Privates Baurecht - Görtz Rechtsanwälte

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Privates Baurecht
Mängelgewährleistung
Aktuelle Rechtsprechung
 zum Mangelbegriff
 zum Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung
Zahlreiche Streitigkeiten im Baurecht treten im Zusammenhang mit der Geltendmachung von
Baumängeln auf. Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Bauforschung (IFB) und des
Bauherren-Schutzbundes (BSB) ist die Anzahl der Mängel bei privaten Bauvorhaben im Vergleich zu Untersuchungen in den Jahren 2007 und 2011 um zehn Prozent gestiegen.
Typische Fallkonstellationen sind z.B. folgende:
-
Der Auftragnehmer macht gegenüber dem Auftraggeber Werklohnansprüche geltend.
Der Auftraggeber verweigert die Zahlung oder behält Teilbeträge ein, da er die erbrachten Leistungen für mangelhaft hält.
-
Der Auftraggeber stellt nach Fertigstellung des Bauwerks Mängel fest und macht gegenüber dem Auftragnehmer Nachbesserungsansprüche geltend.
-
Der Auftragnehmer verlangt nach Fertigstellung des Bauwerks vom Auftraggeber Abnahme der Werkleistungen, der Auftraggeber verweigert die Abnahme mit der Begründung des Vorliegens wesentlicher Mängel.
In all diesen Fällen ist zunächst zu ermitteln, ob überhaupt ein Mangel vorliegt sowie ob und
ggf. welche Rechte und Pflichten sich hieraus ergeben.
Rundschreiben XIV/2015
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Wann ist eine Werkleistung überhaupt mangelhaft?
Nach der Definition des BGH liegt ein Mangel vor, wenn die tatsächliche Ist-Beschaffenheit
von der geschuldeten Soll-Beschaffenheit abweicht.
Dies bedeutet, dass zunächst anhand der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen und den Gesamtumständen zu ermitteln ist, welche Beschaffenheit das Werk nach dem
Vertrag haben sollte. Im Anschluss hieran sind Feststellungen dazu zu treffen, ob das errichtete Werk diese Beschaffenheit tatsächlich erfüllt.
In der Praxis ist dies häufig nicht einfach zu ermitteln und bedarf oftmals einer umfangreichen Beweisaufnahme vor Gericht unter Einbeziehung eines oder mehrerer Sachverständiger.
Stellt jede Abweichung der Bauausführung von der Leistungsbeschreibung
einen Mangel dar?
Das OLG Frankfurt hatte in einem Urteil v. 16.05.2013 (15 U 251/11) unter anderem über
die Frage zu entscheiden, ob es einen Mangel darstellt, wenn der Auftragnehmer abweichend von dem der Auftragserteilung zugrundeliegenden Angebot eine Abdichtungsbahn
einer anderen Marke als der im Angebot genannten verbaut hat.
Das Gericht kam in diesem Fall zum Ergebnis, dass kein Mangel vorlag, da das eingebaute
Produkt nach den Ausführungen des hinzugezogenen Sachverständigen im Hinblick auf die
Abdichtungseigenschaften gleichwertig und bis auf wenige Cent im Einkaufspreis gleich teuer war und der Auftraggeber zudem nicht plausibel darlegen konnte, weshalb es ihm genau
auf den Einbau der im Angebot genannten Marke angekommen sei.
Es sind also neben dem reinen Text des Angebots und der Leistungsbeschreibung auch
weitere Faktoren mit einzubeziehen, um die vertraglich geschuldeten Leistungen zu ermitteln.
Rundschreiben XIV/2015
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Wie verhält es sich mit sogenannten „optischen Mängeln“?
Unter optischen Mängeln versteht man solche Mängel, die die Funktionsfähigkeit des Werkes im eigentlichen Sinne unbeeinträchtigt lassen und lediglich das äußere Erscheinungsbild
des Werkes betreffen. Auch bei solchen optischen Mängeln handelt es sich um Mängel, die
grundsätzlich geeignet sind, Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers, insbesondere
auch einen Anspruch auf Nachbesserung auszulösen.
Der Auftragnehmer hat in einem solchen Fall allerdings unter bestimmten Voraussetzungen
gem. § 635 III BGB die Möglichkeit, die Nacherfüllung zu verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Hierzu hat das OLG Düsseldorf in einem Urteil v. 04.11.2014 (I-21 U 23/14, 21 U 23/14)
unter anderem ausgeführt, dass der Einwand der Unverhältnismäßigkeit dann gerechtfertigt
sei, „wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht.“
Mängelansprüche und Unverhältnismäßigkeitseinwand – wer muss im Prozess
was vortragen und beweisen?
In einem anderen Fall hatte der BGH in einem Urteil vom 30.07.2015 (VII ZR 70/14) darüber zu entscheiden, ob die Verwendung eines Kieses der Körnung 2/5 anstelle des im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Kieses der Körnung 0/5 einen Mangel darstellt. Der Kies war
im Rahmen von Pflasterarbeiten für einen Parkplatz eingebracht worden. Nachdem der
Parkplatz einige Zeit in Benutzung war, zeigten sich Mangelsymptome u.a. in Form loser
Pflastersteine, wobei sich die Parteien darüber uneinig waren, ob die losen Pflastersteine
tatsächlich eine Folge der Einbringung des falschen Kieses waren oder aus einem unzureichenden Nachsanden des Auftraggebers resultierten.
Hier entschied der BGH dass die Einbringung des falschen Kieses auf jeden Fall einen Mangel darstelle, und zwar unabhängig davon, ob hierdurch eine Beeinträchtigung des Wertes
oder der Gebrauchstauglichkeit des Werkes verursacht wurde.
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In dem Einwand des Auftragnehmers, dass die falsche Körnung des Kieses für die losen
Pflastersteine nicht ursächlich gewesen sei und sich nicht nachteilig auswirke, liege allerdings der Einwand, dass der Beseitigungsaufwand unverhältnismäßig sei. Der BGH stellte
hierbei klar, dass für diesen Einwand der Auftragnehmer darlegungs- und beweispflichtig sei.
Der Auftraggeber muss in einem solchen Fall also lediglich darlegen und beweisen, dass
die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit von der tatsächlichen Beschaffenheit abweicht
(hier: falsche Körnung des Kieses).
Dass sich der Mangel nicht nachteilig auswirkt (hier: weil die losen Pflasterstein ihre Ursache
nicht in der falschen Körnung haben) und der Beseitigungsaufwand unverhältnismäßig ist,
muss hingegen der Auftragnehmer darlegen und beweisen.
Fazit:
In werkvertraglichen Mangelgewährleistungsfällen ist es wichtig, im Rahmen der eigenen
Darlegungs- und Beweislast den zugrunde liegenden Sachverhalt genau vorzutragen und
vorhandene Beweismittel vollständig zu benennen.
Hierbei ist es empfehlenswert, bereits außergerichtliche so früh wie möglich anwaltliche Beratung hinzuzuziehen, um von Anfang an zielführend vorzutragen und notwenige Informationen zu sammeln und zu sichern.
Damit steigen zum einen die Chancen, eine vernünftige einvernehmliche Einigung ohne Gerichtsverfahren zu erzielen, zum anderen können dadurch widersprüchlicher Vortrag und
damit einhergehende unnötige Schwierigkeiten in einem späteren gerichtlichen Prozess
vermieden werden.
Ulla Böhler
Rechtsanwältin
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