Predigt 03.01.2016 – Jes 66,10 – 14 Jahreslosung – Ich will euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet Hier auf unserem Bild mit der Jahreslosung erkennen wir eine Mutter mit ihrem kleinen Kind. Sie hält es fest umschlungen in ihren Armen, während ihr Kind seine Ärmchen weit geöffnet hat für den Zuspruch und den Trost der Mutter. Es scheint, als ob die Mutter den Schmerz und die Wunden ihres Kindes auf sich nimmt. Sie leidet mit, denn da fließt eine Träne aus ihrem linken Auge und ihre Hand ist rötlich gefärbt. Vielleicht ist sie von der Wunde ihres Kindes selbst getroffen – zumindest in ihrem Herzen. Nikolaus Ludwig, Graf von Zinzendorf – der Begründer der Brüdergemeinden und der Losungen- er sprach mal vom Mutteramt des Heiligen Geistes und das drückt dieses Bild hier superschön aus. Als ich die Jahreslosung zum ersten Mal las, da fielen mir sofort ganz viele Momente ein, wo ich von meiner Mutter getröstet wurde: „Mami, i ha mir mini Chnü ufgschürft“ – kennt ihr die Worte auch? Also ich bin viele Male zu meiner Mama heimgelaufen, Tränen in den Augen, dass ich fast nichts mehr gesehen habe und völlig zerschundene Knie, weil ich mal wieder gestolpert und hingefallen bin. Mein erster Gedanke, wenn ich wieder aufstehen konnte, der galt meiner Mama: Ich muss sofort zu ihr und muss ihr das zeigen. Sie wird mir weiterhelfen und sich um meine Wunde kümmern. Wenn ich erst bei ihr bin, dann bin ich in Sicherheit und gut aufgehoben mit meinem blutenden Knie. Und es war immer so: Ich hab schon unten auf der Straße nach meiner „Mama“ gebrüllt und sofort ging oben bei uns im Haus das Küchenfenster auf und Mama schaute heraus. Immer noch mit Tränen in den Augen hab ich ihr von der Straße aus meine blutenden Wunden gezeigt und sofort kam sie die Treppe herunter, nahm mich zuerst mal in den Arm und schaute sich –zusammen mit mir- das Ausmaß meiner Verletzungen an. Schon in diesem Augenblick wurden meine Tränen weniger. Ich drückte mein nasses Gesicht -und meine laufende Nase- in ihre Schürze und schluchzte halt so in sie hinein – nicht mehr in mich! Das war der Riesen-Unterschied: Ich hatte eine Anlaufstelle für meine schmerzenden Wunden und meinen Kummer. „Ich muss zu Mama, da bin ich aufgehoben.“ Das war oft mein erster Gedanke. Als ich dann älter wurde, wandelte sich unsere Beziehung –und vertiefte sich: Meine Mama wurde auch meine Freundin. Sie bekam nun nicht mehr so oft die blutenden Knie zu sehen, dafür aber meinen Herzschmerz: Pickel im Gesicht, vergeigte MatheArbeiten, Liebeskummer, Gedanken um meine Zukunft. Und hatte ich mal Knatsch mit meiner Mutter, dann bin ich einfach zu meiner Oma gegangen und hab mich bei ihr ausgeheult und Trost gefunden. Wir alle hier haben doch eine Anlaufstelle gesucht, wenn es uns nicht gut ging oder? Mir kam beim Nachdenken über die Jahreslosung, dass es eigentlich zwei verschiedene Arten von Trost gibt: nämlich den billigen Trost –also die Vertröstung- und den echten Trost, der uns hilft und uns weiterbringt. Der billige Trost äußert sich manchmal in Sätzen wie: - „das wird schon werden“ - „anderen geht´s noch schlechter“ - oder das Vertrösten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag - Hiob bezeichnet seine Freunde an einer Stelle mal als „leidige Tröster“, weil sie ihm nicht weiterhelfen, sondern ihn ver-trösten. Der billige Trost äußert sich in leeren Worten, die uns nicht helfen und schon gar nicht weiterbringen. Billig trösten können wir uns jedoch auch mit anderem: - Wemmer gönn ge poschte, dann ist das doch manchmal auch ein Frustkauf, nur um uns selbst zu trösten. Oder nicht? Ob wir grad einen Streit mit unserem Ehepartner haben oder es bei der Arbeit Rückschläge gegeben hat, ob uns grade etwas über die Leber gelaufen ist oder wir von irgendjemand eine auf den Deckel gekriegt haben – manchmal kompensieren wir das mit einem Einkauf in der Stadt - ein nicht lange anhaltender Trost, ist mir auch schon passiert. - Ein Gedicht von Kurt Marti heißt „Unser Trost“. Darin zeigt er auf, dass Komfort und Luxus manchmal auch Trostmittel für unsere Wohlstandsgesellschaft sein können. Ich lese es euch kurz vor: Unser Trost komfort mein trost komm fort und fort wie käm ich fort kommst du mir fort komfort mein trost. Kurt Marti gibt mit seinem Gedicht eine Antwort auf die erste Frage des Heidelberger Kathechismus, wo es heißt: „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben.“ Für manche ist das eben nur der Komfort. Drogenkonsum ist auch eine Form von Trost, denn die Sorgen und Nöte sind dann auf einmal so leicht zu bezwingen. In Lappland oben sind über 50% der Bewohner Alkoholiker, denn sie ertragen die lange Dunkelheit nicht und werden depressiv. Mit selbstgebranntem Alkohol trösten sie sich darüber hinweg. Der echte Trost hingegen orientiert sich an unserer Wirklichkeit und spricht in die Lebenslage hinein, die uns gerade so zu schaffen macht. Er besteht manchmal im gemeinsamen Aushalten unserer Notlage und verknüpft unser Leid mit Gottes ausgestreckter liebender Hand für uns. In Johannes, Kapitel 14, Vers 16, sagt Jesus: „und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand, einen anderen Tröster, geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit.“ Der Heilige Geist, von dem hier die Rede ist, er hat nicht nur eine mütterliche Seite, sondern auch die väterliche. Das heißt: Tröster sind Menschen, die uns heraushelfen aus unserer Spirale des Schmerzes, der Furcht, des Leids, der Depression oder unserer Not. Sie sprechen uns neuen Mut zu und geben uns wieder einen Halt im Leben. Trösten Männer eigentlich anders als Frauen??? Diese Frage ging mir laufend durch den Kopf. Was meint ihr? Ja oder nein? Also wenn ich mir so die Mütter oder Väter mit Kindern anschaue, wenn sie mit einander unterwegs sind, dann finde ich das sehr wohl. Männer trösten anders als Frauen! Während Mütter den Trost in Berührung und Mitfühlen ausdrücken, überwiegt beim Vater doch eher die praktische Seite, wo er mit dem Kind etwas unternimmt oder erarbeitet. Ich kenne Väter, da suchen die Kinder Trost bei ihnen und das ist unglaublich schön mitzubekommen. Beides tut dem Kind unendlich gut!!! Und es gibt dabei keine Wertung oder gar Abwertung. Das Wort „Trost“ kommt aus dem althochdeutschen und heißt so viel wie „Festigkeit“ und es hat die gleiche sprachliche Wurzel wie „Kernholz“. Bei den Pfadfindern haben wir gelernt, dass man besser nicht durch das Kernholz sägen sollte, weil es einfach viel zu hart ist. Wer das trotzdem gewagt hatte, brauchte oft ein zweites Sägeblatt . Trost heißt also: Festigkeit oder neue Stärke geben und zusprechen. Wer sind oder waren diese Menschen in unserem Leben, die uns getröstet haben, uns neue Stärke gegeben haben, wenn wir das so nötig hatten? Überlegt mal: Da ist der Vater: - der mit uns gemeinsam den Schaden an seinem Auto besichtigte, wenn wir eine Delle hineingefahren hatten und der uns dazu aufmuntert, gleich die nächste Fahrt zu unternehmen - der uns Mut zuspricht, wenn´s um die nächste Prüfung geht und wir einen Durchhänger haben - der uns unterstützt bei der Arbeitsplatz-Suche und uns wertvolle Ratschläge gibt. - der mit seiner letzten Kraft die Familie zusammenhält, wenn Krankheit und Tod Einzug halten. Da ist die Mutter: - die unseren Seelenkummer über schlechte Schulnoten oder auseinandergebrochene Beziehungen mit einer Umarmung gelindert hat - die an unserem Bett gesessen ist, wenn wir krank waren - die uns was Leckeres gekocht hat, wenn es uns nicht gut ging - die uns in den Arm genommen hat, wenn irgendjemand uns verletzt hat. Da ist die Familie und auch die Geschwister in dieser Gemeinde: - die tatkräftig zusammensteht, wenn wir einen kranken Menschen zu versorgen haben - die die Älteren und Kranken besuchen und oft stundenlang dazu unterwegs sind - die im Gebet der Menschen um sie herum gedenken und vor Gott hinlegen - da sind die Jüngeren in der Gemeinde, die manche Aufgaben von den Älteren übernehmen, um diese zu ent-lasten. - Manchmal ist es einfach nur ein lieber Händedruck, eine Einladung zum Kaffee, ein Telefonat oder eine mail, die uns Mut machen weiterzugehen, in dem, was wir zu tragen haben Da sind Freunde, die eine offene Tür und ein offenes Ohr für uns haben, wenn die Ehe scheitert und so viele Fragen und Sorgen uns beherrschen - die dann auch mal die Kinder zu sich nehmen, wenn wir Beruf und Familie nicht mehr bewerkstelligen können und uns alles über den Kopf wächst - die einfach durch ihr Wesen und ihre wohltuenden Worte uns wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern, das gerade noch von Sorgen und grübelnden Gedanken gezeichnet war. - die mitfühlen und nachfragen, wenn Eltern krank werden oder sich aus dem Leben verabschieden oder wenn jemand stirbt, der uns nahesteht. Und brauchen wir nicht auch heute noch Trost für uns? Sind wir nicht manchmal in Situationen verhaftet, die uns schmerzen oder einfach wehtun? - da stoßen wir im Alltag oder Beruf an unsere Grenzen und werden mutlos - wir leiden unter Versagensängsten und sind kraftlos - Inzwischen sind die meisten unserer Kinder aus dem Haus und mit ihnen oft das Leben in der Bude. Wir müssen uns wieder neu orientieren und als Elternteil oder Ehepaar uns neu ausrichten. - Nun sterben Menschen um uns herum, die wir geliebt haben oder die uns liebgeworden sind. Das braucht Zeit und Menschen, die diesen Verlust mittragen. - die meisten von uns hüpfen nicht mehr über alle Berge. Manche sind sogar krank und bettlägerig. Unser Bewegungsradius ist eingeschränkt und wir kommen nicht mehr so herum in der Welt, wie wir das gewohnt waren. Umso mehr bedürfen wir doch der Menschen, die sich für uns interessieren, uns mögen und uns besuchen kommen. - Da ist der fiese Nachbar oder Arbeitskollege, der laufend an uns etwas auszusetzen hat. Wie gut tun doch da die Worte der anderen, die uns schätzen und uns Gutes wollen. - Wir müssen Menschen loslassen, die fest in unserem Herz verankert waren, weil sie ihren eigenen Weg gehen wollen oder auch müssen. Wie viel Trost, Neuorientierung und liebevolle Zuwendung brauchen wir da, um diesen herben Verlust zu verschmerzen. -Jeder von uns hat noch ein paar mehr Beispiele gell... Und Gott spricht in unsere Notlage und unser Bedürfnis hinein: Er sagt: „Ich werde euch trösten. Ich werde euch in den Arm nehmen, so dass ihr in meiner Gegenwart heil werden könnt.“ Und dieser Trost ist dem hebräischen Wortlaut nach nicht nur eine rein geistige oder seelische Angelegenheit. Der Trost Gottes enthält das, was wir zum Leben brauchen – und immer noch ein kleines bisschen mehr: ein Dach über dem Kopf, Schutz, Sicherheit, genügend zu essen…und eben vielleicht noch ein Glas Wein oder Bier dazu oder ein leckeres Eis. So tröstet Gott! Er nimmt den niedergeschlagenen und belasteten Menschen in seinen Arm, heilt unsere Wunden in seiner Gegenwart und ermöglicht so einen neuen Anfang, das ist Trost für uns! Trost ist jedoch nicht nur etwas, das wir für uns brauchen und empfangen, sondern auch etwas, das wir weitergeben können an Menschen, die das dringend nötig haben. Da gibt es möglicherweise Situationen, in denen wir gebraucht werden, um den Schmerz gemeinsam auszuhalten; Um Menschen in ihrem Leid liebend zu begleiten und zu unterstützen, ihnen Mut zuzusprechen und sie Gott anzuvertrauen. - Hier in dieser Gemeinde sind einige Geschwister, die Trost und Hilfe ganz arg nötig haben. Und sie sind angewiesen auf euch weil ihr ihnen gut tut, indem ihr sie begleitet, sie versorgt oder für sie betet. - Da ist die alleinerziehende Mutter oder der alleinerziehende Vater, die oft auf aktiven Beistand angewiesen sind – und wenn es nur ums Abholen von der Schule, Essen kochen oder Kinderbetreuung geht. - Dann denke ich auch gerade an die Flüchtlinge, die oft ihre Familie, ihre Heimat und Kultur verlassen müssen, um ihr Leben zu retten. Die auch fliehen vor Hunger und Durst, Folter und Krieg, Armut und Ausbeutung. Und wie viele Tausend haben dabei ihr Leben bereits verloren. Wir können hier vor Ort dafür sorgen, dass Ihnen unsere Hilfe zukommt so wie das unsere Aufgabe ist von Christus her – ihnen als kleiner Trost für den Verlust ihrer Familien und Heimat. Wir leben aus der Gnade Gottes, hier geboren zu sein und nicht dort, wo Armut, Krieg und Hunger herrschen. - Wir alle kennen wahrscheinlich Menschen in unserem Umfeld, die darauf angewiesen sind, dass sie tröstend umsorgt werden. Ich denke da an die Menschen, die auf Unterstützung vom Staat angewiesen sind. Bei uns in Deutschland wird man ganz schnell zum Sozialfall, wenn man länger als anderthalb Jahre krank ist. „Ich will euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet.“ Das ist zugleich Geschenk und Auftrag für jeden von uns. Lasst uns einfach unsere Herzenstür dafür offen halten, wenn jemand auf unseren Trost angewiesen ist. Amen.
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