August 2015 IFRS 9 „Finanzinstrumente“ wichtige Aspekte für Versicherungsgesellschaften Teil 2: Wertminderungen Erich Felder CFA, lic. oec. HSG Gründungspartner, InCube Group AG Im ersten Teil dieser Publikation haben wir die Klassifizierungs- und Bewertungsfragen bei der Einführung von IFRS 9 „Finanzinstrumente“ sowie die sich ergebenden Interaktionen mit IFRS 4 Phase 2 „Versicherungsverträge“ beleuchtet. In diesem Beitrag widmen wir uns den Wertminderungen von Finanzinstrumenten. Das neue Wertminderungsmodell von IFRS 9 beruht auf der Prämisse, erwartete Verluste abzubilden. Im Folgenden beschreiben wir das neue Modell und dessen Folgen für Versicherungsgesellschaften. Mit der Einführung des neuen Wertminderungsmodells im Rahmen von IFRS 9 reagiert das International Accounting Standards Board (IASB) auf die Kritik, dass vor und während der Finanzkrise die berichterstattenden Unternehmen nach dem bisherigen Modell von IAS 39 teilweise zu geringe und zeitlich zu spät Wertminderungen vornehmen mussten („too little, too late“). Nach dem bisherigen Modell wurden Wertminderungen bekanntlich nur dann erfasst, wenn sie auf bereits eingetretene Verlustereignisse zurückzuführen waren („Incurred Credit Loss Model“). Das neue Modell beruht hingegen auf erwarteten Verlusten („Expected Credit Loss Model“ oder „ECL Model“). Seite | 1 August 2015 Vermögenswerte im Geltungsbereich des neuen Wertminderungsmodells Anwendung auf einen beträchtlichen Teil der Aktiva eines Versicherungsunternehmens Das neue Wertminderungsmodell findet Anwendung auf: Finanzielle Vermögenswerte, die zu Amortized Cost oder zu Fair Value Through Other Comprehensive Income (FVTOCI) bewertet sind (diese schliessen Darlehen, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Schuldverschreibungen ein) Kreditzusagen, unter denen eine gegenwärtige Verpflichtung besteht, einen Kredit herauszugeben, sofern diese Kreditzusagen nicht zu Fair Value Through Profit or Loss (FVTPL) bewertet werden Finanzgarantien, auf welche die Regelungen von IFRS 9 angewendet werden (und nicht diejenigen von IFRS 4), sofern diese Finanzgarantien nicht zu FVTPL bewertet werden Leasingforderungen im Anwendungsbereich von IAS 17 „Leasingverhältnisse“ Aktive Vertragsposten („Contract Assets“) gemäss IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“, d.h. Rechte auf Erhalt von Gegenleistung infolge einer Übertragung von Waren oder Dienstleistungen Aktiva aus Rückversicherungsverträgen („Reinsurance Assets“) sind ebenfalls nach dem neuen Wertminderungsmodell von IFRS 9 zu behandeln, obwohl diese sonst im Anwendungsbereich von IFRS 4 „Versicherungsverträge“ sind. Aktieninstrumente sind somit nicht im Anwendungsbereich des neuen Wertminderungsmodells, weil diese nach IFRS 9 entweder zu FVTPL oder zu FVTOCI ohne Recycling (d.h. ohne die Möglichkeit, aufgelaufene Fair-Value-Gewinne und -Verluste in die P&L zum Zeitpunkt des Abgangs umzubuchen) bewertet werden. Allgemeiner vs. besonderer Ansatz Weisen die Vermögenswerte bei Zugang bereits eine Wertminderung auf? Bei der Anwendung des neuen Wertminderungsmodelles sind zwei Fälle zu unterscheiden: Fall 1: Vermögenswerte, die bei Zugang noch keine Wertminderung aufweisen (allgemeiner Ansatz) Fall 2: Vermögenswerte, die bei Zugang bereits eine Wertminderung aufweisen (besonderer Ansatz) Im Folgenden erklären wir, wie in diesen beiden Fällen vorzugehen ist. Seite | 2 August 2015 Fall 1: Allgemeiner Ansatz für Vermögenswerte, die bei Zugang noch keine Wertminderung aufweisen Erwartete Verluste sind nach dem allgemeinen Ansatz mit einem Betrag in der folgenden Höhe zu erfassen: 12-Month Expected Credit Loss (“12-Month ECL“), d.h. erwarteter Verlust innerhalb der nächsten 12 Monate Lifetime Expected Credit Loss (“Lifetime ECL“), d.h. erwarteter Verlust über die Restlaufzeit des Finanzinstrumentes Was ist darunter zu verstehen? Wann ist ein 12-Month ECL, wann ein Lifetime ECL zu erfassen? Fall 1: Allgemeiner Ansatz Fall 2: Besonderer Ansatz Vermögenswert weist bei Zugang noch keine Wertminderung auf Vermögenswert weist bei Zugang bereits eine Wertminderung auf 12-Month Expected Credit Loss (ECL) Lifetime Expected Credit Loss (ECL) Änderungen im Lifetime ECL «Anteil der Lifetime Expected Credit Losses, welcher die erwarteten Kreditverluste darstellt, die von Ausfallereignissen herkommen, welche innerhalb der nächsten 12 Monate nach dem Berichtsstichtag möglich sind» «Erwartete Kreditverluste, welche von allen möglichen Ausfallereignissen über die erwartete Lebensdauer eines Finanzinstrumentes herkommen können» Für Instrumente, die bereits bei Zugang objektive Hinweise auf Wertminderung aufweisen, werden lediglich Veränderungen der bei Zugang erwarteten Verluste über die Restlaufzeit in der Risikovorsorge erfasst Das heisst: Sämtliche Fehlbeträge («Cash Shortfalls»), die entstehen können, wenn ein Ausfall innerhalb der nächsten 12 Monate eintritt Das heisst: Sämtliche Fehlbeträge («Cash Shortfalls»), die entstehen können, wenn ein Ausfall im Verlauf der gesamten erwarteten (Rest-)Laufzeit eintritt Abbildung 1: Allgemeiner vs. besonderer Ansatz – 12 Month ECL vs. Lifetime ECL Seite | 3 August 2015 12-Month ECL Hat sich das Ausfallrisiko seit Zugang signifikant erhöht? Es handelt sich um den Barwert der erwarteten Zahlungsausfälle, die aus möglichen Ausfallereignissen innerhalb der nächsten 12 Monate nach dem Abschlussstichtag resultieren. Wie die erwarteten Verluste zu schätzen sind, erklären wir weiter unten. Die Verlusterfassung des 12-Month ECL muss für Finanzinstrumente vorgenommen werden, deren Ausfallrisiko sich seit ihrem Zugang nicht signifikant erhöht hat. Die Beurteilung, ob sich das Ausfallrisiko signifikant erhöht hat, beruht grundsätzlich auf einem Anstieg der Ausfallwahrscheinlichkeit seit seinem Zugang. Es ist also hierfür die Veränderung der Ausfallwahrscheinlichkeit („Probability of Default“ oder „PD“) massgebend, nicht die Veränderung der Höhe der zu erwartenden Kreditverluste („Loss Given Default“ oder „LGD“). Veränderungen des LGD finden jedoch Eingang in die Bemessung der erwarteten Verluste. Um die Ausfallwahrscheinlichkeit abschätzen zu können, muss das Unternehmen zuerst definieren, was es unter einem Kreditausfall versteht. Gemäss den Anwendungsleitlinien („Application Guidance“) von IFRS 9 soll das Unternehmen die Ausfalldefinition zu Grunde legen, die es auch für das interne Kreditrisikomanagement für die jeweiligen Finanzinstrumente verwendet. Wenn angebracht, sollen für die Ausfalldefinition auch qualitative Faktoren mitberücksichtigt werden (beispielsweise Kreditvereinbarungsklauseln). In jedem Fall tritt aber ein Kreditausfall ein, wenn bei einem Finanzinstrument Zahlungsausstände von 90 Tagen vorhanden sind (es sei denn, der Berichterstatter hat angemessene und vertretbare Informationen verfügbar, welche belegen, dass ein noch grösserer Verzug angemessen ist). Wenn das Ausfallrisiko von Finanzinstrumenten zum Berichtsstichtag „gering“ ist, darf unterstellt werden, dass sich das Ausfallrisiko seit Zugang nicht signifikant erhöht hat. Wann ist das Ausfallrisiko „gering“? Im Standard wird das Ausfallrisiko als „gering“ beschrieben, wenn nur ein geringes Risiko für Ausfälle besteht; der Schuldner auf kurze Sicht in hohem Masse fähig ist, seine vertraglich vereinbarten Zahlungen zu leisten; und nachteilige Veränderungen des wirtschaftlichen oder geschäftlichen Umfeldes zwar auf lange Sicht die Fähigkeit des Schuldners beeinträchtigen können, aber nicht müssen, seine vertraglich vereinbarten Zahlungen zu leisten. Seite | 4 August 2015 Ein Rating der Qualität „Investment Grade“ (d.h. AAA bis BBB) wird in IFRS 9 als ein möglicher Indikator für ein geringes Ausfallrisiko beschrieben. Das Unternehmen kann verschiedene Ansätze nutzen, um zu beurteilen, ob das Ausfallrisiko signifikant gestiegen ist. Ein Ansatz kann selbst dann den Anforderungen von IFRS 9 genügen, wenn in den Ansatz nicht ein ausdrücklich als Ausfallwahrscheinlichkeit zu bezeichnender Parameter Eingang findet. In der Application Guidance von IFRS 9 genannte Faktoren zur Beurteilung, ob ein signifikanter Anstieg der Ausfallrisiken stattgefunden hat (Zusammenfassung der nicht abschliessenden Aufzählung des IASB): Signifikante Veränderungen von Kreditrisikoaufschlägen oder von Konditionen (z.B. strengere Kreditvereinbarungsklauseln, höhere Sicherheiten- und Garantieanforderungen) Signifikante Veränderungen von externen Marktindikatoren für ein bestimmtes Finanzinstrument oder für ein ähnliches Finanzinstrument mit derselben erwarteten Laufzeit (z.B. Credit Spreads, Credit Default Swap Preise, Ausmass/Dauer des Unterschreitens der Amortized Cost, Preisveränderungen bei den an den Märkten gehandelten Schuld- und Eigenkapitalinstrumenten des betreffenden Schuldners) Tatsächliche oder erwartete signifikante Veränderung des externen Kreditratings eines Finanzinstrumentes Tatsächliche oder erwartete signifikante Herabstufung des internen Kreditratings oder signifikante Verschlechterung des für die interne Kreditrisikobeurteilung verwendeten Verhaltensscores Bestehende oder prognostizierte Beeinträchtigung der geschäftlichen, finanziellen oder wirtschaftlichen Bedingungen, wovon eine signifikante Veränderung der Kreditfähigkeit des Schuldners erwartet wird (z.B. tatsächliche oder erwartete Erhöhung der Zinssätze oder Arbeitslosenquote) Tatsächliche oder erwartete signifikante Veränderung der operativen Geschäftszahlen des Schuldners (z.B. sinkende Umsatzzahlen oder Margen, steigende operative Risiken, abnehmende Qualität der Vermögenswerte, steigender Fremdfinanzierungsgrad, Engpässe beim Working Capital, verschlechterte Liquidität, Management-Probleme, Veränderungen im Geschäftsfeld oder in der Organisationsstruktur mit massgeblichen Auswirkungen auf die Kreditfähigkeit) Tatsächliche oder erwartete signifikante Veränderung des regulatorischen, wirtschaftlichen oder technologischen Umfeldes des Schuldners, wovon eine signifikante Veränderung der Kreditfähigkeit des Schuldners erwartet wird (z.B. Abnahme der Absatzzahlen aufgrund einer Technologieveränderung) Signifikante Veränderungen im Wert von Kreditsicherheiten, in der Qualität von Garantien von Drittparteien oder in der Qualität von „Credit Enhancements“, wovon erwartet wird, dass diese den Anreiz vermindern, fristgerecht den vertraglichen Zahlungen nachzukommen, oder dass diese sonst die Ausfallwahrscheinlichkeit erhöhen (z.B. sinkende Häuserpreise, die in gewissen Ländern/Märkten dazu führen können, dass die Hypothekarschuldner einen erhöhten Anreiz haben, ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachzukommen) Signifikante Veränderung der Qualität von Aktionärsgarantien und der finanziellen Unterstützung durch die Muttergesellschaft oder durch ein anderes verbundenes Unternehmen Erwartete Darlehensvertragsänderungen und Vertragsverletzungen (z.B. Aufhebung oder Änderung von Vertragsklauseln, Vereinbarung von Zinsstundungen oder zeitlich gestaffelten Zinssatzerhöhungen, Vereinbarung von zusätzlichen Sicherheiten oder Garantien) Signifikante Verschlechterung der erwarteten Vertragserfüllung und des Schuldnerverhaltens, einSeite | 5 August 2015 schliesslich erwartete Veränderungen der Bonität der Schuldner innerhalb einer Schuldnergruppe (z.B. Zunahme der erwarteten Anzahl von Kreditkarteninhabern, die ihre Kreditlimite erreichen oder überschreiten) Änderungen im Kreditüberwachungsansatz in Bezug auf das betreffende Finanzinstrument, d.h. aufgrund von aufgekommenen Hinweisen über Kreditrisikoveränderungen muss die Risikomanagementpraxis aktiver oder fokussierter werden Informationen über Zahlungsausstände Während die Beurteilung, ob sich das Ausfallrisiko signifikant erhöht hat, grundsätzlich auf der Ebene des einzelnen Instruments vorzunehmen ist, sind nicht alle der genannten Faktoren zwingend für einzelne Instrumente verfügbar. In solchen Fällen führt ein Unternehmen die Beurteilung auf der Grundlage von in angemessener Weise gebildeten Gruppen von Instrumenten, Teilen von Portfolios oder ganzen Portfolios durch. IFRS 9 beinhaltet zudem die widerlegbare Vermutung, dass sich das Ausfallrisiko seit dem Zugang des Instrumentes signifikant erhöht hat, wenn vertragliche Zahlungen seit mehr als 30 Tagen überfällig sind. Grund: Üblicherweise werden in der Praxis signifikante Erhöhungen der Ausfallrisiken bereits vor einer eingetretenen Wertminderung oder einem Kreditausfall beobachtet. Die widerlegbare Vermutung ist daher als eine Art „Untergrenze“ in IFRS 9 eingebaut, so dass spätestens zum Zeitpunkt, zu dem der Schuldner mehr als 30 Tage in Verzug ist, davon ausgegangen werden muss, dass sich das Ausfallrisiko signifikant erhöht hat. Lifetime ECL Wann ist ein Lifetime ECL zu erfassen? Es handelt sich um den Barwert der erwarteten Zahlungsausfälle infolge aller möglichen Ausfallereignisse über die Restlaufzeit des Finanzinstruments. Die Verlusterfassung des Lifetime ECL muss für Instrumente vorgenommen werden, deren Ausfallrisiko sich seit ihrem Zugang signifikant erhöht hat. Das gleiche gilt unabhängig von einer Erhöhung des Ausfallrisikos für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und aktive Vertragsposten ohne signifikante Finanzierungskomponente (d.h. solche, die kein Finanzierungsverhältnis gemäss IFRS 15 begründen). Das Unternehmen kann zudem ein Bilanzierungswahlrecht ausüben, stets den Lifetime ECL zu erfassen, und zwar ausschliesslich für die folgenden Vermögenswerte: Seite | 6 August 2015 Aktive Vertragsposten und/oder Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, welche ein Finanzierungsverhältnis gemäss IFRS 15 begründen Leasingforderungen aus Transaktionen im Anwendungsbereich von IAS 17 In IFRS 9 ist vorgesehen, dass eine Rückkehr vom Lifetime ECL zum 12-Month ECL erfolgt, wenn sich das Ausfallrisiko seit dem Zugang des Instruments zunächst signifikant erhöht, die Erhöhung sich in späteren Perioden jedoch wieder umkehrt (d.h. wenn aus kumulativer Sicht das Ausfallrisiko nicht signifikant höher ist als bei Zugang). Fall 2: Besonderer Ansatz für Vermögenswerte, die bei Zugang bereits eine Wertminderung aufweisen Kernfrage bei Neuzugängen: Wann liegt ein objektiver Hinweis auf Wertminderung vor? Für Instrumente, die bereits bei Zugang objektive Hinweise auf Wertminderung aufweisen, werden lediglich Veränderungen der bei Zugang erwarteten Verluste über die Restlaufzeit in der Risikovorsorge erfasst. Folglich kommt es für solche Vermögenswerte zu einem Wertminderungsertrag, wenn die zukünftigen Zahlungsströme des Vermögenswertes die geschätzten Zahlungsströme bei Zugang übersteigen. Ein objektiver Hinweis auf Wertminderung eines finanziellen Vermögenswertes liegt vor, wenn ein oder mehrere Ereignisse stattgefunden haben, die eine signifikante Auswirkung auf die erwarteten zukünftigen Zahlungsströme des finanziellen Vermögenswertes aufzeigen. Dazu gehören beobachtbare Daten, welche dem Inhaber des Instruments über die folgenden Ereignisse bekannt geworden sind: Erhebliche finanzielle Schwierigkeiten des Emittenten oder des Schuldners Vertragsbruch wie beispielsweise ein Ausfall oder Verzug von Zins- oder Teilrückzahlungen Zugeständnisse, die der Kreditgeber dem Kreditnehmer aus wirtschaftlichen oder vertraglichen Gründen im Zusammenhang mit finanziellen Schwierigkeiten des Kreditnehmers macht, ansonsten aber nicht gewähren würde Erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Kreditnehmer in Insolvenz oder in ein sonstiges Sanierungsverfahren geht Das durch finanzielle Schwierigkeiten bedingte Verschwinden eines aktiven Marktes für den finanziellen Vermögenswert Seite | 7 August 2015 Erwerb oder die Ausgabe eines finanziellen Vermögenswerts mit einem hohen Disagio, das die angefallenen Kreditausfälle widerspiegelt Ist der Vermögenswert zum Zeitpunkt seines Zugangs bereits wertgemindert? Handelt es sich um einen der folgenden Vermögenswerte, für den das Lifetime ECL Modell gewählt wurde? • N • J Forderung aus Lieferungen und Leistungen oder aktiver Vertragsposten mit signifikanter Finanzierungskomponente Handelt es sich um eine Forderung aus Lieferungen und Leistungen oder um einen aktiven Vertragsposten ohne signifikante Finanzierungskomponente? N Hat sich das Kreditausfallrisiko seit Zugang des Vermögenswertes signifikant erhöht? N N Leasingforderung J J J Berücksichtigung von … Änderungen im Lifetime ECL Lifetime ECL 12-Month ECL Abbildung 2: Entscheidungsbaum (Übersicht) Wie sind die erwarteten Verluste zu schätzen? Wahrscheinlichkeits- und Barwertbetrachtung notwendig Die erwarteten Verluste müssen gemäss IFRS 9 stets einen nicht verzerrten, wahrscheinlichkeitsgewichteten Betrag darstellen, der durch die Beurteilung einer Reihe von möglichen Szenarien sowie unter der Berücksichtigung des Zeitwertes des Geldes ermittelt wurde. Ausserdem soll das berichterstattende Unternehmen alle verfügbaren Informationen angemessen einbeziehen, die über vergangene Ereignisse und aktuelle Bedingungen vorliegen. Weiter sollen sachgerechte sowie verfügbare Prognosen zukünftiger wirtschaftlicher Verhältnisse bei der Bewertung der erwarteten Verluste berücksichtigt werden. IFRS 9 definiert erwartete Verluste als gewichteten Durchschnitt der Kreditausfälle. Dabei wird mit den jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Ausfälle gewichtet. Auch wenn das Unternehmen nicht jedes erdenkliche Szenario Seite | 8 August 2015 betrachten muss, so muss zumindest die Schätzung immer die Möglichkeit eines Ausfalls sowie die Möglichkeit des Nicht-Ausfalls berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn das wahrscheinlichste Szenario der Nicht-Ausfall ist. Für die Schätzung des Lifetime ECL gilt insbesondere, dass das Unternehmen eine Schätzung für das Risiko eines Ausfalls vornehmen muss, das sich auf die gesamte Restlaufzeit des Instrumentes erstreckt. Der 12-Month ECL erstreckt sich hingegen auf die gesamten Ausfälle über die Restlaufzeit, die mit einem Ausfallereignis innerhalb der nächsten zwölf Monate seit dem Berichtsstichtag einhergehen. Dies wiederum gewichtet mit der Eintrittswahrscheinlichkeit dafür. Das Unternehmen muss alle verfügbaren Informationen angemessen berücksichtigen (d.h. solche Informationen, die zum Berichtsstichtag verfügbar sind). Dies gilt für Informationen dann, wenn ihre Beschaffung nicht unverhältnismässige Kosten oder Bemühungen mit sich bringt. Zur Anwendung des Wertminderungsmodells auf Kreditzusagen muss ein Unternehmen das Risiko abschätzen, dass der zugesagte Kredit ausfällt. Anderseits ist bei der Anwendung des Modells auf Finanzgarantien das Risiko abzuschätzen, dass der garantierte Schuldner ausfällt. Bei der Schätzung der Höhe der Zahlungsausfälle sind die gegebenenfalls vorhandenen vertraglichen Kreditsicherheiten und sonstigen „Credit Enhancements“ zu mitberücksichtigen. Das Unternehmen kann praktische Erleichterungen bei der Verlustschätzung in Anspruch nehmen, wenn sie mit den grundlegenden Anforderungen von IFRS 9 in Einklang stehen. Beispiel: Für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen kann eine Wertberichtigungstabelle zugrunde gelegt werden. Eine solche Tabelle kann beispielsweise die erwarteten Verluste über die Restlaufzeit als pauschalen Prozentsatz abhängig von der Dauer der Überfälligkeit bestimmen. Um den Zeitwert des Geldes anzusetzen, müssen die erwarteten Verluste mit dem bei Zugang bestimmten Effektivzins (oder einer Näherung davon) des Instruments auf den Berichtsstichtag diskontiert werden. Für Instrumente, die bereits bei Zugang wertgemindert sind, ist hingegen ein angepasster Zinssatz zu verwenden, welcher die bei Zugang erwarteten Verluste des Instruments bereits berücksichtigt. Dies ist ein Unterschied zum Effektivzinssatz, der sich aus den zukünftigen vertraglichen Zahlungsströmen ohne Berücksichtigung erwarteter Ausfälle ergibt. Erwartete Verluste nicht gezogener Kreditzusagen werden mit Seite | 9 August 2015 dem Effektivzins (oder einer Näherung davon) diskontiert, der sich bei Ansatz des Instrumentes ergeben würde, welches aus der Beanspruchung der Kreditzusage folgt. Kann der Effektivzins einer Kreditzusage nicht bestimmt werden, soll der Diskontierungszins die aktuelle Marktsicht auf den Zeitwert des Geldes und die spezifischen Risiken in Hinblick auf die Zahlungsströme widerspiegeln. Dies gilt allerdings nur dann und insoweit, wie diese Risiken nicht bereits als Abschlag in den Diskontsatz eingeflossen sind. Der gleiche Ansatz soll auch für Finanzgarantien verwendet werden. Konsequenzen für Versicherer Ein einziges Modell: weniger Komplexität, bessere Vergleichbarkeit Ungeachtet, ob Schuldinstrumente zu Amortized Cost oder zu FVTOCI bewertet werden: Aufgrund des einheitlichen Wertminderungsmodelles nach IFRS 9 werden identische Wertminderungsverluste für diese beiden Klassen vorgenommen. Dies obwohl der Bewertungsansatz für diese beiden Klassen von Schuldinstrumenten unterschiedlich ist. Die ist ein wesentlicher Unterschied zu IAS 39: Der bisherige Standard kannte verschiedene Wertminderungsmodelle für zu Amortized Cost bewertete und für zu Available For Sale (AFS) bewertete Schuldinstrumente. Dies hat für die Berichterstatter und Bilanzleser bisher gewisse Komplexität verursacht. Das IASB erwartet nicht nur, dass das einheitliche Modell die Komplexität vermindern wird, sondern dass mit IFRS 9 auch die Vergleichbarkeit zwischen den berichterstattenden Unternehmen erhöht wird. Beispielsweise geht das IASB davon aus, dass die gebuchten Wertminderungsverluste zwischen verschiedenen Unternehmen, welche Vermögenswerte im Bestand haben, die ökonomisch ähnliche Charakteristika aufweisen, mit IFRS 9 stärker vergleichbar werden. Negative Effekte durch die „Day-One Provisions“ Wie eingangs erwähnt, finden die Wertminderungen unter IFRS 9 deutlich früher statt als unter IAS 39, weil das neue Wertminderungsmodell auf erwarteten statt auf eingetretenen Verlusten basiert. Obwohl IFRS 9 nicht verlangt, dass die Wertminderungen für die erwarteten Kreditverluste von neu zugegangenen Finanzinstrumenten zum Zeitpunkt ihres erstmaligen Ansatzes in der Bilanz (Zeitpunkt der „Initial Recognition“) vorgenommen sein müssen, sondern spätestens zum Zeitpunkt der nächsten Berichterstattung, kommt dies vom finanziellen Effekt her der Vornahme einer Wertminderung am ersten Tag nach Zugang („Day One“) ähnlich. Deshalb werden die vorgenommenen Wertminderungen für neu zugeganSeite | 10 August 2015 gene Finanzinstrumente auch häufig als „Day-One Provisions“ bezeichnet. Diese „Day-One Provisions“ haben eine grössere Auswirkung auf Unternehmen, deren Anlagebücher wachsen, als auf solche mit konstanten oder rückläufigen Büchern. Denn mit steigendem Anlagevolumen werden bei ansonsten gleichen Bedingungen die Wertberichtigungen grösser werden. Dies wird die Ertragslage solcher Unternehmen mit wachsenden Büchern stärker belasten als diejenige von solchen mit konstantem oder rückläufigem Anlagevermögen. Auch im Vergleich zu IAS 39 wird, unter der Annahme, dass alle anderen Umstände gleich sind, die Ertragslage von Unternehmen mit wachsenden Anlagebüchern unter IFRS 9 stärker belastet werden. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass sich der Übergang auf das neue Wertminderungsmodell negativ auf das Eigenkapital auswirken kann. Warum? Das Eigenkapital der Berichterstatter trägt ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung nicht mehr nur eingetretenen Verlusten Rechnung, sondern neu auch erwarteten Verlusten. Je nach Ausmass dieses Effektes auf die eigenen Mittel könnte dies sogar bedeuten, dass die Solvabilitätskennzahlen der Unternehmen beeinträchtigt und dass Kreditvereinbarungsklauseln mit Gegenparteien davon betroffen werden könnten. Bedeutende operationelle Massnahmen notwendig IFRS 9 setzt voraus, dass die Berichterstatter über die notwendigen Systeme, Prozesse und Daten verfügen, um die notwendigen Wertminderungen auf der Basis der erwarteten Verluste vornehmen zu können. Zudem müssen die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden, damit rechtzeitig identifiziert werden kann, ob sich die Ausfallrisiken der einzelnen Finanzinstrumente signifikant erhöht haben. Die Bemessung der Wertminderungen dürfte nach dem neuen Modell Daten und Informationen erfordern, die bisher von den Versicherungsgesellschaften für die Rechnungslegung nach IFRS nicht oder noch nicht in diesem Masse benötigt und verwendet wurden. Beispielsweise dürften verstärkt externe Ratinginformationen für die Überprüfung und Bildung von Wertminderungen verlangt werden. Weiter werden Diskontierungssätze für die Abzinsung der erwarteten Verluste im Accounting notwendig werden. Einige der notwendigen Daten stehen heute zwar für regulatorische Zwecke (z.B. für den Swiss Solvency Test oder für Solvency II) oder für betriebsinterne Berechnungen (z.B. für die Berechnung von Risk-Based Seite | 11 August 2015 Capital) zur Verfügung. Die Versicherer werden jedoch herausgefordert sein, die Angemessenheit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit dieser Daten zu überprüfen, um diese für die externe Berichterstattung verwenden zu können. Wir erwarten, dass hierzu von den Versicherungsgesellschaften weitere Investitionen in den Bereichen Data Governance und interne Kontrollsysteme notwendig werden. Zusammenfassung Mit IFRS 9 wird ein einheitliches Wertminderungsmodell für Finanzinstrumente eingeführt. Dadurch soll die Komplexität reduziert werden, die bislang durch das gleichzeitige Nebeneinander von verschiedenen Wertminderungsansätzen unter IAS 39 verursacht wurde. Die Einführung des neuen Modells wird aber die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen: Wie sollen die Ausfallrisiken geschätzt werden? Wie wird überwacht, ob sich das Ausfallrisiko signifikant erhöht hat? Wie sind die erwarteten Verluste für die einzelnen Finanzinstrumente zu bestimmen? Welche neuen Daten und welche Systemanpassungen sind dafür notwendig? Sind die bisherigen Daten und Prozesse im Kreditrisikomanagement im Hinblick auf die externe Berichterstattung nach IFRS angemessen und ausreichend zuverlässig? Welche Auswirkungen wird das neue Modell auf die Finanz- und Ertragslage des Unternehmens haben? In der Umsetzung werden sich darüber hinaus zahlreiche weitere Detailfragen ergeben. Ansprechpartner Gerne steht Ihnen Erich Felder bei Fragen zu dieser Publikation zur Verfügung. E-Mail [email protected] Sie finden weitere Publikationen und Informationen zu unseren Dienstleistungen unter www.incubegroup.com. This publication has been written in general terms and therefore cannot be relied on to cover specific situations; application of the principles set out will depend upon the particular circumstances involved and we recommend that you obtain professional advice before acting or refraining from acting on any of the contents of this publication. InCube Group AG would be pleased to advise readers on how to apply the principles set out in this publication to their specific circumstances. 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