DEPARTEMENT GESUNDHEIT UND SOZIALES Vorsteherin 3. März 2016 REDE Rede von Frau Landammann Susanne Hochuli an der Diplomfeier Bauverwalter FHNW, 3.3.2016, Campussaal Brugg-Windisch Liebe Diplomandinnen und Diplomanden Liebe Bauverwalterinnen und Bauverwalter Lieber Prof. Dr. Christoph Minnig (Leiter Inst. für Nonprofit- und PM der FHNW) Lieber Walter Gloor (Präsident Aarg. Bauverwalterverband) Lieber Beat Baumann (IPM GmbH) Lieber Michael Baumann (Studiengangleiter öff. Gemeinwesen) Liebe Mitglieder von Fachbeirat und Fachausschuss Liebe Dozierende Sehr geehrte Damen und Herren Ich habe hier und heute eine schwierige Aufgabe bekommen. Primo: Mich als Diplomfeier-Rednerin würdig zu erweisen; secundo: Ihnen etwas Nützliches zu erzählen und tertio: Sie nicht zu langweilen. Vor diesem Hintergrund habe ich mich gefühlt wie der Sohn vom Scheich, der zum Geburtstag ein Harem bekommt. Einige Zeit später sieht der Scheich seinen Sohn in leidigem Zustand vor der Haremstüre sitzen. „Weisst du nicht, was du mit dem Geschenk anfangen sollst?“ – „Das ist es nicht, Vater. Ich weiss bloss nicht, wo ich anfangen soll.“ Aber wenn ich ein bisschen nachdenke… ganz so verzweifelt wie der Sohn vom Scheich bin ich bei meiner Hausaufgabe doch nicht. Denn ich kann systematisch vorgehen. Primo: Mich als Diplomfeier-Rednerin würdig erweisen. Nun, zunächst gratuliere ich Ihnen ganz einfach sehr herzlich zum Diplom. Sie werden heute mit einem sehr wichtigen Papier in der Hand, mit vielen neuen Eindrücken im Herzen und mit einer grossen Menge an Wissen im Kopf in eine neue Dimension der Bauwelt katapultiert. Ich sage Ihnen, seien Sie viel-dimensional: • kooperativ, anpassungsfähig und flexibel; • Sie müssen gut erklären, organisieren, kreativ kombinieren und Möglichkeiten optimal ausschöpfen können; • Sie sollen Ihre Persönlichkeit dort einbringen, wo sie gefragt ist und das Ganze nie aus den Augen verlieren. Ausserdem lege ich Ihnen ans Herz • lernfähig, leidenschaftlich, neugierig und sozial kompetent zu sein sowie • ein waches Auge auch für Themen zu haben, die jenseits Ihres engeren, beruflichen Tellerrands relevant sind. Secundo: Ich möchte Ihnen etwas Nützliches auf Ihrem beruflichen und privaten Weg mitgeben und Sie gleichzeitig ein bisschen unterhalten. Seit ich mich quasi professionell mit der Politik befasse, fällt mir auf, dass immer und fast ausschliesslich von den Kosten die Rede ist. Das ist nicht falsch. Und ich ermutige Sie: Setzen Sie sich als Bauverwalter stets auch mit der Frage nach dem Preis auseinander. Aber bitte nicht ausschliesslich. Diese andere Dimension lege ich Ihnen genauso ans Herz: Die Frage nach dem Wert. Oscar Wilde hat die Frage nach dem Preis und nach dem Wert in einem Bonmot glänzend zusammengefasst: „Ein Zyniker ist ein Mensch, der von jedem Ding den Preis und von keinem den Wert kennt.“ Das ist die genau richtige Überleitung zur versprochenen Geschichte. Es ist die Geschichte eines reichen Bauern aus Finnland, die Bertolt Brecht für das Theater geschrieben hat: Der finnische Bauer Pùntila ist nüchtern ein Ausbeuter – Klammer: Ökonomie – und betrunken ein Menschenfreund – Klammer: Moral. Nüchtern will Pùntila seine Tochter mit einem Aristokraten verheiraten – Klammer: Ökonomie; betrunken verspricht er sie eines Abends seinem treuen, aber armen Chauffeur Matti – Klammer: Moral. Am nächsten Morgen rauft sich Herr Pùntila die Haare und beschliesst, den ganzen Alkohol im Hause zu vernichten. Aber statt den Alkohol aus dem Fenster zu werfen, trinkt er ihn aus – Klammer: Alki. Im Rausch verspricht er Matti zuerst eine Gehaltserhöhung und dann sogar einen Teil seines Waldes. Am Schluss flieht Matti vom Hof. Er hat Angst, dass ihn der nüchterne Herr Pùntila – Klammer: Ökonomie – für diese zusätzlichen Versprechen – Klammer: Moral – schlussendlich noch zur Rechenschaft zieht – Klammer: Glaubwürdigkeit. Nebst der Frage der Glaubwürdigkeit des Herrn Pùntila, die wir hier und heute nicht beleuchten können, stellt sich als Fazit die Frage nach dem Zusammengehen von Preis und Wert, von Ökonomie und Moral. Und damit ganz allgemein die Frage nach dem Wert des Lebens. Nicht alles, was heute machbar ist, ist bezahlbar. Lassen Sie mich zu einem Beispiel aus meiner Domäne, der Gesundheitspolitik, greifen: Das Bundesgericht hat nach gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten entschieden, dass „Beträge in der Grössenordnung von maximal ca. 100'000 Franken pro gerettetes Menschenlebensjahr noch als angemessen betrachtet“ werden. Die Karikatur in einer grossen Deutschschweizer Zeitung zu diesem Thema war genial: Ein Patient liegt mit weit aufgerissenen Augen im Bett. Um ihn herum x Geräte. Der Arzt zieht unter der Anzeige „100'000 Franken“ den Stecker und sagt: „Oh-oh! Der Ihnen zustehende Betrag ist erreicht… beehren Sie und nächstes Jahr wieder!“ Ökonomie und Moral oder Was ist ein Leben Wert? ist das Perpetuum Mobile der Politik. Denken Sie daran, wenn Sie mit diesen Fragen konfrontiert werden: In der Statistik ist der Mensch eine Zahl, aber im Einzelfall ein Absolutum. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie es mehr, als Ihnen lieb ist, mit Bauherrschaften zu tun haben werden, die weniger den statistischen als den absolutistischen Ansatz verfolgen. Das ist normal und kommt in den besten Kreisen vor. Deshalb gebe Ihnen dazu – wie es meine Hausaufgabe unter secundo verlangt – noch ein nützliches Indianer-Bonmot mit auf Ihren beruflichen und privaten Lebensweg mit: „Bevor Du jemanden kritisierst, lauf eine Meile in seinen Schuhen. Wenn Du ihn dann kritisierst, bist Du eine Meile weg und hast seine Schuhe.“ 2 von 3 Apropos Distanzen: Diese haben immer auch etwas mit Raum zu tun. Oder, anders ausgedrückt: Weg kann man nur hinter sich bringen, wo es Platz hat. Und davon gibt es immer weniger. Auch im Aargau. Wobei: Es gibt nicht weniger Platz, aber immer mehr davon ist bebaut. Zur Illustration: Täglich wird in unserem Kanton eine Fläche von mehreren Einfamilienhausparzellen versiegelt. Das ist gut für Sie, weil: Keine Überbauung ohne Bauverwalter. Umgekehrt: Ich finde es wichtig, dass Sie sich nicht nur zu Anwälten der bebauten, sondern auch der unbebauten Fläche machen. Und dort, wo sie bebaut wird, ist es wichtig, dass sie intelligent, effizient, nachhaltig genutzt wird. Das können Sie als Bauverwalter positiv beeinflussen – auch wenn es weniger mit Bauen und Verwalten als mit der Unterstützung von gescheitem Planen zu tun hat. Apropos: Selbstverständlich zähle ich auf Sie, wenn ich in naher Zukunft auf Sie zukomme und in Ihrer Gemeinde temporäre mobile Infrastrukturen für die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden aufstellen will. Es müssen ja nicht unbedingt "Shelters for Refugees" sein, die als IKEAHütten schweizweit Bekanntheit erlangt haben. Es können durchaus noch intelligentere Häuschen sein. Und solche, die auch dann nicht brennen, wenn man sie mit Brandbeschleuniger in Flammen aufgehen lässt. Sehr geehrte Damen und Herren, damit habe ich schon den Bogen zu tertio geschafft: Langeweile, zur rechten Zeit empfunden, ist ein Zeichen von Intelligenz. Als Rednerin ist es für mich deshalb schon bei der Vorbereitung unerlässlich wichtig, einschätzen zu können, wann dieser Moment kommt. Und dann, wenn sich die Langeweile in selig zufallenden Augen, spiegelt, sollte man den Abgang mit Bedacht wählen. Heute mache ich den Hollywood-Abgang – oder wenigstens fast: Das Happy End von gewissen Filmen besteht einfach darin, dass sie zu Ende sind. Glauben Sie mir: Just darin besteht eine ihrer unbestreitbaren Qualitäten. Dieses Happy End mute ich jetzt auch mir und Ihnen zu, sehr geehrte Damen und Herren. Und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Den Diplomandinnen und Diplomanden gratuliere ich herzlich zu Ihrem Ausbildungserfolg: Alles Gute auf Ihrem weiteren Berufsweg! 3 von 3
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