Kleine Anfrage 4118

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
16. Wahlperiode
Drucksache
16/10397
07.12.2015
Kleine Anfrage 4118
der Abgeordneten Angela Freimuth, Marcel Hafke und Susanne Schneider FDP
Zwingt die Landesregierung die Hochschulen, bei internen Gremienwahlen ein Wahlsystem mit nach Geschlechtern quotierten, geschlossenen Wahllisten einzuführen?
Im September 2014 verabschiedete der Landtag Nordrhein-Westfalen mit rot-grüner Mehrheit das sogenannte Hochschulzukunftsgesetz und beschloss dabei, dass die Gremien der
Hochschulen geschlechtsparitätisch besetzt werden müssen (§11c HG NRW). Gremien einer
Hochschule sind beispielsweise der Senat und die Fakultäts- bzw. Fachbereichsräte.
Die Zusammensetzung dieser Gremien erfolgt getrennt innerhalb der jeweiligen Statusgruppen. So wählen die Hochschullehrerinnen und -lehrer, Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Technik und Verwaltung jeweils ihre Repräsentanten. Die Wahlen müssen dabei nach den bekannten Grundsätzen der freien, unmittelbaren, geheimen und gleichen Wahl erfolgen (§ 13 HG NRW).
Das Hochschulzukunftsgesetz sieht vor, dass nur in begründeten Ausnahmen Abweichungen von der geschlechtsparitätischen Besetzung erfolgen dürfen. Falls bei den Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern von der paritätischen Besetzung abgewichen wird (der
Frauenanteil darf dabei jedoch auch nicht unterhalb des Gesamtanteils der Hochschullehrerinnen liegen), ist darüber hinaus eine paritätische Besetzung bei den übrigen Statusgruppen
zwingend, unabhängig davon, wie hoch in diesen Statusgruppen der Frauenanteil jeweils
insgesamt ist.
Paragraph 11c des Hochschulgesetzes Nordrhein-Westfalen führt in der Praxis damit zu
erheblichen Umsetzungsproblemen. So hat die Hochschule Niederrhein in ihrer aktuellen
Wahlbekanntmachung zur anstehenden Senatswahl angekündigt, Vorschlagslisten, die nicht
paritätisch besetzt sind, zurückzuweisen. Die Hochschule folgt damit einem Vorschlag der
Landesregierung aus der Handreichung „Das Gebot der geschlechterparitätischen Gremienbesetzung - Hinweise zu § 11c Hochschulgesetz (HG) NRW -“. Ausnahmen von einer quotierten Liste sind zu dokumentieren und zu genehmigen. Allerdings erscheint es höchst fragwürdig, dass ein innerdemokratischer Prozess wie die Listenaufstellung überhaupt erklärungsbedürftig und genehmigungspflichtig ist. Die Ausschließung von einer Wahl und damit
Datum des Originals: 07.12.2015/Ausgegeben: 07.12.2015
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faktisch das Verwehren des passiven Wahlrechts aufgrund einer Zugehörigkeit zu einem
Geschlecht wäre diskriminierend.
Darüber hinaus können im Falle der Hochschule Niederrhein nach Geschlechtern quotierte
Listen den angestrebten Zweck, eine geschlechterparitätische Besetzung des Senats, überhaupt nicht sicherstellen. Die Wahlordnung der Hochschule Niederrhein sieht, entsprechend
der Tradition vieler Wahlen zu Parlamenten in Deutschland und Gremien an deutschen
Hochschulen, die personalisierte Verhältniswahl vor (genauer: die Listenwahl mit Präferenzstimmgebung). Faktisch entscheidet daher erst der Wähler mit seinem Wählerwillen, welche
Bewerber die Statusgruppe im Gremium repräsentieren. Die Besetzung der Gremien nach
Geschlechtern lässt sich so also überhaupt nicht steuern, da der Wähler die Listenreihenfolge völlig neu und unabhängig vom Geschlecht gestalten kann.
Diese erhebliche Einschränkung gilt übrigens auch für Hochschulen, an denen das Mehrheitswahlrecht in Einerwahlkreisen praktiziert wird: So werden beispielsweise die vier studentischen Vertreter des Senats an der Ruhr-Uni Bochum unabhängig voneinander in vier
Wahlkreisen, die sich am Zuschnitt der einzelnen Fakultäten orientieren, gewählt. Es liegt in
der Natur der Sache, dass hier Quotierungen von Listen keinen Sinn mehr ergeben. Außerdem müssten auch Listenverbünde, wie an der Hochschule Niederrhein ebenfalls möglich,
verboten werden, da sonst Männer das Gesetz mit dem Aufstellen von Listen mit jeweils nur
einem männlichen Spitzenkandidaten unterlaufen könnten. Letztlich blieben damit nur noch
zwei Wahlsysteme, die die Vorgaben der Landesregierung erfüllen:
Erstens, die Teilung aller Statusgruppen in jeweils weiblich und männlich. Folglich existieren
dann nur noch Wahlkreise, in denen ausschließlich Frauen, und Wahlkreise, in denen ausschließlich Männer wählbar sind. Diese Möglichkeit hat die Landesregierung in der erwähnten Umsetzungshilfe jedoch bereits ausdrücklich untersagt.
Zweitens bleibt damit nur noch die Möglichkeit, dass ausschließlich nach Geschlechtern quotierte und geschlossene Listen zu Wahlen zugelassen werden. Neben der bereits erwähnten
Problematik des Verwehrens des passiven Wahlrechts kommt hier das komplette Verbot
sämtlicher personalisierter Wahlsystemelemente hinzu. Außerdem müssten alle Listen, um
einen Frauenanteil von mindestens fünfzig Prozent sicherzustellen, stets mit einer Frau beginnen. Faktisch würde damit jedoch keine paritätische Besetzung erzielt, sondern beim
Großteil aller Gremien aufgrund des zu erwartenden Erfolgs mehrerer Wahllisten und der
Wahlkreisarithmetik eine institutionalisierte Mehrheit von Frauen in den Gremien geschaffen.
Maßnahmen zur Herstellung der geschlechtsparitätischen Besetzung von Gremien würden
also erheblich in die Koalitionsfreiheit eingreifen, das passive Wahlrecht fundamental beschneiden und die Wahlrechtsgrundsätze ad absurdum führen. Auch die Hochschulautonomie und die Selbstverwaltung der Hochschulen würden tangiert, wenn die Hochschule die
Art und Weise, wie demokratische Verfahren konkret ausgestaltet werden, nicht mehr selbst
bestimmen kann. Somit können die Hochschulen auch ihrer Aufgabe, einen Beitrag zu einer
demokratischen Welt (§ 3 Absatz 6 HG NRW) zu leisten, nicht mehr nachkommen.
Wir fragen daher die Landesregierung:
1.
Zwingt die Landesregierung die Hochschulen, bei internen Gremienwahlen ein Wahlsystem mit nach Geschlechtern quotierten, geschlossenen Wahllisten einzuführen?
2.
Welche Empfehlung gibt die Landesregierung den Hochschulen zur Herstellung von
geschlechterparitätisch besetzten Gremien, wenn in der Wahlordnung eine personali-
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sierte Verhältniswahl, ein Mehrheitswahlsystem oder eine Listenwahl mit Präferenzstimmgebung verankert ist und der Wähler damit über die personelle Zusammensetzung des Gremiums frei entscheiden kann?
3.
Wie rechtfertigt die Landesregierung den faktischen Ausschluss vom passiven Wahlrecht, wenn eine Hochschule einen Wahlvorschlag aufgrund einer nicht quotierten
Wahlliste zurückweist?
4.
Welches Wahlsystem kann die Landesregierung beispielhaft nennen, das die Anforderungen an eine geschlechterparitätische Besetzung der Gremien und die Anforderungen an die im Hochschulgesetz verankerten Wahlrechtsgrundsätze sowie an die Prinzipien der Koalitionsfreiheit und des passiven Wahlrechts vollumfänglich erfüllt?
5.
Gilt ein innerdemokratisches Wahlverfahren zur Besetzung einer Liste als ausreichender Grund, um von einer paritätisch nach Geschlechtern besetzten Wahlliste abzuweichen?
Angela Freimuth
Marcel Hafke
Susanne Schneider
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