Flucht und Migration: Konsequenzen für die

Flucht und Migration –
Konsequenzen für die Entwicklungspolitik
Joachim von Braun
Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF), Universität Bonn
Vortragsreihe "Migration als Herausforderung und Chance".
Bonn, 25.1. 2016
Rheinische Botschaft (22.1.2016)
1. Keinerlei Tolerieren von sexueller Gewalt
2. Kampf gegen bandenmäßige Kriminalität
3. Konsequenzen aus dem behördlichen
Versagen
4. Schluss mit fremdenfeindlicher Hetze Deutschland bleibt ein gastfreundliches
Land
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Thema des Vortrages --Flucht und Migration –
Konsequenzen für die Entwicklungspolitik!
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Was macht Entwicklungspolitik?
Fördert in Partnerschaft mit Entwicklungsländern
Maßnahmen mit Finanzierung und Knowhow für…
• soziale und ökonomische Verbesserung
• Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit
• Nachhaltige Ressourcennutzung (Umwelt)
Zusammengefasst in den 17 „Nachhaltigen
Entwicklungszielen“ UN Oktober 2015
In Deutschland in der „Zukunftscharta – EINEWELT
unsere Verantwortung“ Berlin November 2014
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Flucht? Migration?
Ursachen unterscheiden (aber Mischformen)
1. Flucht A – vor Krieg, Verfolgung, Gewalt
2. Flucht B - vor Hunger, Armut, Seuchen,
Dürren, Umweltkatastrophen (Klima)
3. Migration – Wahrnehmung von Chance
(Bildung, Jobs, Einkommen)
Entwicklungspolitik ist von allen 3en gefordert
Flucht und Migration – die Dimensionen
14 Millionen Flüchtlinge weltweit Anfang 2015; 86%
davon finden Zuflucht in Nachbarstaaten
38 Millionen innerhalb von Ländern vertrieben
ca. 250 Millionen Migranten über Ländergrenzen
ca. 760 Mio. Binnen-Migranten innerhalb Ländern
weltweit
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1. Flucht A – vor Krieg,
Verfolgung, Gewalt
Syrische Kinder spielen im Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien. (Foto: dpa)
Zahl der Flüchtlinge weltweit und EU
Quelle: Maystadt, Breisinger 2015 (IFPRI) nach UNHCR
Wohin sie vor allem fliehen (2014)
Quelle: UNHCR 2015
Auswirkungen großer Flüchtlingszugänge in
aufnehmenden Entwicklungsländern
• Wirtschaft: stimuliert durch Zuzug produktiver
Gewerbetreibender
• Arbeitsmarkt: Steigenden Nachfrage nach lokalen
Gütern schaffen Jobs aber Konkurrenz auf lokalem
Arbeitsmarkt
• Preise: Inflation lokaler Lebensmittelpreise (temporär)
• Gesundheit: Infektionskrankheiten wenn
Hygieneproblemen um Camps
• Sicherheit: falls Waffenhandel, Kriminalität
Positive und negative Effekte sind von Organisation und
Unterstützung der Flüchtlinge abhängig, sowie ihrem
Zugang zu Märkten
Flüchtlinge nach Europa: 2010-2015
Entwicklungspolitik setzt an den Anfängen der Pfeile an, bezieht die Lager ein,
fördert die positiven Rückflüsse von Geld und Knowhow in die Herkunftsländer
Was ist falsch gelaufen?
The World Food Programme has had to drop one-third of Syrian refugees from its
food voucher program in Middle Eastern host countries this year, including
229,000 in Jordan who stopped receiving food aid in September. (5. 9. 2015 The Guardian)
Syrische Flüchtlinge: Camp Za’Atari, Jordanien, 120,000 Bewohner
Maßnahmen zur Unterstützung von
Flüchtlingen
Einhaltung der Flüchtlingskonvention durch
Europa und in den Entwicklungsländern
(Aufnahme der Flüchtlinge, Basisversorgung)
Aufstockung der Nothilfe (Nahrung,
Unterbringung, Gesundheit) und
Bildungshilfen für Flüchtlinge in den
Fluchtregionen und Camps
Aufnahme in den Arbeitsmarkt
Ergänzung von Sicherheits- und Aussenpolitik
2. Flucht B - vor Hunger, Armut, Seuchen,
Dürren, Umweltkatastrophen (Klima)
© Amnesty International - Flüchtlinge in Somalia
Hunger-Risiko oft in Kombination mit Kriegerischen
Konflikten ist eine zentrale Ursache für Flucht
Welthungerhilfe, Welthungerindex, 2015
Was ist falsch gelaufen?
Die Dürrekrise in Ostafrika 2011, verbunden mit Gewalt in Somalia
und 2016 brauchen
18 Millionen
Nahrungshilfe wegen
Dürre in Äthiopien
Al Jazeera, July 2011
Zu geringe Nothilfe, zu wenig sicherheitspolitisches Engagement
Dadaab in
Kenia
Joachim von Braun, August 30, 2010
UNHCR
Maßnahmen zur Bekämpfung der
Fluchtursachen
Sicherung der Ernährung und Gesundheit
Ernährung und Gesundheit von Kindern ist
essenziell für deren lebenslange Potenziale
Ausbau von Ernährungs- und
Gesundheitsprogrammen in den
Herkunftsländern und
Nothilfe auf den Fluchtrouten
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Maßnahmen zur Flucht-Ursachenbekämpfung
Verbesserung der Lebenbedingungen in FluchtHerkunftsländern
Nachhaltiges Wirtschaftswachstum
(Verbesserung der Handelspolitik und der
Bedingungen für beschäftigungswirksame
Investitionen)
Wirtschaftspolitische Reformen, unterstützt
durch Entwicklungszusammenarbeit
 Große Beschäftigungsprogramme z.B. für
Infrastruktur
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Maßnahmen zur Verbesserung der langfristigen
Situation von Flüchtlingen
Verbesserung der Bildung und Ausbildung
Bildungs- und Weiterbildungsinitiativen in
Flüchtlingslagern und Herkunftsländern
Bildungscoupons für Migranten vor Ort
Arbeits- und Unternehmens-Chancen
Markt-basierte Chancen für Flüchtlinge eröffnen
(Fähigkeiten, die sie in Entwicklungsländern als
Selbständige nutzen können)
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3. Migration – Wahrnehmung von
Chancen (Bildung, Jobs, Einkommen)
Gut für die
Einwanderungsländer
Bild: (c) APA (HELMUT FOHRINGER
Vater aus Kenia
Vater aus Syrien
Vater aus Indien
Sasic: Vater Kamerun
Migration im Ziel N°10 der
UN Nachhaltigen Entwicklungsziele (2015)
“Ermöglichen von ordentlicher, sicherer,
geregelter und verantwortungsvoller
Migration und Mobilität von Menschen,
einschließlich durch die Umsetzung
geplanter und gut verwalteter
Migrationspolitiken”
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Weltbevölkerung 2050
(von 7,4 auf ca. 9 Milliarden)
und konsumieren in 2050 Nahrung und Wasser für 12 Milliarden
Deutschland: 1% der Weltbevölkerung und 1% der Ackerfläche
Source: Worldmapper 2009.
Migranten in % der Bevölkerung
Welt
Afrika
Asien
Nordamerika
Europa
1990
2,9
2,5
1,6
9,8
6,9
2010
3,1
1,9
1,5
14,2
9,5
Geldüberweisungen der Migranten
Summe: 436 Mrd. $ (2014)
Von (Top 5): USA, Saudi Arabien, Deutschland, Russland, UA
An (Top 5): Indien, China, Philippinen, Mexiko; Nigeria
(Sub-S. Afrika: ca. 33 Mrd.)
< Überweisungen
<Entwicklungshilfe
Entwicklungspolitik: Reduziert wirtschaftliche
Entwicklung die internationale Migration?
Beziehung zwischen
Wirtschaftswachstum
und Migrantion
Glockenkurve (von
Zunahme zur Abnahme)
Quelle: Clemens 2014, Center for Global
Development, WP 359
Bestand an Ausgewanderten weltweit
Nach pro Kopfeinkommen
Implikationen der Glockenkurve für die
Entwicklungspolitik
Dynamik: das Durchlaufen der Glockenkurve zu
abnehmender Migration hat historisch ca. 30 – 50
Jahre in Anspruch genommen.
Asien und Lateinamerika im abnehmenden
Bereich der Glockenkurve.
Afrika im zunehmenden.
Entwicklungspolitik: Nachhaltiges
Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in den
Entwicklungsländern fördern.
Die Migrationsursachen
1. Demographische Veränderung (Urbanisierung
und Bevölkerungswachstum)
2. Armutsreduzierung (erhöht
Migrationsfähigkeit)
3. Arbeitsmarkt-Anreize und Bildung
(Lohnunterschiede und zu Arbeitsmärkten in
Zieländern)
4. Migranten-Netzwerke (reduzieren
Migrationskosten, erleichtern Migration)
5. Information über Chancen (IT/Smart-Phones)
und über die eigene Situation (Ungleichheit,
„relative Deprivation“)
Zusammenfassung: Konsequenzen
für Entwicklungspolitik
1. Flucht A – vor Krieg, Verfolgung,
Gewalt
2. Flucht B – vor Hunger, Armut,
Seuchen, Dürren, Umwelt –
Katastrophen (Klima)
3. Migration – Wahrnehmung
von Chance (Bildung, Jobs,
Einkommen)
Entwicklungspolitische Maßnahmen:
Flüchtlinge (A)
Korrektur der mangelhaften Unterstützung der
Flüchtlinge in Regionen in denen akute
Fluchtursachen bestehen (Lebensmittelrationen,
Bildung; Winterfestigkeit der Lager um Syrien)
Langfristige Lösungen wenn die Fluchtursachen auf
Jahre nicht bewältigt werden können (Ansiedlung,
Infrastruktur, Bildung, Selbstverwaltung; z.B.(Somalia)
Entwicklungspolitische Maßnahmen: Flucht (B)
vor Armut, Umweltproblemen, Chancenlosigkeit,
Marginalisierung
Hunger und Armutsbekämpfung:
Wirtschaftsförderung; Landwirtschaft; “Eine
Welt Ohne Hunger” BMZ etc.; soziale
Sicherung;
Rechtssicherheit stärken: Ausgrenzung und
Marginalisierung bekämpfen; Landrechte;
Nachhaltiges Ressourcenmanagement:
Wasser, Böden, Klima, Energie
Bildungschancen stärken: Schulen und
Weiterbildung; insbes. Frauen.
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Entwicklungspolitische Maßnahmen zu
Migration
Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum
verbessern: Handel weiter öffnen; Wirtschaft einbeziehen
Arbeitsbeschaffungsprogramme vor Ort in Afrika und NahOst
Bildungs- und Ausbildungsstand der potentiellen Migranten
verbessern (Anreize zum Verbleiben oder Umkehren mit IT
basierte Fernstudien und Bildungs-Coupons für Ausbildung
in Heimatregion)
Migranten-Rücküberweisungen produktiv unterstützen
(Kooperation deutscher Banken, NGOs, mit
Entwicklungszusamenarbeit in den Herkunftsländern)
Arbeits- und Innovationspotentiale der Migranten nutzen
und fördern
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Fazit
• Fluchtursachen bekämpfen; Entwicklungspolitik
kann dazu zentrale Beiträge leisten und Not lindern;
muss dazu ausgeweitet werden
• Migration ist integrales Element wirtschaftlicher
Entwicklung; das Beste für alle Beteiligten daraus
machen. Entwicklungspolitik leistet dazu ihren
Beitrag.
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Informationen vom ZEF zum
Thema Flucht und Migration
ZEF Mobility and Migration research siehe:
http://www.zef.de/index.php?id=2302
ZEF new Annual Report with focus on migration:
http://www.zef.de/uploads/tx_zefportal/ZEFNews/Annua
lReport_14-15.pdf
Joachim von Braun: Flucht und Migration –
entwicklungspolitische Konsequenzen (Vortrag Afrika
Verein, Berlin 2015)
http://www.zef.de/uploads/tx_zefnews/JvB_Afrika_und_
Migration_24-9-15la.pdf