Unterstützung für pflegende Angehörige Schwerkranke Kinder im

Im Dialog
Die Patientenzeitung der Universitätsmedizin Rostock, Ausgabe 01/2016
Unterstützung für pflegende Angehörige
Schwerkranke Kinder im Team versorgen
Rostock und Schwerin gründen Herzzentrum
www.med.uni-rostock.de
Inhalt
„PfiFf“iges Angebot
Hilfe für pflegende Angehörige
Vorwort
2
Bettenwechsel
4
Mehr Komfort für Patienten und Pflegekräfte
Verstärkung an Bord
6
Neue Chefs für Kardiologie, Neurologie und
Hautklinik
Infotainment im Netz
Notfallmediziner liefern 1000 Fakten
zum Alkohol
8
Versorgung von kleinen
Patienten ausgebaut
10
Rohrpostanlage
Pressluft schießt Proben ins Labor
12
Die richtigen Worte finden
14
Medizinstudenten trainieren heikle Gespräche
Liebe Patienten der
Universitätsmedizin Rostock,
liebe Leser,
hier ist sie, die erste Ausgabe unserer Patien-
bitten wir Sie sehr herzlich: Schreiben Sie uns,
tenzeitung „Im Dialog“, die von nun an zwei-
worüber Sie gern etwas lesen möchten. Wen
mal pro Jahr erscheinen wird. Der Name ist
oder was möchten Sie besser kennenlernen?
Programm. Regelmäßig werden wir Sie über
Themenanregungen nehmen wir gern per Mail
Neuigkeiten in der Universitätsmedizin Ros-
an [email protected] entgegen.
tock informieren. Wir sind die größte medizinische Einrichtung des Landes und einer der
Diesmal lesen Sie unter anderem, warum wir
größten Arbeitgeber der Region - da gibt es
aufopferungsvoll helfenden Angehörigen wie-
jederzeit eine Menge Spannendes zu erzäh-
derum unsere Hilfe anbieten. Welche Chef-
len. In jedem Winkel unseres Hauses schlum-
ärzte frischen Wind und neue Methoden in un-
mern Geschichten. Wir berichten Ihnen von
ser Haus bringen. Wie Pressluft dafür sorgt,
bekannten Persönlichkeiten und ganz frischen
dass wichtige Proben schneller im Labor an-
Gesichtern, von innovativen Angeboten, ge-
kommen. Warum wir mit dem deutschlandweit
lungenen Projekten und wichtigen Vorhaben.
größten privaten Krankenhaus-Träger koope-
Wir wollen die Arbeit in unseren vielen Berei-
rieren. Und was der Direktor unserer Augenkli-
chen vorstellen und die Menschen, die sie täg-
nik neuerdings mit Mücken zu tun hat.
lich leisten.
Und nun viel Spaß beim Schmökern!
Einzigartig im Norden
Augenklinik lasert „fliegende Mücken“
16
Doch wir richten natürlich keine Einbahnstraße ein. Das Patientenblatt soll leben. Deshalb
Herzlichst
Seltener Eingriff
18
Chirurg entfernt Speiseröhre ohne großen
Schnitt
Rostock und Schwerin
20
Gemeinsames Herzzentrum – kurze Wege
Prof. Dr. Christian Schmidt,
Ärztlicher Vorstand und
Vorstandsvorsitzender
Prof. Dr. Emil C. Reisinger,
Wissenschaftlicher Vorstand
und Dekan
Annett Laban,
Pflegevorstand
Harald Jeguschke,
Kaufmännischer Vorstand
Im Dialog 1|2016 | 1
Die Teilnahme an „PfiFf“ ist kostenlos und
unabhängig von der Kassenzugehörigkeit.
„PfiFf“iges Angebot: Hilfe für
pflegende Angehörige
Schnell und unerwartet kann ein Familienangehöriger zum Pflegefall werden. Ein Schlaganfall oder ein
schwerer Sturz kann das Leben komplett verändern.
Dann ist rasche Hilfe gefordert – für den Patienten,
aber auch für die Angehörigen. Hier setzt das Programm der AOK Nordost „Pflege in Familien fördern
– PfiFf“ an, das zusammen mit der Universitätsmedizin Rostock Menschen unterstützt, die Betroffene zu
Hause pflegen.
Das Programm besteht aus drei aufeinander aufbauenden Modulen mit praktischer Anleitung und
theoretischer Wissensvermittlung. Wenn gewünscht,
erhalten sie schon im Krankenhaus und nach der Entlassung in der Häuslichkeit spezielle Schulungen mit
praktischen Anleitungen, Hinweisen und Tipps.
Im Internet unter www.aok-pfiff.de gibt es für
pflegende Angehörige kurze Filme zur praktischen Anleitung. Eine erfahrene Pflegefachkraft
zeigt verschiedene Handgriffe zu ausgewählten
Pflegeaufgaben wie etwa die Augenpflege oder
das richtige Betten eines Pflegebedürftigen.
Die Betreuung zu Hause ist sehr komplex und mit hohen körperlichen, aber auch psychischen und emotionalen Belastungen verbunden, weiß Pflegevorstand
Annett Laban.
„Unsere Kenntnisse geben wir als
Experten gern an die pflegenden
Angehörigen weiter.“
„PfiFf“ setzt frühzeitig an, um
Angehörige in der Pflege zu Hause zu
unterstützen.
Und diese nehmen das Angebot dankend an, weiß
Nana Baumgarten, Schwester der Hämatologie. „Der
Bedarf ist sehr groß“, sagt sie. „Die Familienmitglieder
haben sich oft im Internet zwar schon gut informiert.
Praktische Fragen bleiben aber oft unbeantwortet.“
Große Unsicherheit besteht meist bei der Frage nach
der richtigen Lagerung. „Viele Familienmitglieder haben Angst, den Patienten zu verletzen, wenn sie ihn
bewegen müssen“, sagt sie. „Wichtig ist, dass sie sich
selbst dabei schonen und nicht verausgaben. Auch
hier geben wir nützliche Tipps.“
Manuela Mühlbach, Pflegedienstleitung an der Unimedizin, koordiniert das Projekt am Haus und organisiert auch Weiterbildungskurse für die Mitarbeiter.
Ihre „Pfiffis“, wie sie die teilnehmenden Pflegekräfte
liebevoll nennt, erlebt sie hochmotiviert. „Wir alle sind
neugierig auf das, was uns erwartet, und haben viele
Ideen“, sagt sie. Die Pfiffis sind in beinahe allen Kliniken des Hauses im Einsatz und treffen direkt auf den
Stationen auf die Betroffenen. „So können wir schnell
einen Kontakt herstellen und die Versorgung nahtlos
aufrechterhalten.“
PfiFf-Kollegin Jana Scheffler hofft, dass den Angehörigen dadurch die Angst genommen wird. Ein wichtiger Aspekt, denn: Beim Aufenthalt im Krankenhaus
erleben die Familien einen hochprofessionellen Pflegealltag - der Patient wird von Fachkräften umsorgt,
die sich kompetent und selbstbewusst um alles kümmern. „Plötzlich zu Hause angekommen stehen sie
vor einem Berg an Aufgaben, von dem sie zunächst
gar nicht wissen, wie sie ihn bewältigen können.“ Eine
Unterstützung außerhalb der Klinik bereitet die Betroffenen nun besser auf die Pflegesituation vor.
2 | Im Dialog 1|2016
Weitere Informationen zu „PfiFf“ und die aktuellen Schulungs-Termine erhalten Sie bei Manuela
Mühlbach – Tel.: 0381 494 8137 und unter
www.pfiff.med.uni-rostock.de
Im Dialog 1|2016 | 3
Bettenwechsel: Mehr Komfort für
Patienten und Pflegekräfte
Die Universitätsmedizin Rostock erhöht den Komfort
für ihre Patienten und investiert in ihre Betten. 400 von
insgesamt 1000 Stück, darunter 70 für den Intensiv-Betrieb, wurden samt Matratzen und Beistelltischen im vergangenen Jahr gegen neue ausgetauscht. Auch neun
Säuglings- und alle Krabbelkinderbetten wurden durch
neue ersetzt. Jetzt folgt der Rest.
„Unsere alten Betten haben ausgedient“, sagt Pflegevorstand Annett Laban. „Viele Funktionen fehlten, manche
Betten waren nicht in der Höhe verstellbar. Jetzt sind wir
auf dem neuesten Stand der Technik: Die Neuzugänge
sind echte Alleskönner.“ Das Haus sei die große Investition daher mit Freude angegangen.
Keine Stürze im Dunkeln und noch schnellere Hilfe im
Notfall: Jedes der neuen Betten verfügt zur Orientierung
über eine Nachtbeleuchtung und kann per Knopfdruck
in die für die Behandlung notwendige Position gebracht
werden. Nicht nur die Kopflehne, sondern auch die Bereiche für Knie und Hüfte sind einzeln verstellbar.
An den Flanken zeigen eingelassene Wasserwaagen
die genauen Neigungswinkel an. Jedes Bett verfügt
über eine eigene Fernbedienung für das Pflegepersonal. „Kein langes Bücken und Heben mehr“, lobt Ines
Kruse. „Das schont den Rücken.“
Patient Karl-Werner Zießnitz hat schon eine Nacht im
neuen Bett verbracht – „und wunderbar geschlafen“,
sagt er. Richtig futuristisch gestaltet seien sie. „Aber das
Wichtigste ist, dass die Betten auf die Bedürfnisse der
Patienten und des Personals abgestimmt sind.“
Auch alle Säuglings- und Krabbelkinder-Betten werden
ausgetauscht. Andrea Niendorf, Stationsleitung in der
Kinderchirurgie, ist von den neuen Säuglingsbetten begeistert: „Schick sind sie und vor allem modern.“ Jetzt
komme sie gut an die kleinen Patienten heran. Statt
ganz in Weiß wie die Vorgänger bringen die neuen Betten Farbtupfer auf die Stationen: Blau für die Kinderchirurgie und Orange für die restliche Kinderklinik.
Das neue Mobiliar dient nicht nur der
Behaglichkeit der Kranken. Es erleichtert
auch dem Pflegepersonal die Arbeit.
„Technisch sehr ausgefeilt“, lautet das Urteil von Ines
Kruse, Stationsschwester der Urologie. Durch eine fünfte Lenkrolle könne sie die Betten nun zum Beispiel auch
ohne Probleme allein verschieben und auf kleinstem
Raum drehen. Alle Funktionen wie Höhenverstellung,
Schocklagerung oder Abklappen der Seitenlehnen laufen vollautomatisiert.
Erste Nacht im neuen Bett gut verlebt:
Patient Karl-Werner Zießnitz lässt sich von
Schwester Ines Kruse noch ein paar Tricks zeigen.
Die Station der Urologie war im vergangenen
Jahr Anfang Oktober die erste, die sich über neues Mobiliar freuen konnte. Insgesamt 47 Betten
wurden dort ausgetauscht.
Die ausgedienten Betten werden an wohltätige
Einrichtungen gespendet.
4 | Im Dialog 1|2016
Im Dialog 1|2016 | 5
Verstärkung an Bord: Neue Chefs für
Kardiologie, Neurologie und Hautklinik
Frischen Wind in die Rostocker Kardiologie bringt Prof.
Dr. Hüseyin Ince als neuer komm. Leiter. Beschwerden
rund ums Herz sind für ihn ein Thema der Zukunft – vor
allem in einem Flächenland wie MV, in dem der Altersdurchschnitt der Bevölkerung zunehmend steigt.
Prof. Dr. Hüseyin Ince leitet seit vergangenem Jahr kommissarisch die Rostocker Kardiologie und will mit
seinem Team künftig das Thema Telemedizin weiter ausbauen.
Der neue leitende Neurologe Prof. Dr. Alexander
Schwerpunkt seien zum einen chronisch verschlossene Herzkranzgefäße. „Auch nach ihrer erfolgreichen
Wiedereröffnung per Katheter oder Bypass-OP können
Narben verbleiben“, sagt Ince. Das könne zu einer Herzschwäche führen und damit zu Symptomen, die die Lebensqualität erheblich einschränken.
„Ich wünsche mir, dass wir die Herzschwäche, die sich mittlerweile wie eine
Pandemie über Deutschland ausbreitet,
künftig spezifischer angehen.“
Storch sucht auf dem Gebiet der Parkinson-Erkrankung nach neuen Erkenntnissen.
Zunehmend aktuell ist auch die minimalinvasive Klappentherapie, bei der eine Herzklappe per Katheter zum
Herzen vorgeschoben wird. Mittlerweile verfügt das universitäre Herzzentrum über ein Sortiment von sieben
Herzklappen. „Für jeden Patienten wird das passende
Modell nach Berechnungen am Computer ausgewählt.“
In Inces Team überwacht Prof. Dr. Dietmar Bänsch seit
acht Jahren kardiologische Patienten auch in weiter Ferne. Die Daten von 250 Patienten mit Schrittmachern,
Defibrillatoren oder kleinen EKGs werden per Satellit
direkt auf die Rechner und Mobiltelefone der Rostocker
Spezialisten gesendet. „Das Angebot wollen wir weiter
ausbauen und uns mit den niedergelassenen Kollegen
und kardiologischen Abteilungen im Land enger verzahnen“, hat sich Ince vorgenommen.
Prof. Dr. Steffen Emmert, neuer Leiter der Hautklinik,
legt besonderes Augenmerk auf die Erforschung und
Behandlung von Hautkrebs.
6 | Im Dialog 1|2016
Die Neurologie in Gehlsdorf wird seit August durch
Prof. Dr. Alexander Storch als neuem Direktor verstärkt. Er möchte einen Schwerpunkt auf die neurodegenerativen Erkrankungen legen, bei denen es zu
einem Verlust von Nervenzellen im Gehirn kommt.
Daneben sollen auch die bereits bestehenden
Schwerpunkte wie die Neuro-Intensivmedizin sowie
die Behandlung von Multipler Sklerose und Schlaganfall weiter ausgebaut werden.
„Je älter wir werden, desto mehr steigt
das Risiko, dass unser Nervensystem
erkrankt“, sagt Storch.
Eine der häufigsten Störungen sei die Parkinson-Erkrankung, bei der ein Absterben spezieller Nervenzellen verschiedene Symptome hervorruft. Einen großen
Gewinn verspricht sich Storch aus der Erforschung
von Stammzelltherapien. „Uns interessiert, ob wir Parkinson mit dieser Methode behandeln können, etwa
mit Transplantationen“, sagt er. „Mit Stammzellen
können wir Modelle erstellen, durch die wir die Krankheit besser verstehen können.“
Dem neuen Leiter der Rostocker Hautklinik, Prof.
Dr. Steffen Emmert, eilt sein guter Ruf voraus: Kurz
vor seinem Einstand im letzten Jahr wurde er für eine
neue Methode, mit der chronische Hautwunden durch
Plasma behandelt werden können, mit dem Innovationspreis der Stiftung „Familie Klee“ und mit dem
Fraunhofer-Preis „Technik für den Menschen“ geehrt.
Die neue Behandlungsmethode, bei der ionisierte
Luft, Plasma, auf die Haut einwirkt, hat Emmert mit
nach Rostock gebracht. Und auch sonst hatte er einiges im Gepäck, darunter innovative Technik für Diagnostik und Therapie. Patienten sollen künftig nicht
mehr nur ambulant und stationär behandelt werden,
sondern auch in einer Tagesklinik. Besonders in seinem Spezialgebiet, der Erforschung und Behandlung
von Hautkrebs, möchte Emmert Maßstäbe setzen.
„Hautkrebs ist der häufigste Krebs beim
Menschen“, so der Fachmann, „und im
Falle des schwarzen Hautkrebses bis
heute ohne Heilung.“
Der Bedarf an neuen Therapien und Mitteln zur Früherkennung sei also hoch. Das Melanom ist ein Krebs
der jungen Menschen und bei den 20- bis 30-Jährigen
eine der häufigsten Todesursachen. Der Rat des Experten: „Bei Hautkrebs im familiären Umfeld oder vielen Muttermalen mindestens alle zwölf Monate zum
Spezialisten.“
Im Dialog 1|2016 | 7
Infotainment im Netz:
Notfallmediziner liefern 100
Fakten zum Alkohol
Mit einer wegweisenden Idee sind die Notfallmediziner
der RoSaNa (Rostocker Simulationsanlage und Notfallausbildungszentrum) der Unimedizin Rostock an den
Start gegangen. Über eine Facebook-Seite verbreiten
sie „100 Fakten zum Alkoholkonsum“, neudeutsch würde man das Angebot wohl Infotainment nennen. RoSaNa-Leiter und Initiator Dr. Gernot Rücker hofft, dass die
Aufmerksamkeit große Kreise zieht. „Alkohol ist eine
Elendsdroge, die uns allen Ressourcen raubt“, sagt er.
Andere, illegale Drogen würden aus
Unwissenheit stigmatisiert, während
Alkohol als legales und anerkanntes
Rauschmittel völlig gesellschaftsfähig sei.
Dabei wirke er zerstörerisch. Jeden Tag, so der Arzt der
Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, erlebten er und seine Kollegen in der Notaufnahme und an
Unfallorten, welche Dramen sich unter Alkoholeinfluss
abspielen. So sammelte ein Team aus drei Ärzten und
einer Schwester Fakten zum Alkohol zusammen. Polizeistatistiken wurden konsultiert, der Suchtbericht der
Bundesregierung, Internetforen, religiöse Schriften, Datenbanken. „Der Diskurs ist klasse“, sagt Rücker, der
selbst keinerlei Drogen konsumiert. Dennoch stellt er immer wieder Haschisch neben den Alkohol – nicht um für
Cannabis zu werben, sondern um deutlich zu machen,
„dass die Grenze zwischen gefährlich und ungefährlich,
legal und illegal ganz willkürlich gezogen wird“, so Rücker.
„Aufklärung ist der einzige Weg.“
Drogenmündigkeit, das Bewusstsein, welche Droge
welche Wirkung hat, sei das Ziel. „Im Fall von Alkohol
sind wir unsensibel dafür geworden, weil wir die Grenze
zwischen Genuss- und Rauschmittel nicht mehr wahrnehmen“, findet der Mediziner und stellt klar: „Es gibt
keine Droge, die harmlos ist. Drogenkonsum bedeutet,
sich über die Einnahme einer Substanz vom jetzigen
8 | Im Dialog 1|2016
Gemütszustand in einen Wunschzustand bringen zu
wollen. Das geht nicht ohne Kollateralschaden.“
In einem der Beiträge berichtet das Team, dass in
Deutschland fast jede dritte Gewalttat unter Alkoholeinfluss stattfindet. Anders als bei anderen Drogen verlaufe die Wirkung bei Alkohol nicht linear: „Die erwünschte
Fröhlichkeit, die heruntergesetzte Kontaktschwelle sind
zwar schnell erreicht, gehen aber bald in Müdigkeit oder
aber Aggressivität über“, so der Arzt. „Verkehrsunfälle,
Tötungsdelikte, Randale, Prügeleien: Die meisten Polizeimeldungen darüber enthalten Hinweise auf den Zusammenhang mit Alkohol. Im Gegensatz dazu geht es
in den Meldungen über Cannabis immer nur um Besitz
oder Handel, fast nie um Übergriffe. Warum ist dann
eigentlich nicht Alkohol verboten?“, fragt sich Rücker.
Keineswegs K.o.-Tropfen, sondern Alkohol sei die „Vergewaltigungsdroge Nummer eins“. Schon in der Bibel,
im 1. Buch Mose, basiere Gewalt auf dem Rauschmittel.
Pro Kopf, so der Mediziner, konsumiere der Durchschnittsdeutsche 99,5 Liter Bier im Jahr.
„Wir haben 2014 insgesamt
8 059 500 000 Liter Bier weggebechert.
In nebeneinandergestellten Bierflaschen
sind das 261 933 Kilometer, 6,2
Erdumrundungen.“
Es sei absurd, dass bei Vorkommnissen, angefangen
vom vermeintlich kleinen Fauxpas – jemandem an den
Hintern fassen – bis zum Verursachen eines Unfalls mit
Toten, das Vorliegen von Trunkenheit als mildernder
Umstand angesehen werde und am Ende sogar ein
Strafmaß vor Gericht herabsetzen könne.
Um mehr Alkoholkonsumenten zu erreichen, präsentiert
das Team die Fakten auch in einem Blog:
www.100faktenzumalkoholkonsum.info
Kampagne „Notfallort schneller finden“
Im Notfall geht es um jede Sekunde. Daher ist es wichtig, dass der Rettungsdienst den Einsatzort schnell erreicht. Die uneinheitliche Nummerierung von Häusern
steht dem oft im Weg, wie das Team um Rücker herausgefunden hat. Sie haben errechnet, dass in jedem Jahr
in Deutschland rund 1000 Menschen durch fehlende
oder falsch angebrachte Hausnummern sterben.
„Zu wenige Häuser sind ausreichend gekennzeichnet“,
erklärt Rücker. „Hinzu kommt, dass die Nummerierung
nicht einheitlich geregelt ist.“ Während im Westen der
Republik gerade und ungerade Nummern auf beiden
Straßenseiten getrennt und in eine Richtung nummeriert seien, gebe es im Osten vielerorts eine fortlaufende
Nummerierung mit Umkehrpunkt. „Da geht schnell die
Orientierung verloren“, sagt der Experte. „Rettungskräfte fahren oft in die falsche Richtung und müssen dann
mit dem großen Einsatzfahrzeug wenden.“ Im Schnitt
gingen dafür ein bis zwei Minuten verloren. „Zeit, die bei
Herzversagen über Leben oder Tod entscheiden kann.“
Im Falle einer Wiederbelebung sinkt die Überlebensrate
um zehn Prozent pro Minute, die sich der Rettungswagen verzögert.
Dem Zeitverlust will Rücker mit der Aktion „Notfallort
schneller finden“ entgegenwirken:
www.zeig-dich.info
Dort werden Tipps und Beispiele für das Anbringen von
Hausnummern gegeben.
Das Team möchte außerdem durchsetzen, dass Helfer
den Rettungskräften entgegenkommen, wenn der Patient allein gelassen werden kann oder ein zweiter Helfer
anwesend ist. Sehr hilfreich ist es, nachts mit einer Taschenlampe oder tagsüber mit einem Handtuch zu winken. Das ist bei Einsätzen mit dem Rettungshubschrauber besonders wichtig: „Dann kommen oft schon beim
Anflug viele Anwohner auf die Straße, um das Spektakel
zu verfolgen“, sagt der erfahrene Notarzt. „Kinder, aber
auch Erwachsene, winken den Rettungskräften zu.
Diese sehen durch das Wirrwarr an Handzeichen und
Personen häufig nicht, zu welchem Haus sie gerufen
wurden.“ Mit diesen einfachen Maßnahmen gelangt der
Rettungsdienst schneller ans Ziel und es können mehr
Menschenleben gerettet werden.
Im Dialog 1|2016 | 9
Versorgung von kleinen Patienten ausgebaut
SAPV-Projekt „Mike Möwenherz“
Jungen Menschen, die an einer schweren unheilbaren Krankheit leiden, die letzten Monate, Wochen
oder Tage zu Hause verschönern – das ist das Ziel
von „Mike Möwenherz“, einem Projekt zur Spezialisierten Ambulanten Palliativen Versorgung (SAPV)
von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern.
gen im Vordergrund. „Wenn ein Kind erkrankt, ist die
ganze Familie betroffen“, sagt Prof. Dr. Carl Friedrich
Classen, Leiter des SAPV-Teams. „Eine immense
seelische Belastung.“ Das Kinder-Palliativteam übernimmt die Versorgung für das gesamte Bundesland.
Die Behandlung zu Hause bedeutet für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung.
Sozialpädiatrisches Zentrum
Neue Anlaufstelle für chronisch kranke Kinder: An
der Universitätsmedizin Rostock hat ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) die Arbeit aufgenommen.
Dort werden Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
versorgt, die an einer chronischen Erkrankung leiden,
behindert sind oder denen eine Behinderung droht.
Ärzte und Pflegekräfte sind gemeinsam
mit Seelsorgern und Therapeuten im
Einsatz.
„Auch Eltern werden dann oft zu
Pflegenden“, sagt Classen. „Wir bilden
ein Team.“
„Wir möchten die Betroffenen im alltäglichen Leben unterstützten und ihnen
mehr Normalität ermöglichen“, sagt Leiterin Dr. Heike Haase.
Die Mitarbeiter sorgen für eine breite medizinische
Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die an
einer fortschreitenden lebensverkürzenden Erkrankung leiden. Daneben steht auch die psychosoziale
Begleitung der kleinen Patienten und ihrer Angehöri-
Auch wenn die Kinder, die von „Mike Möwenherz“
behandelt werden, sehr krank sind, will das Projekt
ihnen eine eigene Lebensweise ermöglichen. „Dafür
sind sie sehr dankbar und blühen im heimischen Umfeld noch einmal auf.“
„Unser Ziel ist es, früh Entwicklungsstörungen zu erkennen und gemeinsam mit den Eltern spezielle Therapien und Förderungen auf den Weg zu bringen.“ Die
Kinder und ihre Familien werden über Jahre hinweg
Das Team von „Mike Möwenherz“
Informationen zu „Mike Möwenherz“:
www.mike-moewenherz.med.unirostock.de
begleitet. Die Mitarbeiter des Zentrums koordinieren
Behandlungen, vermitteln Therapeuten und Psychologen, besprechen die Schullaufbahn und vieles
mehr. „Eltern kranker Kinder müssen nicht mehr viele
verschiedene Stationen anlaufen, um ans Ziel zu gelangen“, so Haase. „Sie kommen einfach zu uns.“
Das Sozialpädiatrische Zentrum ist in der Ambulanz
der Kinder- und Jugendklinik untergebracht. Das Angebot richtet sich an junge Patinten, die an Entwicklungsstörungen oder Erkrankungen des Nervensystems leiden. Notwendig für die Behandlung ist eine
Überweisung vom Kinderarzt. Umsorgt werden die
Kinder und Jugendlichen von speziell ausgebildeten
Kinderärzten, Psychologen und Therapeuten der Unimedizin. Um die Versorgung langfristig und auf hohem
Niveau zu sichern, kooperiert das Haus mit den Rostocker Vereinen „Lebenshilfe“ und „Ohne Barrieren“.
Anja Scheel ist erleichtert: Ihr achtjähriger Sohn Mattheus ist schon bei 20 Ärzten vorgestellt worden. Vor kurzem kam
vom Kinderarzt der entscheidende Hinweis auf das SPZ. „Endlich“, sagt sie.
„Jetzt wird mein Sohn rundum an einem
Ort versorgt. Ein sicheres Gefühl.“
Spenden für „Mike Möwenherz“:
Verwendungszweck: 992098
Universitätsmedizin Rostock
Deutsche Kreditbank AG Rostock
BLZ 12030000
Kto. 10109999
10 | Im Dialog 1|2016
Notwendig für die Behandlung im SPZ
ist eine Überweisung vom Kinderarzt.
Termine über die Ambulanz:
0381 494 7230
Weitere Infos:
www.spz.med.uni-rostock.de
Im Dialog 1|2016 | 11
Rohrpostanlage: Pressluft
schießt Proben ins Labor
Wie ein Getränkeautomat sieht es aus, das große
Gerät, das in einem eigenen Raum der Kinder- und
Jugendklinik steht. Plötzlich summt die Maschine,
lässt ein Ploppen hören – und im unteren Fach landet
eine etwa 30 Zentimeter große durchsichtige Büchse.
Statt Cola enthält sie wichtige Medikamente, die auf
der Station gebraucht werden. Die Lieferung stammt
direkt aus der Apotheke der Unimedizin – transportiert
über die hauseigene Rohrpostanlage.
Mit dem System werden neben
Medikamenten auch Labor-, Blut- und
Gewebeproben transportiert.
Das funktioniert über ein rund 3500 Meter langes
Rohrsystem, das auf dem Campus Schillingallee die
einzelnen Gebäude, darunter die Apotheke, einzelne
Institute und viele Stationen, miteinander verbindet.
„Das Ganze geschieht dank Pressluft in Sekundenschnelle“, erzählt Techniker Ralf Breetzmann.
„Eine Probe legt fünf Meter pro
Sekunde zurück. Manche Stoffe dürfen
nicht so schnell transportiert werden;
die sind halb so rasant unterwegs.“
12 | Im Dialog 1|2016
Das System Rohrpost ist übrigens nicht neu:
Zum ersten Mal wurden Büchsen in der Mitte
des 19. Jahrhunderts auf Reisen geschickt.
„Heutzutage kommt nur ein bisschen mehr
Elektronik hinzu“, sagt Techniker Ralf Breetzmann. „Also kein neumoderner Schnickschnack, sondern eine ganz solide und bewährte Technik.“
Schneller Transport für schnelle Versorgung: Vor allem im Intensivbereich wird Patienten mehrmals täglich Blut abgenommen, um ihren Allgemeinzustand zu
prüfen. Diese Proben werden von den Pflegekräften
mit reichlich Luftpolsterfolie sicher eingepackt und in
einen der durchsichtigen Behälter gesteckt. Im Nu
landet die Büchse zur Analyse im Labor. Der Befund
trifft per Fax ebenso schnell wieder auf der Station ein
– und die passende Behandlung kann starten.
Jeder Behälter hat seine eigene Heimatadresse, berichtet der Fachmann: „Wenn die Probe entnommen
wurde, kehrt jede Büchse zu ihrem Ursprungsort zurück.“ Die Mitarbeiter im Labor stecken sie einfach
wieder in die Röhre – den Weg nach Hause findet sie
von allein.
Nach 200 Leerfahrten ist es Zeit für
eine Dusche. „Dann werden die Dosen
automatisch aus dem Verkehr gezogen
und zu uns ins Ver- und Entsorgungszentrum umgeleitet.“
Dort gibt es – an deutschen Kliniken ist das einmalig
– eine hochmoderne Waschmaschine, in der die Behälter gereinigt werden.
Im Dialog 1|2016 | 13
Während des Studiums zeige sich zuweilen, dass die
Studenten zwar fachlich fest im Stoff stünden - wenn
es aber daran gehe, mit Patienten zu reden, gebe
es große Unsicherheiten. Dabei will Kommunizieren
gelernt sein. Besonders Mediziner finden sich im Berufsalltag häufig in Gesprächssituationen wieder, die
alles andere als einfach sind. In den Kursen werden
angehende Ärzte frühzeitig auf diese Herausforderungen vorbereitet.
In den Seminaren trainieren sie
Gespräche, die später in der Klinik
tagtäglich vorkommen können –
aufgebrachte Angehörige, verzweifelte
Eltern, Patienten, die ihre Diagnose
nicht akzeptieren wollen.
Die richtigen Worte finden:
Medizinstudenten trainieren
heikle Gespräche
„Ich verstehe nicht, wie das passieren kann“, sagt
die Mutter empört. „Ich komme morgens zu meinem
kleinen Paul ins Patientenzimmer und sehe, dass
sein Arm dick angeschwollen ist.“ Im Klinikalltag eine
nicht unübliche Komplikation von Infusionen, doch die
Mutter ist besorgt. Sie gestikuliert aufgebracht, verschränkt die Arme. Der junge Arzt hält einen Moment
inne. Atmet durch. Und entgegnet schließlich mit ruhiger Stimme: „Ich verstehe, dass die Situation für Sie
sehr belastend ist. Das tut mir leid. Aber wir tun alles,
damit es Ihrem Sohn schnell wieder besser geht.“
14 | Im Dialog 1|2016
Der Arzt ist noch kein Arzt, sondern Medizinstudent,
die wütende Mutter eine Laien-Schauspielerin. Die
Situation spielt sich in einem Kommunikations-Seminar an der Kinder- und Jugendklinik ab. Ein Projekt
des Rostocker Mediziner Trainingszentrums, kurz
RoMeTz, der Unimedizin. „Vielen Studenten fällt es
schwer, mit Patienten zu reden“, sagt Projektmitarbeiterin Erzsébet Matthes. „Es treffen zwei Parteien
aufeinander, die sich gar nicht kennen, und trotzdem
geht es mitunter um Themen, die über Leben und Tod
entscheiden. Da kann einiges schiefgehen.“
Dabei sind die Herausforderungen in verschiedenen Fachbereichen unterschiedlich. „Die besondere Schwierigkeit in der Psychosomatik besteht beispielsweise darin, eine vertrauensvolle Beziehung
aufzubauen, die dem Patienten Raum gibt, sich auch
angst- oder schambesetzten Fragen zu öffnen“, erklärt Projektmitarbeiterin Susanne Schrötter. „Die Gespräche dauern deutlich länger als in anderen Bereichen und sind sowohl für die Darsteller als auch für
die Studenten sehr kräftezehrend.“
Über das Reden reden lohnt sich.
Besonders stolz ist das RoMeTz-Team auf die Kurse am Institut für Rechtsmedizin. Schließlich sei es
keine leichte Aufgabe, Hausbesuche zu erledigen,
die Leichenschau im Beisein von Angehörigen durchzuführen und anschließend den Leichenschein auszustellen. Und das ist längst nicht alles: „Wie äußert
man eine Gewaltvermutung, den Verdacht auf Kindesmissbrauch? Welche Hilfe kann man dem Opfer
anbieten?“, umreißt Schrötter das breite Themengebiet. „In den Seminaren können viele Unsicherheiten
besprochen werden.“
Die rund 40 Profi- und Laiendarsteller, die in die Rolle
der Betroffenen schlüpfen, werden vor den Trainings
geschult und reagieren spontan auf die Äußerungen
der Studenten. Ein Drehbuch gibt es nicht. Kommilitonen, Dozenten und Kommunikationsexperten beobachten und bewerten das Gespräch. Auch die Schauspieler berichten, wie sie sich gefühlt haben. Lena
Wagner, die an diesem Tag die besorgte Mutter mimt,
meldet dem Medizinstudenten Christopher Tesch zurück: „Du hast Dich nicht aus der Ruhe bringen lassen und mir alles geduldig erklärt. Das hat mich überzeugt.“ Gar nicht so einfach, räumt der angehende
Mediziner ein: „Zuerst dachte ich, so eine Komplikation kommt schon mal vor und ist eigentlich gar nicht so
wild. Bis mir klar wurde: Für die Eltern ist das natürlich
wild, vor allem bei einem dreijährigen Kind.“
Empathie zeigen und auf den Patienten eingehen –
das ist anfangs für viele Studenten schwer, weiß auch
Prof. Dr. Carl Friedrich Classen, Oberarzt an der Kinderklinik. „Wie man als Arzt mit dem Patienten spricht,
kann man nicht in theoretischen Vorlesungen lernen“,
sagt der Mediziner. Das Geheimnis eines gelungenen
Arzt-Patienten-Gesprächs laute daher: Üben, Üben,
Üben. „Auch wenn im Gespräch schon mal die eigene
Kompetenz in Frage gestellt wird, darf man sich nicht
mitreißen lassen. Als Ärzte müssen wir zeigen:
Wir sind keine Feinde, sondern stehen
auf der Seite der Patienten und
Angehörigen. Wir teilen ihr Leid.“ Oberste Prämisse für ein gutes Gespräch? „Zuhören,
Blickkontakt, Fragen stellen“, sagt Erzsébet Matthes.
„Vertrauen herzustellen ist neben der fachlichen Kompetenz das A und O. Leider geht das im Studium oft
etwas unter.“
Bisher ist das Thema Kommunikation nur am Anfang
des Medizinstudiums im Stundenplan verankert; im
Studium der Zahnmedizin taucht es gar nicht auf. Das
soll sich ändern: In Mecklenburg-Vorpommern wird
das Curriculum derzeit überarbeitet. „Bis die neuen
Strukturen beschlossen und umgesetzt sind, wird es
noch ein Weilchen dauern“, so Matthes. „So lange
wollen wir nicht warten. Wir machen jetzt etwas.“
Im Dialog 1|2016 | 15
Einzigartig im Norden:
Augenklinik lasert „fliegende
Mücken“
Als „fliegende Mücken“ oder „schwarze Flusen“ werden sie bezeichnet: kleine Punkte, die im Blickfeld erscheinen und besonders sichtbar sind, wenn man den
Himmel oder eine weiße Wand anschaut. Im Fachjargon wird dieser Eindruck, der im Auge durch einen
abgelösten Glaskörper entsteht, „mouches volantes“
(französisch für „fliegende Mücken“) oder „eye-floater“
genannt. Wer diese Floater einmal sieht, wird sie nicht
wieder los. Bis jetzt. An der Rostocker Unimedizin
können sich Patienten, die sich an den Flusen stören,
mit dem Laser behandeln lassen.
Die Einrichtungen in Deutschland, die diese Methode
bisher anbieten, lassen sich an einer Hand abzählen. Im Norden ist die Rostocker Augenklinik die erste. „Früher hat man immer gesagt, gegen die Flusen
kann man nicht mit dem Laser angehen“, sagt Leiter
Prof. Dr. Anselm Jünemann. „Diese Ansicht ist veraltet. Wenn man sich für die Voruntersuchung ausreichend Zeit nimmt und die Netzhaut in Ordnung ist, ist
die Laser-Behandlung kein Problem.“
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde
Doberaner Straße 140
18057 Rostock
Die dunklen Bereiche entstehen, wenn sich der Glaskörper im Auge ablöst. „Der Glaskörper ist wie Götterspeise, wie ein rohes Eiweiß“, erklärt der Augenarzt. „Er besteht zu 99 Prozent aus Wasser, im Zaum
gehalten von einem dreidimensionalen Stützgerüst.“
Im Laufe eines Lebens verflüssigt sich der Glaskörper
teilweise, fällt in sich zusammen und hebt sich von
der Netzhaut ab. „Bei kurzsichtigen Menschen sogar
noch früher als bei weitsichtigen.“ Durch die Bewegung entsteht der Eindruck, man würde kleine Punkte
sehen – die fliegenden Mücken.
Ein häufiges Phänomen: Laut Jünemann haben fast
alle Menschen früher oder später die Flusen im Auge,
die organisch zwar unbedenklich sind, aber von einigen Betroffenen als sehr störend empfunden werden. Bisher ging die Diagnose mit der Aussage vom
Augenarzt einher: „Damit müssen Sie leben.“ Außer
einer chirurgischen Entfernung des Glaskörpers gab
es keine Behandlungsmöglichkeiten.
Mit dem neuen Laser in der Rostocker
Augenklinik löst sich das Problem nun
wortwörtlich in Luft auf.
„Der Laser wurde in den 60er Jahren entwickelt und
vereint unterschiedliche Methoden miteinander“, erklärt Jünemann. „Mit dem feinen Strahl können wir
den Glaskörper verdampfen. Das Aus für die Flusen.“
Wer sich für die Laser-Behandlung entscheidet, sollte ein ansonsten gesundes Auge haben, ohne akute
Entzündungen. Der Eingriff erfolgt ambulant und dauert zwischen zehn und 30 Minuten. Bisher ist er keine
Kassenleistung.
Laser-Sprechstunde: dienstags ab 16.30 Uhr
Anmeldung unter Tel.: 0381 / 494 8501
16 | Im Dialog 1|2016
Im Dialog 1|2016 | 17
Seltener Eingriff: Chirurg entfernt
Speiseröhre ohne großen Schnitt
In wenigen Kliniken in Deutschland wird eine krebsbefallene Speiseröhre per Schlüssellochchirurgie, also
mit dem Endoskop, entfernt. An der Rostocker Unimedizin hat 2015 Prof. Dr. Tung Yu Tsui zum ersten Mal
diesen Eingriff vorgenommen. Der Leiter der Sektion
Onkologische Chirurgie befreite auf diese Weise Patientin Anja Lehmann von einem Tumor an der Speiseröhre.
Noch immer ist dafür die große offene Operation
Standard: Der Bauch wird geöffnet, aus dem Magen
wird ein Schlauch gebildet, der künftig als Ersatz für
die Speiseröhre dienen soll. Damit das neue Gebilde
platziert werden kann, wird auch der Brustraum aufgeschnitten. „Der Eingriff ist aufwendig, viele Komplikationen drohen“, sagt der Chirurg. Bei der 45-Jährigen wählte er das komfortablere minimalinvasive
Verfahren. Vorteile: Der Patient verliert weniger Blut,
es gibt keine großen Narben und weniger Schmerzen.
Das Immunsystem wird geschont, dadurch ist eine
schnellere Erholung möglich.
„Das operative Trauma ist kleiner, und Frau Lehmann
musste statt vier Wochen weniger als die Hälfte der
Zeit in der Klinik verbringen“, so Tsui. In einem sechsstündigen Eingriff entfernte er per Endoskop und Videotechnik die gesamte Speiseröhre. Nötig waren
dafür nur ein paar Einstichpunkte im Bauchraum, wo
die Instrumente eingeführt wurden, und ein kleiner
18 | Im Dialog 1|2016
Schnitt seitlich am Brustkorb. Eine lokale Abtragung
des befallenen Gewebes mit dem Endoskop sei bei
Anja Lehmann nicht infrage gekommen, berichtet
ihr Operateur. „Der Tumor lag sehr weit in der Tiefe.“
Blieb nur die komplette Entfernung der Speiseröhre
und der umgebenden Lymphknoten.
Dass sie Krebs hat, erfuhr Lehmann durch Zufall. Sie
litt unter Schmerzen in Bauch und Brust, ihre Hausärztin ordnete eine Magenspiegelung an – dabei wurde
der Tumor entdeckt. So wurde die 45-Jährige schon
im frühen Krebsstadium in die Klinik überwiesen.
Die Frage nach dem Ausmaß eines Eingriffes ist nicht
nur bei der Entfernung einer Speiseröhre ein entscheidender Aspekt für Prof. Tsui.
„Lässt man den Tumor drin, um ihn
unter Kontrolle zu haben, oder soll er
raus und wir nehmen ein OP-Trauma
für den Patienten in Kauf – vor dieser
Frage stehen Mediziner immer wieder.“
Fest stehe, dass auch in Rostock der Trend seit Jahren zu organschonenden Operationen gehe. „Wir
wollen mehr Präzision und weniger Trauma“, sagt der
Chirurg.
14 Top-Mediziner auf der
„Focus - Ärzteliste“
14 Ärzte der Universitätsmedizin Rostock
zählt das Magazin „Focus Gesundheit“ zu
den deutschlandweiten Top-Medizinern.
Titelträger sind: Prof. Oliver Hakenberg
und Dr. Chris Protzel (urologische Tumore), Prof. Wolfram Mittelmeier (Hüft- und
Kniechirurgie), Dr. Eike Frank Berger
(Netzhauterkrankungen), Prof. Michael
Radke (Kindergastroenterologie), Prof.
Guido Hildebrandt (Strahlentherapie),
Prof. Anselm Jünemann (Glaukom), Prof.
Ernst Klar (Bauchchirurgie), Prof. Thomas
Mittlmeier (Unfallchirurgie), Prof. Robert
Mlynski (HNO-Heilkunde), Prof. Johann
Christian Virchow (Asthma), Prof. Stefan
Teipel (Alzheimer), Prof. Uwe Zettl (Multiple Sklerose) und Dr. Alexander Wolters
(Parkinson).
Im Dialog 1|2016 | 19
Rostock und Schwerin:
Gemeinsames Herzzentrum –
kurze Wege
Die Versorgung herzchirurgischer Patienten in Westmecklenburg wird sich im kommenden Jahr deutlich
verbessern. Dafür sorgt eine Vereinbarung, die die
Unimedizin Rostock und die HELIOS Kliniken Schwerin geschlossen haben. Seit dem 1. Januar arbeiten
beide Häuser bei der Behandlung von kardiologischen und kardiochirurgischen Patienten eng zusammen. Jetzt können sowohl herzchirurgische Eingriffe
als auch der katheter-gestützte Einsatz von Herzklappen in Schwerin vorgenommen werden.
Unimedizin und privater Krankenhausbetreiber arbeiten Hand in Hand - eine Zusammenarbeit, die es in
dieser Form bundesweit noch nicht gegeben hat.
„Vor allem für Patienten in
Westmecklenburg bedeutet das eine
optimale Versorgung, die Leben retten
kann“, sagt Prof. Dr. Christian Schmidt,
Ärztlicher Vorstand der Unimedizin.
So wird in Schwerin eine gemeinsame kardiologischkardiochirurgische Station betrieben, auf der Rostocker Ärzte herzchirurgische Eingriffe übernehmen.
„Ein großer Gewinn“, sagt Thomas Rupp, Geschäftsführer der HELIOS Kliniken Schwerin. „Bisher mussten wir die Patienten in Notfällen per Hubschrauber
oder Krankenwagen in eine herzchirurgische Klinik
überweisen. 2014 waren das rund 160 Hubschraubertransporte.“ Die fallen nun weg. Ein ganz entscheidender Aspekt, bestätigen die beiden zuständi-
20 | Im Dialog 1|2016
gen Chefärzte, Prof. Gustav Steinhoff (Rostock) und
Prof. Alexander Staudt (Schwerin): „Patienten können
schneller operiert werden. Das sind Minuten, die über
Leben und Tod entscheiden.“
Auch für Patienten, die ein katheter-gestütztes Herzklappenimplantat (TAVI) benötigen, verbessern sich
die Behandlungsmöglichkeiten. Für entsprechende
Eingriffe wurden Schweriner Patienten bisher nach
Lübeck verlegt. Jetzt sind die strukturellen Voraussetzungen auch in der Landeshauptstadt MecklenburgVorpommerns gegeben. Künftig ist für entsprechende Eingriffe immer ein Chirurgenteam anwesend.
„Dieses Team wird künftig von uns gestellt“, so Prof.
Schmidt, „und dadurch die wohnortnahe Versorgung
sichergestellt.“
Kardiologen und Herzchirurgen arbeiten zusammen
in einem gemeinsamen Herzzentrum, das sich über
die beiden Standorte erstreckt: In Schwerin mit dem
Schwerpunkt auf Herzklappen-chirurgischen Eingriffen, in Rostock auf komplexen herzchirurgischen Behandlungen und Herzschwäche.
Begleitet wird die Kooperation durch ein spezielles
Ausbildungskonzept, bei dem Ärzte und Pflegekräfte
zwischen Schwerin und Rostock rotieren, voneinander lernen und Expertenwissen austauschen. „Damit
sichern wir nicht nur Arbeitsplätze in MV, sondern werden auch attraktiver für weitere Bewerber und binden
Wissen in unserem Land“, erklärt Thomas Rupp.
Die Kooperation zwischen den Rostocker und Schweriner Medizinern ist vorerst bis 2022 beschlossen.
Im Dialog 1|2016 | 21
Impressum
Herausgeber:
Universitätsmedizin Rostock
Professor Dr. Christian Schmidt, Vorstandsvorsitzender
Ernst-Heydemann-Straße 8, 18057 Rostock
www.med.uni-rostock.de
Redaktion:
Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit / Marketing
E-Mail: [email protected]
Gestaltung:
Tanja Bodendorf, Redakteurin / 2. Pressesprecherin
Fotos:
Universitätsmedizin Rostock, Danny Gohlke
Druck:
Stadtdruckerei Weidner GmbH
Alle Rechte an Texten und Abbildungen bleiben vorbehalten. Kopien und Nachdrucke (auch Auszüge)
sind - außer zur reinen privaten Verwendung - nur nach ausdrücklicher schriftlicher Erlaubnis durch den
Herausgeber gestattet.