Tag 4: Vom Krügerpark zum Blyde River

Tag 4: Vom Krügerpark zum Blyde River
Am nächsten Morgen hat der Wind endlich nachgelassen und ein strahlender Tag mit
milder Luft erwartet uns. Zwei einheimische Frauen haben auf der Restaurantterrasse den
Morgen mit Trommelschlagen begrüßt. Dazu stehen an der Terrasse zwei riesige Trommeln. Die Verabschiedung des Tages am Abend zuvor hatte ich miterlebt.
Wir versammeln uns wieder zu früher Stunde zum Frühstück auf der Terrasse, und sitzen
draußen an zwei langen Tischen in der strahlenden Morgensonne. Das Büffet ist im Restaurant aufgebaut, die Eier bestellt man bei den bedienenden Frauen. Welch eine Konfusion!
Es gibt eigentlich zwei Eier mit Speck, Tomate usw., halt Standard. Zu wählen ist nur die
Form des Eis. Nun besteht aber bei einigen der Wunsch nur ein einzelnes Ei ohne Garnierung zu bekommen. Das wird von den bedienenden Frauen
nicht unbedingt verstanden, mangels geeigneter Sprachkenntnisse einerseits und der Unflexibilität andererseits,
etwas anderes als das Standard­ei zu servieren. Das Ganze
toppt sich, wenn jemand ein Ei in der Form erblickt, in der er
es bestellt hat, und sofort hier schreit, egal ob er eigentlich
an der Reihe ist oder nicht. Ich beschränke mich lieber auf
Frühstückstische in Letaba
die anderen Köstlichkeiten wie Brot, Käse und Obst.
Was das Frühstück zu einem unvergesslichen Erlebnis
macht, sind neben dem herrlichen Blick über das wasserlose, riesige Flussbett des Letabaflusses die vielen wunderschönen Vögel, die sich auf und neben dem Tisch um die
Krümel streiten. Ein Vogel schöner als der nächste in leuchtenden Farben und mit schillernden Federn. Ich hätte mich
doch bequemen sollen ein Foto zu schießen, zumal wenn
sie sich gerade wieder frech über einen Tellerinhalt hermachen! Sie sind einfach zu hübsch.
Flugs ist es schon wieder Zeit den Platz im Bus einzunehmen. Beim Verlassen der Terrasse entdecke ich noch ein
Schild, das den Höchststand der Flut im Jahr 2000 anzeigt,
die das Wasser bis kurz vor die Terrasse hat steigen lassen.
Eine unglaubliche Vorstellung bei dem breiten Flussbett.
Damals waren die Nachrichten voll mit den Überschwemmungen im benachbarten Mosambik.
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Vogelbesuch am Frühstückstisch
Letabafluss - ohne Wasser
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Unsere Koffer sind bereits reichlich vor dem Frühstück abgeholt und verladen worden, sodass wir nun bequem einsteigen und zur ‚Frühsafari’ aufbrechen können. Neun Uhr ist es
jetzt, da sind längst alle Tiere wieder verschwunden, schließlich fährt man sonst nicht umsonst gleich um sechs Uhr los, wenn die Tore sich öffnen und frühstückt anschließend.
Bussafari
Als wir mit unserem Bus auf die Straße abbiegen, bin ich froh, dass wir uns am vorherigen
Tag den Jeep als Transportmittel geleistet haben. Hier oben im Bus ist man unendlich weit
entfernt und distanziert. Außerdem ‚rast’ Gerhard mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit durch den Park zum Ausgang am Tor Phalaborwa, denn unser Tagesprogramm ist
dicht gedrängt mit den vielen Sehenswürdigkeiten des Blyde River Gebiets und bis zum
nächsten Hotel wird es eine ganz schöne Strecke werden.
Trotzdem haben wir gleich wieder Elefantenbegegnungen. Sie stehen diesmal paarweise,
leider weiter weg, in den Büschen. Da diese kahl und klein und die Elefanten nun mal groß
sind, sind diese prächtig zu sehen. Aber sie stehen leider einfach nur so da, ohne sich groß
zu bewegen. Der Bus hält kurz für die begeisterten Fotografen.
Gerhard fährt uns zu einem kleinen Stausee, dem Nhlanganini Dam, an dessen gegenüberliegenden Ufer sich ein wirklich riesiges Krokodil sonnt. Leider sind keine Nilpferde zu
sehen. Da wir danach wieder recht zügig fahren, ist nichts weiter zu entdecken. Außer einer
großartigen Sichtung: eine ganze Büffelherde. Diese bewegt sich in langer Linie schräg
einen Hügel hinunter. Leider sind sie so weit weg, dass sie selbst mit Fernglas und auf dem
gezoomten Foto kaum zu erkennen sind. Aber immerhin noch eine Büffelherde. Big Five
Teil zwei.
Ein einsames Krokodil
Büffel in weitere Ferne
Termitenhügel
Da wir das Tor bei der Stadt Phalaborwa ansteuern, ist unsere Fahrt durch den Park nur
noch kurz. Das Buschland wechselt zur Savanne mit nur mehr einzelnen kleinen Bäumchen. Dazwischen, über ein langes Gebiet hinweg, unzählige Termitenhügel. Riesengroße,
teils alte verfallene, teils neue spitze Hügel. Viele, die oben einen Baum oder Busch herauslugen haben. Termiten suchen gerne einen Baum als Stütze für ihren Hügel und bauen die-
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sen drum herum. Eine faszinierende Landschaft. Waltraud und ich vergnügen uns damit,
sie aus dem rasenden Bus heraus zu fotografieren.
Schon kommen die Drakensberge und die Abbruchkante des Highveld näher. Ein merkwürdig geformter Hügel fällt sehr auf und Karin fordert uns auf, einen passenden Namen
zu suchen, mit dem sie ihn zukünftig anderen Gruppen vorstellen will. Was passendes, das
gefällt, finden wir nicht, aber die Zeit ohne Tiersichtungen verstreicht schneller.
Hohe Schornsteine weisen auf die sich nähernde Industriestadt Phalaborwa und damit
auf das Ende unseres kurzen Aufenthaltes im Krügerpark. Die Stadt ist erst 1957 gegründet worden. Sie entstand an einem Vulkanschlot mit vielen Bodenschätzen, die nun gefördert und verarbeitet werden. Dazu gehören Phosphate, die zu Dünger verarbeitet werden,
Schwefel zu Schwefelsäure und es wird Kupfer gewonnen. Außerdem wird die weltweit
halbe Fördermenge an Vermiculit abgebaut, einem Mineral mit hohem Aufsaugevermögen, das unter anderem als Bindemittel für Wasser über Chemikalien bis hin zu Katzenstreu verwendet wird. Die Bergbauunternehmen haben bei der Anlage der Stadt nicht an
Freizeitanlagen gespart, sodass wir beim Durchfahren eine schön angelegte grüne Stadt
zu Gesicht bekommen. Erst außerhalb sind die zahlreichen hässlichen Bergwerke und Fabriken zu sehen.
Aber schnell lassen wir die Stadt hinter uns und streben unserem Hauptziel des Tages entgegen: Die Sehenswürdigkeiten der Drakensberge am Blyde River. Unser Tagesziel wird unser Hotel in der Schloemannskloef sein. Ich bin schon gespannt, was ich diesmal zu sehen
bekomme, haben wir doch 1992 schon dieses Gebiet bereist – und bewundert. Was werde
ich Neues sehen und wie hat sich Bekanntes verändert.
Die Drakensberge sind eine Bergkette, die über 1000 Kilometer
hinweg die Abbruchkante des
zentralen Hochvelds bildet. Ihr
südwestlichster Bereich an der
Grenze zu Lesotho ist zugleich mit
Gipfeln bis zu 3376 m der höchste
und liegt in der Provinz von Natal.
Er zeichnet sich durch eine besonBlick vom Lowfeld aufs Hochveld
ders wilde Schönheit der Berge
aus, was wir noch nachprüfen werden. Zuerst werden wir nun den nordöstlichen Teil der
Drakensberge erkunden, die zum früheren Transvaal, heute die Provinz Mpumalanga, gehören. Der Höhenunterschied zum Lowveld beträgt hier ‚nur’ 1000 m und wir haben die
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Abbruchkante nun schon mehrfach von unten bewundern können. Die Schönheit dieses
Gebiets wird durch die tief eingegrabenen Schluchten zweier Flüsse, diverser Wasserfälle
und den unvergleichlichen Ausblicken auf das Lowveld gebildet. Die Bezeichnung Panoramaroute ist äußerst angemessen. Beim Anblick dieser Naturschönheiten sollte man sich
in Erinnerung rufen, dass Südafrika geologisch gesehen mit zu den ältesten Landschaften
gehört.
Zuerst einmal steuern wir erneut den
Abel-Erasmus-Pass an, über den wir
wieder auf das Hochveld zurückkehren.
Diesmal halten wir wie versprochen vor
dem Tunnel an, um einen letzten Blick
auf das Lowveld mit seinen Tierparks
zu werfen. Tatsächlich haben wir eine
beeindruckende Aussicht auf das sich
ausbreitende Tal des Olifants Rivers, die
Blick vom Abel-Erasmus-Pass
weite trockene Ebene und auf verstreut
liegende Hütten. Sieht man zu den Bergen hin, kann man nun genau erkennen, wie die
einzelnen Gesteinsschichten schräg liegen und wie sie hoch gefaltet wurden. Ob Karin ihren Spruch über die Luftreinheit und die mit Flechten übersäten Felsen wieder ausspricht?
Nein, diesmal nicht.
Natürlich stehen schon die Frauen bereit
ihre Holzschnitzereien zu verkaufen. Leider
ist auch hier nur noch die Massenware von
irgendwoher erhältlich. Es gibt kaum Elefanten, das Tier des Jahres scheint das Nilpferd zu sein. Ich finde ein kleines, das ganz
lieb ausschaut. Auch die anderen sind mit
eifrigem Handel beschäftigt. Wir sind wirklich brave Touristen und tun was für den
Blick vom Abel-Erasmus-Pass
Verdienst der armen Bevölkerung. Bei einigen meiner Mitreisenden zeigt das auf die Schulter gebundene rotznasige Baby die erwünschte Wirkung und regt zu verstärktem Einkauf an. Ich stelle fest, dass sich die Frauen
keine Gesichter merken, denn die, bei der ich gekauft habe, zerrt mich bei jedem neuen
Vorbeigehen erneut am Ärmel und bittet mit flehentlicher Stimme um einen Kauf.
Aber schon heißt es wieder rein in den Bus. Das wird auch die Devise des Tages sein: kurz
raus und pünktlich wieder zurück, damit wir alle angesteuerten Punkte schaffen können.
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Panoramaroute im Blyde River Gebiet
Der Blyde River Canyon ist mit Sicherheit eine der spektakulärsten landschaftlichen Sehenswürdigkeiten Südafrikas. Natürlich ist er nicht direkt mit dem Grand Canyon vergleichbar, die Dimensionen sind einfach anders, was ihm aber nichts von seiner Schönheit
nimmt. Der Canyon ist 26 km lang, aber eigentlich sind es zwei, nämlich der Blyde River
Canyon und der Diepkloof Canyon. Der erste ist durch den Blyde River, der zweite durch
Blyde River Canyon ...
mit den Drei Rondavels...
und dem Blick ins Lowveld
den Ohrigstadt River entstanden. Die zur Erosion nötigen Wassermengen entstehen durch
den Höhenunterschied von über 1000 Metern zwischen Lowveld und Highveld. Die vom
Indischen Ozean heran getriebenen feuchten Luftmassen werden beim Aufsteigen abgeregnet und fließen in den Flüssen wieder zurück. Aufgrund des starken Gefälles werden so
die Berge weiter abgetragen.
Zunächst fahren wir wieder am Tor des Aventura Camps vorbei. Sieht noch genauso aus,
wie vor zwei Tagen! Unser nächster Aussichtspunkt ist gleich dahinter. Viel zu viele andere
Busse stehen hier schon mit haufenweisen Kindern, da zurzeit Schulferien sind. Mit ihnen
gemeinsam streben wir zu einem Aussichtspunkt, um die drei Rondavels zu bewundern.
Da ich mich nicht mit auf den kleinen Aussichtsbalkon quetschen mag, kann ich nicht in
das Tal sehen. So verpasse ich den berühmten Blick auf den Staudamm. Stattdessen traue
ich mich auf einem Pfad über flache Steine weiter vor zur Kante. Natürlich bleibe ich wie
anbefohlen auf dem Pfad in einem angemessenen Sicherheitsabstand zur unbefestigten
Kante stehen, schließlich bin ich nicht schwindelfrei und es geht steil und sehr tief ins Tal
bergab. Was macht man nicht alles, um die drei Buckel der Rondavels in recht ordentlichen
Bildern festzuhalten. Sie sehen wirklich wie die Hütten der Einheimischen aus: rund und
mit einem spitzen Dach. Ich erblicke ein bisschen Blyde River unten im Tal und hinter den
Rondavels an den Bergen vorbei wieder das Lowveld. Der höchste Berg hier ist der Mariepskop mit 1944 m.
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Bourke’s Luck Potholes
Das nächste Ziel sind die Bourke’s Luck Potholes. Jetzt bin ich gespannt, die haben wir beim
letzten Mal nicht besucht.
Der Name entstand, weil ein Mann namens Bourke dort 1870 im Blyde River Gold gefunden hat, allerdings sind die Vorkommen nicht
sehr ergiebig gewesen. Dagegen werden hier beim Anblick der aus
den weichen Felsen geschmirgelten Strudelkessel Geologenherzen
höher schlagen. Diese entstanden vor Millionen von Jahren durch die
damals reichlich vorhandenen Wassermassen.
Brücke und ...
Löcher der ...
Die Potholes liegen am Zusammenfluss der beiden Flüsse Blyde und
Treur. Die Namen stammen von den Vortrekkerfrauen, die hier von ihren Männern zurückgelassen wurden, die alleine Richtung Küste und
der Stadt Maputo weitergingen. Als sie zur vereinbarten Zeit nicht
zurückkehrten, nannten die Frauen den Fluss, an dem sie kampierten,
in ihrer Trauer ob des vermeintlichen Verlustes der Männer „TrauerTreur“. Als die Frauen weiterzogen und später doch noch von ihren
Männern an einem weiter westlich fließenden Fluss eingeholt wurden, nannten sie diesen „Blyde-Freude“.
Wir steigen einen bequemen Weg zu den Flüssen hinab, die sich dort,
nachdem sie zusammengeflossen sind, in den rötlichen Fels eine tiefe Schlucht gegraben haben. Beeindruckend die vielen Kessel, Löcher,
Zylinder und Halbbögen, die die Kraft des Wassers mit rotierenden
Steinen in Jahrmillionen in den Fels geschliffen hat. Allerdings sind
jetzt nur einige stille Wassertümpel zu erkennen, in denen sogar rundgeschliffene Steine liegen. Nach dem trockenen Winter kann man die
Höhlen wegen des wenigen Wassers besonders gut beobachten. Das
bisschen Wasser sieht so friedlich aus, dass man sich die Macht des
Wassers mit den Mahlsteinen kaum vorstellen mag.
Wir klettern steile Stufen hinab, passieren das erste kleine Tal über
eine Brücke, die besondere Ausblicke auf die vielen Löcher und die
Potholes
Schlucht bietet. Der Weg führt weiter über eine Ebene aus flachen
Felsbrocken. Wir sehen den schmalen Blyde River in einem kleinen Wasserfall über große
Granitstufen in die Schlucht stürzen. Wir bewundern das dunkelgrüne Wasser der beiden
Flüsse in der Schlucht und lassen uns immer wieder von Sonnenstrahlen auf Wasserflä-
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Bourke‘s Luck Potholes ...
Schmirgellöcher im Felsen
Wasserfall des Blyde
chen blenden. Über den eleganten Bogen einer zweiten Brücke kehren wir wieder zu den
Ausgangstufen zurück.
Mein Spaziergang wird etwas gestört, weil natürlich mal wieder der Film an unpassender
Stelle zu Ende ist. Leider auch die Batterie, weshalb der neue Film nicht eingezogen wird.
Das bemerke ich allerdings erst nach einer Weile, weil ich das alles während des Gehens
machen muss, denn es heißt wieder eilig, eilig, eilig. Dafür gibt es nun schöne Detailaufnahmen von der anderen Kamera. Es sind auch hier erstaunlich viele Besucher unterwegs.
Ich klettere gemeinsam mit Waltraud wieder zurück und wir können uns ein paar Anmerkungen über die Leuten nicht verkneifen. Besonders begeistert bin ich, als ich an französisch sprechenden Füßen meine Lieblingssandalen entdecke!
God’s Window
Die nächsten beiden Halts bieten uns einen
beeindruckenden Ausblick auf das Lowveld.
Der zweite Halt wird als God’s Window bezeichnet, weil er etwas weiter zurückliegt
und die vorstehenden Felsen wie ein Fensterrahmen wirken. Am ersten Ausblick
können wir ungetrübt in die Runde blicken,
immerhin sind wir hier ungefähr 1800 Meter hoch und blicken Richtung Osten auf
Blick vom God‘s Window aufs Lowveld
das immerhin 1000 Meter tiefere Lowveld
über den Krügerpark bis hin zu den Limpopo-Bergen, der Grenze zu Mosambik. Im Westen
sind die bewaldeten Berge und im Norden der Blyde River Canyon zu erkennen. Laut Karin
und Gerhard haben wir Glück, denn meistens ist der Blick durch die aufsteigenden Wolken
verwehrt, die gerne am Nachmittag erscheinen. Hatte nicht Gerhard gestern Abend erwähnt, dass wir uns deshalb heute beeilen müssten? Jedenfalls hat es geklappt und weit
und breit ist keine Wolke zu sehen. Ich kann mich erinnern, dass wir bei meinem ersten
Besuch die gleiche gute Sicht hatten.
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Die Pflanzen begeistern uns. Allerdings schimpft Karin über die stetigen Pflückerinnen, die
an einer Pflanze rupfen, um anschließend daran zu reiben und zu riechen. Ziel ist es eine
Familienzuordnung zu erraten. Allerdings ist es in den Naturparks strikte Regel nichts wegzunehmen und nichts liegen zu lassen, was schließlich sinnvoll ist, sollen sich doch alle an
der Natur erfreuen können. Karin müsste sogar die abgepflückten Blumen wegnehmen.
Fortan werden also die gepflückten Pflanzen heimlich in den Bus geschleust. Wie praktisch,
dass meine Begeisterung für Pflanzen sich auf schöne Fotos beschränkt, die ich mir uneingeschränkt mit nach Hause nehmen kann.
Graskop
Die späte Mittagszeit ist erreicht und wir nähern uns dem Ort Graskop. Da unser Fahrer
dort unbedingt Halt machen will, hat Karin das geschickt in eine Lunchmöglichkeit für uns
umgewandelt und Tische in einem Restaurant bestellt, dessen Spezialität gefüllte Pfannekuchen sind. Manchmal würde man sich wünschen, dass ein Restaurant von unterwegs
genauso auch in München zu finden wäre. Diese Kneipe gehört eindeutig dazu! Bis hin
zu dem sauberen Klo alles perfekt! Waltraud und ich hätten am liebsten noch die schicke
Kaffeekanne erstanden. Endlich mal kein Einheitsglasmodell, um das Kaffeepulver in der
Kanne ziehen zu lassen und dann zu pressen, sondern wirklich schick aus mattiertem Metall. Wir teilen uns einen salzigen Pfannekuchen mit Champignons und einen süßen mit
Apfel. Köstlich.
Zuvor haben wir uns den Ort angeschaut. Es gibt eine Bank und viele Souvenirläden. Ein
Ort an einer Kreuzung, ein paar wenige Häuser, alles sehr übersichtlich. Von dem quirligen
Zentrum eines ehemaligen reichen Fundgebietes für Diamanten mit tausenden von Diamantensuchern ist in dem heutigen beschaulichen Mittelpunkt für Land- und Forstwirtschaft nichts mehr zu spüren. Angeblich gibt es hier das beste Biltong nördlich von Durban.
Biltong ist gewürztes, getrocknetes Fleisch, meistens Wild, sonst Rindfleisch. Heute dient es
als Chipsersatz, früher war es die Nahrung der Vortrekker. Waltraud und ich haben uns in
dem kleinen Lädchen Biltongstreifen vom Eland, mild, und vom Kudu, würzig, ausgesucht
und mit der Maschine kleinschnipseln lassen. Ich nehme noch getrocknete Broerwurst
mit, die deutlich bessere Version von Bifi. Das Biltong ist wirklich köstlich und wird in den
nächsten Tagen oft mein Mittagessen bilden. Es ist ein lustiger Einkauf, weil ein Mann uns
vorschwärmt, wie köstlich gerade dieser Biltong sei und er extra dafür aus Durban käme.
Eigentlich muss er uns nicht mehr überzeugen, wir vertrauen Gerhard.
Leider entdecke ich erst viel zu spät, als wir nämlich schon wieder in den Bus einsteigen
müssen, dass ein Laden Tiere aus Plastiktüten angefertigt anbietet. Über diese neue Kunst
des Recyclings in Afrika hatte ich einen Bericht gesehen und mir einen Kauf vorgemerkt.
Die Objekte werden aus Plastiktütenstreifen gebildet, die gewellt, oder besser gerüscht,
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von Draht zusammengehalten und gestaltet werden. Diese Art der Kunst gibt es offensichtlich nur hier in dieser Gegend. Jedenfalls sind die Zebras niedlich und klein und wirklich perfekt, aber die Schlange an der Kasse ist lang und die am Bus wird immer kürzer. Tja,
Gelegenheit verpasst. Weshalb ich mir unbedingt ein Objekt aus Plastiktüten kaufen will?
Weil Plastiktüten für mich eine besondere Erinnerung an Afrika bilden, denn bei meinem
ersten Besuch waren sehr auffällig ganze Landstriche mit frei herumfliegenden Tüten verschandelt. Wir sind an vielen Zäunen vorbeigefahren, die mit den kleinen Rascheltüten
vollgespickt waren. Allerdings ist mir aufgefallen, dass die Zäune diesen Schmuck nicht
mehr haben. Eine Nachfrage bei Karin bestätigt, dass die neue Regierung das als Problem
erkannt hat und dieser Landverschandelung durch Papiertüten entgegen zu wirken versucht. Mit Erfolg.
Pilgrim’s Rest
Da es nun schon spät ist und Gerhard gerne noch bei Tageslicht am Hotel ankommen will, wird die Frage aufgeworfen, ob wir uns noch das Örtchen Pilgrim’s Rest anschauen
wollen. Das liegt in einem schmalen Tal und ist nur über einen kurvenreichen Pass, der auch wieder zurückgefahren
werden muss, zu erreichen. Natürlich wollen wir. Also los
geht es an einer bezaubernden Landschaft vorbei. Die Berge muten teilweise wie in der Schweiz an.
Pilgrim’s Rest entstand um 1880, als typisches Goldgräberstädtchen des 19. Jahrhunderts ist es erhalten geblieben. 1873 wurde hier das erste und reichste Feld mit angeschwemmtem Gold gefunden. Immerhin wurden hier
Goldklumpen mit über 4 kg Gewicht entdeckt. In einem
kleinen Bergbau, der bis 1972 in Betrieb war, wurden nach
dem Goldrausch Silber und Kupfer abgebaut. Der Boom
war schnell vorbei, obwohl man noch heute im Fluss Goldwaschkurse mit der Pfanne belegen kann. Der Ort ist aber
mit seinem historischem Royal Hotel und den in alter Form
geführten Läden erhalten geblieben und wird heute als Erinnerung an den Goldrausch als eine Art Denkmal gezeigt.
So richtig an meinen ersten Besuch erinnern kann ich mich
nicht. Einige Häuser kommen mir bekannt vor, aber nicht,
dass die Strasse so abschüssig ist. Dazu kommt eine eigentümliche morbide Stimmung durch das sich schon verdun-
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Pilgrim‘s Rest Hauptstraße
Pilgrim‘s Rest Hauptstraße
Hotel in Pilgrim‘s Rest
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kelnde Tageslicht. Auffällig die fehlenden arbeitenden Weißen und als Besucher scheinen
nur noch wir im Ort zu sein. In den Läden und auf der Straße sind nur noch Schwarze zu
sehen, Südafrika ist wirklich von den Schwarzen ‚zurückerobert’ worden. Wir stöbern in einigen Läden herum, einige gehen an der Bar des Hotels einen Whisky trinken und spielen
stilvoll den Goldgräber. Gegenüber vom Bus werden wunderschöne große Decken verkauft. Ich bin froh keine Verwendung dafür zu haben, denn eine Entscheidung, welches das
schönste Tuch ist, würde mir schwer fallen. Andere steigen glücklich mit ihrer neuen Beute
in den Bus. Insgesamt ist es ein sehr hübscher Aufenthalt, wenn auch kurz. Karin wird es so
sicher nicht empfinden, sie hat nämlich ihre teuere Digitalkamera in einem Laden liegengelassen. Zwar wird die Kamera von jemanden aus dem Bus gefunden und jedem gezeigt,
nur leider Karin nicht. Erst als der Bus schon wieder aus dem Tal heraus ist, wird festgestellt,
dass es Karins Kamera ist. Für eine Umkehr ist es zu spät. So ruft sie in dem Laden an und
man verspricht ihr, die Kamera zu schicken.
Wir fahren den kleinen Pass wieder zurück, an Graskop vorbei Richtung Sabie. Um Sabie
herum wird intensive Holzwirtschaft betrieben. Es werden hauptsächlich Fichten und eine
bestimmte Sorte Eukalyptus, die wenig Wasser braucht, angebaut. Beide Holzarten wachsen sehr schnell. Das Holz wird hauptsächlich für die Papierverarbeitung genutzt, so dass
es hier die größte Papierfabrik in Südafrika gibt. Spuren der Apartheid, denn wegen der
damaligen Isolation und der Handelboykotts wurde möglichst alles Lebensnotwendige in
Südafrika selber produziert und hergestellt. Der Ort selber, ehemals eine Goldgräberstadt
heute ein Ferienort, liegt auf einem Sattel, umgeben von Wäldern und diversen Wasserfällen und besteht aus hübschen, verstreut liegenden Häuschen. Überragt von dem immerhin 2285 m hohen Mount Anderson. Leider wird wieder kein einziger Wasserfall der
Panoramaroute besucht, aber die Zeit ist einfach zu knapp dafür. Wahrscheinlich haben sie
bei der Dürre sowieso kaum Wasser.
Schoemannskloof
Die Straße steigt nun in die Schoemannskloof ab, in die Schlucht des Crocodile-Rivers. Die
Fahrt ist beeindruckend, da sich beim Abstieg, immerhin um 800 Meter, die Vegetation stark
verändert und die Ausblicke beeindruckend sind. Mit dem letzen Licht erreichen wir unser
Nachtquartier Old Joe’s Kaja. Kaja, so lernen wir, heißt Hütte. Das Hotel hat viele davon,
wobei Waltraud tatsächlich in einer Holzhütte wohnt, zu der sie über Holzstege hinwandern muss, während Marianne und ich unser stattliches Rundhaus gleich, sehr bequem, im
Eingangsbereich haben. Unsere Reisegesellschaft stellt die einzigen Gäste, da wir ziemlich
alle Zimmer, bzw. Hütten, belegen. Die Hütten sind teilweise neu gestaltet. Unsere ist riesig
und schön rustikal mit liebevollen Details eingerichtet. Wir haben noch eine andere Hütte
angeguckt, die etwas rüschiger eingerichtet ist. Mit viel Dekor rundherum, aber alles sehr
geschmackvoll.
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Wir werden sehr herzlich von dem Wirtspaar aufgenommen. Als Begrüßungstrunk werden
auf der Terrasse verschiedene Krüge mit frischen Säften gereicht. Die Terrasse ist allerdings
nichts für nicht Schwindelfreie, da sie dem Haus vorgebaut ist und man durch die breiten
Spalten der Bodendielen auf den tiefliegenden abschüssigen Hang gucken kann. Selbst
das Sitzen auf den Stühlen soll vorsichtig geschehen, um nicht mit einem Stuhlbein durchzurutschen. Die Hausherrin weist uns besorgt darauf hin. Ist sie besorgt um uns oder um
ihre Stuhlbeine? Egal, wir bleiben lieber stehen. Die vielen Hütten des Hotels ziehen sich
über den steilen Berghang hin, umgeben von viel Grün. In der zunehmenden Dämmerung
können wir von der Terrasse aus noch einen Blick in den Garten und auf den kleinen Pool
weiter unten werfen. Der Garten hat viele riesige Pflanzen, offensichtlich aus der Familie
der Banane, und sieht eigentlich etwas nach wildem Urwald aus. Aber wir werden von dem
putzigen Sohn des Hauses abgelenkt, ein pfiffiger Knabe von 10-12 Jahren, der an uns sein
Deutsch probiert, dass er in der Schule lernt. Sein Vater, ursprünglich deutschstämmig,
spricht ganz verständlich, die Mutter als Burin, versteht deutsch, antwortet aber in Englisch. Eigentlich sehen sie wie eine typische blonde Burenfamilie aus. Das Haus hat den
Charme des alten Farmhauses behalten. Es gehörte wohl der Familie der Wirtin. Vom Eingangsbereich geht man durch den Speisesaal zum Wohnraum mit bequem aussehenden
geblümten Sesseln und Sofas im Farmhausstil, eigentlich mehr englischem Countrystyle,
und weiter zur großen Terrasse. Das Interieur scheint einer Zeitschrift wie Country Life entsprungen zu sein. Es gibt noch eine gemütliche Bar.
Nachdem wir uns herausgeputzt haben, geht es zum Essen. Es wird stilvoll an vier großen
Tischen serviert. Wir wollen vergessen, dass meine Nachfrage, ob im Essen Paprika sei, mit
nein beantwortet wird. Nein drin ist es nicht, es ist anschließend als Garnierung über die
Suppe gestreut worden! In Kombination mit der Tasse Kaffee mittags, der halben Tüte Pfefferminzbonbons und dem tanninreichen Glas Rotwein gibt es dann eine unruhige Nacht.
Das restliche Essen, Lamm, ist aber sehr delikat und nach dem rustikalen Grillabend im
Camp ein angenehmer Kontrast. Nach dem Abendessen singt uns das Hotelpersonal noch
das Lied Afrika vor, das immer ein Genuss ist zu hören. Ihre Stimmen klingen sehr schön
und alles ist ein bisschen feierlich. Ich werde den Abend als sehr angenehm in Erinnerung
halten, sicher auch wegen meiner teilweise sehr netten Tischnachbarn.
Calla oder ‚Schweineblume‘
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