Margit Franz Gesucht: Geschenk, pädagogisch wertvoll, preiswert und originell Orientierung für die Auswahl Geburtstage sind bedeutsame Lebensereignisse, die im Kindergarten miteinander gestaltet und gefeiert werden. Damit verbunden stellt sich immer auch die Frage nach dem passenden Geschenk. I n den meisten Familien werden Kinder reich beschenkt, zuweilen gar mit Geschenken überhäuft. Eltern lassen es sich etwas kosten, für ihre Kinder unvergessliche, zuweilen auch üppige, Geburtstagsfeiern auszurichten. Häufig feiern Kinder ihren Geburtstag mehrmals: im Familienkreis, mit Freunden und in der Kita. Der italienische Schriftsteller Cesare Pavese schreibt: „Nicht der Tage erinnert man sich, man erinnert sich der Augenblicke.“ Doch welche Augenblicke zählen? Was ist für das Geburtstagskind selbst von Bedeutung? Woran werden sich die Kinder später erinnern? Was ist Eltern und was ist Erzieherinnen wichtig, was Kinder später in guter Erinnerung bewahren mögen? Welchen Sinn geben wir den Dingen und welche Bedeutung messen wir unseren eigenen Handlungen bei? Persönliche Erinnerungen Feierliche Stille. Die Kinder sitzen im Kreis. Schwester Mirona kramt in aller ruhe ein Streichhölzchen aus einer Schachtel hervor. Sie hält einen Moment inne bevor sie das Hölzchen an der Schachtel reibt. Mit einer kleinen Explosion fängt es knisternd Feuer. Kurz darauf der magische Moment: Der Funke springt auf den Docht über. Warmes Licht erfüllt den raum. Dann die innere gewissheit: Die Kerze brennt heute für mich! Vertraute Klänge des akkordeons ertönen. Die Kin- 8 TPS_6_13_08-09.indd 8 der singen das geburtstagslied – ich bin stolz und glücklich. Dieses Ereignis fand vor etwa 45 Jahren statt und ich frage mich, was das Besondere daran war, dass mir meine Kindergartengeburtstagsfeier auch heute noch in bleibender Erinnerung ist? Geburtstage gestalten Das Feiern von Geburtstagen gehört zu den festen Ritualen in Kindertageseinrichtungen. Je nach Größe, konzeptioneller Ausrichtung und pädagogischer Schwerpunktsetzung der Einrichtung ergeben sich unterschiedliche Fragen, die miteinander diskutiert und vereinbart werden müssen: ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ Wird der Geburtstag in allen Gruppen nach denselben Abläufen gefeiert? Findet die Feier mit der kompletten oder nur einem Teil der Gruppe statt? Traditioneller Ablauf oder innovative Gestaltungsspielräume? Welche Lieder, Gedichte, Rituale kommen zum Einsatz? Geburtstagsthron und / oder Geburtstagskrone? Geburtstagsessen? Wenn ja, von der Kita oder vom Geburtstagskind? Ein Geburtstag fällt in die Ferien – wird nachgefeiert? ¡ ¡ ¡ Bei Häufung mehrerer Geburtstage – eine gemeinsame Feier? Wer beschenkt wen: Geschenke vom Geburtstagskind an die Kinder? Bekommen die Kinder ein materielles Geschenk? Wenn ja: Was? Das „ideale“ Geschenk – was kann das sein? Beim Thema Geburtstagsgeschenke höre ich immer wieder: Eine geschlechts- wie auch altersspezifische Unterscheidung ist wichtig. Das ideale Geschenk ist nicht teurer als ein Euro und dennoch „pädagogisch wertvoll“. Die Zeiten, in denen Erzieher/innen (oder Praktikant/innen) vor den Sommerferien hundert Standardgeschenke gebastelt, geklebt und genäht haben, gehören der Vergangenheit an. Erfahrungsgemäß sind Eltern für die Übernahme solcher Aufgabe kaum mehr zu begeistern. Werbegeschenke kommen ungern, bei zunehmend leeren Kassen jedoch verstärkt zum Einsatz. Bietet das Budget kaum finanzielle Spielräume, leisten Ein-Euro-Shops gewisse Abhilfe. Selbstverständlich geht es bei einer Geburtstagsfeier stets darum, dem Jubilar eine Freude zu bereiten, ihn zu würdigen und zu beschenken. Ursprünglich stammt der Begriff „Geschenk“ vom Einschenken, also dem Bewirten TPS 6 | 2013 19.07.13 11:48 Geburtstag feiern Foto: Margit Franz Ein glückliches geburtstagskind – beschenkt mit aufmerksamkeit und einer Krone aus Pappe eines Gastes und jemanden etwas „zu trinken geben“ ab. Später entwickelte sich daraus die Bedeutung von „darreichen“ und „unentgeltlich geben“, also eine gute Gabe überreichen (oft in Form eines Gegenstandes). Menschen, die etwas geschenkt bekommen, erleben ein momentanes Glücksgefühl. Die Hirnforschung hat nachgewiesen, dass der Dopaminspiegel1 im Gehirn durch ein Geschenk ansteigt. Im erweiterten Sinne können wir auch Vertrauen, Aufmerksamkeit, Zuwendung, Liebe, Wertschätzung, Beachtung, Freundschaft, Zeit, ein anerkennendes Lob oder jemanden unser Gehör schenken. Das sind Geschenke, die von Herzen kommen. Sie sind sichtbare Zeichen von Zuneigung und Liebe, mit denen Beziehungen gepflegt und bestätigt werden. Neben realen (materiellen) Geschenken gibt es also auch ideelle und symbolische Geschenke. Die Frage, womit wir ein Kind an seinem Jubeltag beschenken möchten, kann folglich auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert werden: ¡ ¡ ¡ ¡ ¡ Welche Werte möchten wir Kinder erfahren lassen? Welches sind die zentralen Elemente unserer Geburtstagsfeier? Welche Traditionen, Bräuche und Rituale pflegen wir in unserer Kita? Wie wichtig erachten wir es, Kinder materiell zu beschenken? Warum? Wofür möchten wir uns beim Feiern bewusst Zeit nehmen? Die wichtigste Botschaft: Schön, dass es dich gibt! Meiner Erfahrung nach ist es nicht erforderlich, Geburtstagskinder in der Kita mit materiellen Dingen zu beschenken. Die Kinder haben diese TPS 6 | 2013 TPS_6_13_08-09.indd 9 Erwartungen nicht, insofern wir diese nicht geweckt oder sie ihnen beigebracht haben. Was sich alle Kinder jedoch wünschen ist, dass wir sie an diesem (ihrem) besonderen Tag aufmerksam wahrnehmen und ihnen signalisieren: Wie schön, dass du heute Geburtstag hast – wir teilen deine Freude mit dir! Von Anfang an sind Kinder in der Lage, sehr genau zu unterscheiden, wie sich Situationen zu Hause und wie in der Kita gestalten. Täglich pendeln sie zwischen beiden Systemen hin und her, wissend: Daheim feiere ich meinen Geburtstag so und in der Kita so. Spürt ein Kind die aufmerksame Zuwendung und Sorgfalt, mit der seine Geburtstagsfeier vorbereitet und gestaltet wird, fühlt es sich wertgeschätzt und reich beschenkt. Richten die Kinder (mit den Erwachsenen) die Feier aus, leisten sie einen wesentlichen Beitrag, um einem Gruppenmitglied etwas Gutes zu tun. Die Erfahrung, einen anderen zu beschenken, indem wir etwas für ihn tun und zu erleben, wie er sich darüber freut, ist eine wichtige Lernerfahrung für Kinder. Die Festvorbereitung bietet Kindern vielfältige Lerngelegenheiten, wenn wir sie daran beteiligen: Den Raum und Geburtstagstisch schmücken, einen Blumenstrauß pflücken, ein Geschenk auswählen, das Geschenk liebevoll einpacken, einen Geburtstagskuchen backen … die Freude an solchen Handlungen speist sich aus der gedanklichen Vorfreude, wie sehr wir den Beschenkten damit beglücken werden. Geben und Nehmen, Schenken und Empfangen – beides sind wertvolle Erfahrungen. In der Rolle des Beschenkten fühlen sich die Kinder meist sicher, weil geübt; weitaus seltener haben sie jedoch die Möglichkeit, sich im Schenken auszuprobieren. Symbolgeschenke sind bedeutsam Wenn die Rituale im Mittelpunkt der Feier stehen, kann ein symbolisches Geschenk etwas sehr Besonderes sein: Ein (im Grunde genommen beliebi- WERKSTATT ger) Gegenstand wird bedeutsam, weil wir ihm durch Worte, Gesten, Rituale eine Bedeutung geben. Hierfür kann beispielsweise ein mit bunten Bändern geschmückter Zweig von Hand zu Hand gereicht werden. Jedes Kind hat die Möglichkeit, einen Wunsch mit auf den Weg zu geben: „Dieser Zweig möge dir viel Freude, Gesundheit, Sonne … bringen.“ Zuletzt wird dem Geburtstagskind der „GuteWünsche-Zweig“ überreicht. Segenswünsche geben Kraft, Lebensmut, sie vermitteln Vertrauen und können wohltuend sein. Segnen heißt zu sagen: „Schön, dass du da bist!“ Wenn Erwachsene ein Kind segnen, bitten sie Gott, das geschehen zu lassen, was sie sagen und wünschen. Dabei können wir einem Kind eine liebevolle Berührung schenken, unsere Hand auflegen oder es in unsere Kreismitte nehmen, während wir ein Segensgebet sprechen: „Gott schütze und behüte dich, er schenke dir seinen Segen.“ „Eine schöne Erinnerung ist ein ganzes Leben wert.“ (Verfasser unbekannt) ich kann mich nicht mehr erinnern, dass ich von Schwester Mirona ein „richtiges“ geburtstagsgeschenk bekommen habe. Entweder gab es ein solches nicht oder die Erinnerungen daran sind verblasst. Woran ich mich jedoch deutlich erinnere, sind ruhe, Besonnenheit, Sorgfalt – jeder Handgriff, jede geste meiner Kindergärtnerin war von Bedeutung. Es gab eine wohldosierte auswahl an ritualen und symbolischen gegenständen, ohne uns Kinder über die Maßen zu strapazieren. in rollenspielen mit meinen Freundinnen, Puppen und Bären habe ich dieses geburtstagsritual immer wieder nachgespielt. am liebsten bin ich in die rolle meiner Kindergärtnerin geschlüpft, eifrig bemüht, alles genau wie sie zu machen. Es war wohl ihre Persönlichkeit, die mich angesprochen und beeindruckt hat und weniger die Sache mit dem (materiellen) ge■ schenk. Anmerkung 1 Dopamin gilt im Volksmund als glückshormon. Es ist ein Botenstoff im gehirn, das u. a. glücksgefühle entstehen lässt. 9 19.07.13 11:48
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