Metabole Konsequenzen eines wettkampfmässigen

Michael VogtIAdrian Puntschart/Michael AngermannIKurt Jordan/Hans SpringIErich Müller/
Hans Hoppeler
Metabolische Konsequenzen eines we
mäßigen Slalomtrainings bei Nachwu
Im modernen alpinen Skirennsport wird
d i e Technik durch kurze u n d stark taillierte Skier beeinflusst. Die Schwünge
werden i m ,,Carving"-Zeitalter geschnitt e n gefahren, u n d Rutschphasen
wahrend einer Kurve als technische
Fehler angesehen. Mit d e r vorliegend e n Arbeit untersuchten wir d i e physiologischen Konsequenzen eines Slalomtrainings mit modernen ,,CarvingM-Skis.
Acht Nachwuchs-Skiathleten (4 D a m e n
u n d 4 Herren) absolvierten in einer
Hohe v o n 3500 m ü, M. 16 Slalomlaufe.
Vor d e m Training, n a c h 4 u n d n a c h 16
Laufen erfolgte eine Muskelbiopsie um
M. vastus lateralis. Mittels portablem
Atemgasanalyse-System wurden uber
d i e Aufzeichnung der Sauerstoffaufn a h m e d e r Energieverbrauch u n d d i e
Belastungsintensitat bestimmt. Vor u n d
n a c h j e d e m Trainingslauf erfolgte d i e
Bestimmung der Blutlaktatwerte.
Die Analyse der Muskelbiopsien zeigte
einen hohen Anteil a n langsamen Typ-lMuskelfasern u n d eine Hypertrophie
der Typ-ll-Fasern. Vor allem i n d e n Typ-lFasern war eine starke Entleerung d e r
Glykogenspeicher als Zeichen des hoh e n Energiebedarfs zu verzeichnen. Sowohl d i e Entleerung d e r Glykogenspeicher als a u c h d e r Energieverbrauch
waren b e i d e n Herren signifikant höher
als b e i d e n Damen. Wahrend eines 4 5
sekundigen Slalomlaufs erreichten die
Athleten maximale Sauerstoffwerte v o n
uber 80 Prozent der höhenkorrigierten
V02max
Wir schließen aus der vorliegenden Studie, dass das physiologische Anforderungsprofil fur Skiathleten mit ,,Carving"Skiern nicht wesentlich v o n früheren Untersuchungen mit klassischer Skitechnik
abweicht. Die Daten weisen darauf hin,
dass erfolgreiche Skiathleten n e b e n
einem h o h e n Kraftpotenzial a u c h uber
ein hohes aerobes Ausdauerpotenzial
verfügen sollten.
1. Einleitung
Mit der Einführung der „CarvingN-Skier zu Beginn der 1990er Jahre fand im Materialbereich
des alpinen Skisports eine regelrechte Revolution statt. Immer kürzere und stärker taillierte
Skier beeinflussten die Technik im modernen
alpinen Skirennsport. I n allen Wettkampfdisziplinen vom Slalom über den Riesenslalom, SuperG bis zur Abfahrt werden heute die Kurven
geschnitten gefahren. I m deutschen Sprachgebrauch hat sich dafür der Begriff ,,CarvenU eingebürgert. Biomechanische Analysen mit alpinen Skiathleten zeigen, dass beim ,,CarvenWdie
Bodenreaktionskräfte hoch sind (Müller &
Schwameder, 2003). Skiathleten müssen deshalb über eine hohe Maximalkraft in der Beinmuskulatur verfügen.
Frühere Arbeiten (Andersen & Montgomery,
1988) aus der „Vor-Carving-Zeit" sowie aktuelle Studien (Neumayr et al., 2003) belegen, dass
alpine Elite-Skiathleten über eine gute aerobe
und anaerobe Ausdauerleistungsfähigkeit verfügen. So wurden zwischen 1985 und 1995 bei
männlichen Skiathleten der schwedischen Nationalmannschaft V02max-Werte von über 65
ml/min/kg gemessen (Tesch, 1995). Österreichische Spitzenathleten erreichen zwischen
1997 und 2000 im Schnitt 60 ml/min/kg bei
den Herren und um 55 ml/min/kg bei den Damen (Neumayr et al., 2003).Von Ingemar Stenmark, einem der erfolgreichsten Skiathleten aller Zeiten, wird eineV02max von 70 ml/min/kg
berichtet (Andersen & Montgomery, 1988).
I m Vergleich zu anderen Sportarten ist das
Muskelrekrutierungsmuster im alpinen Skisport speziell, da es durch eine Dominanz der
exzentrischen Muskelaktivität charakterisiert
ist (Berg & Eiken, 1999). Unter Berücksichtigung der speziellen Anforderungen an alpine
Elite-Skiathleten scheint die wissenschaftliche
Grundlage, auf welcher Trainings- und Testprotokolle für Skiathleten basieren, dünn zu sein.
Sie hat überdies nicht Schritt gehalten mit den
Entwicklungen in den Bereichen Material und
Skitechnik.
Studien aus der ,,Vor-Carving-Zeit" zeigen,
dass die Entleerung der Glykogenspeicher in
der arbeitenden Skelettmuskulatur während
wettkampfmäßigem Skifahren hoch ist. Eine
Slalom- bzw. Riesenslalomtrainingseinheit
führt zu einer Abnahme des Muskelglykogens
um bis zu 50 Prozent (Tesch, 1995). Die Glykogenreduktion hängt dabei vom Niveau der Skiathleten ab: Elite-Skiathleten entleeren ihre
Muskelglykogenspeicher schneller als leistungsschwächere. Auch war bei Elite-Skiathleten in den Typ-I-Fasern eine stärkere Abnahme
des Muskelglykogengehalts zu beobachten als
in den Typ-II-Fasern.
Da alpine Elite-Skiathleten heute mit „CarvingSkiern" engere Schwünge, bei größerem Tempo geschnitten und damit ohne seitliches Wegrutschen fahren, kann angenommen werden,
dass die auf den aktiven und passiven Bewegungsapparat wirkenden Kräfte größer sind als
mit herkömmlichen untaillierten Skiern. Diese
Krafteinwirkungen dürften sich qualitativ und
quantitativ auf den Muskelstoffwechsel auswirken. Dazu wurden bisher keine Untersuchungen publiziert. Mit der vorliegenden Arbeit beschreiben wir erstmals bei Nachwuchs-skiathleten die Auswirkungen moderner „CarvingMTechnik auf den Energieverbrauch, die
Muskelglykogenentleerung und die Blutlaktatkonzentration während einer Slalomtrainingseinheit.
2. Probanden und
Untersuchungsmethoden
Versuchspersonen
Vier weibliche und vier männliche alpine Nachwuchs-Skiathleten willigten zur Teilnahme an
der Studie ein.Tab. 1liefert die anthropometrischen und leistungsdiagnostischen Daten der
Testpersonen. Bei den Versuchspersonen handelte es sich um erfahrene Skirennfahrer im Alter zwischen 17 und 20 Jahren. Die Athleten
bestritten den Skirennsport seit mehreren Jahren aktiv und nahmen dabei hauptsächlich an
nationalen FIS-Rennen teil.AlleAthleten waren
über die Ziele und möglichen Risiken der Studie informiert. Die Studie wurde von der Ethischen Kommission des Kantons Bern (Schweiz)
überprüft und genehmigt.
[
11
I
I
Ablauf der Studie
I
Die Untersuchungen gliederten sich in anthropometrische und leistungsdiagnostische Untersuchungen im Labor sowie physiologische
Messungen, welche während eines Slalomtrainings im Sommerskigebiet von Saas Fee auf einer Höhe von ca. 3500 m stattfanden. Obwohl
sich die vorliegende Arbeit vor allem mit den
skispezifischen Daten befasste, stellen wir
zwecks Überschaubarkeit den gesamten Ablauf
der Studie vor.
am 1.Tag nochmals absolviert wurden. Die Resultate dieser Nachtrainingstests sind nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrags.
Detailbeschreibung der Tesfverfahren
I
DieVO,max, HF„, (maximale Herzfrequenz) und Lak„, (maximale
radergometerstufentest in Leukerbad auf einer Höhe von 1300 m ü.
Zwei Wochen vor Studienbeginn wurden Labortests zur Gewöhnung an die leistungsdiagnostischen Testverfahren durchgeführt. Die
Athleten wurden während der letzten 5 Tagen
vor den ersten Laborleistungstests angewiesen, eine kohlenhydratreiche Diät zur Auffüllung der Glykogenspeicher zu konsumieren und
den Trainingsumfang zu reduzieren. Nach I n struktion durch eine professionelle Ernährungsberaterin führten die Athleten während
dieser Zeit detaillierte Diätprotokolle, welche
mittels EBIS-Diätanalysesoftware professionell
hinsichtlich der Makronährstoffzusammensetzung analysiert wurden (Vogt et al., 2003a).
Die Ernährungsanalyse ergab eine durch102
schnittliche Energieaufnahme von 3158 I
kcal/d (Herren) bzw. 2767 ir 195 kcal/d (Damen). Die durchschnittliche Kohlenhydrataufnahme während der kontrollierten Diätperiode
2 Energie36 (Herren) bzw. 70 I
2
betrug 64 I
Energie36 (Damen), was bei gleichzeitiger
Reduktion des Trainings zu einer guten Auffüllung der Glykogenspeicher führen dürfte.
Alle Labortests wurden am Swiss Olympic Medical Center in Leukerbad (Höhe: 1300 m)
durchgeführt. Am ersten Testtag wurde vor
dem Frühstück venös eine Blutprobe entnommen sowie die anthropometrischen Daten
(Körpergröße, Gewicht, Körperfettgehalt) bestimmt. Die Messung des Körperfettgehalts erfolgte mittels 7-Punkt-Hautfaltenmessung unter Verwendung einer geeichten Fettzange
(GPM*, Schweiz). Nach dem Frühstück erfolgte
eine Muskelbiopsie am Oberschenkelmuskel M.
vastus lateralis (Vortrainingsbiopsie). Danach
wurden von jeder Athletin und jedem Athleten
hintereinander ein 10-minütiges standardisiertes Aufwärmprogramm, isokinetische Maximalkrafttests und Sprungkrafttests (Einzelsprünge
und 45-Sekundenserie) absolviert. Nach mindestens einer Stunde Pause zur Erholung und
Normalisierung der Blutlaktatwerte wurde auf
dem Fahrradergometer ein Stufentest bis zur
Erschöpfung (Ergospirometrie) durchgeführt.
Am Abend des gleichen Tages reisten die Athleten und der Betreuerstab nach Saas Fee und
übernachteten auf einer Höhe von 1800 m.Am
zweiten Tag absolvierten die Athleten am Vormittag eine Stunde freies Skifahren auf dem
Allalingletscher (3500 m) zur Gewöhnung an
die Pistenbedingungen und das Material. Der
Nachmittag diente der passiven und aktiven Erholung. Die kohlenhydratreiche Diät wurde beibehalten.
Am drittenTag absolvierten dieAthleten 1 6 Slalomläufe auf dem Allalingletscher. Nachdem
sich die Athleten durch Einfahren und gymnastische Übungen aufgewärmt hatten, begann
das Slalomtraining um 6:30 Uhr. Alle 2:30 Minuten erfolgte ein Start, sodass jede Athletin
und jederAthlet i m Rhythmus von genau 20 Minuten einen Lauf absolvierte. Es waren vier
identische Slalomläufe ausgeflaggt. Jede A&letin und jederAthlet befuhr abwechselnd zwei
der vier Läufe. Dadurch und aufgrund der guten
Schnee- (hart, gefroren) und Wetterbedingungen (schön, 0" C oder kälter) sowie durch ständiges Rutschen durch Helfer blieben die Pistenbedingungen während des ganzen Trainings
stabil. I m Mittelwert betrug die Laufzeit 45,7 +
0,7 s (Herren) und 46,8 I
0,4 s (Damen). Den
Athleten war es während der ganzen Trainingseinheit erlaubt, Wasser zu trinken. Nach jedem
zweiten Lauf erhielten sie zusätzlich 2 dl eines
isotonischen Getränks (Isostar, Wander AG,
Schweiz).Vor und 4 Minuten nach dem Start erfolgten kapillare Blutentnahmen am Ohrläppchen zur Bestimmung der Laktatkonzentration
(Lactate Pro, Axonlab, Schweiz). Vorversuche
hatten gezeigt, dass i m Slalom bei Laufzeiten
von rund 45 s die höchsten Blut-Laktatwerte 3
bis 4 min nach der Zieldurchfahrt gemessen
werden. I r n Weiteren wurde während des
ganzen Trainings die Herzfrequenz aufgezeichnet (Accurex Plus, Polar, Finnland). Zur Bestimmung des Energieverbrauchs und der maximalen Sauerstoffaufnahme während des Slalomtrainings wurden bei jedem Athleten die Respirationswerte während mindestens eines
ganzen 20-minütigen Durchgangs (Slalomlauf,
Pause am Ziel, Skilift, Pause am Start) mit einem portablen Atemgasanalyse-System aufgezeichnet (K4b2, Cosmed, Italien). Nach dem
4. und nach dem 16. Lauf erfolgten weitere
Muskelbiopsien am M. vastus lateralis.
Nach Beendigung des Skitrainings durften die
Athleten nach freier Wahl essen und trinken.
Noch am gleichen Nachmittag kehrten sie nach
Leukerbad zurück, wo am 4. Tag (ca. 20 h nach
Ende des Slalomtrainings) dieselben Tests wie
Muskelbiopsien
Die Entnahme der Biopsie erfolgte am M. vastus lateralis in Oberschenkelmitte unter Benutzung einer automatischen Biopsierpistole (ProMag 2.2, Homedica AG, Schweiz). I m Vergleich
zur etablierten Bergstrom-Technik (Bergstrnm
et al., 1967) ist diese Methode aufgrund der
dünneren Nadel (ACN-1410, Homedica AG,
Schweiz) weniger invasiv und schneller. Sie eignet sich dadurch sehr gut für Muskelbiopsien
i m Feld. Der Nachteil liegt in einer deutlich geringeren Ausbeute an Muskelmaterial (10 bis 20
mg gegenüber 80 bis 100 mg mit der Bergstrom-Nadel). Die Muskelproben wurden sofort
in Isopentan (gekühlt mit flüssigem Stickstoff)
eingefroren und bis zur weiteren Verarbeitung
in flüssigem Stickstoff gelagert. Später wurden
aus einem Teil der Muskelproben 15 p m dicke
Querschnitte zur Bestimmung der FasertypenZusammensetzung (ATPase-Reaktion; Brooke
& Kaiser, 1970) und des Muskelglykogengehalts
(fasertypenspezifisch, PAS-Färbung; Vollestad
et al., 1984) hergestellt.
Fasertypencharakterisierung
Die Analyse der nach der ATPase-Reaktion gefärbten Fasern erfolgte am Computer, nachdem
die Querschnitte unter 40-fachervergrößerung
am Mikroskop aufgenommen und digitalisiert
worden waren. Am Bildschirm wurden i m
Durchschnitt pro Athlet 277 Fasern ausgezählt.
Zur Bestimmung der Faserfläche wurde mit Hilfe einer speziellen Software ein Gitter von 100
X 100 p m über die digitalisierten Schnitte gelegt. Für alle Fasern, welche auf mindestens einem Gitterkreuzpunkt lagen, wurde mittels
Software die Faserquerschnittsfläche ausgemessen.
Glykogenbestimmung
Die Bilder der PAS-gefärbten Schnitte wurden
ebenfalls digitalisiert. Unter Verwendung des
gleichen 100 X 100 p m Gitters ermittelten wir
mittels automatisierter Softwareroutine bei allen Fasern, welche unter mindestens einem
Gitterkreuzpunkt lagen, die Intensität der PASFärbung (proportional zum Glykogengehalt).
Durch den Vergleich aufeinander folgender
Schnitte konnten die PAS-gefärbten Fasern den
jeweiligen Fasertypen (Typ IoderTyp 11) zugeordnet werden.
Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme (V02max)
Die Ausdauerleistungsfähigkeit der Skiathleten
wurde mittels Fahrradergometer-Stufentest
(Ergoline 800S, Jäger, Deutschland) ermittelt.
Nach einer kurzen „Aufwärmphase" von 3 min
mit einer Startbelastung von 70 W stieg die Belastung alle 2 min um 30 W bis zum Beiastungsabbruch bei Erschöpfung an. Die maximale Sauerstoffaufnahme (V02max: höchster
Sauerstoffwert gemittelt über 30 s) und die
maximale Leistung (W„,:
Leistung bei Belastungsabbruch) wurden als Kriterien für dieAusdauerleistunssfähiskeit verwendet. Die Aufzeichnung der ~ec~irationsdaten
erfolgte mit
einem automatisierten Atemgasanalyse-system (Oxycon-Alpha, Jäger, Deutschland). Zusätzlich wurde während des gesamtenTests die
Herzfrequenz aufgezeichnet (PE4000, Polar,
Finnland). Am Ende jeder Belastungsstufe, bei
Belastungsabbruch sowie 2 min danach erfolgt
eine kapillare Blutentnahme am Finger zur Laktatbestimmung (Yellow Springs Lactate Analyser 23L, Burkhard Instruments, Schweiz).
Slalomspezifischer Energieverbrauch
Der Energieverbrauch wurde über indirekte Kalorimetrie unter Verwendung des portablen
Atemgasanalyse-Systems (K4b2, Cosmed, Italien) bestimmt. Für jedeAthletin und jeden Athleten wurde mindestens einer von 16 Läufen
aufgezeichnet. Die Installation und das Starten
des Messsystems erfolgten wenige Minuten vor
dem Start zu einem Slalomlauf. Eine Aufzeichnung dauerte exakt 20 min. Zur Analyse der
Daten wurde die Aufzeichnung für jeden Athleten in eine Vorbelastungs-, eine Belastungsund eine Nachbelastungsphase eingeteilt
(s. Abb. 1). Die Belastungsphase begann jeweils genau mit dem Start zum Slalomlauf und
endete zum Zeitpunkt der Normalisierung der
Sauerstoffwerte. Um einen möglichst störungsfreien Rückgang der Sauerstoffwerte
nach Belastung zu erreichen, wurden die Athleten angewiesen, sich unmittelbar nach der
Zieldurchfahrt auf einen Stuhl zu setzen. Die
Normalisierung der Sauerstoffaufnahme wurde
durchschnittlich zwischen 4 und 5 min nach der
Zieldurchfahrt erreicht. Der Gesamtsauerstoffverbrauch und damit der Energieverbrauch für
slalomspezifisches Training errechneten sich
durch Mittelung der erhobenen Sauerstoffwerte über das Belastungsintervall (V02 Belastung,
Phase I1 in Abb. 1). Zur Umrechnung-der Sauerstoffwerte in Kilokalorien wurde ein kalorisches Äquivalent von 5,05 kcal/l O2 angewendet. Der slalomspezifische Energieverbrauch
wurde in Kilokalorien pro Stunde (kcal/h) angegeben. Die Berechnungsformel lautet:
ABB. 1
Bestimmung des Energieverbrauchs
Zeit
Bestimmung des Energieverbrauchs bei alpinem Slalomtraining mittels Sauerstoffmessungen: Athlet mit
mobilem Atemgasanalyse-System (~4b') und idealisierte Darstellung des Sauerstoffverbrauchs bei alpinem Slalomtraining. Ein 20-minütiger Umgang (Slalomlauf, Erholung, Bergfahrt mit Skilift, Vorbereitung)
kann in drei Phasen eingeteilt werden: I ) Vorbelastungsphase, 11) Belastungsphase, 111) Nachbelastungsphase. Die Mittelung des Sauerstoffverbrauchs über Phase I1wird zur Berechnung des Energieverbrauchs
bei slalomspezifischer Belastung verwendet. Die Mittelung des Sauerstoffverbrauchs über alle drei Phasen
wird zur Berechnung des Gesamt-Energieverbrauchs über die ganzeTrainingseinheit verwendet.
wurde ein nicht gepaarter „Student's t-Test"
Gesamtenergie- =
verwendet. Die statistische Analyse der VeränX kal.Eq l6derungen der Glykogen- und Laktatwerte erverbrauch V02-20-~in-~nter~a~
folgte mittels gepaartem „Student's t-Test".
[kcal]
Statistisch signifikante Unterschiede wurden
Slalomspezifische Belastungsintensität
bei p - ~ e r t e n < 0 ~ 5 statistische
,
~~~d~~~~~
Die slalomspezifische Belastungsintensität er- bei p-Werten < 0,10 angenommen.
rechnete sich. indem der summierte Sauerstoffverbrauch über das Belastungsintervall 3. Resultate
(V02-Summe-Phase
11, Abb. 1) dividiert durch die
Phasendauer, mit derV02max (Fahrradergome- Muskelfasercharakteristik
Die Analyse der Muskelfasercharakteristik zeigter-Stufentest) in Beziehung gebracht wurde:
te, dass bei den Nachwuchs-Skiathleten derAnteil an langsamen Typ-I-Fasern bei beiden GeBelastungs- VO
intensität = 2-Summe-Phase I1 Dauer~hase I1 schlechtern deutlich größer war als 50 Prozent
(Tab. 2). Der durchschnittliche Anteil an Typ-IFasern lag bei 64,6 t 2,8 Prozent. Während die
Faserquerschnittsfläche derTyp-I-Fasern keine
geschlechtsspezifischen Unterschiede zeigte,
war die Faserfläche der Typ-11-Fasern bei den
Statistik
Herren um 21,5 Prozent größer als bei den DaDie Daten sind als Mittelwerte Standardfeh- men (Tendenz: p = 0,08). Das Faserflächenverler (S.E.) präsentiert. Zur Uberprüfung der Si- hältnis (Typ I1 /Typ I ) war größer als 1, zwignifikanz von Mittelwertsdifferenzen zwischen sehen den Geschlechtern bestand kein signifider Gruppe „Herrenu und der Gruppe „DamenM kanter Unterschied.
+
Energieverbrauch
VOZ~elastungX 5.05
Slalomtraining =
[kcal/h]
Laufzeit
X
3600,
wobei Laufzeit = Mittelwert aller Laufzeiten
eines Athleten.
TAB. 2
Fasertypeneinteilung und Faserquerschnittsflache
I
Der Energieverbrauch über die gesamte Trainingseinheit (16 Läufe inklusive Pausen zwischen den Läufen und letzte Erholungsphase)
wurde durch eine Mittelung der Sauerstoffwerte über das gesamte 20-minütige Belastungsintervall errechnet (V02-20-Min-InterValIi Phasen
1-111 in Abb. l ) , wobei jeweils das dem durchschnittlichen respiratorischen Quotienten (RQ)
entsprechende kalorische Aquivalent (kal. Eq,
Mittelwert: 4,96 kcal/l 02) zur Anwendung
kam: ,
I
Bei denTyp-11-Fasern konnte mit der verwendeten Analysemethode nicht zwischen Fasern vomTyp I I a und
Typ I I x unterschieden werden. * p < 0,lO.
1
1
A
Ii
1
I
i
I
Glykogen- und Energieverbrauch
Gemittelt über alle Fasertypen nahm der Glykogengehalt i m M. vastus lateralis während des
Slalomtrainings von 1 6 Läufen 2 45 s Dauer ab
(Herren: -57,3 Prozent, Damen: -32,O Prozent).
Bei den Herren war die Glykogenreduktion
nach 1 6 Läufen in den Typ-I-Fasern signifikant
größer als in denTyp-11-Fasern (-71,7 vs. - 42,9
Prozent, p = 0,03, Abb. 2). Diese fasertypenspezifisch unterschiedliche Abnahme des
Glykogengehalts fiel bei den Damen ähnlich
aus (-45,5 vs. -19.5 Prozent, p = 0,09, Abb. 2).
Zur Illustration zeigt Abb. 3 (Seite 52) ein Beispiel von PAS-gefärbten Muskelquerschnitten
eines männlichen Skiathleten vor dem Training,
nach 4 und nach 16Trainingsläufen. Die Intensität der Violettfärbung ist proportional zum
Glykogengehalt der Muskelproben. Das Beispiel
zeigt, dass die Intensität der Färbung vor dem
Training homogen war' aber schon nach Läufen ein Unterschied zwischen den
auftrat. Nach l6
Läufen
man eine deutlich schwächere Farbintensität in den Typ-I-Fasern beobachten.
Die Sauerstoffmessungen während des Slalomtrainings zeigten, dass der Energieverbrauch
bei wettkampfmäßigem Skifahren hoch ist
(Tab. 3, Seite 52). Für die gesamte Dauer des
Slalomtrainings (5:20 h, inklusive Pausen zwischen den Läufen und letzte Erholungsphase
nach dem 16. Lauf) errechneten wir für die
Herren einen Energieverbrauch von 1513 + 78
kcal, welcher signifikant um 19,9 Prozent höher
lag als bei den Damen. Bestimmt man den Energieverbrauch nur über die Belastungsphase
I1 (s. Abb. l ) , dann hätte der sportartspezifische Energieverbrauch bei pausenlosem Skifahren für die Herren 3001 + 325 kcal pro
Stunde betragen. Dieser Wert lag bei den Damen signifikant um 3 4 , l Prozent tiefer. Die
Herren erreichten während eines Slalomlaufs
eine signifikant höhereVOppeak als die Damen.
Hingegen lagen die erreichten Maximalwerte
auf 3500 m ü. M. bei den weiblichen Athleten
mit 75,6 + 3,5 Prozent tendenziell näher bei
der V02max (gemessen auf 1300 m ü. M.) als
bei den Herren (67,5 3,5 Prozent; p = 0,06).
Auch die für einen 45-sekündigen Lauf gemessenen maximalen Herzfrequenzwerte (HFpeak)
+
0
4
16
0
4
16
Lauf
Lauf
Darstellung des Glykogenverbrauchs im M. vastus lateralis vor dem Training (0), nach vier Läufen (4) und
nach 16 Läufen (16). Die Vortrainingswerte wurden auf 100 Prozent normiert. Die Verbrauchswerte sind
signifikant (** p < 0,01, * p < 0,05) bzw. tendenziell ( * p < 0,lO) unterschiedlich zwischen Typ-I- und
~yp-II-~asern.
sind hoch und erreichten bei beiden Geschlechtern Werte von über 90 Prozent von
HF„,.
Die metabolische Belastung bzw. die
slalomspezifische Belastungsintensität für einen 45-sekündigen Lauf kann auch über den
Gesamtsauerstoffverbrauch während der Belastungsphase I1 (s. Abb. 1) ermittelt werden.
Dieser Wert lag für beide Geschlechter bei über
200 Prozent von V02max.
Trainingslaktatwerle
Abb. 4 (Seite 53) zeigt den Verlauf der Startund Ziellaktatwerte während des Slalomtrainings. Abgesehen vom initialen Anstieg der
Ziellaktatwerte zwischen Lauf 1und 5 nahmen
bei beiden Geschlechtern parallel zur Glykogenentleerung die Start- und Ziellaktatwerte i m
Laufe des Trainings ab. Über beide Geschlechter gesehen, waren sowohl bei den Start- als
auch bei den Ziellaktatwerten die Unterschiede
zwischen den Läufen 1bis 4 und 13 bis 16 (p <
0,05) bzw. den Läufen 5 bis 8 und 13 bis 16 (p
< 0,Ol) statistisch signifikant. Es fälltauf, dass
sowohl die Start- als auch die Ziellaktatwerte
bei den Herren niedriger lagen als bei den Damen. Uber alle 1 6 Läufe gemittelt, ergaben sich
Startlaktatwerte von 3,50 ~c0,26 mmol/l (Da0,58 mmol/l (Herren) bzw.
men) und 2,85
Ziellaktatwerte von 6,52 + 0,28 mmol/l (Da0,86 mmol/l (Herren). Aufmen) und 5,71
grund sehr hoher Laktatwerte eines männlichen Athleten waren aber die Unterschiede
zwischen den Geschlechtern statistisch nicht
signifikant.
+
+
4. Diskussion
Mit der vorliegenden Studie wurden ausgewählte Stoffwechselvorgänge während einer
erschöpfenden Slalomtrainingseinheit bei
Nachwuchs-Skiathleten untersucht. Es zeigte
sich, dass ein Slalomtraining unterVerwendung
von modernen „CarvingN-Skis sehr intensiv ist
und damit zu einem hohen Energieverbrauch
führt. Dies hat zur Folge, dass die muskulären
Glykogenspeicher nach 1 6 Läufen zu Ca. 50
Prozent entleert sind, wobei die Entleerung in
Muskelquerschnitte
ABB. 3
n
ATPase- und PAS-Färbung von Muskelquerschnitten. Beispiel von gefärbten Muskelquerschnitten (A: PAS
für Glykogen, B: ATPase für Faseriypisierung) eines männlichen Skiathleten vor dem Training (O),nach 4
und nach 16 Läufen (4,16).Die Orientierungspunktemarkieren einige sich entsprechendeTyp-11-Fasern.
den langsamen Typ-I-Fasern stärker ist.
Schließlich zeigen unsere Resultate, dass ein
Slalomlauf von 45 s Dauer zu einer hohen Ausschöpfung des aeroben Potenzials (V0,max)
führt.
Die Muskelfaserzusammensetzung des untersuchten OberschenkelmuskelsM. vastus lateralis stimmt mit früheren Untersuchungen überein, welche besagen, dass Skiathleten durch eine Dominanz an Typ-I-Fasern charakterisiert
sind (Andersen & Montgomery, 1988). Mit rund
65 Prozent ist dabei der Typ-1:Faseranteil der
untersuchten Athletengruppe deutlich geringer
als bei typischen Ausdauersportlern, welche Anteile von 90 Prozent und mehr aufweisen können. Jedoch liegt derTyp-I-Faseranteil deutlich
über den Durchschnittswerten der Normalbevölkerung oder von Schnellkraftsportlern wie
z.B. Sprintern. Der hoheTyp-I-Anteil dieserAthletenpopulation mag auf den ersten Blick erstaunen, treten doch bei wettkampfmäßigem
Skifahren sehr hohe Kräfte auf. Diese Kräfte
TAB. 3
1
I
müssen jedoch vor allem mittels isometrischer
bzw. exzentrischer Muskelaktivität überwunden
werden. Wenn wir davon ausgehen, dass die
motorischen Einheiten langsamer Muskelfasern relativ klein sind (Billeter & Hoppeler,
1994), dann werden pro motorischer Einheit
nur wenige Fasern angesteuert. Der Vorteil eines hohen Anteils an Typ-I-Fasern könnte deshalb in einer verfeinerten Ansteuerung der
Muskelfasern liegen.
I n unserer Studie verglichen wir auch das Fasergrößenverhältnis zwischen Typ-11- und TypI-Fasern. Neben den langsamen Typ-I-Fasern
konnten noch schnelle Fasern vom Typ I I a
identifiziert werden, während von den schnellen glykolytischen Fasern vom Typ I I x in der
vorliegenden Studie keine gefunden wurden.
Wir können nicht unterscheiden, ob effektiv
keineTyp-IIx-Fasern in den untersuchten Muskelschnitten vorhanden waren oder ob eine Differenzierung der Typ-11-Untertypen aufgrund
zu geringer Sensitivität der ATPase-Färbung
Energieverbrauch
und Belastungsintensitat
Herren
GesamteTrainingseinheit (320min) [kcal]
Spezifisch für Slalom [kcal/h]
Belastungsintensität:
02-Verbrauch in Prozent von V02max [96]
V02peak [ml/min]
V02peak in Prozent von V02max [%]
*p
1513 I
78
3001 I
325
1212 I 59*
1976 I 32*
250 'I21
2664 ~i
126
67,5I 0,7
236 I 10
2094 f 96"
75,6 I 3,5**
174 I
5
HFpeak
HFwakin Prozent von HF„,
Damen
[96]
187 I 2**
93,lI 1,3
92,9 I 2,4
!
..
< 0,05;** p < 0,lO;V0,peak: höchster Sauerstoffverbrauchswert während des Slalomtrainings;
HFwak:höchster Herzfrequenzweri während des Slaiomtrainings.
(pH-Einstellung) nicht möglich war. Das Fasergrößenverhältnis zwischen besagten Typ-IIaund TVP-I-Fasern war sowohl bei den Damen
als a k h bei den Herren (zum Teil deutlich)
größer als 1. Bei Untrainierten oder Ausdauersportlern findet man ein Fasergrößenverhältnis
von etwa 1(Tesch & Karlsson, 1985). Ein hohes
Verhältnis deutet auf eine spezifische Anpassung hin, bei welcher durch regelmäßiges
Krafttraining die Typ-11-Fasern stärker hypertrophieren als die Typ-I-Fasern. Eigene Daten
[nicht publiziert), zeiqen.
- . dass Elite-Skiathleten
noch höhere Fasergrößenverhältnicce (1,4 bis
1,5) aufweisen können. Dies deutet darauf hin,
dass im Durchschnitt die an dieser Studie beteiligten Nachwuchs-Athleten im Kraftbereich
noch nicht austrainiert waren. Bei Athleten aus
Schnellkraftsportarten kann das Fasergrößenverhältnis über 2 liegen (unpublizierte Daten),
bedingt durch trainingsspezifische Adaptation
oder aber auch durch genetische ~ r ä d i s ~ o s i et al,, 2003). Wenn wir das Fasertion
größenverhältnis aller acht ~ t h l unserer
~ t ~ ~
mit der durchschnittlichen SlalomlaufZeit in Beziehung bringen, finden wir einen signifikanten Zusammenhang (r = -0.79, p =
0,016, n = 8). Ein hoher Wert im Fasergrößenverhältnis geht mit einer guten Slalomlaufzeit
einher und umgekehrt.
Aus den vorliegenden Daten können wir
schließen, dass Skiathleten im Idealfall über
ein hohes Größenverhältnis zwischen Typ-IIund Typ-I-Fasern verfügen, was die hohen
Kraftanforderungen im Skirennsport widerspiegelt. Da aber alpines Skifahren sehr hohe koordinative Anforderungen stellt, überwiegt bei alpinen Skiathleten der Prozentanteil an langsamen Typ-I-Fasern.
Das durchgeführte Slalomtraining hatte bei allen Athleten eine signifikanteAbnahme der Glykogenspeicher im M. vastus lateralis zur Folge.
Auch diese Resultate stimmen sehr gut mit
Messungen aus der „Vor-Carving-Zeit" überein. I n einer Ubersichtsarbeit aus dem Jahre
1988 fassten Andersen und Montgomery die
vorhandenen Daten zum muskulären Glykogenverbrauch zusammen. Elite-Skiathleten aus
dem schwedischen Nationalteam entleerten ihre muskulären Glykogenspeicher während eines fünfstündigen Skitrainings um 58 Prozent
(Tesch et al., 1978). Dies entspricht bezüglich
Trainingsdauer und Entleerungsrate in etwa
den von uns gefundenen Werten. I n einer
neueren Arbeit aus dem Jahre 1995 berichtete
Tesch von einer 50-prozentigen Entleerung der
Glykogenspeicher nach einem eintägigen Slalom- bzw. Riesenslalomtraining.
Tesch (1995) fand keine Unterschiede in der
Entleerungsgeschwindigkeit zwischen Typ-IundTyp-11-Fasern. Dies steht im Gegensatz zur
früheren Arbeit von Andersen und Montgomery
(1988), welche zeigte, dass Elite-Skiathleten
verstärkt ihreTyp-I-Fasern entleeren, während
bei schwächeren Skiathleten keine fasertypenspezifischen Unterschiede gefunden werden. Auch wir finden in der vorliegenden Studie, dass durch wettkampfmäßiges Skitraining
die Glykogenspeicher in den Typ-I-Fasern stärker entleert werden. Bei den im Mittelwert leis-
I
tungsfähigeren Herren (Laufzeit) ist dabei der
Unterschied in der fasertypspezifischen Entleerung größer als bei den leistungsschwächeren
Damen. Wenn die fasertypspezifische Entleerung das Muskelaktivierungsmuster repräsentiert, dann kann davon ausgegangen werden,
dass durch alpines Skitraining präferenziell die
langsamen Typ-I-Fasern rekrutiert werden.
Dies macht Sinn, denn die aktive SchwungphaSe ist gekennzeichnet durch eine relativ lang
anhaltende isometrisch-exzentrische Muskelaktivierung (von ein paar Zehntelsekunden i m
Slalom bis zu mehreren Sekunden in der Abfahrt). Explosive, konzentrische Muskelaktivierungen kommen im modernen Skirennsport
vorwiegend bei Korrekturbewegungen zur Anwendung. Eine stärkere Entleerung der oxidativen Typ-I-Fasern wird für Elite-Skiathleten als
Vorteil angesehen, da diese Fasern ermüdungsresistenter sind (Anderson & Montgomery, 1988). Die Analyse der Absolutwerte aus
denvortrainingsbiopsien ergibt im Übrigen keinen Unterschied im Glykogengehalt zwischen
Typ-I- und Typ-11-Fasern. Dies ist auch durch
das Beispiel in Abb. 3 illustriert.
Der leistungsfähigste Athlet in unserer Studie
entleerte seine Glykogenspeicher praktisch
-92 Prozent,Typ 11: -80 Provollständig (Typ I:
zent). Dies deutet auf die Fähigkeit dieses Athleten hin, seine Muskulatur sehr umfassend zu
aktivieren. Es ist fraglich, ob dieserAthlet seine
Muskelglykogenspeicher bis zu einer nächsten
Skitrainingseinheit am nächsten Tag wieder
auffüllen kann. Nygaard et al. (1978) zeigten,
dass tägliches Skitraining zu einer schleichenden Glykogenentleerung führt, wobei die Ruhewerte am Morgen vom ersten zum fünftenTrainingstag um über 30 Prozent, abgenommen
hatten. Unaufgefüllte Glykogenspeicher können die muskuläre Leistungsfähigkeit negativ
beeinflussen. So wurde berichtet, dass die
Maximalkraft der Kniestrecker bei reduzierten
Glykogenspeichern verschlechtert war (Tesch,
1995). Verringerte Maximalkraftfähigkeiten
können sich bei Skiathleten negativ auf dieTrainings- bzw. Wettkampfleistungsfähigkeit auswirken und sogar das Verletzungsrisiko erhöhen.
Erschwert wird eine optimale Auffüllung der
muskulären Glykogenspeicher während mehrtägiger Skitrainingskurse durch Konditionstrainingseinheiten am Nachmittag bzw.Abend. Skiathleten müssen deshalb darauf achten, mit
konventioneller Ernährung und Supplementen
vor, während und nach dem Training genügend
Energie zuzuführen. Dabei ist es wichtig, dass
der Kohlenhydratanteil in der Diät zwischen 60
und 65 Prozent der Gesamtenergiemenge erreicht. Dies ist mit normaler Hotelkost oft nur
schwierig zu bewerkstelligen. Absprachen mit
dem Koch bzw. die Einnahme von Zwischenmahlzeiten mit hohem Kohlenhydratanteil können nützlich sein. Wichtig ist auch, dass
unter Ausnutzung der durch das Training aktivierten Glukosetransporter unmittelbar nach
Beendigung der Skitrainings- bzw. Konditionstrainingseinheit ausreichend Kohlenhydrate
(1,2 bis 1,s g/kg/h) zugeführt werden (Ivy,
2001). Dies ist in der Praxis oft schwierig um-
ABB. 4
Laktatwerte während Slalomtraining
A) Laktat am Start
8
-a
B) Laktat im Ziel
E3 Damen
7
13 Herren
6
- 5
4
U
-
8 3
Y
m
2
1
0
1 bis 4
5 bis 8
9 bis 12 13 bis 16
Laufe
1 bis 4
5 bis 8 9 bis 12 13 bis 16
Läufe
Start- (A) und Ziel- (B) Laktatwerte, getrennt nach Geschlecht und gernittelt über jeweils 4 Slalornlaufe
(Mittelwerte + S.E.). a: signifikanter Unterschied (p i0,05)zwischen Laufen 1 bis 4 und Läufen 13 bis 16.
b: signifikanter Unterschied (p C 0,Ol)zwischen Läufen 5 bis 8 und Läufen 13 bis 16.C: signifikanter Unterschied (p < 0,Ol)zwischen Läufen 5 bis 8 und Läufen 9 bis 12.
zusetzen, da der Transfer vom Trainingsgebiet
ins Hotel manchmal viel Zeit in Anspruch
nimmt. Die für die Glukoseaufnahme günstige
unmittelbare Nachbelastungsphase kann für
die Einnahme von kohlenhydrat- und aminosäurehaltigen Regenerationsgetränken (van
Loon et al., 2000) genutzt werden. Zudem
empfehlen wir, während Skitrainingswochen
das Konditionstraining deutlich zu reduzieren
bzw. die durchzuführenden Einheiten so zu gestalten, dass das Training wenig intensiv ist,
bzw. andere Muskelgruppen trainiert werden.
Auch mit den im Skitraining durchgeführten
Sauerstoffmessungen konnten wir zeigen, dass
der slalomspezifische Energieverbrauch mit
rund 3000 kcal/h (Herren) und rund 2000
kcal/h (Damen) sehr hoch war. I m Gegensatz
zu den Damen (3,2 Prozent) war dervariationskoeffizient bei den Herren mit 21,6 Prozent
sehr hoch. Dies rührte daher, dass einer der
Athleten mit 3921 kcal/h einen extrem hohen
Energieverbrauch hatte. Dieser Athlet wies mit
durchschnittlich 8 , l m m o l l l zugleich die
höchsten Ziellaktatwerte aller Probanden auf.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine Beziehung zwischen Energieverbrauch und Laktatkonzentration am Ziel bestand. Für die Herren
fand sich eine hohe Korrelation (r = 0,996, n =
4), nicht jedoch für die Damen. Dieser geschlechtsspezifische Unterschied könnte darin
begründet sein, dass die Damen mit 20,5 Prozent einen deutlich höheren Körperfettanteil
aufwiesen als die Herren (8,O Prozent). Setzt
man nämlich die Laktatkonzentration am Ziel
mit dem Energieverbrauch pro kg Magermasse
(LBM) in Beziehung, findet man für beide Geschlechter eine hohe Korrelation (Herren: r =
0,930, n = 4; Damen: r = 0,995, n = 4). Es
fällt dabei auf, dass die Regressionsgeradenbei
ähnlicher Steigung parallel um Ca. 8 kcal/kg
LBM verschoben waren. Deshalb war die Beziehung zwischen Laktatkonzentration und Energieverbrauch pro kg LBM für die ganze Gruppe
deutlich schwächer (r = 0,580, n = 8). Die
Laktatwerte nach einem Slalomlauf scheinen
deshalb einen indirekten Hinweis auf den Gesamt-Energieverbrauch zu geben. Laktatmessungen könnten deshalb beim Skitesten ein
nützliches Hilfsmittel sein, um beispielsweise
Skis auszuwählen, welche ein möglichst ökonomisches Fahren ermöglichen. Geschlechtsspezifische Unterschiede sind aber zu beachten;
denn obwohl der Energieverbrauch bei den
Herren deutlich höher war, zeigten die Damen
über das gesamte Training gesehen höhere
Laktatwerte (s.Abb. 4). Die Laktatbildung hängt
einerseits von der Belastungsintensität ab, andererseits aber auch von der Substratselektion.
Die durchschnittlich höheren Laktatwerte bei
den Damen sind wahrscheinlich in einem höheren Anteil an glykolytischer Energieproduktion
begründet. Indirekt wird diese Ansicht durch
die höhere Ausschöpfung derV02max (V02peak
in Prozent vonV02max) während derTrainingsIäufe (Damen: 75,6 Prozent V02max, Herren:
67,5 ProzentV02max) gestützt.
Da bei intensiven Belastungen Muskelglykogen
das wichtigste Substrat für die Bildung von Laktat darstellt, kann eine Veränderung der intramuskulären Glykogenspeicher über standardisierte Blutlaktatmessungen indirekt verfolgt
werden. Abb. 4 illustriert, wie die Abnahme der
Muskelglykogenspeicher im Slalom mit einer
Abnahme der Start- und Ziellaktatwerte einhergeht. Während die Startlaktatwerte in unserer Studie kontinuierlich abnehmen, kann man
für die Ziellaktatwerte einen initialen Anstieg
bis Lauf 5 beobachten. Verschiedene Gründe
für diesesverhalten der Laktatwerte können in
Erwägung gezogen werden: Möglicherweise
war das individuell durchgeführte Aufwärmund Einfahrprogramm zu wenig effizient, um
die Muskulatur vollständig zu aktivieren, oder
die Athleten gingen das Training in den ersten
Läufen vorsichtig an. Blutlaktatmessungen
können für alpines Skitraining ein nützliches
Mittel zur Trainingssteuerung und zur indirekten Überwachung des Auffüllungsgrades der
Glykogenspeicher sein. Dabei können die Laktatwerte unter standardisierten Bedingungen
im Skitraining oder im Rahmen von regelmäßig
durchgeführten, submaximalen Fahrradergometertests bei definierten Belastungen überprüft werden.
Die Größe der Glykogenspeicher wird durch ein
hohes Ausdauertrainingsniveau positiv beeinflusst (Gollnick et al., 1972). Es kann deshalb
davon ausgegangen werden, dass ausdauertrainierte Skiathleten hohe Trainingsumfänge
besser tolerieren. Dadurch können in der zur
Verfügung stehenden Zeit mehr Trainingsfahrten absolviert werden, was sich langfristig in
einer verbesserten Leistungsfähigkeit ausdrücken dürfte.Verschiedene neuere und ältere
Arbeiten zeigen denn auch, dass erfolgreiche
Elite-Skiathleten Über ein hohes Ausdauerniveau verfügen müssen, was sich in entsprechend hohen V02max-Werten ausdrückt (Andersen & Montgomery, 1988; Neumayr et al.,
2003; Tesch, 1995). Die gefundenen Werte lagen dabei für Herren zwischen 60 und 65 ml/
min/kg bzw. zwischen 50 und 55 ml/min/kg
für Damen. Die V02max-Werte von 53,2 bzw.
43,9 ml/min/kg der Herren bzw. Damen unserer Studie sind vergleichsweise niedrig.
Tab. 3 zeigt, dass während der Trainingsläufe
V02peak-Werte von 2664 ml/min (Herren)
bzw. 2094 ml/min (Damen) erreicht wurden.
Dies bedeutete eine Ausschöpfung der V02max
von 67,5 bzw. 75,6 Prozent für Herren bzw. Damen während eines durchschnittlich 45-sekündigenTrainingslaufs. Da aber die Ausdauertests
auf einer Höhe von 1300 m ü. M. und das
Skitraining auf 3500 m ü. M. durchgeführt wurden, ist die effektive Ausschöpfung des aeroben
Potenzials noch größer, denn mit zunehmender
Höhe nimmt dieV0,max linear ab. I n der Literatur werden durchschnittliche Abnahmen von
8 Prozent pro 1000 Höhenmeter angegeben
(Vogt et al., 2003b). Dadurch kann errechnet
werden, dass sich die gemessene V02max
(1300 m) bis auf die Skitrainingshohe (3500 m)
theoretisch um ca. 17 Prozent reduziert. Die
theoretische Ausschöpfung der V02max (3500
m) würde demzufolge 8 1 Prozent (Herren) und
9 1 Prozent (Damen) betragen. Diese Daten zeigen, dass die besser ausdauertrainierten Herren absolut gesehen nach 45 s Laufzeit zwar
höhere Sauerstoffwerte erreichen, jedoch die
Ausschöpfung der V02max geringer ist. Dies
bedeutet, dass die Herren im Vergleich zu den
Damen zwar mehr Energie verbrauchen, der
anaerobe Anteil an der Energiebereitstellung
aber kleiner ist. Es bedeutet aber auch, dass
bei einer Belastungsdauer von nur 45 s ein
nicht unbedeutenderTeil der Energiebereitstellung durch aerobe Prozesse erfolgt. I n früheren
Arbeiten wird der aerobe Anteil der Energiebereitstellung im Slalom und Riesenslalom mit 40
bis 45 Prozent beziffert (Andersen & Montgomery, 1988; Tesch, 1995). Aufgrund unserer direkt gemessenen Werte gehen wir davon aus,
dass dieser Anteil im modernen Skirennsport
deutlich über 50 Prozent liegt. Dies kann auch
eine Begründung für die stärkere Entleerung
der oxidativ besser ausgestatteten Typ-I-Muskelfasern sein. Die aerobe Energiebereitstellung (Anstieg derV02-Werte im Lauf) wird bei
Skiathleten mit hoher V02max höher sein, obwohl diese Athleten ihr aerobes Potenzial bei
gleicher Laufzeit prozentual weniger stark ausnützen müssen. Dies bietet Reserven und verzögert damit die Ubersäuerung bei längeren
Belastungszeiten, wie sie in den Disziplinen
Riesenslalom, SuperG und Abfahrt vorkommen.
Die vorliegende Arbeit wurde mit NachwuchsSkiathleten aus Regional- und Interregionalkadern durchgeführt. Es stellt sich die Frage,
inwieweit die gefundenen Resultate auf Eliteathleten übertragen werden können. DieAnalyse von Biopsien eines Weltcupathleten und einer ehemaligen Weltcupathletin zeigt aber,
dass zumindest für die Fasertypenverteilung
auch bei Eliteathleten ähnliche Resultate gefunden werden, wobei das Fasergrößenverhältnis im Vergleich zu den Daten aus der vorliegenden Studie bei Eliteathleten größer ist
(nicht publizierte Beobachtungen). Wir gehen
davon aus, dass im modernen Skirennsport der
Energieverbrauch und die Entleerung der Glykogenspeicher bei Eliteathleten noch höher
sind. I n diese Richtung deuten Korrelationsanalysen mit den Daten der vorliegenden Arbeit
(nicht publizierte Beobachtungen).
Gollnick, F! D., Piehl, K., Saubert, C. W., Armstrong, R. B. &
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Ivy, J.L. (2001).Dietary strategies to promote glycogen synthesis after exercise. Can. J. Appl. Physiol., 26, Suppl.,
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass sich die Physiologie des alpinen Skirennsports im Wesentlichen nicht von den Erkenntnissen früherer
Untersuchungen aus der „Vor-Carving-Zeit"
unterscheidet.Alpine Skiathleten sind durch einen hohen Anteil an langsamen Typ-I-Fasern
charakterisiert, welche für eine fein abgestimmte muskuläre Koordination von Bedeutung sind. Die Typ-11-Fasern von erfolgreichen
Skiathleten sind stärker hypertrophiert, was
sich in einem hohen Fasergrößenverhältnis
ausdrückt. Der Energieumsatz bei alpinem
Skitraining ist hoch. Ein hohes Ausdauerniveau
ist deshalb für Skiathleten günstig. Erfolgreiche
Skiathleten müssen daher sowohl die Entwicklung der Kraft- als auch der Ausdauerfähigkeiten optimieren. Die Zufuhr von ausreichenden
Mengen an Kohlenhydraten unmittelbar nach
der Belastung ist besonders bei umfangreichen, intensiven und mehrtägigen Skitrainingsbelastungen von großer Bedeutung.
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*
Die Autoren
Dr. Michael VOGT, seit 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter
von Swiss-Olympic, Swiss-Ski und der Universität Bern (Wissenschaftlicher Leiter der Fachgruppe Ausdauer von SwissOlympic, Koordinator Leistungsdiagnostik bei Swiss-Ski);
Verbandstrainer Swiss-Ski
Adrian PUNTSCHART, Anatomisches Institut der Universität
Bern
Michael ANGERMANN, Anatomisches Institut der Universität
Bern
Kurt JORDAN, Swiss Olympic Medical Center der Rheumaklinik Leukerbad
Hans SPRING, Swiss Olympic Medical Center der Rheumaklinik Leukerbad
Erich MÜLLER, Institut für Sportwissenschaften der Universität Salzburg
Hans HOPPELER,AnatomischesInstitut der Universität Bern
Anschrift der Autoren: Dr. Michael Vogt, Anatomisches Institut, Universität Bern, Baltzerstrasse 2, CH-3000 Bern 9
E-Mail: [email protected]
Danksagung
Wir danken d e n Athleten für d e n großen Einsatz u n d
d e m Laborpersonal sowie d e n zahlreichen Mitarbeitern auf d e m Gletscher für d i e gute Zusammenarbeit.
O h n e sie wäre d i e Durchführung der Studie nicht moglich gewesen. Herzlichen Dank für d i e Unterstützung
durch folgende Firmen u n d Institutionen: Luitseilbahn e n Saas-Fee AG, Leuenberger Medizintechnik A G
Walliseilen, Swiss Olympic Medical Center Leukerbad.
Hotel Derby Saus Fee u n d Hotel Wailiserhof Leukerbad.
Die Studie wurde unterstützt durch Swiss-Olympic u n d
SwissSki. Gedanld sei a u c h d i e kritische Durchsicht des
Manuskripts durch Dr. R. Vock u n d Ch. D a p p .