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Arbeitsrecht
Über Zuhälter im Staatsdienst und andere Kuriositäten
Erstaunliche Kündigungsgründe
Prof. Dr. Arnd Diringer
ist Leiter der Forschungsstelle für Arbeitsrecht der
Hochschule Ludwigsburg. Vor seiner Berufung war
er u. a. Leiter Zentrale Dienste Arbeits- und
Tarifrecht ­einer privaten Klinikgruppe und Leiter
Personal ­eines Versicherungsunternehmens.
Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und
Mitglied im Beirat des Bundesverbands der
Arbeitsrechtler in Unternehmen e. V. (BVAU).
Nach Meinung des LAG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 6.5.2010 – 10 Sa 712/09,
AuA 4/11, S. 249) kann das sogar die außerordentliche Kündigung e­ ines
langjährig Beschäftigten rechtfertigen – zumindest wenn dieser zuvor
ausreichend gewarnt wurde. Das Argument, dass Rauchen süchtig macht
und die Betroffenen daher von Zeit zu Zeit ihren Nikotinspiegel auffrischen müssen, um weiterhin konzentriert arbeiten zu können, konnte das
Gericht nicht überzeugen. Auch Süchtige können e­ ine Stempeluhr betätigen, so das LAG.
2 Wenn ­einen die Chefin nicht riechen kann
Muss man seinen Chef grüßen? Dürfen Beschäftigte im öffent­
lichen Dienst ihr Gehalt im Rotlichtmilieu aufbessern? Kann
man seinen Job verlieren, weil man nach Schweiß riecht? Oder
nach Nikotin? Ein Überblick über die kuriosesten Kündigungs­
gründe der letzten Jahre.
1 Rauchen gefährdet Ihren Arbeitsplatz
Manchmal kann es schnell gehen. Das musste e­ ine Arbeitnehmerin in
­einem vom ArbG Saarlouis (Urt. v. 28.2.2013 – 1 Ca 375/12) entschiedenen Fall erfahren. Ihr wurde bereits zwei Stunden nach Tätigkeitsbeginn
gekündigt. Der Grund: Sie hatte vor der Arbeit geraucht.
Der Arbeitgeber machte vor Gericht geltend, dass sie so stark nach Nikotin roch, dass die Geschäftsführerin des Unternehmens gezwungen war,
die Geschäftsräume zu lüften. Auch andere Mitarbeiter hätten den Geruch
moniert.
Das mag sein, meinte das ArbG, rechtfertigt aber keine Kündigung. Zwar
fand das KSchG keine Anwendung, da die sechsmonatige Wartefrist des
§ 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt war. Die Kündigung widerspreche aber dem
„Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und sei damit jedenfalls nach § 242 BGB treuwidrig und unwirksam“.
Wichtig
Nach Meinung des Gerichts ist es willkürlich, ­einen Arbeitnehmer bereits
nach zwei Stunden nachhause zu schicken, ohne ihm die Gelegenheit zu
geben, ­ein beanstandetes Verhalten zu ändern.
Dass die Mitarbeiterin vor Arbeitsantritt geraucht hatte, gehöre zudem in
ihre Privatsphäre und unterfalle ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
nach Art. 2 Abs. 1 GG. Das sei auch im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen.
Dies klingt durchaus nachvollziehbar und zeugt auch von e­ inem gewissen
Verständnis für Nikotin-Abhängige. Weniger milde sind die Gerichte aber,
wenn Beschäftigte während der Arbeitszeit Raucherpausen machen, ohne
sich auszustempeln.
510
Um angebliche Geruchsbelästigungen ging es auch in e­ inem vor dem
ArbG Köln (Urt. v. 25.3.2010 – 4 Ca 10458/09) verhandelten Fall. Und
hier zeigte das Gericht wenig Milde.
Eine Gemeinde hatte e­ inem Verwaltungsangestellten während der Probezeit gekündigt. Begründung: Der Vorgesetzten des 50 Jahre alten Architekten war e­ in ungepflegtes Erscheinungsbild – insbesondere starker
Schweißgeruch und unsaubere Hände – aufgefallen. Der Betroffene war
über diese Behauptungen entsetzt. Sie seien „falsch, frei erfunden und
völlig aus der Luft gegriffen“. Seine Chefin habe diese nur aus Verärgerung über sein vorangegangenes Verhalten in die Welt gesetzt, um ihm
zu schaden. Unterstützung erhielt er von elf Kollegen. Die Kündigung sei
„nicht nachvollziehbar“ und „entbehre jeder Grundlage“, hieß es in
­einem Brief, den sie an die Behördenleiterin richteten.
Vor dem ArbG Köln hatte der Angestellte trotzdem keinen Erfolg. Nach
Meinung der rheinischen Richter lagen der Kündigung sachliche Erwägungen zu Grunde. Umstände, die e­ ine Sitten- oder Treuwidrigkeit (§§ 138,
242 BGB) begründen, sah das Gericht nicht.
Wichtig
Ob der Mitarbeiter tatsächlich ungepflegt zur Arbeit gekommen ist, ist
nach Meinung des ArbG Köln irrelevant. Entscheidend sei allein die Einschätzung der Vorgesetzten. Auf die Wahrnehmung seiner Kollegen komme es dagegen nicht an.
Wirklich überzeugend ist das nicht, zumal die Gemeinde auch behauptete, dass sein Erscheinungsbild den anderen Mitarbeitern nicht zuzumuten sei.
Das Vertrauen des Betroffenen in das Rechtssystem hat die Entscheidung jedenfalls nicht gestärkt. „Recht und Gerechtigkeit kann zweierlei
sein, so fühlt sich das jetzt an“, sagte er nach dem Prozess zu SpiegelOnline. „Die Tatsachenbehauptung, ich würde nach Schweiß riechen, ist
in der Welt.“ Und sie wird wohl auch noch ­eine Weile in der Welt bleiben, da auch andere Boulevardmedien, wie STERN und BILD, auf ihren
Internet-Seiten über den Fall berichteten. Dass sich der Architekt für den
Spiegel-Online-Artikel unter Nennung seines Vornamens und des ersten
Buchstaben seines Nachnamens vor seinem Haus fotografieren ließ,
macht die Situa­tion für ihn nicht besser ...
Arbeit und Arbeitsrecht · 9 / 15
Arbeitsrecht
3 Zuhälter und Prostituierte im Staatsdienst
Im öffentlichen Dienst verdient man so wenig, dass man ­eine zusätzliche
Einnahmequelle braucht, um seine Familie zu ernähren. Das behauptete
­ein städtischer Straßenbauarbeiter. Und daher hatte er den Entschluss gefasst, sich im Rotlichtmilieu e­ in bisschen was dazuzuverdienen.
Als er wegen Zuhälterei, vorsätzlicher Körperverletzung, erpresserischen
Menschenraubs, Erpressung, schweren Menschenhandels und sexueller
Nötigung angeklagt wurde, erfuhr sein Arbeitgeber von dem Nebenverdienst. Und nicht nur das. In Presseberichten über das Strafverfahren wurde als Tatmotiv auch das vermeintlich zu geringe Entgelt im öffentlichen
Dienst genannt. Daraufhin kündigte die Stadt das Arbeitsverhältnis.
Zu Recht, wie das BAG in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen feststellte (Urt. v. 28.10.2010 – 2 AZR 293/09).
Wichtig
Zwar stellt der TVöD keine so strengen Anforderungen an die private Lebensführung von Staatsangestellten wie die zuvor geltenden tariflichen
Regelungen (BAT). Aus § 241 Abs. 2 BGB ergibt sich aber auch für sie die
Pflicht, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.
Diese Pflicht hatte der Straßenbauarbeiter durch sein außerdienstliches
Verhalten verletzt. Kündigungsrechtlich relevant ist ­ein solches Verhalten
zwar nur, wenn es ­einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Dieser ergab sich indes durch seine auch in der Presse wiedergegebenen Äußerungen, in denen er ­eine Verbindung zwischen seiner angeblich zu geringen Vergütung und seinem Tatmotiv herstellte. Auf diese Weise hatte er
nach Meinung der Erfurter Richter die Stadt für sein strafbares Verhalten
mitverantwortlich gemacht und damit deren Integritätsinteresse erheblich verletzt.
Dass sie etwas mehr Geld „gut gebrauchen“ könnte, meinte auch e­ ine
Justizhauptwachtmeisterin in e­ inem vom VG Münster entschiedenen Fall
(Urt. v. 19.3.2013 – 13 K 2930/12). Die Beamtin ging deshalb der gewerbsmäßigen Prostitu­tion nach und nahm gegen Bezahlung auch an
sog. Gang-Bang-Partys teil. Bilder davon wurden im Internet veröffentlicht. Sie wurde daraufhin aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Das VG Münster bestätigte die Entscheidung des Dienstherrn. Das Gericht
betonte zwar, dass es das gerügte Verhalten nicht moralisch bewerte. Ihre
außerdienstlichen Aktivitäten indizierten jedoch e­ inen Persönlichkeitsmangel, der in besonderem Maße Zweifel an ihrer Eignung als Justizbeamtin
begründe.
4 Jesus hat Sie lieb – das LAG Hamm nicht
Dass ­eine Kaufhausangestellte in e­ iner Parfümerieabteilung e­ in islamisches Kopftuch trägt, ist vom Arbeitgeber hinzunehmen. Das meint zumindest das BAG (Urt. v. 10.10.2002 – 2 AZR 472/01, AuA 9/03, S. 50). Die
Arbeitnehmerin nehme e­ in Grundrecht in Anspruch, die Befürchtungen
des Unternehmens, dadurch Kunden zu verlieren, müsse dahinter zurückstehen.
Dieser Maßstab gilt auch für Christen, glaubt das ArbG Bochum (Urt.
v. 8.7.2010 – 4 Ca 734/10). In dem zu Grunde liegenden Fall hatte ­ein
Mitarbeiter e­ ines Callcenters seine Kundengespräche mit der Verabschiedungsformel: „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf bei ... und
­einen schönen Tag“ beendet. Obwohl es niemals Kunden­beschwerden
gab, wurde dem tiefreligiösen Mann gekündigt. Zu Unrecht meinten die
Bochumer Richter und verwiesen dabei auf die Wertungen in dem genannten BAG-Urteil.
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Arbeitsrecht
Das LAG Hamm sah das anders (Urt. v. 20.4.2011 – 4 Sa 2230/10). Und
es hielt nicht „nur“ e­ ine ordentliche, sondern sogar die außerordentliche
Kündigung für gerechtfertigt. Nach Meinung des Gerichts konnte der Telefonagent nicht überzeugend darlegen, dass er bei e­ inem Verzicht auf die
Grußformel in ­einen Gewissenskonflikt gerät.
Wichtig
Das LAG Hamm hat in dieser Entscheidung e­ inen deutlich strengeren
Maßstab angelegt als das BAG. Trotzdem behauptet das Gericht, dass es
„mit der vorliegenden Entscheidung der höchstrichterlichen Rechtsprechung“ folgt – ­eine gewagte These. Die Revision wurde jedenfalls nicht
zugelassen.
5 Eine Geringschätzung, wenn man zu hoch schätzt
Dass die meisten Frauen nicht gerade begeistert sind, wenn man sie für
älter hält als sie sind, weiß jeder Mann. Aber auch als Frau sollte man
vorsichtig sein – zumindest wenn man raten soll, wie alt die Freundin des
Arbeitgebers ist. Diese Erfahrung machte ­eine Auszubildende in e­ inem vor
dem ArbG Mannheim verhandelten Fall (3 Ca 406/10).
Sie hatte die Lebensgefährtin ihres Chefs anhand ­eines Fotos auf ca.
40 Jahre geschätzt. Tatsächlich war diese erst 31 Jahre alt. Der gekränkte
Rechtsanwalt war darüber so erzürnt, dass es zum Streit und schließlich
zur fristlosen Kündigung kam.
Das ArbG Mannheim zeigte für die Gefühle des Juristen kein Verständnis.
„Ich verstehe nicht, warum Sie sich durch die falsche Altersangabe beleidigt gefühlt haben“, meinte die Vorsitzende der Kammer. Über die Rechtmäßigkeit der Kündigung musste das Gericht aber letztlich nicht entscheiden. Nachdem die Auszubildende mittlerweile ­eine andere Stelle gefunden hatte, verglichen sich die Parteien. Das Ausbildungsverhältnis wurde
rückwirkend aufgelöst, ihr Arbeitgeber verpflichtete sich zur Zahlung von
333 Euro.
6 Beleidigungen und das Fest der Hiebe
Nach 23 Jahren Beschäftigung „könne (man) ihm gar nichts“. Das meinte
­ein bei ­einem mittelständischen Unternehmen beschäftigter Schweißer.
Er ging mit dem festen Vorsatz, dass es „an diesem Abend Krieg“ geben
werde, zur Firmen-Weihnachtsfeier. Dort beschimpfte er seinen Vorgesetzten u. a. mit den Worten „Arschloch“, „Wichser“ sowie „arme Sau“ und
behauptete, „dieser könne nicht ficken und nicht saufen“.
Sein Arbeitgeber kündigte ihm daraufhin außerordentlich, hilfsweise
­ordentlich.
Im Kündigungsschutzprozess musste sich der Schweißer darüber belehren
lassen, dass man auch ­einem langjährig Beschäftigten „etwas kann“.
­Sowohl das ArbG Paderborn (Urt. v. 18.3.2004 – 3 Ca 37/03) als auch
das LAG Hamm (Urt. v. 30.6.2004 – 18 Sa 836/04) sahen die außerordentliche Kündigung als rechtmäßig an. Aufgrund der vielfältigen, geplanten Beleidigungen konnte der Arbeitnehmer nicht mehr ernsthaft damit
rechnen, sein Arbeitgeber werde dieses Verhalten angesichts der langen
Betriebszugehörigkeit tolerieren, so das LAG.
Es gibt eben Grenzen. Und die sind auch auf Weihnachtsfeiern
­einzuhalten.
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Diese Erfahrung machte ebenso e­ in Betriebsratsmitglied in e­ inem vom
ArbG Osnabrück entschiedenen Fall (Beschl. v. 19.8.2009 – 4 BV 13/08).
Er begab sich bei der Firmenweihnachtsfeier auf die Bühne, nahm das Mikrofon des Discjockeys und begann zu singen. Besonders gut kam seine
Gesangseinlage aber nicht an. Mehrere Mitarbeiter riefen ihm zu, dass es
furchtbar klinge und er deshalb aufhören soll. Der Betriebsrat ging daraufhin von der Bühne und schlug e­ inen Kollegen ins Gesicht.
Das Unternehmen wollte wegen dieses Vorgangs e­ ine außerordentliche
Kündigung aussprechen. Da die dafür notwendige Zustimmung von der
Arbeitnehmervertretung verweigert wurde, beantragte es deren Ersetzung.
Das ArbG Osnabrück gab dem Antrag statt. Es betonte, dass e­ in Arbeit­
geber nicht nur e­ in eigenes Interesse daran hat, dass die betriebliche
Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen gestört wird.
Er muss auch dafür sorgen, dass Beschäftigte keiner körperlichen Gewalt
ausgesetzt sind.
7 Muss man den Chef grüßen?
Dass Gewalt und Beleidigungen im Arbeitsverhältnis inakzeptabel sind,
sollte eigentlich jedem bewusst sein – selbst wenn die vorgenannten Fälle
das Gegenteil belegen.
Allzu viel Höflichkeit können Arbeitgeber aber auch nicht erwarten. Das
zeigt ­ein vom LAG Köln entschiedener Fall (Urt. v. 29.11.2005 – 9 [7]
Sa 657/05). Hier wurde e­ inem Beschäftigten u. a. mit der Begründung gekündigt, dass er den Geschäftsführer des Unternehmens außerhalb des
Betriebs nicht gegrüßt hatte. Das Unternehmen wertete dieses Verhalten
als „grobe Beleidigung“.
Die Kölner Richter sahen das anders. Durch die Verweigerung des Grußes
können Arbeitnehmer ihre Verärgerung oder Verstimmung anzeigen, ohne
damit ­eine Ehrverletzung zu bezwecken. Wenn e­ inen Arbeitgeber das
stört, kann er den Mitarbeiter zu e­ inem Personalgespräch bitten und ihn
darauf hinweisen, dass die üblichen Umgangsformen gewahrt werden
sollten, so das LAG.
8 Wenn man seinen Job „in die Tonne kloppt“
Dass man manchen Arbeitnehmern Beine machen muss, heißt nicht, dass
sie neue Gliedmaßen benötigen. Wenn e­ inem Unternehmen das Wasser
bis zum Hals steht, kann ­ein Schwimmkurs kaum helfen. Und wenn man
­einem Kollegen e­ inen Denkzettel verpassen will, sollte man ihm besser
kein Post-it auf die Stirn kleben.
Wer Redensarten allzu wörtlich nimmt, kann schnell in Teufels Küche
kommen. Das zeigt ­ein vom LAG Hamm entschiedener Fall (Urt. v.
2.6.2005 – 15 Sa 126/05). Hier wurde e­ inem Sachbearbeiter in der Bußgeldstelle des Amtes für öffentliche Sicherheit, Verkehr und Personenstandswesen außerordentlich gekündigt, weil er zahlreiche Akten vernichtet hatte. Sein Vorgehen verteidigte er damit, dass seine Teamleiterin
zu ­einem Kollegen gesagt hatte, dass dieser „die verjährten Fälle (...) in
die Tonne kloppen“ könnte, „da ja nichts mehr zu holen sei“. Nachdem
der Verwaltungsangestellte von dieser Aussage erfahren hat, begann er
verjährte und aus anderen Gründen nicht e­ ingegebene Vorgänge zu vernichten.
Vor Gericht hatte er mit dieser Verteidigung keinen Erfolg. Das LAG
Hamm bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Der Angestellte
habe aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit gewusst, wie mit den Akten
umzugehen ist. Ihre Vernichtung allein aufgrund e­ iner angeblichen Äußerung seiner Vorgesetzten sei e­ ine schuldhafte Verletzung der Dienstpflichten.
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Arbeitsrecht
9 Nervige Werbung
In die (Abfall-)Tonne „gekloppt“ werden häufig auch Postsendungen.
Und zwar nicht nur von den Empfängern, sondern sogar von Briefträgern. Das kann für die Zusteller nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch
strafrechtliche Folgen haben. Die Vernichtung von Briefen unterfällt
§ 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses) und kann mit ­einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden.
Vor den Arbeitsgerichten haben die Täter wenig Aussicht auf Erfolg,
wenn sie wegen ­einer solchen Handlung gekündigt werden. Und das ist
im Interesse der Empfänger grundsätzlich auch zu begrüßen. Trotzdem
scheint ­eine Entscheidung des LAG Hessen (Urt. v. 20.10.2004 – 6 Sa
400/04) zweifelhaft.
In dem Fall wurde e­ inem fast fünfzigjährigen, verheirateten und schwerbehinderten Zusteller nach nahezu fünfundzwanzig Jahren Dienstzeit
gekündigt­, weil er Briefsendungen zerrissen und in e­ iner Papiertonne
entsorgt hatte. Die Besonderheit: Es handelte sich lediglich um drei
„Info­sendungen“, also schlicht Werbung. Zudem war der Briefträger
zum Tatzeitpunkt in ­einer schweren familiären und finanziellen Situa­
tion. Er hatte geltend gemacht dass er deshalb ­einen „Blackout“ gehabt
habe.
Das LAG Hessen sah die Kündigung trotzdem als rechtmäßig an. Nach
Meinung des Gerichts hatte der Kläger nicht nur ­eine Arbeitsanweisung
missachtet und seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Sein Verhalten sei zudem geeignet gewesen, das Vertrauen der Postkunden auf Sicherheit und
Zuverlässigkeit der Briefbeförderung zu gefährden und könne das Bemühen seines Arbeitgebers, sich durch ­einen hohen Qualitätsstandard von
seinen Mitbewerbern abzuheben, untergraben. An e­ inen „Blackout“
glaubte das Gericht nicht.
10 Fazit
Jährlich landen zwischen zwei- und dreihunderttausend Kündigungen vor
Gericht. Dass sich darunter auch kuriose Fälle finden, ist wenig verwunderlich.
Manchmal sind es aber auch die Ausführungen der Gerichte, die e­ inen
zum Schmunzeln bringen – oder bei denen e­ inem das Lachen im Halse
stecken bleibt.
Das zeigt ­ein vor dem BAG verhandelter Fall (Urt. v. 12.5.2010 – 2 AZR
544/08). Hier ging es um die Anfechtung e­ ines Vergleichs, die damit begründet wurde, dass der Richter Druck auf den Kläger ausgeübt hat. Der
Richter hatte u. a. geäußert, dass der Betroffene vernünftig sein soll,
„sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, „Ich reiße Ihnen sonst
den Kopf ab“ und „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“. Schließlich meinte er noch „Stimmen sie dem jetzt endlich zu, ich
will Mittag essen gehen“.
Das LAG Niedersachsen hatte die Klage abgewiesen (Urt. v. 19.5.2008 –
15 Sa 1265/07). Es wertete die Äußerungen nicht als Drohung, sondern
lediglich als ­einen „schlechten Scherz“.
Vor dem BAG hatte der Kläger dagegen Erfolg. Nach Meinung der obersten Arbeitsrichter musste der Kläger befürchten, bei e­ iner Verweigerung
des Vergleichsabschlusses kein unbefangenes Urteil mehr erlangen zu
können. Das Gericht solle zwar in jeder Lage des Verfahrens auf e­ ine gütliche Beilegung des Rechtstreits bedacht sein. Es dürfe aber nicht den Eindruck erwecken, e­ ine Prozesspartei müsse sich seiner Autorität beugen.
Und nicht nur bei diesem Fall hat man den Eindruck, dass ­einige Richter
eher an e­ iner schnellen Prozesserledigung, als an der Wahrheit interessiert sind. So meinte e­ in Richter am LG Chemnitz (Beschl. v. 18.4.2012 –
3 Ri AR 4/12 u. 3 Ri AR 32/11) während der Verhandlung: „Die Wahrheit interessiert mich nicht.“
Das OLG Dresden (Beschl. v. 28.6.2012 – 3 W 0562/12) sah darin kein
Problem, erst das BVerfG kam zu dem Ergebnis, dass das gerügte Verhalten inakzeptabel ist (Beschl. v. 12.12.2012 – 2 BvR 1750/12). Nach
­einer solchen Äußerung kann die Besorgnis der Befangenheit nicht mehr
verneint werden.
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BVAU­Fachkongress –
demnächst z.B.:
23.September2015 Regionalgruppe „OST“
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8. Oktober 2015 Regionalgruppe „SÜDOST“
(AUDI AG, Ingolstadt))
12.Oktober2015 Regionalgruppe „MITTE“
(Merck KGaA, Darmstadt)
20.Oktober2015 Regionalgruppe „WEST“
(Luther, Köln)
27.Oktober2015 Regionalgruppe „SÜDWEST“
(Towers Watson, Reutlingen)
23.November2015 Regionalgruppe „NORD“
(Hermes Logistik Gruppe, Hamburg)
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