Interview – Fit für den Schulstart Unsere Expertinnen geben einen Einblick über die häufigsten Fragen und Antworten rund um das Thema Schulstart. Müssen Kinder schon vor Schuleintritt schreiben können? Heidemarie Lang: Nein, aber Vorübungen, die das Schreiben erleichtern, werden gezielt im Kindergarten eingesetzt. Kinder lernen das Schreiben über Laute. Wichtig ist es, Kindern beizubringen, wie ein Buchstabe klingt, nicht wie er heißt. Ein Beispiel ist das Wort ENTE. Kinder, die aufgefordert werden, das Wort zu schreiben, zeichnen lediglich die Buchstaben NT. NT klingt wie ENTE. Dieser feine Unterschied zwischen dem Namen eines Buchstaben und dem Klang ist ein bedeutender und wichtiger Baustein, um Wörter richtig schreiben zu können. Und über das Schreiben lernen die Kinder wiederum das Lesen. Dafür gibt es verschiedenen Übungen mit Buchstaben und passenden Bildmotiven. Andere wichtige Vorübungen sind die sogenannten Silbenbögen und das Silbenklatschen. Ein weitere gute Methode zum Lernen sind kindliche Erläuterungen, um Wissen zu vermitteln und zu erlangen. In den ersten zwei Jahrgangsstufen in der Schule erklären sich Kinder oft gegenseitig die Sachverhalte. Kindliche Erläuterungen helfen dabei viel besser, neue Sachverhalte zu verstehen als die Erklärungen von Erwachsenen. Wir gehen ja mit einem ganz anderen Erfahrungsschatz an die Bearbeitung von Aufgaben. Außerdem ist es notwendig, Kindern die Ruhe und Zeit zu geben, sich auszuprobieren und Aufgaben auf ihre Art und Weise zu lösen. Ist Feinmotorik eigentlich wichtig, um das Schreiben zu erlernen? Birgit Höfer: Feinmotorische Fähigkeiten sind nicht nur wichtig, um das Schreiben zu lernen, sondern für die gesamte Entwicklung eines Kindes. Übungen wie das Ausmalen, d. h. in einer vorgegebenen Fläche zu bleiben, ist nur eine Vorgehensweise, um die Feinmotorik zu trainieren. Singen ist auch ein wichtiger Bestandteil zur Schulung der feinmotorischen Fähigkeiten. Das Hören in der Gemeinschaft, das Erkennen der Töne und das genaue Wiedergeben der Töne bildet die Akustik aus. Das Erlernen der Feinmotorik ist im Prinzip nichts anderes wie das Schulen der Sinne. Oftmals wird unter Feinmotorik verstanden, dass wir etwas mit den Händen machen. Es ist aber ganzheitlich zu sehen. Wie können Kinder spielerisch lernen, ihre Sinne besser wahrzunehmen bzw. zu schärfen? Heidemarie Lang: Heutzutage haben Kinder verlernt, ihre Sinne aktiv zu bemerken und zu nutzen. Oftmals sperren sich die Eltern gegen eine ganzheitliche Sinneswahrnehmung, denn Kinder sollen sich nicht schmutzig machen und nichts anfassen. Dann heißt es nur „tu dies nicht und tu das nicht“. Dabei sind Erfahrungen, wie das Spielen mit Sand oder Matsch eine sehr wichtige Erfahrung für die Sinnesentfaltung und -entwicklung. Die Sinne werden bei solchen Aktivitäten sensibilisiert und trainiert. Birgit Höfer: Kinder fühlen den Unterschied zwischen nass und trocken viel besser, wenn sie beim Spielen keine Matschkleidung tragen und sich auch mal dreckig machen dürfen. Aber aufgrund der Verbote ihrer Eltern fürchten sie dreckige Hände anstelle sich ausprobieren zu dürfen. Das hemmt die Entwicklung und die Selbstständigkeit. Heidemarie Lang: Wir sehen in solchen Momenten immer wieder, dass der Umgang der Eltern mit ihren Kindern sich auf das Verhalten der Kinder erheblich auswirkt. Und auch unser Umgang als Pädagogen mit den Kindern, denn wir haben eine Vorbildfunktion. Birgit Höfer: Zu 90 Prozent imitieren uns die Kinder. Welchen Rat geben Sie Eltern? H.L. Die Neugierde der Kinder muss geweckt werden. Man muss ihnen Freiräume für eine individuelle Entwicklung geben und sie zur Selbstständigkeit ermutigen, aber natürlich auch Grenzen zum Schutz der Kinder setzen. Am besten ist es, sie in den Alltag einzubinden. Man braucht nicht immer teure Spiele, um Fähigkeiten zu erlernen oder Wissen zu erlangen. Das tägliche Leben bietet genügend Herausforderungen, an denen sich Kinder messen und an denen sie auch wachsen können. Wie sieht es mit der körperlichen Entwicklung aus? Und was sollte noch beachtet werden? Heidemarie Lang: Die körperliche Entwicklung eines Kindes ist sehr entscheidend, also die Grobmotorik und die Synapsenbildung durch Bewegung, aber auch Motivation. Die angeborene Neugierde zu erhalten und weiterzuentwickeln ist ein wesentlicher Bestandteilt für das Lernverhalten des Kindes. Wer begeistert ist, bringt die notwendige Disziplin mit. Birgit Höfer: Kinder müssen mit Freude lernen und Spaß haben, etwas Neues zu entdecken. Diese kindliche Neugierde kann man durch Rückmeldungen positiv verstärken. Heidemarie Lang: Lob ist da ein wichtiger Impuls, der das Lernen in Gang setzt. Allerdings sollte das Lob immer an konkreten Handlungen festgemacht werden. Es sollte an Ziele anknüpfen, damit die Kinder bereit sind, sich immer wieder an etwas Neues zu wagen. Wichtig, Anerkennung bewusst einsetzen und nicht mit Zuwendung verwechseln. Dies ist leider häufig der Fall. Ein ganz anderes, wichtiges und neues Thema für Kinder ist der Schulranzen. Was müssen Kinder und Eltern dabei beachten? Heidemarie Lang: Grundsätzlich gibt es von Seiten der Schule Vorgaben, was alles in den Schulranzen gehört. Stifte, Mäppchen, Lineal und die anderen Schreibutensilien sollten mit dem Namen oder den Initialen des Kindes versehen werden. Eine Hilfe beim Wiederfinden und Erkennen des Eigentums. Birgit Höfer: Übrigens, der richtige Umgang mit den Schreibutensilien wie Stifte spitzen, Schere und Radiergummi benutzen, wird im Kindergarten trainiert und kann auch zu Hause wunderbar geübt werden. Heidemarie Lang: Ansonsten ist der Inhalt des Schulranzens auch vom Lehrkörper abhängig. Das gilt auch für die Zusammenstellung der Hausaufgabenmappe. Grundsätzlich ist es hilfreich, das gemeinsame Ein- und Auspacken zu üben, den Zustand der Bücher und Hefte und den Boden des Schulranzens regelmäßig zu prüfen sowie Getränke und Essen in separaten Fächern aufzubewahren. Da die Bücher zum Großteil gestellt werden, sollten diese nach dem Schuljahr auch unversehrt zurückgegeben werden. Apropos Getränke, in unserer Grundschule wird den Schülern Wasser sogar kostenlos angeboten. So müssen die Kinder keine schweren Trinkflaschen mit sich herumschleppen und der Ranzen ist vor Auslaufen geschützt. Ein „heißes“ Thema sind die Hausaufgaben! Wann ist der richtige Zeitpunkt? Direkt nach der Schule oder lieber am Nachmittag? Stefanie Schimpf: Diese Frage kann nicht eindeutig beantworten werden und hängt vom einzelnen Kind ab. Manche Kinder brauchen nach der Schule erst mal eine Pause und sind erschöpft vom Vormittag. Wer müde ist, kann sich nicht konzentrieren! Also erst ausruhen und eventuell sogar ein kurzes Mittagsschläfchen halten. Nach dieser Pause ist ein guter Zeitpunkt für die Hausaufgaben. Andere Kinder möchten die Hausaufgaben direkt nach dem Mittagessen „hinter sich bringen“, um dann Zeit für Spiel und Sport zu haben. Abzuraten ist davon, die Hausaufgaben abends zu machen, wenn das Kind ausgepowert und müde ist. Wie lange darf mein Kind an den Hausaufgaben sitzen? Stefanie Schimpf: Hier gilt im 1. und 2. Schuljahr nicht länger als eine halbe Stunde. Im 3. und 4. Schuljahr dürfen die Hausaufgaben bis zu einer Stunde in Anspruch nehmen. Allerdings sind dies nur Richtwerte und auch von Kind zu Kind unterschiedlich. Wenn das Kind allerdings immer länger als eine Stunde an den Hausaufgaben sitzt, sollte der Grund hierfür gesucht werden und ein Gespräch mit der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer erfolgen. Wo und wie sollten die Hausaufgaben gemacht werden? Stefanie Schimpf: Wichtig ist ein aufgeräumter Tisch, auf dem nur die benötigten Materialien liegen. Der Platz sollte hell, gut belüftet und ruhig sein. Haustiere, Geschwisterkinder, Radiomusik oder der Fernseher sollten das Kind dabei nicht ablenken. Die Eltern können sich zwar in Rufweite befinden, wenn das Kind eine Frage hat, aber nicht direkt neben ihrem Kind sitzen. Kinder fühlen sich sonst möglicherweise beobachtet und gestresst. Bevor das Kind mit den Hausaufgaben beginnt, sollte es satt sein, etwas getrunken haben und zur Toilette gehen, damit es während der Hausaufgaben nicht permanent aufstehen muss, um diese Dinge zu erledigen. Welche Aufgaben sollten zuerst bearbeitet werden? Stefanie Schimpf: Hier sollte die Regel gelten: erst die leichten und dann die schweren Aufgaben. Wenn das Kind zu Beginn Erfolgserlebnisse hat, gewinnt es an Selbstvertrauen. Erledigte Aufgaben können im Hausaufgabenheft abgehakt werden. So behält das Kind den Überblick. Klavierunterricht, Fußballtraining und dann noch zum Malkurs. Eltern haben ja oftmals einen sehr straffen Terminkalender für ihre Kinder. Bleibt da noch genügend Zeit, zum Lernen? Wie sehen Sie das? Heidemarie Lang: Man sollte nicht alles verplanen. Nur mit ausreichenden Freiräumen können Kinder kreativ werden. Wenn das Denken aufhört, setzt die Kreativität nämlich ein. Voraussetzung, man gibt Kindern zu verschiedenen Arbeitsmaterialien den nötigen Zugang. So können Kinder mit einfachen Übungen zu Hause zum Beispiel das Zählen und Rechnen lernen. Es sind nicht immer gekaufte Spiele erforderlich. Durch das Einbinden in den Alltag und dem unerlässlichen Freiraum zum Spielen wird den Kindern in ihrer Entwicklung geholfen. Ein Kind, das spielen durfte und genügend gespielt hat, ist auch auf das Lernen vorbereitet. Es hat Freude am Lernen. Birgit Höfer: Spielkinder sind gute Lernkinder. Stefanie Schimpf, Lehrerin an der Schule im Kirchgarten in Babenhausen und Lehrbeauftragte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main Heidemarie Lang, Grundschullehrerin Grundschule Schöllkrippen und Kooperationsbeauftragte Birgit Höfer, Leiterin des Katholischen Kindergartens in Schöllkrippen www.laessig-fashion.de der
© Copyright 2024 ExpyDoc