Jahre sind vergangen, dass ein mit Sprengstoff und Zündern beladenes Frachtschiff im Ärmelkanal in Brand geriet. Dieses denkwürdige Ereignis verdient es, in Erinnerung gerufen zu werden. Denn damals konnte ein ungewollter Großversuch die Sicherheit unserer Sprengmittel nachweisen. Deshalb sollte der damals spektakuläre Fall mit Bedeutung bis in
die heutige Zeit noch einmal in den Focus gerückt werden und zeigen, dass unsere Sprengmittel einen hohen logistischen
Sicherheitsstandard besitzen - gefährlich sind sie eigentlich immer nur dann, wenn sie in die falschen Hände geraten.
Die weitere Entwicklung der nichtmassenexplosionsfähigen Zünder (NME-Zünder) bis heute wird aus Sicht der BAM einordnend und erklärend mit dargestellt. Es wird aufgezeigt, dass die NME-Zünder - wenigstens in Europa - zum Stand der
Technik gehören.
25 years ago a cargo ship carrying explosives and detonators started burning while passing the British channel on its way to
West Africa. It´s worth to review this event, demonstrating the safety of detonators and explosives we are applying from a
handling point of view; only misuse and poor handling standards are causing a hazard.
The further development of non-mass-explosive until today is documented by the German notified body BAM. In Europe nonmass-explosive detonators are state of the art.
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Sprengmittelfracht und Brandentwicklung
Eine bedeutende Entwicklungsstufe der Troisdorfer Zünder
war die 1982 begonnene Einführung der nichtmassenexplosiven Bauart. Die Nichtmassenexplosionsfähigkeit (NME)
von Zündern hat ihre Bedeutung für die Sicherheit beim
Transport (Transportklassifikation) sowie für die Lagerhaltung
und Handhabungssicherheit vor Ort.
Der Nachweis des NME-Charakters gelang vor 25 Jahren bei
einer Havarie auf hoher See - bei einem unbeabsichtigten
„Großversuch“.
Am frühen Morgen des 03. März 1987 befand sich der dänische Frachter Hornestrand im Ärmelkanal auf einer Fahrt
nach Westafrika nordwestlich des französischen Hafens
Cherbourg, als ein Mitglied der Besatzung bei einem
Inspektionsgang aus einer Luke austretenden schwarzen,
beißenden Qualm bemerkte. Nur wenige Minuten später verließ die Besatzung - drei Männer und zwei Frauen - das Schiff
auf einer Rettungsinsel. Die Maschine war nicht abgestellt
worden, um einem späteren Berger den Betrieb des Schiffes
zu erleichtern (Abb. 1a, b).
Abb. 1a: Dänisches Frachtschiff „Hornestrand“
Der Notruf wurde von der französischen Küstenwache aufgenommen, die ein Hilfsschiff zur Aufnahme der Besatzung entsandte. Von diesem wurde sie mit Hilfe eines Hubschraubers
übernommen und landete um 8.50 Uhr sicher in Cherbourg.
An Bord der Hornestrand befanden sich 245 t Sprengstoff,
davon 225 t Seismo-Gelit 2 sowie 1.650.000 Stück Sprengzünder. Diese Sprengmittel waren drei Tage zuvor auf der
Sprengstoffreede in Stade/Elbe geladen worden.
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Abb. 1b: Routenverlauf mit Unglücksort
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34. Informationstagung Sprengtechnik, Siegen 13. - 14. April 2012
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Ladung, Charterer und Versicherer sowie deren Brand- und
Sprengstoffsachverständige und Rechtsanwälte. Die Dynamit
Nobel AG war als Hersteller der Ladung vertreten (Abb. 1c).
Die große Teilnehmerzahl von zeitweise über 30 Personen
war durch den hohen Wert von Schiff und Ladung und die
Einmaligkeit des Vorfalls bedingt.
Abb. 1c: Das behördenverstärkte Untersuchungsteam vom ZünderLieferanten Dynamit Nobel
Obwohl sich das Schiff auf der britischen Seite des Kanals
befand, war für die Abstimmung vor Ort das französische
Marinekommando in Cherbourg zuständig, das den Notruf
aufgenommen hatte.
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Maßnahmen zum Beseitigen der Gefahr
Die französische Marine plante zunächst das Versenken des
Schiffes, was der Schiffseigner jedoch verhindern konnte. Die
Seenotrettungsstelle des britischen Küstenschutzes in Portland wurde als Verbindungsstelle für die weiteren Maßnahmen benannt.
Um 10.17 Uhr überflog ein britischer Marinehubschrauber
das langsam in nordwestlicher Richtung treibende Schiff: Es
wurden keine Anzeichen eines Brandes festgestellt. Als vorläufiger Gefahrenbereich wurde ein Radius von 9 Seemeilen = 16,7 km und eine Höhe von 7.300 m festgelegt. Die
zuständigen Stellen holten inzwischen Auskünfte über die
Ladung ein, während der Schiffseigner mit den Bergefirmen
verhandelte. Um 23 Uhr wurde der Bergevertrag unterschrieben. Die britischen und französischen Behörden einigten sich
darauf, dass bei weiterem Nordwärtstreiben des Schiffes die
britischen Behörden eingreifen sollten. Diese trafen am nächsten Tag um 8.20 Uhr ein und zuständig wurde die Seenotrettungszentrale des britischen Küstenschutzes in Falmouth.
Von hier aus wurde auch die Presse unterrichtet.
Am 04. März um 8 Uhr lag der holländische Bergeschlepper
Typhoon längs der Hornestrand. Zwei Personen gingen an
Bord und befestigten das Schlepptau; Anzeichen von Feuer
waren nicht festzustellen.
Um 9.15 Uhr begann das Abschleppen der Hornestrand in
10 Seemeilen = 18,5 km Abstand von der Küste in Richtung
zur Sprengstoffreede von Falmouth. Am Nachmittag wurde
ein Sachverständigenausschuss benannt, der am darauffolgenden Morgen bei Eintreffen des Schiffes zusammentreten
sollte. Diesem gehörten Vertreter des britischen Küstenschutzes, der Hafenbehörde, der für Sprengmittel zuständigen Dienststelle, der Feuerwehr von Cornwall und der Polizei
an, außerdem die Vertreter der Berger, Eigner von Schiff und
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Die volle Verfügungsgewalt über Schiff und Ladung nach der
Aufgabe eines Schiffes durch die Besatzung im Fall einer
Havarie hat der Berger, dessen Lohn auch vom Wert der
geretteten Ladung und des Schiffes abhängt und der
bestimmt, wer das Schiff betreten darf. Die Dynamit Nobel
AG als Hersteller trat in diesem Fall nur als Sachverständige
auf, da sie nicht mehr Eigentümer der von ihr gefertigten
Sprengmittel war. Diese waren rechtlich bereits Eigentum der
Abnehmer. In der fast achtstündigen Sitzung des Ausschusses am Morgen des 05. März wurde folgendes beschlossen:
Aus einem Abstand von 100 m sollte mit einem Infrarotgerät
ermittelt werden, ob am Schiff erwärmte Stellen vorhanden
waren. Falls nichts festgestellt werden sollte, waren Messungen unmittelbar auf dem Schiff vorgesehen. Der Sachverständigenausschuss sollte dann je nach dem Ergebnis das
weitere Vorgehen beschließen. Die Infrarotmessungen ergaben auch auf dem Schiff keine erhöhten Temperaturen. Proben eines an den Lüfteröffnungen gefundenen Kondensats
wurden sofort nach Troisdorf gebracht und dort in den Laboratorien der Dynamit Nobel AG untersucht.
Am darauf folgenden Tag (06. März) verschlechterte sich das
Wetter und es herrschte Windstärke 8, so dass die Luken
nicht geöffnet werden konnten. Das Schiff musste mehrmals
seinen Standort wechseln, um zu vermeiden, dass es durch
den starken Südwestwind in die Bucht von Falmouth getrieben wurde. Als am Abend des 08. März der Ausschuss zu
seiner vierten Sitzung zusammentrat, lag die Nachricht vor,
dass aus der Lüfteröffnung und den Lukendeckeln wieder
Rauch austrat und an einigen Stellen hohe Temperaturen
gemessen worden seien. Aus der Temperaturentwicklung
musste auf einen Schwelbrand geschlossen werden, der bei
Sauerstoffzufuhr schlagartig in ein offenes Feuer übergehen
konnte. Deshalb durften die Luken nicht geöffnet werden. Die
Lüfter des Laderaums waren vor dem Auslaufen des Schiffes
aus Stade außer Betrieb gesetzt worden, da den Vorschriften
entsprechend keine elektrische Leitung unter Spannung stehen durfte.
Es wurde beschlossen, den Brand nach Wetterbesserung
durch das Einfüllen großer Mengen flüssigen Stickstoffs in
den Laderaum zu löschen. Danach sollte eine Wartezeit von
72 Stunden vor der nächsten Messung eingehalten werden.
Am 12. März wurde ein Temperaturanstieg auf über 60 °C an
den Lukendeckeln festgestellt. Erst am 14. März wurde bei
besserem Wetter und günstigen Umgebungstemperaturen
im Bereich der Deckel flüssiger Stickstoff entsprechend
einem Gasvolumen von 10.000 m3 eingefüllt. Der Sauerstoffgehalt im Laderaum betrug danach nur noch 1,8 %. Der
Laderaum wurde soweit wie möglich abgedichtet und mit
Wärmefühlern ausgestattet.
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Am 17. März betraten zunächst zwei Personen - ein Mitglied
der Bergemannschaft und der Sprengstoffsachverständige
des Bergers - mit Atemschutzgeräten den Laderaum. Dabei
wurde der Lagerraum der Zünder als Brandstelle erkannt. Es
wurde von einem Krater im Kistenstapel und starken Auswirkungen sowohl auf den Zünder- als auch den Sprengstofflagerraum berichtet. Einige Zünder und Patronen SeismoGelit wurden an Land gebracht. Der Wind war inzwischen auf
Stärke 9 gestiegen.
Abb. 2:
Blick in den Zünderladeraum
nach Öffnen der Luke
Die britischen Hafenbehörden weigerten sich, das Schiff in
einen Hafen zu lassen. Zum Beheben der Schäden wäre
nämlich ein längerer Zeitraum erforderlich gewesen, als es
die Hafeneinrichtungen erlaubten. Es wurde u. a. überlegt,
die Ladung in der Irischen See zu versenken, was jedoch
wegen der ungünstigen Wetterbedingungen zu schwierig
erschien. Als weitere Möglichkeit bot sich die Rückkehr in den
Ausgangshafen an, die dann auch beschlossen wurde.
Bei der Untersuchung, der an Land gebrachten Zünder,
erwiesen sich diese als stark korrodiert, bei einigen lagen
innere Teile frei. Der mitgebrachte Sprengstoff Seismo-Gelit
wurde dem für Stabilitätsprüfungen üblichen Abel-Test unterworfen. Bei einer zehnminütigen Erhitzung auf 82,2 °C darf
bei dieser Prüfung ein Testpapier nicht reagieren. Nach 31
Minuten wurde der Test abgebrochen. Die Prüfung hatte
bewiesen, dass die Qualität des Sprengstoffs weit über den
Forderungen der prüfenden Behörde lag.
Am 20. März wurde der Laderaum erneut besichtigt, diesmal
zusammen mit der Feuerwehr. Das Feuer wurde als gelöscht
erklärt und eine Wiederentzündung als unwahrscheinlich
angesehen, „vorausgesetzt, dass sich die Bedingungen im
Laderaum nicht änderten“.
3
Im benachbarten Laderaum für Sprengstoffe war die gesamte Oberfläche der Kisten mit der gleichen teerigen Masse
bedeckt.
Rückführung des Schiffes und seine Entladung
Am 22. März, 19 Tage nach Erkennen des Brandes, verließ
die Hornestrand im Schlepp des Bergeschiffs Typhoon
ihren Ankerplatz, um zu dem Beladehafen zurückzukehren.
Zwei Tage später (24. März) traf das Schiff aus eigener
Kraft unter Führung des dänischen Kapitäns auf der
Sprengstoffreede an der Elbe ein. In Anwesenheit der
Sachverständigen aller beteiligten Stellen wurden hier die
Luken zum ersten Mal geöffnet. Der Anblick war schockierend: Die gesamte erkennbare Oberfläche war von einer
pechschwarzen, schmierigen Schicht überzogen, die nur
durch Fußspuren aus den beiden Besichtigungen unterbrochen war (Abb. 2).
Etliche Kistenstapel waren umgestürzt, bedingt durch das
starke Schlingern des antriebslosen Schiffes während des
Sturms. Über die gesamte Oberfläche verteilt lagen Zünder
oder Zünderreste. Eine Fläche von etwa 10 m2 war als
Brandbereich erkennbar. Dort waren die Kisten zu einem
Gewirr von verkohltem Holz, Zünderresten und verbrannten
Drähten zusammengefallen (Abb. 3). Über dem ganzen
Laderaum lag ein beißender Brandgeruch.
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Schwadenmessungen ergaben jedoch teilweise geringere
als die zulässigen MAK-Werte, heute als AGW-Werte bezeichnet: CO2 = 2.500 ppm, HCl = 3 ppm, CO = 0 ppm. Die
MAK-Werte betragen: CO2 = 5.000 ppm, HCI = 2 ppm, CO =
30 ppm. Der Sauerstoffgehalt betrug 21 %.
Abb. 3: Brandbereich mit verkohlten Kisten und Zünderresten
Abb. 4: Sprengstoffkisten mit Säureschäden
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Besonders in den Ecken und unter Metallteilen waren beträchtliche Einwirkungen einer stark säurehaltigen Flüssigkeit
zu erkennen (Abb. 4). Die beiden Luken waren durch Stahlwände voneinander getrennt. Wenige Millimeter breite Spalten hatten aber genügt, um die Brandschwaden dort eindringen zu lassen. Zum besseren Verständnis soll die Anordnung der Ladung in den einzelnen Bereichen des Schiffes
erklärt werden (Abb. 5): Unter der vorderen Luke 1 lagerten
im Zwischendeck um einen Container herum 350.000 seismische Zünder mit Drahtlängen von 3 m bis 60 m, im unteren
Laderaum 1,3 Mill. Kurz- und Langzeitzünder.
Abb. 6: Korrodierte Zünder
Abb. 5: Schematische Darstellung der Sprengmittellagerung an
Bord der "Hornestrand"
Der Laderaum unter der Luke 2 enthielt im Zwischendeck in
drei Containern insgesamt ca. 20 t gelatinösen Sprengstoff
und Sprengschnur. Im unteren Laderaum befanden sich
225 t Seismo-Gelit 2 in 9.229 Kisten.
Als erstes wurde der gesamte Sprengstoff des hinteren
Laderaums auf Schuten verladen. Hierdurch sollte die
Gefährdung bei einem möglichen erneuten Aufflammen
verringert werden. Der Inhalt der geschwärzten und säurebeschädigten Kisten wurde in neue umgepackt. Dann begann das wesentlich kritischere Entsorgen der Zünder.
Zunächst wurden herumliegende Zünder und Zünderreste
eingesammelt. Da die meisten durch Säure stark angegriffen waren, mussten sie mit großer Vorsicht gehandhabt
werden (Abb. 6). Zum einen wurden Zünder mit beschädigten Hülsen in einem mit Wasser gefüllten Behälter eingelagert, zum anderen gab es zahlreiche rußverschmierte Kisten,
die völlig intakte Zünder enthielten (Abb. 7).
So wurden von beiden Seiten in Richtung Brandherd die
unzerstörten Kisten auf Paletten gestapelt und in Schuten
geladen (Abb. 8a), nachdem der Bereich um jede Kiste vorher sehr sorgfältig auf Zünderreste abgesucht worden war.
Es wurde Sägemehl gestreut, um ein Ausrutschen auf den
Kisten zu verhindern. In unmittelbarer Nähe des Brandherds
wurden die angebrannten Kisten vorsichtig entfernt, wobei
ein Zusammenfallen der Stapel verhindert werden musste.
Hinderlich beim Wegräumen war eine große Zahl Spulen mit
60 m Drahtlänge, die ineinander verheddert waren. Um das
spätere Vernichten zu erleichtern, wurden Zünder- und
Drahtreste voneinander getrennt, soweit das möglich war.
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Abb. 7: Zünderkisten - außen verkohlt - innen scheinbar unversehrt
Abb. 8 : Verladen der Zünderkisten auf Schuten und Aufräumungsarbeiten im Laderaum
Schrittweise wurde so auch der kritische Laderaum leergeräumt (Abb. 8b). Zünder mit kürzeren, gefalteten Drähten
waren teilweise zu Blöcken miteinander verschmolzen
(Abb. 9). Trotz der großen Wärmeeinwirkung enthielten
diese auch nicht detonierte Zünder.
Nach dem völligen Räumen des Zwischendecks wurden
dessen Böden entfernt und das Entladen des unteren Laderaums begann.
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Zur Staubbekämpfung wurde der Schutthaufen öfters mit
Wasser besprüht, besonders gründlich vor dem Arbeitsende,
damit das Wasser über Nacht möglichst tief in den Schutt eindringen konnte. Am letzten Entladetag zeigte sich dann, wie
berechtigt die Zurückhaltung beim Öffnen der Luken gewesen war, denn der Laderaum stand voll Dampf. Die Temperatur im Kern des nur noch 1 m hohen Schutthaufens betrug
mindestens 100 °C. Dies könnte auf Reste des Schwelbrands
zurückzuführen sein, aber auch auf eine Reaktion zwischen
Wasser, Salzsäure und den Resten der Zünder. Unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen wurde weitergearbeitet, die
Reste vorsichtig auseinandergezogen und erst nach dem
Auskühlen weiterbewegt. Unter dem heißen Kern befand sich
sogar eine letzte Lage unbeschädigter Kisten.
Abb. 9: Zu Blöcken verschmolzene Zünderbündel
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Vermutete Brandursache
Abb. 10: Brandherd im unteren Laderaum
Die Brandursache konnte damals nicht mit Sicherheit ermittelt und auch später nicht nachgewiesen werden. Es kann
aber als sicher angesehen werden, dass weder die Zünder
noch deren Verpackung die Ursache gewesen sein können.
Bei der äußerst sorgfältigen Untersuchung des Schutts war
an der bugseitigen Begrenzung des Brandes auf dem Zwischendeck ein Bereich erkennbar, in dem die Temperatur
besonders hoch gewesen sein musste. Die Asche war weiß
und pulvrig und die Zünderreste waren besonders stark verbrannt. Hier wurden Reste zweier dreiadriger Leitungen mit
Lüsterklemmen, Glas und Blech gefunden, die von einer
Lampe hätten stammen können. Weder die Herkunft dieser
Reste, noch deren Zusammenhang mit dem Brand konnte
ermittelt werden.
Abb. 11: Erhaltene Kistenwände im unteren Laderaum
Die genannte Stelle als Ausgangspunkt des Brandes
erscheint denkbar, wenn man die Luftbewegung im Laderaum und das dadurch beeinflusste Ausbreiten des Schwelbrands berücksichtigt. Die Lüfter waren außer Betrieb, deren
Öffnungen jedoch vorhanden. Durch den Fahrwind entsteht
vor der Brücke ein ausreichender Überdruck, um Luft in die
hinteren Lüfteröffnungen zu drücken, so dass im Laderaum
eine langsame Luftbewegung in Fahrtrichtung entsteht
(Abb. 12). Ein Brand breitet sich gegen die Windrichtung
aus, da seine Front dort den höchsten Sauerstoffgehalt findet. Im Schiff bewegte sich deshalb die Brandfront nach hinten, also in Richtung zum Heck. Einer der Böden des Zwischendecks fehlte. Dort waren die Kisten von unten nach
oben durchgestapelt worden. Zwischenräume sind beim Stapeln unvermeidlich.
Auch hier wurden zunächst die unbeschädigten Kisten um
den Brandherd entfernt, so dass dieser von allen Seiten
zugänglich war (Abb. 10). Es waren die Reste von etwa
45.000 Zündern zu bewältigen, die entweder verbrannt oder
beim Verbrennen detoniert waren. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich noch sprengkräftige Zünder
oder Zünderreste im Schutt befanden. Trotz der großen Zahl
verbrannter bzw. nach und nach detonierter Zünder waren
die Wände der Nachbarkisten nicht zerstört, sondern nur
angekohlt. Es wurden sogar in ihrer Form erhaltene Kistenwände gefunden, deren Inhalt völlig verbrannt war (Abb. 11).
Abb. 12: Mögliche Beeinflussung des Schwelbrandes durch die
Luftbewegung
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In diese müssen brennende oder glimmende Stücke von Holz
oder Packpapier gefallen sein, die weiter unten das Kistenholz entzündeten. Die weitere Brandentwicklung war Folge
einer Kaminwirkung, die das Verbrennen eines genau senkrecht auf die Öffnung des Zwischendeckbodens begrenzten
Kistenstapels bewirkte.
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Umfang und Behebung des Schadens
Die genaue räumliche Begrenzung der zerstörten Kisten auf
den eigentlichen Brandbereich ist der bis heute umfangreichste und eindeutigste Beweis, dass die von der Dynamit Nobel
AG hergestellten Zünder nichtmassenexplosionsfähig sind.
Etwa 70.000 Zünder sind hier durch den Brand zerstört worden, ohne in Masse zu detonieren. Räumlich nicht begrenzt
war der Schaden durch die beim Verbrennen der PVC-lsolierung der Zünderdrähte entstandene Salzsäure. Aufgrund der
verbrannten Menge PVC kann bei 30 %iger Konzentration
auf etwa 2 t Salzsäure in den Verbrennungsprodukten geschlossen werden. Viele Zünderkisten zeigten daher auch
schon äußerlich starke Säureeinwirkungen. Nach dem Öffnen
konnten in fast allen Kisten zumindest Spuren von Salzsäure
festgestellt werden; selbst die seewasserfeste Innenverpackung war kein Hindernis für die Dämpfe. In vielen Fällen
waren die Zünderhülsen so stark zersetzt, dass innere Teile
freilagen. Kisten mit erkennbar starker Säureeinwirkung wurden sofort zu einem entsprechend konzessionierten Spezialunternehmen gebracht und dort vernichtet. Alle anderen Zünder wurden zum Troisdorfer Herstellerwerk zurückgebracht,
wo sie ausgepackt und solche mit Säureschäden aussortiert
wurden (Abb. 6). Die restlichen Zünder wurden mehrfach gewaschen, dann getrocknet und neu verpackt. Die verbrannten
und aussortierten Zünder wurden durch neue ersetzt.
In der Zwischenzeit wurde die Hornestrand auf einer Hamburger Werft gereinigt und neu gestrichen. Die von der
Säure angegriffenen Leitungen wurden erneuert (Abb. 13).
Danach wurde das Schiff wieder beladen (Abb. 14) und verließ am 09. Mai die Sprengstoffreede auf der Elbe mit seiner
von den Abnehmern in Afrika dringend benötigten Fracht.
1.800 Kisten Sprengstoff waren umgepackt, 475.000 Zünder neu gefertigt, 1.200.000 Zünder gewaschen, getrocknet
und neu verpackt worden.
Abb. 13: Das erneuerte Schiff „Hornestrand“
Abb. 14: Wiederbeladen des dänischen Frachtschiffes
Abb. 15: Verladen der Zünder ins Flugzeug
310.000 Zünder der ursprünglichen Ladung befanden sich
nicht an Bord. Diese wurden so dringend benötigt, dass der
lange Transport über See und anschließend über Land nicht
abgewartet werden konnte. Sie wurden deshalb auf ein Flugzeug verladen (Abb. 15) und trafen termingerecht an ihrem
Bestimmungsort ein. Die während des Brandes in großem
Umfang bewiesene Tatsache, dass die Zünder der Dynamit
Nobel AG nichtmassenexplosionsfähig waren, hatte diese
Luftfracht ermöglicht.
Es kam beim Brand auf dem mit 245 t Sprengstoff und mehr
als 1,5 Mio. Zündern beladenen Frachtschiff zu keiner verheerenden Explosion - die „Hornestrand“ fuhr nach der Havarie mit ihrer erneuerten Fracht weiter (Abb. 16) und brachte
die Sprengmittel verspätet, aber noch ans Ziel!
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Abb. 16: Die reparierte „Hornestrand“
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Der übergroße Anteil der Zünder und Sprengstoffe war bei
dem Schiffsbrand erhalten geblieben. So hatte der ungewollte Großversuch zur Sicherheit unserer Sprengmittel eine
wegweisende Bedeutung erhalten, auf die noch einmal aufmerksam gemacht werden sollte.
6
Sicherheitstechnische Nachbetrachtung
zur Nichtmassenexplosionsfähigkeit
Die nichtmassenexplosive Bauart ist im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass die Primärladung aus Initialsprengstoff bzw. das DDT-Element (deflagration - detonation
transition) des Sprengzünders in NPED-Bauweise (Non Primary Explosive Detonator) durch eine entsprechende Bauweise vor äußerer mechanischer Einwirkung (wie z. B. Splittereinschlag) geschützt wird. Dieser Entwicklung gingen Versuche voraus, die nachwiesen, dass in der Regel durch
Splittereinschlag in den Initialsprengstoff die Detonationsübertragung zwischen Sprengzündern erfolgt.
Regelungen für die Verpackung dienen der weiteren Erhöhung der Transport-Sicherheit für gefahrgutrechtliche Einordnungen (1.4B oder 1.4S).
Die NME-Bauweise hat Bedeutung für den Gesamtprozess
mit Lagerung, Transport, Bereithaltung und Verwendung.
Der sichere Umgang mit Sprengzündern bei der zuverlässigen Auslösung von gewerblichen Sprengstoffen wird durch
viele sicherheitstechnische Parameter gewährleistet.
Bei elektrischen U-Zündern sind das:
- Nichtansprechstromstärke:
- Elektrostatische Empfindlichkeit:
· Zünderdraht gegen Zünderdraht
· kurzgeschlossene Zünderdrähte gegen Hülse
- Schlagempfindlichkeit:
- Zulässige elektromagnetische Feldstärke:
- Kritische Geschwindigkeit:
0,45 A
> 6 mJ/1
> 12 mJ/1
>4J
2 V/m
> 25 m/s
Während die elektrischen Parameter die Sicherheit gegen
fremde elektrische Energie (Streuströme u. a. m.) absichern,
gewährleisten die mechanischen Parameter (Schlagempfindlichkeit und kritische Geschwindigkeit) die Sicherheit gegen
mechanische Einwirkungen (Aufschlag u. a. m.).
Abb. 17: Dynamit-Nobel-Verzögerungszünder in historischer massenexplosiver Bauart (links) und letzter Troisdorfer MSZ in
nichtmassenexplosionsfähiger Ausführung (rechts)
Hinsichtlich der Auslösung (Explosion) von Sprengzündern
infolge Wärmeeinwirkung (z. B. infolge eines Brandes) wurden in den letzten Jahren in der BAM Untersuchungen im
Miniautoklaven durchgeführt [3]. Es konnte festgestellt werden, dass im Wesentlichen die Zünd- bzw. Explosionstemperaturen, d. h. hier die Temperaturen, bei denen spontan eine
Explosion eintritt, von der Heizrate und dem Sprengstoff der
Sekundärladung abhängen. Nachstehende Abbildung zeigt
Messkurven im Miniautoklaven. Die Differenztemperatur ist
die Differenz zwischen der Temperatur der zu untersuchenden Probe zu der Temperatur einer Referenzsubstanz. Auf
der Abszisse ist die Temperatur, bei der spontan eine Explosion auftritt, abzulesen (in Abhängigkeit von der Heizrate).
Hier ist ab 140 °C mit einer Spontan-Explosion zu rechnen
(Abb. 18).
Diese NME-Bauweise von Zündern wird allein durch das
Zünderdesign abgesichert. Dabei erfolgte die Entwicklung
der NME-Bauweise bereits mit der Einführung der pyrotechnischen Millisekundenverzögerung nach 1950. Aus produktionstechnischen Gründen wurde die zweiteilige massenexplosive Bauweise aus Verzögerungsröhrchen und Innenhütchen
für die Primärladung (Abb. 17, links) in eine einteilige Bauweise geändert, die aus Verzögerungselement mit integrierter Primärladung bestand, ohne dass die NME-Eigenschaft
erkannt worden wäre (Abb. 17, rechts) [2].
Nach Erkennen der Unterschiede zwischen Moment- und
Verzögerungszündern hinsichtlich der Detonationsübertragung wurde nach 1980 auch die Bauweise der Momentzünder entsprechend angepasst. In Verbindung mit entsprechend langen Zünderdrähten in einer sogenannten „Zünderdrahtpuppe“ ergibt sich die NME-Eigenschaft.
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Abb. 18: Bestimmung der Explosionstemperatur von U-Sprengzündern (Untersuchung im Autoklaven mit 4 verschiedenen
Heizraten)
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Abb. 19: Anordnungen von Donator und Akzeptor bei Versuchen
zur Übertragungsweite
Eine wesentliche Zündereigenschaft zur Beschreibung der
Qualität einer Nichtmassenexplosionsfähigkeit wird durch
die experimentelle Untersuchung der Detonationsübertragung von einem gezündeten auf einen nichtgezündeten Zünder bestimmt. Dabei gibt es verschiedene Zünderanordnungen, von denen im Folgenden nur zwei dargestellt werden
(Abb. 19). Die Tabelle 1 beschreibt dazu die Übertragungsweiten unter Beachtung von entsprechenden Wahrscheinlichkeiten [4].
Tab.1:
NME-Übertragungsweiten und Wahrscheinlichkeiten
(nach BAM/Steidinger 1976, 100 % Übertragung bzw. 0 %
Übertragung)
Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse ist davon auszugehen, dass in der Regel die Übertragungsweite der Sprengzünder in NME-Bauweise 1/3 der Übertragungsweite der
Zünder in ME-Bauweise beträgt. Hinsichtlich der Detonationsübertragung ist festzustellen, dass die Zünderdrähte eine
wichtige Bedeutung bei der NME-Bauart der elektrischen
Zünder besitzen [5].
Nach amerikanischen Empfehlungen (SLP 20) sind elektrische Zünder nichtmassenexplosionsgefährlich, wenn die
Zünderdrähte >1,25 m lang sind und die Sekundärladungsmasse < 1,0 g beträgt [6]. In mehreren Versuchsreihen wurde
gemeinsam von Bergaufsicht, K+S AG und BAM die Detonationsübertragungsrate von unverpackten elektrischen Zündern zur Überprüfung hinsichtlich möglicher Massenexplosion bestimmt.
Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 angegeben. In keinem Fall
gab es eine Massenexplosion. Maximal wurden 3 Zünder
von einem Zünder durch die Detonationsübertragung gezündet [5].
Die unterschiedlichen Bauartmerkmale von ME- und NMEZündern sind bereits in Abb. 17 dargestellt worden. Neben
einer Basissicherheit, die durch die NME-Bauart von Sprengzündern bereits gegeben ist, bleibt ihre arbeitsschutzgerechte Verwendung [7] mit schonender und weitere Gefahren
abwendender Arbeitsweise unerlässlich. So sind mechanische, thermische und elektrische Einflüsse zu beachten, die
zu Brand- bzw. Explosionsursachen werden können, wie z. B.:
- Mechanische Belastungen bei freiliegenden Zündern und
beim Einbringen derselben in die Laderäume,
- Wärmequellen wie Motoren, Heizquellen, Brände,
- Elektrostatische Gefährdungen beim pneumatischen Laden
von Sprengstoffen,
- Sendeanlagen
- Beachtung von Streuströmen, die schon von der Fahrzeugelektrik ausgehen können, wenn Ladefahrzeuge an der
Sprengstelle arbeiten.
Abschließend ist zu betonen, dass der NME-Zünder eindeutig zum Stand der Technik in Europa gehört. Es ist aber auch
daran zu erinnern, dass es beim Umgang mit Zündern
immerhin noch Tote infolge Massenexplosion von Zündmitteln in den letzten Jahren in Europa gab. So starben je ein
Mensch 2007 in Deutschland bei der Vernichtung von > 100
ME-Zündern und 2009 in der Schweiz bei der Vernichtung
von ca. 200 Zündern an den Folgen einer Massenexplosion.
7
Literatur
[1] König, Rolf: Der Brand auf dem Frachtschiff Hornestrand,
Nobel Hefte 73/74 (2007/2008), S. 179
[2] Nobel Hefte (73./74. Jg.) 2007/2008, Sprengtechnischer
Dienst der Orica Germany GmbH, Troisdorf,
Auszüge S. 11 (Bild 13), S. 63 (Bild 27)
[3] Knorr, A., Krebs, H.: Testing of DNT and TNT by the miniautoclave method, BAM Berlin, unveröffentlicht, 2012
[4] Steidinger, M.: Klassifizierungsversuche mit elektrischen
Zündern mit und ohne Verzögerung, ICT-Jahrestagung,
Karlsruhe, 1976
[5) Krebs, H., Schreck, A.: Untersuchung zur Detonationsübertragung zwischen Zünder und Sprengstoff mit
Schlussfolgerungen für die Aufbewahrung, Jahrestagung
2006 für Sicherheit im Bergbau, bmwfj, Österreich
[6] IME, SLP No. 22:, Recommendations for the safe transportation of detonators in a vehicle with certain other
explosive materials, USA, February 2007
[7] BGRCI, BGR/GUV - R 241: Regel Sprengarbeiten, März
2012
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Anschrift der Autoren:
Dr. Frank Hammelmann
Orica Mining Services
www.oricaminingservices.com
Tab. 2: Detonationsübertragungsrate von U-Sprengzündern in
NME-Bauweise
SPRENGINFO 34(2012)2
Dr. Holger Krebs
Bundesanstalt für Materialforschung
und -prüfung (BAM)
www.bam.de
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