REISE UND ERHOLUNG Dienstag, 21. Juli 2015 Eine Insel wie gemalt Der Chiemsee war ein Magnet für eremitische Künstler - Heute steht die Fraueninsel wieder Modell Von Andrea Reck Im vorletzten Jahrhundert war der Chiemsee ein Magnet für zivilisationsmüde Künstler. Heute kommen vor allem Touristen auf König Ludwigs Spuren, doch manch einer hat Aquarellpapier und Farben im Gepäck und pinselt „seine“ Fraueninsel. Das Wasser für mein Bild schöpfe ich direkt aus dem Chiemsee, in dem ich die Füße kühle. Vor mir eine Staffelei, auf die 300 Gramm starkes Aquarellpapier geklebt ist, dahinter der berühmte Blick auf die zwölf Hektar kleine Fraueninsel. Neben mir der Anlegesteg der zwanzig Mal größeren Herreninsel. Über 400.000 Touristen aus aller Welt landen hier jährlich an, um das vom Märchenkönig Ludwig II. 1878 in Auftrag gegebene Neue Schloss zu besuchen. Nur ein Bruchteil von Ihnen schlendert auch durch das Alte Schloss, das Augustiner-Chorherrenstift. Und verpasst damit nicht nur den historischen Raum des Verfassungskonvents von 1948, in dem unser Grundgesetz entstand, sondern auch die original eingerichteten ehemaligen Wohnräume des berühmtesten Wittelsbachers. Zudem sind zwei Galerien den ChiemseeMalern gewidmet, die vor allem im 19. Jahrhundert von der Seelandschaft vor der Alpen-Kulisse angezogen wurden. Es muss noch nass werden Max I. Josef hatte die Maler einst aufs Land geschickt, um das Alltagsleben der Bauern und Fischer zu dokumentieren. Fasziniert von den Lichtstimmungen kamen immer mehr Städter und gründeten Künstlerkolonien, um sich vom freien, ungebundenen Landleben inspirieren zu lassen. Sie wandten sich von der akademischen Atelier-Malerei ab und arbeiteten im Freien. Gerade war die Farbtube erfunden worden, man zog mit kleinen Leinwänden auf der Staffelei an die idyllischen Flecken. Die Formate Abendstimmung am „Bayerischen Meer“. wurden intimer. Besonderer Anziehungspunkt war die Fraueninsel, legendär wurde der Künstlerstammtisch in der „Linde“. Noch heute sind viele Maler am See tätig. Etwa Franz Josef Feistl, der in seinem Atelier in Aschau gerade mit Pastellkreide an einer Bachszene arbeitet. Sie hat keine Bindemittel, fast nur Pigmente, schwärmt der charismatische Maler „da geht man so richtig in der Farbe auf“. Auf die Frage, ob das Bild schon fast fertig sei, meint er: „Na, no ned. S’ Wasser muss no nass werd’n“, und arbeitet weiter an den Spiegelungen. Künstlerhaus Exter Auch das Atelier des berühmtesten historischen Chiemsee-Malers kann man besichtigen, das Künstlerhaus Exter in Übersee-Feldwies. In seinem ehemaligen Wohnhaus finden Wechselausstellungen statt. Steht man im Garten inmitten von Rosen und Rittersporn scheinen sei- ne zuvor im Alten Schloss in Herrenchiemsee gesehenen Blumenbilder lebendig zu werden. Das Atelier im ersten Stock ist vollständig erhalten. Julius Exter, ab 1902 Königlicher Professor in München, hatte das Bauernhaus zum Künstlersitz und zur Malschule umbauen lassen und ab 1917 mit seiner Frau und seinen beiden Kindern bis zu seinem Tod 1939 bewohnt. Im nahegelegen Biergarten „D’Feldwies“ gönnen wir uns eine deftige Brotzeit. Übrigens beteiligten sich über 1500 Privatleute an dem 2004 komplett renovierten Gasthaus mit einer oder mehreren Aktien, um ihr Wirtshaus selbst zu führen, die Einrichtung zu kaufen, das Personal einzustellen und den Betrieb zu organisieren. In Übersee erleben wir einen großartigen Sonnenuntergang. Nicht ganz alleine, findet doch heute am Strandbad Übersee die beachparty statt. Da dröhnen die Verstärker „one day baby we’ll be old“, Bilder: Reck das überwiegend jugendliche Publikum genießt mit dem Sundowner in der Hand am Ufer sitzend die geradezu karibische Stimmung am achtzig Quadratkilometer großen bayrischen Meer. Ein Glas des kristallklaren Chiemsee-Wassers haben wir am nächsten Morgen auf unser Staffelei stehen, als die Aquarellmalerin Petra Habenstein uns ermutigt einfach zu malen, was wir sehen. Mit ein paar Bleistiftstrichen skizzieren wir den Horizont und die Dreiecke, die wir für die Segel der Boote freilassen wollen. Hin und wieder schaut uns ein Japaner interessiert über die Schulter und lichtet uns Maler samt Fraueninsel im Hintergrund ab, doch das beeinträchtigt die Konzentration kaum. Nach einer Stunde kann man auf meinem in der Sonne schnell trocknenden Blatt den Turm des Münsters erkennen und die hohen Linden der Insel. Zugegeben - die sich putzenden Enten im Vorder- grund sind nicht ganz so eindeutig zu identifizieren. Aber ein bisschen künstlerische Freiheit darf ja wohl sein. Weitere Informationen www.chiemsee-alpenland.de Wissenswertes Bayerische Schlösserverwaltung www.schloesser.bayern.de, Künstlerhaus Exter Tel. 08642/895083 und www.herren-chiemsee.de Der Maler Franz Feistl ist Dozent an der Akademie der Bildenden Künste www.adbk-kobermoor.de Atelierbesuch beim Kunstmaler www.franzfeistl.de, Malkurs von Petra Habenstein im Kloster Frauenchiemsee www.frauenwoerth.de, Kursprogramm in der Malschule „La Cuna del Arte“ www.lacunadelarte.de. Biergarten www.wirtshaus-feldwies.de Gemälde von Julius Exter im Alten Schloss Herrenchiemsee. Aquarellkurs auf der Herreninsel. Fernes Eiland: Die Fraueninsel.
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