PRAXISAUSBILDUNG Persistenz der Lehrlingsausbildung Gastkommentar II. Ohne Ausbildung in der Praxis wird man auch bei breitem tertiären Bildungsangebot den Fähigkeiten der Hälfte der jungen Menschen nicht gerecht. Von Dr. Arthur Schneeberger, ehem. Leiter des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) D er britische Premierminister David Cameron hat Die Persistenz des Lehrlingswesens beruht im Kern auf am Arbeitsmarkt einlösbaren Nutzenerwartungen. Trotz im diesjährigen Wahlkampf „three millions apdes Wachstums der höheren Verwaltungs-, Bildungs-, prenticeships by 2020” zur Verbesserung der BeGesundheits- und Informationsberufe, den Domänen schäftigungschancen der Jugend versprochen. Ohne der schulisch-akademischen Route, ist die Mehrheit der Ausbildung in der Praxis respektive durch die UnterJobs auch in der Dienstleistungsgesellschaft über Pflichtnehmen wird man auch bei breitem tertiären Bildungsschul- und Berufsausbildung zugänglich – allerdings angebot den Fähigkeiten und Interessen zumindest der mit verändertem Grundbildungslevel. Die Zeit, in der Hälfte der jungen Menschen nicht gerecht. quasi Analphabeten für den Agrarsektor oder die proAnders gelagert, aber nicht weniger herausfordernd duzierende Wirtschaft angeworben wurden, ist vorbei. ist die österreichische Situation. Die Stärke unseres BeSolides Pflichtschulwissen sowie kommunikative, soziale rufsbildungssystems ist seit langem die Alternative Lehund computerbezogene Grundfertigkeiten sind zumeist auch für re oder Schule – je nach Interessen der Jugendlichen. Zwischen einfache Ausbildungen und Erwerbstätigkeiten Einstiegsvorausset1960 und 1990 ist Anzahl der BHS-Standorte im Land von 64 und zungen. Das hat zwei wesentliche Konsequenzen. 301 fast verfünffacht worden. Diese allseits begrüßte Angebots1) Die Bedeutung des Lehrabschlusses als erweiterung hatte allerdings aber nicht-inten„Die Offene-Stellen- Standard in der Erwachsenenbildung und für dierte Folgen: Aus dem demografischen RückAnerkennungsverfahren nimmt bei Bevölgang (z. B. fast minus 40 Prozent der 15-JähriErhebung von Statistik kerungswachstum durch Zuwanderung (vor gen im Vergleich 1978 und 1993) resultierte Austria […] zeigte allem in Wien) zu. Die Anzahl außerordentein Lehrstellen-Bewerber/innenmangel beziefür die Jahre 2011 licher Zulassungen zur Lehrabschlussprüfung hungsweise eine Diskussion über mangelnde bis 2014 für Erwerbs ist österreichweit von knapp 4900 im Jahr Attraktivität der dualen Ausbildung, bis der 2003 auf rund 10 000 (fast 18 Prozent aller Anöffentliche Diskurs etwa 1996 nicht dramatipersonen mit Lehr tritte) im Jahr 2013 gestiegen. sche Anklänge ins Gegenteil – die Lehrstelabschluss jeweils mit 2) Die Hinführung zur ersten Ausbildung lenlücke – kippte. Abstand die meisten durch verbesserte Grundbildung – ob nun Für die Erhaltung des Lehrstellenangebots Stellen auf.“ Lehre oder Schule – ist bei wachsenden Anwurde seither viel getan: zwischenbetriebliteilen an Jugendlichen mit nichtdeutscher che Ausbildung, zusätzliche AusbildungsplätUmgangssprache der Schlüssel zur soziokulturellen und arbeitsze in Unternehmen des öffentlichen oder halböffentlichen Sekmarktbezogenen Integration. Vor allem die Buben haben schwators, Berufsreifeprüfung, früher nicht gekannte Auslandsprakche Lesekompetenzen, die vermutlich mit restringiertem Worttika u. a. m. Wichtig war vor allem die Bestärkung interessierter schatz in der Schriftsprache zusammenhängen, in Mathematik Jugendlicher zur Lehre durch die Wirtschaftskammern und und Naturwissenschaften haben sie weniger ganz Schwache als zunehmend durch große Unternehmen angesichts nicht selten die Mädchen (PISA 2012). einseitiger Schulwerbung. Mit Ausnahme des Burgenlands finden Unsere Lehrlinge sind die jüngsten weltweit. Das ist heute aber sich in der 10. Schulstufe nach wie vor mehr Jugendliche im duakein Vorteil mehr. Nach wie vor ungelöst ist das Problem des 9. len Ausbildungssystem als in der BHS. Pflichtschuljahrs (Schulabbrüche, negative psychische Effekte, Mit 36 Prozent der jungen Männer und 24 Prozent der altersMotivationseinbußen usw.). Die Idee einer „Bildungspflicht bis gleichen Frauen war der Lehrabschluss laut Bildungsstandregis18 Jahre“ ist zwar innovativ, aber nur dann substanziell, wenn ter 2012 die häufigste Qualifikation. Von den rund 4,1 Millionen sie mit einer Verlängerung der Vollzeitschulpflicht auf 10 Jahre Erwerbstätigen im vierten Quartal 2014 wiesen 38 Prozent einen verbunden ist. Zweijährige Angebote quer über die Bildungswege Lehrabschluss auf. Die Offene-Stellen-Erhebung von Statistik Ausder oberen Sekundarstufe (PTS, BMS sowie BHS und AHS) sollen tria (Grundgesamtheit von rund 250 000 Unternehmen) zeigte für die notwendigen Schlüsselqualifikationen der multikulturellen die Jahre 2011 bis 2014 für Erwerbspersonen mit Lehrabschluss Gesellschaft stärken. jeweils mit Abstand die meisten Stellen auf. wissenplus 1–15/16 17
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