Warum Markus Lehnigk wirklich aufhört

Sächsische Zeitung Weisswasser vom 15.09.2015
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Von Sandra Stibenz
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Sport
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WSW Weißwasser
Tageszeitung
Warum Markus Lehnigk wirklich aufhört
Nach neun Jahren als Profi bei den Lausitzer Füchsen ist Schluss - nicht nur wegen der
beruflichen Karriere.
Das erste Heimspiel der Lausitzer
Füchse in dieser Saison am Sonntag war
für Markus Lehnigk ein besonderes. Der
Stürmer wurde offiziell verabschiedet.
Nach neun Jahren Profi-Eishockey stand
er wohl letztmalig vor solch einem
großen Publikum auf dem Weißwasseraner Eis - in zivil. Danach, r am Rande
des Eisovals als Zuschau ezu stehen das fiel Lehnigk schwer. Aber daran
muss er sich gewöhnen. Zumindest in
Weißwasser: "Man fiebert als Zuschauer
viel mehr mit", sagt er. Auf dem Eis als
Spieler sei man in seinem Element. Da
handle man einfach. Als Zuschauer kann
man nichts beeinflussen." Er hätte gut
noch mitmischen können. Lehnigk ist
gerade 27 Jahre alt geworden, hat trotzdem bereits 413 Profispiele hinter sich alle für Weißwasser. 68 Tore hat er
dabei erzielt, 70 Vorlagen gegeben. Das
letzte Jahr mit 14 Toren und 24 Vorlagen in 54 Spielen war sein bestes. Und
erfahrungsgemäß hat Lehnigk die besten
Stürmerjahre noch vor sich. Warum hört
so einer auf?
Im Gespräch wirkt Markus Lehnigk
ruhig und überlegt. Jeder Satz aus seinem Mund klingt nach einem jungen
Mann, der sich sehr bewusst ist, in welcher Situation er sich gerade befindet.
Er muss dem Gegenüber seine Gedanken und Gefühle mitteilen. Vernünftig
soll es klingen, logisch und aufgeräumt.
Dennoch: In fast jedem seiner Sätze
schwingt Wehmut mit, wenn Lehnigk
erzählt, weshalb er jetzt aufhört. Überraschend, für ihn und für die vielen Fans.
"Ende Juli habe ich mich entschieden",
so Lehnigk. "Mehrere Gründe haben
den Ausschlag gegeben", sagt er. Von
Beginn seiner Karriere an war ihm klar,
dass diese endlich ist. Und dass das
Ende nicht erst mit 35 Jahren kommen
muss. Seit 2006 war er fester Bestandteil bei den Profi-Füchsen - spielte
zunächst nebenbei als Förderlizenzspieler in Niesky und Jonsdorf.
Eine Karriere, die es heutzutage so
kaum noch gibt: die ersten Schritte auf
dem Eis - in Weißwasser, die ersten
Spiele bei den Kleinsten - in Weißwasser, die ersten wichtigen Spiele im
Nachwuchsbereich - in Weißwasser und
schlussendlich, die Karriere in der DEL
2 - in Weißwasser. Das Besondere in
diesem Fall: Das Karriereende - nach
einer richtig guten Saison für den Stürmer Lehnigk - in Weißwasser.
Aber: "Ich werde nicht ganz aufhören zu
spielen", sagt er. Das dürfe man gar
nicht. Das würde dem Körper schaden.
Zumal er das Sommertraining der
Füchse weitestgehend mitgemacht hat.
Krafttraining, Ausdauer - alles um sich
ohne Eis fit zu halten und austrainiert in
die neue Saison zu starten. Jetzt wird er
diese Fitness aber nicht auf dem Weißwasseraner Eis zeigen - sondern
irgendwo in Sachsen. Das verrät Lehnigk schon. Er wird nicht weit weg
gehen. Karrieretechnisch kann er in
Sachsen bleiben. Und das ist gut so.
Denn hier bleiben ihm die Freunde
erhalten und seine Liebe in Dresden.
"Ich überlege auch mit den alten Herren
in Weißwasser zu trainieren", sagt er.
Wie genau er das zeitlich alles hinbekommen will, das wird sich in nächster
Zeit zeigen.
Der sonst so durchorganisierte Lehnigk
will schauen, wie sich in Zukunft alles
gestaltet. Sicher ist, dass er ins Krankenhausmanagement will. Sein Vater
arbeite auch in diesem Bereich. Daher
das Interesse dafür. Jetzt geht Lehnigk
erstmal zum Praktikum, voraussichtlich
in Westsachsen. Das verlangt der künftige Arbeitgeber. Lehnigk hat ein klares
Ziel vor Augen. Er kennt einige Alternativen, wenn die Realität einer Stelle mit
seinen Vorstellungen nicht übereinstimmt. Und Lehnigk ist zielstrebig.
"Karriere machen, in eine Leitungsfunktion kommen, das ist schon mein
Anspruch", so der 27-Jährige.
Dass er selbstdiszipliniert genug ist, um
dieses Ziel zu erreichen, hat er sich und
anderen schon mehrfach bewiesen: Eine
Profi-Karriere bei den Füchsen und
nebenbei das Abitur, später Zivildienst
und Studium. Bislang hat alles super
geklappt. Vor einem Jahr hat er seinen
Bachelor in Wirtschaftswissenschaften
gemacht - ein Fernuni-Abschluss. Viele,
die so studieren, brechen ab: zu wenig
Motivation, zu wenig Betreuung, zu
wenig Durchblick und viel zu viel Theorie. Nicht aber Lehnigk. Im Gegenteil.
Er hängt jetzt den Master dran. Seit drei
Semestern - anderthalb Jahren - studiert
er schon wieder fleißig. Vier Prüfungen
hat er jetzt schon hinter sich. "Mathe ist
am Freitag", sagt er. Eigentlich sei das
ganz cool. Bis auf Stochastik. Das sei
nicht sein Lieblingsgebiet. Egal. Durch
muss und will er. Ihm bleibt nichts
anderes übrig, nachdem er sich nun entschieden hat. Schwer wird es ihm fallen,
sagt Lehnigk über die nächsten Monate
und Jahre. Er sei schon traurig. Hockey
habe bislang seinen Alltag, sein ganzes
Leben diktiert.
Jetzt ist plötzlich alles anders. Er war
auf dem Eis in Weißwasser quasi zu
Hause. Die Jungs - Bartlick, Wartenberg, Götz, Heyer - sind seine Freunde.
"Ich werde es vermissen", so Lehnigk.
"Das Umfeld in der Kabine, die Anspannung vor den Spielen, das Glücksgefühl
bei den Siegen." Tore in Sachsenderbys
waren immer besonders emotional. In
der vergangenen Saison waren es gleich
vier, drei gegen die Dresdner Eislöwen
und eins gegen Crimmitschau. Lehnigk
hat eine gute Saison gespielt. Er hat
gemerkt, dass ihm auch seitens des Trainers und der Mannschaft mehr Vertrauen entgegengebracht wurde. Mit
Thomas Götz hat er super harmoniert im
Sturm.
Hätte er seine berufliche Karriere nicht
noch ein, zwei Jahre aufschieben können? "Es fällt mir schwer, darüber zu
reden" sagt er. Niemand soll sich auf
den Schlips getreten fühlen - das will er
nach dem Weggang nicht bezwecken.
"Die Verhandlungen für die neue Saison haben im ersten Anlauf nicht
geklappt." So lautet die kurze und
knappe Ansage von Markus Lehnigk.
Mehr will er dazu nicht sagen.
Natürlich lässt diese Aussage kaum
Raum für Spekulationen. In der Weißwasseraner Fanszene ist es ein offenes
Geheimnis, dass fast alle Spieler, die aus
dem eigenen Nachwuchs stammen, für
kleines Geld spielen. Es reicht einfach
nicht zum Leben. "Der Verein hat dasselbe Recht wie ich ‚Ja‘ oder ,Nein‘ zu
sagen. Davon hat er Gebrauch gemacht.
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Ich wusste von Beginn an: Mit Hockey
kann ich mein Geld bis zur Rente ohnehin nicht verdienen." Mit ungefähr 30
wäre sowieso Schluss gewesen. Das
stand für ihn schon lange fest. Was also
bleibt? Eine sehr gute letzte Saison und
das Gefühl, dass die Oberligavereine
derzeit sehr interessiert sind an dem ExFuchs. Deshalb freut er sich auch auf
das, was da kommt. Wo auch immer das
sein wird. Leipzig, Halle, Dresden. "Auf
alle Fälle eine große Stadt in Sachsen",
so derjenige, der jetzt ein Ex-Fuchs ist.
Bildunterschrift:
So werden die Fans Markus Lehnigk in
Erinnerung behalten. Im blauen Trikot,
mit dem Blick für den Nebenmann.
Foto: Gunnar Schulze
Bildunterschrift:
Hier hatte der Ex-Fuchs Markus Lehnigk seine Wirkunsstätte. Jetzt trainiert
er auch in der Eisarena Weißwasser aber mit den Nieskyer Tornados. Eine
Zwischenstation - bevor er weggeht.
Foto: S. Stibenz
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