Im Dialog Die Patientenzeitung der Universitätsmedizin Rostock, Ausgabe 01/2016 Unterstützung für pflegende Angehörige Schwerkranke Kinder im Team versorgen Rostock und Schwerin gründen Herzzentrum www.med.uni-rostock.de Inhalt „PfiFf“iges Angebot Hilfe für pflegende Angehörige Vorwort 2 Bettenwechsel 4 Mehr Komfort für Patienten und Pflegekräfte Verstärkung an Bord 6 Neue Chefs für Kardiologie, Neurologie und Hautklinik Infotainment im Netz Notfallmediziner liefern 1000 Fakten zum Alkohol 8 Versorgung von kleinen Patienten ausgebaut 10 Rohrpostanlage Pressluft schießt Proben ins Labor 12 Die richtigen Worte finden 14 Medizinstudenten trainieren heikle Gespräche Liebe Patienten der Universitätsmedizin Rostock, liebe Leser, hier ist sie, die erste Ausgabe unserer Patien- bitten wir Sie sehr herzlich: Schreiben Sie uns, tenzeitung „Im Dialog“, die von nun an zwei- worüber Sie gern etwas lesen möchten. Wen mal pro Jahr erscheinen wird. Der Name ist oder was möchten Sie besser kennenlernen? Programm. Regelmäßig werden wir Sie über Themenanregungen nehmen wir gern per Mail Neuigkeiten in der Universitätsmedizin Ros- an [email protected] entgegen. tock informieren. Wir sind die größte medizinische Einrichtung des Landes und einer der Diesmal lesen Sie unter anderem, warum wir größten Arbeitgeber der Region - da gibt es aufopferungsvoll helfenden Angehörigen wie- jederzeit eine Menge Spannendes zu erzäh- derum unsere Hilfe anbieten. Welche Chef- len. In jedem Winkel unseres Hauses schlum- ärzte frischen Wind und neue Methoden in un- mern Geschichten. Wir berichten Ihnen von ser Haus bringen. Wie Pressluft dafür sorgt, bekannten Persönlichkeiten und ganz frischen dass wichtige Proben schneller im Labor an- Gesichtern, von innovativen Angeboten, ge- kommen. Warum wir mit dem deutschlandweit lungenen Projekten und wichtigen Vorhaben. größten privaten Krankenhaus-Träger koope- Wir wollen die Arbeit in unseren vielen Berei- rieren. Und was der Direktor unserer Augenkli- chen vorstellen und die Menschen, die sie täg- nik neuerdings mit Mücken zu tun hat. lich leisten. Und nun viel Spaß beim Schmökern! Einzigartig im Norden Augenklinik lasert „fliegende Mücken“ 16 Doch wir richten natürlich keine Einbahnstraße ein. Das Patientenblatt soll leben. Deshalb Herzlichst Seltener Eingriff 18 Chirurg entfernt Speiseröhre ohne großen Schnitt Rostock und Schwerin 20 Gemeinsames Herzzentrum – kurze Wege Prof. Dr. Christian Schmidt, Ärztlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Emil C. Reisinger, Wissenschaftlicher Vorstand und Dekan Annett Laban, Pflegevorstand Harald Jeguschke, Kaufmännischer Vorstand Im Dialog 1|2016 | 1 Die Teilnahme an „PfiFf“ ist kostenlos und unabhängig von der Kassenzugehörigkeit. „PfiFf“iges Angebot: Hilfe für pflegende Angehörige Schnell und unerwartet kann ein Familienangehöriger zum Pflegefall werden. Ein Schlaganfall oder ein schwerer Sturz kann das Leben komplett verändern. Dann ist rasche Hilfe gefordert – für den Patienten, aber auch für die Angehörigen. Hier setzt das Programm der AOK Nordost „Pflege in Familien fördern – PfiFf“ an, das zusammen mit der Universitätsmedizin Rostock Menschen unterstützt, die Betroffene zu Hause pflegen. Das Programm besteht aus drei aufeinander aufbauenden Modulen mit praktischer Anleitung und theoretischer Wissensvermittlung. Wenn gewünscht, erhalten sie schon im Krankenhaus und nach der Entlassung in der Häuslichkeit spezielle Schulungen mit praktischen Anleitungen, Hinweisen und Tipps. Im Internet unter www.aok-pfiff.de gibt es für pflegende Angehörige kurze Filme zur praktischen Anleitung. Eine erfahrene Pflegefachkraft zeigt verschiedene Handgriffe zu ausgewählten Pflegeaufgaben wie etwa die Augenpflege oder das richtige Betten eines Pflegebedürftigen. Die Betreuung zu Hause ist sehr komplex und mit hohen körperlichen, aber auch psychischen und emotionalen Belastungen verbunden, weiß Pflegevorstand Annett Laban. „Unsere Kenntnisse geben wir als Experten gern an die pflegenden Angehörigen weiter.“ „PfiFf“ setzt frühzeitig an, um Angehörige in der Pflege zu Hause zu unterstützen. Und diese nehmen das Angebot dankend an, weiß Nana Baumgarten, Schwester der Hämatologie. „Der Bedarf ist sehr groß“, sagt sie. „Die Familienmitglieder haben sich oft im Internet zwar schon gut informiert. Praktische Fragen bleiben aber oft unbeantwortet.“ Große Unsicherheit besteht meist bei der Frage nach der richtigen Lagerung. „Viele Familienmitglieder haben Angst, den Patienten zu verletzen, wenn sie ihn bewegen müssen“, sagt sie. „Wichtig ist, dass sie sich selbst dabei schonen und nicht verausgaben. Auch hier geben wir nützliche Tipps.“ Manuela Mühlbach, Pflegedienstleitung an der Unimedizin, koordiniert das Projekt am Haus und organisiert auch Weiterbildungskurse für die Mitarbeiter. Ihre „Pfiffis“, wie sie die teilnehmenden Pflegekräfte liebevoll nennt, erlebt sie hochmotiviert. „Wir alle sind neugierig auf das, was uns erwartet, und haben viele Ideen“, sagt sie. Die Pfiffis sind in beinahe allen Kliniken des Hauses im Einsatz und treffen direkt auf den Stationen auf die Betroffenen. „So können wir schnell einen Kontakt herstellen und die Versorgung nahtlos aufrechterhalten.“ PfiFf-Kollegin Jana Scheffler hofft, dass den Angehörigen dadurch die Angst genommen wird. Ein wichtiger Aspekt, denn: Beim Aufenthalt im Krankenhaus erleben die Familien einen hochprofessionellen Pflegealltag - der Patient wird von Fachkräften umsorgt, die sich kompetent und selbstbewusst um alles kümmern. „Plötzlich zu Hause angekommen stehen sie vor einem Berg an Aufgaben, von dem sie zunächst gar nicht wissen, wie sie ihn bewältigen können.“ Eine Unterstützung außerhalb der Klinik bereitet die Betroffenen nun besser auf die Pflegesituation vor. 2 | Im Dialog 1|2016 Weitere Informationen zu „PfiFf“ und die aktuellen Schulungs-Termine erhalten Sie bei Manuela Mühlbach – Tel.: 0381 494 8137 und unter www.pfiff.med.uni-rostock.de Im Dialog 1|2016 | 3 Bettenwechsel: Mehr Komfort für Patienten und Pflegekräfte Die Universitätsmedizin Rostock erhöht den Komfort für ihre Patienten und investiert in ihre Betten. 400 von insgesamt 1000 Stück, darunter 70 für den Intensiv-Betrieb, wurden samt Matratzen und Beistelltischen im vergangenen Jahr gegen neue ausgetauscht. Auch neun Säuglings- und alle Krabbelkinderbetten wurden durch neue ersetzt. Jetzt folgt der Rest. „Unsere alten Betten haben ausgedient“, sagt Pflegevorstand Annett Laban. „Viele Funktionen fehlten, manche Betten waren nicht in der Höhe verstellbar. Jetzt sind wir auf dem neuesten Stand der Technik: Die Neuzugänge sind echte Alleskönner.“ Das Haus sei die große Investition daher mit Freude angegangen. Keine Stürze im Dunkeln und noch schnellere Hilfe im Notfall: Jedes der neuen Betten verfügt zur Orientierung über eine Nachtbeleuchtung und kann per Knopfdruck in die für die Behandlung notwendige Position gebracht werden. Nicht nur die Kopflehne, sondern auch die Bereiche für Knie und Hüfte sind einzeln verstellbar. An den Flanken zeigen eingelassene Wasserwaagen die genauen Neigungswinkel an. Jedes Bett verfügt über eine eigene Fernbedienung für das Pflegepersonal. „Kein langes Bücken und Heben mehr“, lobt Ines Kruse. „Das schont den Rücken.“ Patient Karl-Werner Zießnitz hat schon eine Nacht im neuen Bett verbracht – „und wunderbar geschlafen“, sagt er. Richtig futuristisch gestaltet seien sie. „Aber das Wichtigste ist, dass die Betten auf die Bedürfnisse der Patienten und des Personals abgestimmt sind.“ Auch alle Säuglings- und Krabbelkinder-Betten werden ausgetauscht. Andrea Niendorf, Stationsleitung in der Kinderchirurgie, ist von den neuen Säuglingsbetten begeistert: „Schick sind sie und vor allem modern.“ Jetzt komme sie gut an die kleinen Patienten heran. Statt ganz in Weiß wie die Vorgänger bringen die neuen Betten Farbtupfer auf die Stationen: Blau für die Kinderchirurgie und Orange für die restliche Kinderklinik. Das neue Mobiliar dient nicht nur der Behaglichkeit der Kranken. Es erleichtert auch dem Pflegepersonal die Arbeit. „Technisch sehr ausgefeilt“, lautet das Urteil von Ines Kruse, Stationsschwester der Urologie. Durch eine fünfte Lenkrolle könne sie die Betten nun zum Beispiel auch ohne Probleme allein verschieben und auf kleinstem Raum drehen. Alle Funktionen wie Höhenverstellung, Schocklagerung oder Abklappen der Seitenlehnen laufen vollautomatisiert. Erste Nacht im neuen Bett gut verlebt: Patient Karl-Werner Zießnitz lässt sich von Schwester Ines Kruse noch ein paar Tricks zeigen. Die Station der Urologie war im vergangenen Jahr Anfang Oktober die erste, die sich über neues Mobiliar freuen konnte. Insgesamt 47 Betten wurden dort ausgetauscht. Die ausgedienten Betten werden an wohltätige Einrichtungen gespendet. 4 | Im Dialog 1|2016 Im Dialog 1|2016 | 5 Verstärkung an Bord: Neue Chefs für Kardiologie, Neurologie und Hautklinik Frischen Wind in die Rostocker Kardiologie bringt Prof. Dr. Hüseyin Ince als neuer komm. Leiter. Beschwerden rund ums Herz sind für ihn ein Thema der Zukunft – vor allem in einem Flächenland wie MV, in dem der Altersdurchschnitt der Bevölkerung zunehmend steigt. Prof. Dr. Hüseyin Ince leitet seit vergangenem Jahr kommissarisch die Rostocker Kardiologie und will mit seinem Team künftig das Thema Telemedizin weiter ausbauen. Der neue leitende Neurologe Prof. Dr. Alexander Schwerpunkt seien zum einen chronisch verschlossene Herzkranzgefäße. „Auch nach ihrer erfolgreichen Wiedereröffnung per Katheter oder Bypass-OP können Narben verbleiben“, sagt Ince. Das könne zu einer Herzschwäche führen und damit zu Symptomen, die die Lebensqualität erheblich einschränken. „Ich wünsche mir, dass wir die Herzschwäche, die sich mittlerweile wie eine Pandemie über Deutschland ausbreitet, künftig spezifischer angehen.“ Storch sucht auf dem Gebiet der Parkinson-Erkrankung nach neuen Erkenntnissen. Zunehmend aktuell ist auch die minimalinvasive Klappentherapie, bei der eine Herzklappe per Katheter zum Herzen vorgeschoben wird. Mittlerweile verfügt das universitäre Herzzentrum über ein Sortiment von sieben Herzklappen. „Für jeden Patienten wird das passende Modell nach Berechnungen am Computer ausgewählt.“ In Inces Team überwacht Prof. Dr. Dietmar Bänsch seit acht Jahren kardiologische Patienten auch in weiter Ferne. Die Daten von 250 Patienten mit Schrittmachern, Defibrillatoren oder kleinen EKGs werden per Satellit direkt auf die Rechner und Mobiltelefone der Rostocker Spezialisten gesendet. „Das Angebot wollen wir weiter ausbauen und uns mit den niedergelassenen Kollegen und kardiologischen Abteilungen im Land enger verzahnen“, hat sich Ince vorgenommen. Prof. Dr. Steffen Emmert, neuer Leiter der Hautklinik, legt besonderes Augenmerk auf die Erforschung und Behandlung von Hautkrebs. 6 | Im Dialog 1|2016 Die Neurologie in Gehlsdorf wird seit August durch Prof. Dr. Alexander Storch als neuem Direktor verstärkt. Er möchte einen Schwerpunkt auf die neurodegenerativen Erkrankungen legen, bei denen es zu einem Verlust von Nervenzellen im Gehirn kommt. Daneben sollen auch die bereits bestehenden Schwerpunkte wie die Neuro-Intensivmedizin sowie die Behandlung von Multipler Sklerose und Schlaganfall weiter ausgebaut werden. „Je älter wir werden, desto mehr steigt das Risiko, dass unser Nervensystem erkrankt“, sagt Storch. Eine der häufigsten Störungen sei die Parkinson-Erkrankung, bei der ein Absterben spezieller Nervenzellen verschiedene Symptome hervorruft. Einen großen Gewinn verspricht sich Storch aus der Erforschung von Stammzelltherapien. „Uns interessiert, ob wir Parkinson mit dieser Methode behandeln können, etwa mit Transplantationen“, sagt er. „Mit Stammzellen können wir Modelle erstellen, durch die wir die Krankheit besser verstehen können.“ Dem neuen Leiter der Rostocker Hautklinik, Prof. Dr. Steffen Emmert, eilt sein guter Ruf voraus: Kurz vor seinem Einstand im letzten Jahr wurde er für eine neue Methode, mit der chronische Hautwunden durch Plasma behandelt werden können, mit dem Innovationspreis der Stiftung „Familie Klee“ und mit dem Fraunhofer-Preis „Technik für den Menschen“ geehrt. Die neue Behandlungsmethode, bei der ionisierte Luft, Plasma, auf die Haut einwirkt, hat Emmert mit nach Rostock gebracht. Und auch sonst hatte er einiges im Gepäck, darunter innovative Technik für Diagnostik und Therapie. Patienten sollen künftig nicht mehr nur ambulant und stationär behandelt werden, sondern auch in einer Tagesklinik. Besonders in seinem Spezialgebiet, der Erforschung und Behandlung von Hautkrebs, möchte Emmert Maßstäbe setzen. „Hautkrebs ist der häufigste Krebs beim Menschen“, so der Fachmann, „und im Falle des schwarzen Hautkrebses bis heute ohne Heilung.“ Der Bedarf an neuen Therapien und Mitteln zur Früherkennung sei also hoch. Das Melanom ist ein Krebs der jungen Menschen und bei den 20- bis 30-Jährigen eine der häufigsten Todesursachen. Der Rat des Experten: „Bei Hautkrebs im familiären Umfeld oder vielen Muttermalen mindestens alle zwölf Monate zum Spezialisten.“ Im Dialog 1|2016 | 7 Infotainment im Netz: Notfallmediziner liefern 100 Fakten zum Alkohol Mit einer wegweisenden Idee sind die Notfallmediziner der RoSaNa (Rostocker Simulationsanlage und Notfallausbildungszentrum) der Unimedizin Rostock an den Start gegangen. Über eine Facebook-Seite verbreiten sie „100 Fakten zum Alkoholkonsum“, neudeutsch würde man das Angebot wohl Infotainment nennen. RoSaNa-Leiter und Initiator Dr. Gernot Rücker hofft, dass die Aufmerksamkeit große Kreise zieht. „Alkohol ist eine Elendsdroge, die uns allen Ressourcen raubt“, sagt er. Andere, illegale Drogen würden aus Unwissenheit stigmatisiert, während Alkohol als legales und anerkanntes Rauschmittel völlig gesellschaftsfähig sei. Dabei wirke er zerstörerisch. Jeden Tag, so der Arzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, erlebten er und seine Kollegen in der Notaufnahme und an Unfallorten, welche Dramen sich unter Alkoholeinfluss abspielen. So sammelte ein Team aus drei Ärzten und einer Schwester Fakten zum Alkohol zusammen. Polizeistatistiken wurden konsultiert, der Suchtbericht der Bundesregierung, Internetforen, religiöse Schriften, Datenbanken. „Der Diskurs ist klasse“, sagt Rücker, der selbst keinerlei Drogen konsumiert. Dennoch stellt er immer wieder Haschisch neben den Alkohol – nicht um für Cannabis zu werben, sondern um deutlich zu machen, „dass die Grenze zwischen gefährlich und ungefährlich, legal und illegal ganz willkürlich gezogen wird“, so Rücker. „Aufklärung ist der einzige Weg.“ Drogenmündigkeit, das Bewusstsein, welche Droge welche Wirkung hat, sei das Ziel. „Im Fall von Alkohol sind wir unsensibel dafür geworden, weil wir die Grenze zwischen Genuss- und Rauschmittel nicht mehr wahrnehmen“, findet der Mediziner und stellt klar: „Es gibt keine Droge, die harmlos ist. Drogenkonsum bedeutet, sich über die Einnahme einer Substanz vom jetzigen 8 | Im Dialog 1|2016 Gemütszustand in einen Wunschzustand bringen zu wollen. Das geht nicht ohne Kollateralschaden.“ In einem der Beiträge berichtet das Team, dass in Deutschland fast jede dritte Gewalttat unter Alkoholeinfluss stattfindet. Anders als bei anderen Drogen verlaufe die Wirkung bei Alkohol nicht linear: „Die erwünschte Fröhlichkeit, die heruntergesetzte Kontaktschwelle sind zwar schnell erreicht, gehen aber bald in Müdigkeit oder aber Aggressivität über“, so der Arzt. „Verkehrsunfälle, Tötungsdelikte, Randale, Prügeleien: Die meisten Polizeimeldungen darüber enthalten Hinweise auf den Zusammenhang mit Alkohol. Im Gegensatz dazu geht es in den Meldungen über Cannabis immer nur um Besitz oder Handel, fast nie um Übergriffe. Warum ist dann eigentlich nicht Alkohol verboten?“, fragt sich Rücker. Keineswegs K.o.-Tropfen, sondern Alkohol sei die „Vergewaltigungsdroge Nummer eins“. Schon in der Bibel, im 1. Buch Mose, basiere Gewalt auf dem Rauschmittel. Pro Kopf, so der Mediziner, konsumiere der Durchschnittsdeutsche 99,5 Liter Bier im Jahr. „Wir haben 2014 insgesamt 8 059 500 000 Liter Bier weggebechert. In nebeneinandergestellten Bierflaschen sind das 261 933 Kilometer, 6,2 Erdumrundungen.“ Es sei absurd, dass bei Vorkommnissen, angefangen vom vermeintlich kleinen Fauxpas – jemandem an den Hintern fassen – bis zum Verursachen eines Unfalls mit Toten, das Vorliegen von Trunkenheit als mildernder Umstand angesehen werde und am Ende sogar ein Strafmaß vor Gericht herabsetzen könne. Um mehr Alkoholkonsumenten zu erreichen, präsentiert das Team die Fakten auch in einem Blog: www.100faktenzumalkoholkonsum.info Kampagne „Notfallort schneller finden“ Im Notfall geht es um jede Sekunde. Daher ist es wichtig, dass der Rettungsdienst den Einsatzort schnell erreicht. Die uneinheitliche Nummerierung von Häusern steht dem oft im Weg, wie das Team um Rücker herausgefunden hat. Sie haben errechnet, dass in jedem Jahr in Deutschland rund 1000 Menschen durch fehlende oder falsch angebrachte Hausnummern sterben. „Zu wenige Häuser sind ausreichend gekennzeichnet“, erklärt Rücker. „Hinzu kommt, dass die Nummerierung nicht einheitlich geregelt ist.“ Während im Westen der Republik gerade und ungerade Nummern auf beiden Straßenseiten getrennt und in eine Richtung nummeriert seien, gebe es im Osten vielerorts eine fortlaufende Nummerierung mit Umkehrpunkt. „Da geht schnell die Orientierung verloren“, sagt der Experte. „Rettungskräfte fahren oft in die falsche Richtung und müssen dann mit dem großen Einsatzfahrzeug wenden.“ Im Schnitt gingen dafür ein bis zwei Minuten verloren. „Zeit, die bei Herzversagen über Leben oder Tod entscheiden kann.“ Im Falle einer Wiederbelebung sinkt die Überlebensrate um zehn Prozent pro Minute, die sich der Rettungswagen verzögert. Dem Zeitverlust will Rücker mit der Aktion „Notfallort schneller finden“ entgegenwirken: www.zeig-dich.info Dort werden Tipps und Beispiele für das Anbringen von Hausnummern gegeben. Das Team möchte außerdem durchsetzen, dass Helfer den Rettungskräften entgegenkommen, wenn der Patient allein gelassen werden kann oder ein zweiter Helfer anwesend ist. Sehr hilfreich ist es, nachts mit einer Taschenlampe oder tagsüber mit einem Handtuch zu winken. Das ist bei Einsätzen mit dem Rettungshubschrauber besonders wichtig: „Dann kommen oft schon beim Anflug viele Anwohner auf die Straße, um das Spektakel zu verfolgen“, sagt der erfahrene Notarzt. „Kinder, aber auch Erwachsene, winken den Rettungskräften zu. Diese sehen durch das Wirrwarr an Handzeichen und Personen häufig nicht, zu welchem Haus sie gerufen wurden.“ Mit diesen einfachen Maßnahmen gelangt der Rettungsdienst schneller ans Ziel und es können mehr Menschenleben gerettet werden. Im Dialog 1|2016 | 9 Versorgung von kleinen Patienten ausgebaut SAPV-Projekt „Mike Möwenherz“ Jungen Menschen, die an einer schweren unheilbaren Krankheit leiden, die letzten Monate, Wochen oder Tage zu Hause verschönern – das ist das Ziel von „Mike Möwenherz“, einem Projekt zur Spezialisierten Ambulanten Palliativen Versorgung (SAPV) von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern. gen im Vordergrund. „Wenn ein Kind erkrankt, ist die ganze Familie betroffen“, sagt Prof. Dr. Carl Friedrich Classen, Leiter des SAPV-Teams. „Eine immense seelische Belastung.“ Das Kinder-Palliativteam übernimmt die Versorgung für das gesamte Bundesland. Die Behandlung zu Hause bedeutet für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung. Sozialpädiatrisches Zentrum Neue Anlaufstelle für chronisch kranke Kinder: An der Universitätsmedizin Rostock hat ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) die Arbeit aufgenommen. Dort werden Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren versorgt, die an einer chronischen Erkrankung leiden, behindert sind oder denen eine Behinderung droht. Ärzte und Pflegekräfte sind gemeinsam mit Seelsorgern und Therapeuten im Einsatz. „Auch Eltern werden dann oft zu Pflegenden“, sagt Classen. „Wir bilden ein Team.“ „Wir möchten die Betroffenen im alltäglichen Leben unterstützten und ihnen mehr Normalität ermöglichen“, sagt Leiterin Dr. Heike Haase. Die Mitarbeiter sorgen für eine breite medizinische Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die an einer fortschreitenden lebensverkürzenden Erkrankung leiden. Daneben steht auch die psychosoziale Begleitung der kleinen Patienten und ihrer Angehöri- Auch wenn die Kinder, die von „Mike Möwenherz“ behandelt werden, sehr krank sind, will das Projekt ihnen eine eigene Lebensweise ermöglichen. „Dafür sind sie sehr dankbar und blühen im heimischen Umfeld noch einmal auf.“ „Unser Ziel ist es, früh Entwicklungsstörungen zu erkennen und gemeinsam mit den Eltern spezielle Therapien und Förderungen auf den Weg zu bringen.“ Die Kinder und ihre Familien werden über Jahre hinweg Das Team von „Mike Möwenherz“ Informationen zu „Mike Möwenherz“: www.mike-moewenherz.med.unirostock.de begleitet. Die Mitarbeiter des Zentrums koordinieren Behandlungen, vermitteln Therapeuten und Psychologen, besprechen die Schullaufbahn und vieles mehr. „Eltern kranker Kinder müssen nicht mehr viele verschiedene Stationen anlaufen, um ans Ziel zu gelangen“, so Haase. „Sie kommen einfach zu uns.“ Das Sozialpädiatrische Zentrum ist in der Ambulanz der Kinder- und Jugendklinik untergebracht. Das Angebot richtet sich an junge Patinten, die an Entwicklungsstörungen oder Erkrankungen des Nervensystems leiden. Notwendig für die Behandlung ist eine Überweisung vom Kinderarzt. Umsorgt werden die Kinder und Jugendlichen von speziell ausgebildeten Kinderärzten, Psychologen und Therapeuten der Unimedizin. Um die Versorgung langfristig und auf hohem Niveau zu sichern, kooperiert das Haus mit den Rostocker Vereinen „Lebenshilfe“ und „Ohne Barrieren“. Anja Scheel ist erleichtert: Ihr achtjähriger Sohn Mattheus ist schon bei 20 Ärzten vorgestellt worden. Vor kurzem kam vom Kinderarzt der entscheidende Hinweis auf das SPZ. „Endlich“, sagt sie. „Jetzt wird mein Sohn rundum an einem Ort versorgt. Ein sicheres Gefühl.“ Spenden für „Mike Möwenherz“: Verwendungszweck: 992098 Universitätsmedizin Rostock Deutsche Kreditbank AG Rostock BLZ 12030000 Kto. 10109999 10 | Im Dialog 1|2016 Notwendig für die Behandlung im SPZ ist eine Überweisung vom Kinderarzt. Termine über die Ambulanz: 0381 494 7230 Weitere Infos: www.spz.med.uni-rostock.de Im Dialog 1|2016 | 11 Rohrpostanlage: Pressluft schießt Proben ins Labor Wie ein Getränkeautomat sieht es aus, das große Gerät, das in einem eigenen Raum der Kinder- und Jugendklinik steht. Plötzlich summt die Maschine, lässt ein Ploppen hören – und im unteren Fach landet eine etwa 30 Zentimeter große durchsichtige Büchse. Statt Cola enthält sie wichtige Medikamente, die auf der Station gebraucht werden. Die Lieferung stammt direkt aus der Apotheke der Unimedizin – transportiert über die hauseigene Rohrpostanlage. Mit dem System werden neben Medikamenten auch Labor-, Blut- und Gewebeproben transportiert. Das funktioniert über ein rund 3500 Meter langes Rohrsystem, das auf dem Campus Schillingallee die einzelnen Gebäude, darunter die Apotheke, einzelne Institute und viele Stationen, miteinander verbindet. „Das Ganze geschieht dank Pressluft in Sekundenschnelle“, erzählt Techniker Ralf Breetzmann. „Eine Probe legt fünf Meter pro Sekunde zurück. Manche Stoffe dürfen nicht so schnell transportiert werden; die sind halb so rasant unterwegs.“ 12 | Im Dialog 1|2016 Das System Rohrpost ist übrigens nicht neu: Zum ersten Mal wurden Büchsen in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf Reisen geschickt. „Heutzutage kommt nur ein bisschen mehr Elektronik hinzu“, sagt Techniker Ralf Breetzmann. „Also kein neumoderner Schnickschnack, sondern eine ganz solide und bewährte Technik.“ Schneller Transport für schnelle Versorgung: Vor allem im Intensivbereich wird Patienten mehrmals täglich Blut abgenommen, um ihren Allgemeinzustand zu prüfen. Diese Proben werden von den Pflegekräften mit reichlich Luftpolsterfolie sicher eingepackt und in einen der durchsichtigen Behälter gesteckt. Im Nu landet die Büchse zur Analyse im Labor. Der Befund trifft per Fax ebenso schnell wieder auf der Station ein – und die passende Behandlung kann starten. Jeder Behälter hat seine eigene Heimatadresse, berichtet der Fachmann: „Wenn die Probe entnommen wurde, kehrt jede Büchse zu ihrem Ursprungsort zurück.“ Die Mitarbeiter im Labor stecken sie einfach wieder in die Röhre – den Weg nach Hause findet sie von allein. Nach 200 Leerfahrten ist es Zeit für eine Dusche. „Dann werden die Dosen automatisch aus dem Verkehr gezogen und zu uns ins Ver- und Entsorgungszentrum umgeleitet.“ Dort gibt es – an deutschen Kliniken ist das einmalig – eine hochmoderne Waschmaschine, in der die Behälter gereinigt werden. Im Dialog 1|2016 | 13 Während des Studiums zeige sich zuweilen, dass die Studenten zwar fachlich fest im Stoff stünden - wenn es aber daran gehe, mit Patienten zu reden, gebe es große Unsicherheiten. Dabei will Kommunizieren gelernt sein. Besonders Mediziner finden sich im Berufsalltag häufig in Gesprächssituationen wieder, die alles andere als einfach sind. In den Kursen werden angehende Ärzte frühzeitig auf diese Herausforderungen vorbereitet. In den Seminaren trainieren sie Gespräche, die später in der Klinik tagtäglich vorkommen können – aufgebrachte Angehörige, verzweifelte Eltern, Patienten, die ihre Diagnose nicht akzeptieren wollen. Die richtigen Worte finden: Medizinstudenten trainieren heikle Gespräche „Ich verstehe nicht, wie das passieren kann“, sagt die Mutter empört. „Ich komme morgens zu meinem kleinen Paul ins Patientenzimmer und sehe, dass sein Arm dick angeschwollen ist.“ Im Klinikalltag eine nicht unübliche Komplikation von Infusionen, doch die Mutter ist besorgt. Sie gestikuliert aufgebracht, verschränkt die Arme. Der junge Arzt hält einen Moment inne. Atmet durch. Und entgegnet schließlich mit ruhiger Stimme: „Ich verstehe, dass die Situation für Sie sehr belastend ist. Das tut mir leid. Aber wir tun alles, damit es Ihrem Sohn schnell wieder besser geht.“ 14 | Im Dialog 1|2016 Der Arzt ist noch kein Arzt, sondern Medizinstudent, die wütende Mutter eine Laien-Schauspielerin. Die Situation spielt sich in einem Kommunikations-Seminar an der Kinder- und Jugendklinik ab. Ein Projekt des Rostocker Mediziner Trainingszentrums, kurz RoMeTz, der Unimedizin. „Vielen Studenten fällt es schwer, mit Patienten zu reden“, sagt Projektmitarbeiterin Erzsébet Matthes. „Es treffen zwei Parteien aufeinander, die sich gar nicht kennen, und trotzdem geht es mitunter um Themen, die über Leben und Tod entscheiden. Da kann einiges schiefgehen.“ Dabei sind die Herausforderungen in verschiedenen Fachbereichen unterschiedlich. „Die besondere Schwierigkeit in der Psychosomatik besteht beispielsweise darin, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, die dem Patienten Raum gibt, sich auch angst- oder schambesetzten Fragen zu öffnen“, erklärt Projektmitarbeiterin Susanne Schrötter. „Die Gespräche dauern deutlich länger als in anderen Bereichen und sind sowohl für die Darsteller als auch für die Studenten sehr kräftezehrend.“ Über das Reden reden lohnt sich. Besonders stolz ist das RoMeTz-Team auf die Kurse am Institut für Rechtsmedizin. Schließlich sei es keine leichte Aufgabe, Hausbesuche zu erledigen, die Leichenschau im Beisein von Angehörigen durchzuführen und anschließend den Leichenschein auszustellen. Und das ist längst nicht alles: „Wie äußert man eine Gewaltvermutung, den Verdacht auf Kindesmissbrauch? Welche Hilfe kann man dem Opfer anbieten?“, umreißt Schrötter das breite Themengebiet. „In den Seminaren können viele Unsicherheiten besprochen werden.“ Die rund 40 Profi- und Laiendarsteller, die in die Rolle der Betroffenen schlüpfen, werden vor den Trainings geschult und reagieren spontan auf die Äußerungen der Studenten. Ein Drehbuch gibt es nicht. Kommilitonen, Dozenten und Kommunikationsexperten beobachten und bewerten das Gespräch. Auch die Schauspieler berichten, wie sie sich gefühlt haben. Lena Wagner, die an diesem Tag die besorgte Mutter mimt, meldet dem Medizinstudenten Christopher Tesch zurück: „Du hast Dich nicht aus der Ruhe bringen lassen und mir alles geduldig erklärt. Das hat mich überzeugt.“ Gar nicht so einfach, räumt der angehende Mediziner ein: „Zuerst dachte ich, so eine Komplikation kommt schon mal vor und ist eigentlich gar nicht so wild. Bis mir klar wurde: Für die Eltern ist das natürlich wild, vor allem bei einem dreijährigen Kind.“ Empathie zeigen und auf den Patienten eingehen – das ist anfangs für viele Studenten schwer, weiß auch Prof. Dr. Carl Friedrich Classen, Oberarzt an der Kinderklinik. „Wie man als Arzt mit dem Patienten spricht, kann man nicht in theoretischen Vorlesungen lernen“, sagt der Mediziner. Das Geheimnis eines gelungenen Arzt-Patienten-Gesprächs laute daher: Üben, Üben, Üben. „Auch wenn im Gespräch schon mal die eigene Kompetenz in Frage gestellt wird, darf man sich nicht mitreißen lassen. Als Ärzte müssen wir zeigen: Wir sind keine Feinde, sondern stehen auf der Seite der Patienten und Angehörigen. Wir teilen ihr Leid.“ Oberste Prämisse für ein gutes Gespräch? „Zuhören, Blickkontakt, Fragen stellen“, sagt Erzsébet Matthes. „Vertrauen herzustellen ist neben der fachlichen Kompetenz das A und O. Leider geht das im Studium oft etwas unter.“ Bisher ist das Thema Kommunikation nur am Anfang des Medizinstudiums im Stundenplan verankert; im Studium der Zahnmedizin taucht es gar nicht auf. Das soll sich ändern: In Mecklenburg-Vorpommern wird das Curriculum derzeit überarbeitet. „Bis die neuen Strukturen beschlossen und umgesetzt sind, wird es noch ein Weilchen dauern“, so Matthes. „So lange wollen wir nicht warten. Wir machen jetzt etwas.“ Im Dialog 1|2016 | 15 Einzigartig im Norden: Augenklinik lasert „fliegende Mücken“ Als „fliegende Mücken“ oder „schwarze Flusen“ werden sie bezeichnet: kleine Punkte, die im Blickfeld erscheinen und besonders sichtbar sind, wenn man den Himmel oder eine weiße Wand anschaut. Im Fachjargon wird dieser Eindruck, der im Auge durch einen abgelösten Glaskörper entsteht, „mouches volantes“ (französisch für „fliegende Mücken“) oder „eye-floater“ genannt. Wer diese Floater einmal sieht, wird sie nicht wieder los. Bis jetzt. An der Rostocker Unimedizin können sich Patienten, die sich an den Flusen stören, mit dem Laser behandeln lassen. Die Einrichtungen in Deutschland, die diese Methode bisher anbieten, lassen sich an einer Hand abzählen. Im Norden ist die Rostocker Augenklinik die erste. „Früher hat man immer gesagt, gegen die Flusen kann man nicht mit dem Laser angehen“, sagt Leiter Prof. Dr. Anselm Jünemann. „Diese Ansicht ist veraltet. Wenn man sich für die Voruntersuchung ausreichend Zeit nimmt und die Netzhaut in Ordnung ist, ist die Laser-Behandlung kein Problem.“ Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde Doberaner Straße 140 18057 Rostock Die dunklen Bereiche entstehen, wenn sich der Glaskörper im Auge ablöst. „Der Glaskörper ist wie Götterspeise, wie ein rohes Eiweiß“, erklärt der Augenarzt. „Er besteht zu 99 Prozent aus Wasser, im Zaum gehalten von einem dreidimensionalen Stützgerüst.“ Im Laufe eines Lebens verflüssigt sich der Glaskörper teilweise, fällt in sich zusammen und hebt sich von der Netzhaut ab. „Bei kurzsichtigen Menschen sogar noch früher als bei weitsichtigen.“ Durch die Bewegung entsteht der Eindruck, man würde kleine Punkte sehen – die fliegenden Mücken. Ein häufiges Phänomen: Laut Jünemann haben fast alle Menschen früher oder später die Flusen im Auge, die organisch zwar unbedenklich sind, aber von einigen Betroffenen als sehr störend empfunden werden. Bisher ging die Diagnose mit der Aussage vom Augenarzt einher: „Damit müssen Sie leben.“ Außer einer chirurgischen Entfernung des Glaskörpers gab es keine Behandlungsmöglichkeiten. Mit dem neuen Laser in der Rostocker Augenklinik löst sich das Problem nun wortwörtlich in Luft auf. „Der Laser wurde in den 60er Jahren entwickelt und vereint unterschiedliche Methoden miteinander“, erklärt Jünemann. „Mit dem feinen Strahl können wir den Glaskörper verdampfen. Das Aus für die Flusen.“ Wer sich für die Laser-Behandlung entscheidet, sollte ein ansonsten gesundes Auge haben, ohne akute Entzündungen. Der Eingriff erfolgt ambulant und dauert zwischen zehn und 30 Minuten. Bisher ist er keine Kassenleistung. Laser-Sprechstunde: dienstags ab 16.30 Uhr Anmeldung unter Tel.: 0381 / 494 8501 16 | Im Dialog 1|2016 Im Dialog 1|2016 | 17 Seltener Eingriff: Chirurg entfernt Speiseröhre ohne großen Schnitt In wenigen Kliniken in Deutschland wird eine krebsbefallene Speiseröhre per Schlüssellochchirurgie, also mit dem Endoskop, entfernt. An der Rostocker Unimedizin hat 2015 Prof. Dr. Tung Yu Tsui zum ersten Mal diesen Eingriff vorgenommen. Der Leiter der Sektion Onkologische Chirurgie befreite auf diese Weise Patientin Anja Lehmann von einem Tumor an der Speiseröhre. Noch immer ist dafür die große offene Operation Standard: Der Bauch wird geöffnet, aus dem Magen wird ein Schlauch gebildet, der künftig als Ersatz für die Speiseröhre dienen soll. Damit das neue Gebilde platziert werden kann, wird auch der Brustraum aufgeschnitten. „Der Eingriff ist aufwendig, viele Komplikationen drohen“, sagt der Chirurg. Bei der 45-Jährigen wählte er das komfortablere minimalinvasive Verfahren. Vorteile: Der Patient verliert weniger Blut, es gibt keine großen Narben und weniger Schmerzen. Das Immunsystem wird geschont, dadurch ist eine schnellere Erholung möglich. „Das operative Trauma ist kleiner, und Frau Lehmann musste statt vier Wochen weniger als die Hälfte der Zeit in der Klinik verbringen“, so Tsui. In einem sechsstündigen Eingriff entfernte er per Endoskop und Videotechnik die gesamte Speiseröhre. Nötig waren dafür nur ein paar Einstichpunkte im Bauchraum, wo die Instrumente eingeführt wurden, und ein kleiner 18 | Im Dialog 1|2016 Schnitt seitlich am Brustkorb. Eine lokale Abtragung des befallenen Gewebes mit dem Endoskop sei bei Anja Lehmann nicht infrage gekommen, berichtet ihr Operateur. „Der Tumor lag sehr weit in der Tiefe.“ Blieb nur die komplette Entfernung der Speiseröhre und der umgebenden Lymphknoten. Dass sie Krebs hat, erfuhr Lehmann durch Zufall. Sie litt unter Schmerzen in Bauch und Brust, ihre Hausärztin ordnete eine Magenspiegelung an – dabei wurde der Tumor entdeckt. So wurde die 45-Jährige schon im frühen Krebsstadium in die Klinik überwiesen. Die Frage nach dem Ausmaß eines Eingriffes ist nicht nur bei der Entfernung einer Speiseröhre ein entscheidender Aspekt für Prof. Tsui. „Lässt man den Tumor drin, um ihn unter Kontrolle zu haben, oder soll er raus und wir nehmen ein OP-Trauma für den Patienten in Kauf – vor dieser Frage stehen Mediziner immer wieder.“ Fest stehe, dass auch in Rostock der Trend seit Jahren zu organschonenden Operationen gehe. „Wir wollen mehr Präzision und weniger Trauma“, sagt der Chirurg. 14 Top-Mediziner auf der „Focus - Ärzteliste“ 14 Ärzte der Universitätsmedizin Rostock zählt das Magazin „Focus Gesundheit“ zu den deutschlandweiten Top-Medizinern. Titelträger sind: Prof. Oliver Hakenberg und Dr. Chris Protzel (urologische Tumore), Prof. Wolfram Mittelmeier (Hüft- und Kniechirurgie), Dr. Eike Frank Berger (Netzhauterkrankungen), Prof. Michael Radke (Kindergastroenterologie), Prof. Guido Hildebrandt (Strahlentherapie), Prof. Anselm Jünemann (Glaukom), Prof. Ernst Klar (Bauchchirurgie), Prof. Thomas Mittlmeier (Unfallchirurgie), Prof. Robert Mlynski (HNO-Heilkunde), Prof. Johann Christian Virchow (Asthma), Prof. Stefan Teipel (Alzheimer), Prof. Uwe Zettl (Multiple Sklerose) und Dr. Alexander Wolters (Parkinson). Im Dialog 1|2016 | 19 Rostock und Schwerin: Gemeinsames Herzzentrum – kurze Wege Die Versorgung herzchirurgischer Patienten in Westmecklenburg wird sich im kommenden Jahr deutlich verbessern. Dafür sorgt eine Vereinbarung, die die Unimedizin Rostock und die HELIOS Kliniken Schwerin geschlossen haben. Seit dem 1. Januar arbeiten beide Häuser bei der Behandlung von kardiologischen und kardiochirurgischen Patienten eng zusammen. Jetzt können sowohl herzchirurgische Eingriffe als auch der katheter-gestützte Einsatz von Herzklappen in Schwerin vorgenommen werden. Unimedizin und privater Krankenhausbetreiber arbeiten Hand in Hand - eine Zusammenarbeit, die es in dieser Form bundesweit noch nicht gegeben hat. „Vor allem für Patienten in Westmecklenburg bedeutet das eine optimale Versorgung, die Leben retten kann“, sagt Prof. Dr. Christian Schmidt, Ärztlicher Vorstand der Unimedizin. So wird in Schwerin eine gemeinsame kardiologischkardiochirurgische Station betrieben, auf der Rostocker Ärzte herzchirurgische Eingriffe übernehmen. „Ein großer Gewinn“, sagt Thomas Rupp, Geschäftsführer der HELIOS Kliniken Schwerin. „Bisher mussten wir die Patienten in Notfällen per Hubschrauber oder Krankenwagen in eine herzchirurgische Klinik überweisen. 2014 waren das rund 160 Hubschraubertransporte.“ Die fallen nun weg. Ein ganz entscheidender Aspekt, bestätigen die beiden zuständi- 20 | Im Dialog 1|2016 gen Chefärzte, Prof. Gustav Steinhoff (Rostock) und Prof. Alexander Staudt (Schwerin): „Patienten können schneller operiert werden. Das sind Minuten, die über Leben und Tod entscheiden.“ Auch für Patienten, die ein katheter-gestütztes Herzklappenimplantat (TAVI) benötigen, verbessern sich die Behandlungsmöglichkeiten. Für entsprechende Eingriffe wurden Schweriner Patienten bisher nach Lübeck verlegt. Jetzt sind die strukturellen Voraussetzungen auch in der Landeshauptstadt MecklenburgVorpommerns gegeben. Künftig ist für entsprechende Eingriffe immer ein Chirurgenteam anwesend. „Dieses Team wird künftig von uns gestellt“, so Prof. Schmidt, „und dadurch die wohnortnahe Versorgung sichergestellt.“ Kardiologen und Herzchirurgen arbeiten zusammen in einem gemeinsamen Herzzentrum, das sich über die beiden Standorte erstreckt: In Schwerin mit dem Schwerpunkt auf Herzklappen-chirurgischen Eingriffen, in Rostock auf komplexen herzchirurgischen Behandlungen und Herzschwäche. Begleitet wird die Kooperation durch ein spezielles Ausbildungskonzept, bei dem Ärzte und Pflegekräfte zwischen Schwerin und Rostock rotieren, voneinander lernen und Expertenwissen austauschen. „Damit sichern wir nicht nur Arbeitsplätze in MV, sondern werden auch attraktiver für weitere Bewerber und binden Wissen in unserem Land“, erklärt Thomas Rupp. Die Kooperation zwischen den Rostocker und Schweriner Medizinern ist vorerst bis 2022 beschlossen. Im Dialog 1|2016 | 21 Impressum Herausgeber: Universitätsmedizin Rostock Professor Dr. Christian Schmidt, Vorstandsvorsitzender Ernst-Heydemann-Straße 8, 18057 Rostock www.med.uni-rostock.de Redaktion: Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit / Marketing E-Mail: [email protected] Gestaltung: Tanja Bodendorf, Redakteurin / 2. Pressesprecherin Fotos: Universitätsmedizin Rostock, Danny Gohlke Druck: Stadtdruckerei Weidner GmbH Alle Rechte an Texten und Abbildungen bleiben vorbehalten. Kopien und Nachdrucke (auch Auszüge) sind - außer zur reinen privaten Verwendung - nur nach ausdrücklicher schriftlicher Erlaubnis durch den Herausgeber gestattet.
© Copyright 2024 ExpyDoc