Auszug Romanentwurf (unveröffentlicht) Ileana schaute durch den Vorhang in den Saal. An üppig gedeckten Tischen saß die High Society der Stadt. Kellner schenkten eifrig Champagner nach und ab und an unterbrach ein Auflachen das leise Stimmengemurmel der Gäste. Ein Orchester sorgte für klassische Untermalung. Ileana sah auf ihre Uhr und genau nach Ablaufplan beendeten die Musiker ihr Lied, der Dirigent schaute fragend zu ihr herüber. Ileana zuckte mit den Schultern und gab ihm wild gestikulierend zu verstehen weiterzuspielen. Das Orchester legte wieder los, doch nun machte sich doch eine leichte Unruhe unter den Gästen breit. Sören stürzte auf Ileana zu. „Laut Ablaufplan müsste sie jetzt dran sein!“ stellte er fest. Ileana schaute ihren Praktikanten wortlos an und verschwand dann hinter der Bühne, hektisch lief sie den Gang entlang zum Garderobenraum und klopfte an die Tür. „Signora Strepponi?“ Eine atemlose Stimme erwiderte ein „Jaa“. Ileana öffnete die Tür und bereute es im gleichen Moment. Francesca Strepponi saß breitbeinig mit hochgeschobenem Kleid auf der Frisierkommode, zwischen ihren Schenkel machte ein Kellner fleißige Hüftbewegungen. „Isch komme gleich“ sprach die Signora verzückt und mit verklärtem Blick. Ileana schloss hastig die Tür. Sie rieb sich kurz die Schläfen, um die Bilder auszublenden, die sich soeben in ihr Hirn eingebrannt hatten. Ausgerechnet bei ihrem ersten großen Auftrag als Eventmanagerin. Ihr neuer Chef wird nicht begeistert sein. Inständig drückte sie nun ihre Daumen und bat, wen auch immer darum, dass noch alles gut gehen möge. Dann atmete sie tief durch und eilte zurück zur Bühne. Die Unruhe im Saal hatte sich verstärkt. Auf dem Gang kam ihr Sören entgegen, hinter ihm der Veranstalter der Feier. „Was ist los? Die Gäste warten sehnsüchtig auf Signora Strepponi?“ sprach dieser. „Sie kommt gleich“, sprach Ileana und wurde dabei rot. Der Veranstalter wischte sich erleichtert die Schweißperlen von der Stirn und kehrte zurück in den Saal. „Und was nun?“ fragte Sören. „Augen zu und durch“ Ileana schob die Vorhänge leicht zur Seite und betrat die Bühne. Die Gäste verstummten und schauten auf Ileana, die nun sichtlich nervös wurde. „Sehr geehrte Damen und Herren… ähm … noch einen kurzen Augenblick, dann können wir gemeinsam…eine einzigartige musikalische Darbietung … ähm… genießen…. Signora Strepponi singt sich noch ein…“ Hinter der Bühne hörte man ein ekstatisches Schreien. Stille im Publikum, die Gäste warfen sich irritierte Blicke zu. „Ähmm … ja… einzigartig.“ Alle starrten Ileana an, die verlegen nach Worten suchte. Seite 1 von 2 „Ja, ja… die Oper ist eine Welt für sich …. Wissen Sie, was eine Sängerin macht, wenn Regen an ihr Fenster prasselt?“ Ratlose Gesichter bei den Gästen. „… sie verbeugt sich…“ Ileana lachte verlegen. Schweigen im Saal. Dann setzte plötzlich Applaus ein, Ileana atmete erleichtert auf und wollte gerade eine Verbeugung andeuten, als sie entdeckte, dass der Applaus nicht ihr galt, sondern der Operndiva, die gerade die Bühne betrat. Weitere Erleichterung breitete sich in Ileana aus, hielt jedoch nicht lange an. Die Sängerin wirkte komplett derangiert, ihr Kleid war immer noch halb hochgeschoben und die hochgesteckten Haare wild zerzaust. Sie riss Ileana das Mikro aus der Hand, drängte sie von der Bühne und forderte das Orchester zum Spielen auf. Die beschwipste Francesca Strepponi begann die Arie aus „Der Freischütz“ zu singen, doch sie traf weder die Töne noch sprach sie die Worte deutlich aus. „Wienahte mirder Schlummer…“ Die Gäste waren entsetzt, doch die Sängerin bemerkte nichts, sie eilte zum Bühnenrand und machte ausschweifende dramatische Bewegungen. Das Orchester versuchte verzweifelt dem unrhythmischen Gesang der Diva zu folgen. Ein Wettrennen zwischen Orchester und Sängerin begann. Ileana rang nach Luft. Das kann nur ein schlechter Traum sein. Sie kniff sich, doch nichts geschah, weiterhin erlebte sie den Strepponi-Alptraum. Doch die Operndiva setzte ihren Auftritt begeistert fort. „ Welch schöne Nacht! Leissse, leissse,…. Bei „Himmelshalllllllleeee“ fiel die Diva mit einem großen Rums von der Bühne, direkt auf den Tisch des Veranstalters. Die Gäste schrien und sprangen auf. Ileana und Sören eilten auf die Bühne um zu helfen. Inmitten von Blumengestecken und Häppchen lag die Opernsängerin, mittlerweile hing ihr das Kleid über dem Kopf und gab einen direkten Blick auf ihr üppiges Hinterteil inklusive Miederhose frei. Mit offenen Mündern starrten die Gäste auf das musikalische Debakel und dann auf Ileana. Nach und nach leuchteten die Blitzlichter der Handys auf. „Na, das wird morgen eine Schlagzeile geben.“ sprach Sören. Nun fing Ileana hysterisch an zu lachen. Seite 2 von 2
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