KINDER MIT PFERDEN STARK MACHEN Das Projekt der Elisabethenschule Sprendlingen: Kinder mit Pferden stark machen Die Elisabethenschule Sprendlingen ist eine Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung. Die Klasse, mit der das Projekt durchgeführt wurde, besteht aus fünf Schülern und wurde im Sommer 2014 eingeschult. Begleitet wird die Klasse von zwei pädagogischen Fachkräften und einer Förderschullehrerin. Die Klasse nahm einmal wöchentlich an einem Vormittag an dem Projekt „Kinder mit Pferden stark machen“ teil. Um die erlernten Inhalte im Pferdestall zu vertiefen, wurde das Thema „Pferd“ auch im Schulalltag behandelt. Die Schüler erstellten aus vor Ort gemachten Fotos Eigenlesebücher, die als Gesprächsanlässe in der Schule und Zuhause genutzt wurden. Mit der aktiven Gestaltung des Eigenlesebuchs wurde die Förderung der Lesekompetenz und der sprachlichen Bildung verfolgt. Durch Lesekompetenzen können Menschen mit geistiger Behinderung aktiver am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Durch die Verwendung von Bildern, Fotos, Piktogrammen und Ganzwörtern im Eigenlesebuch werden diese als Kommunikationsmittel entdeckt und verwendet (Günthner 2000). Ein weiterer Fokus wurde auf die Förderung der Gesamtpersönlichkeit der Schüler gelegt. Durch die kognitive (Kenntnisse des Lesens) und schöpferische (Verwendung von Bilder, Bildzeichen, Ganzwörtern) Gestaltung von Eigenlesebüchern wird die geistige, emotionale und soziale Entwicklung umfassend gefördert (Günthner 2000). Im Pferdestall versammelte sich die Lerngruppe zunächst im Aufenthaltsraum. Die Inhalte („Pferd begrüßen, putzen, satteln, führen, reiten, füttern) wurden vor dem direkten Kontakt mit dem Pferd eingeführt, um eine erhöhte Aufmerksamkeit der Schüler zu erlangen. Um die Lernorte Schule und Pferdestall zu verbinden, wurden von den erarbeiteten Inhalten (z. B. „das Pferd füttern“, „das Pferd putzen“) im Pferdestall mit der Digitalkamera Fotos gemacht. In der Schule wurden diese Inhalte aufgegriffen, so dass alle aufgrund der bildlichen Erinnerung daraus ihr individuelles Eigenlesebuch gestalten konnten. Der Pferdestall Die einmal wöchentlich stattfindenden Unterrichtseinheiten finden auf der Reitanlage der IG Therapeutisches Reiten Rhein-Nahe in Wonsheim (anerkannte Einrichtung des DKThR) statt, cirka 15 Kilometer von der Elisabethenschule Sprendlingen entfernt. 20 ausgebildete Therapiepferde und -ponys stehen vor Ort, die sich vor allem durch ihren ausgeglichen Charakter bewährt haben. Dem Pferdestall mit angrenzender Reithalle (20 x 40 m) ist außerdem ein behindertengerechter Anbau angeschlossen, zu dem Toiletten und ein Aufenthaltsraum gehören. Die Unterrichtseinheit im Pferdestall beginnt immer im Aufenthaltsraum und schließt auch dort ab, um den Schülern die Möglichkeit eines geschlossenen Rahmens zu geben, an dem sie sich orientieren können. Durch die deduktive Ein Fokus lag auf der Förderung der Lesekompetenz. Beschreibung des Eigenlesebuchs Ein Eigenlesebuch ist ein Buch (Produkt), „in dem schülerorientierte Bilder und Texte zusammengefasst und in Buch- oder Heftform gebracht werden“ (Günthner 2000, 109). Durch die aktive Mitgestaltung des individuellen Eigenlesebuchs wirkt sich dies sehr lesemotivationsfördernd aus. Das Eigenlesebuch dient als Medium der Kommunikations-, Leseund Schreibförderung. Da es sich um einen gemeinsam erlebten Unterrichtsinhalt handelt, ist die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Dialogen unter den Schülern und dem Klassenteam recht hoch. Auch das Betrachten der Fotos, auf denen die Schüler selbst zu sehen sind, regt zum Lesen, vor allem dem sinnentnehmenden Lesen, an. Um die Inhalte dauerhaft fixieren zu können, entsteht eine enorme Schreibmotivation, die durch die selbst erlebten Inhalte gefördert wird. 27 KINDER MIT PFERDEN STARK MACHEN Lehrmethode in den einzelnen Unterrichtseinheiten ist ein nötiges Fachwissen im direkten Umgang mit dem Pferd vorhanden. Die Auswahl des Pferdes Der Stundenplan im Im Pferdestall stehen unterschiedliche Pferde und Ponys zur Verfügung. Ausgehend von der Lerngruppe, die sich insgesamt als sehr interessiert an neuen Inhalten zeigt, vor allem Tieren gegenüber, hat sich die Pädagogin und Reittherapeutin Christina Gepp für das Therapiepferd „Tinto“ der Rasse Tinker entschieden. Tinker gelten generell als gutmütig, nervenstark und zuverlässig bei nicht allzu mächtiger Größe. Tinto ist 1,43 m groß, hat schwarz-weiß geschecktes Fell und schwarzes Langhaar. Seine Statur lässt sich als stabil beschreiben, so dass er unempfindlich gegenüber kräftigen Bewegungen (z. B. wenn sich ein Schüler auf den Pferderücken fallen lässt) ist. Charakterlich ist Tinto sehr ausgeglichen, er steht während des Putzens und Sattelns ruhig und lässt sich von kleineren Kindern führen. Lernausgangslage der Schüler: Die Klasse wurde gemeinsam im September eingeschult. Sie besteht aus vier Mädchen und einem Jungen, alle im Alter von sechs Jahren. Bei einem „Kennenlernfrühstück“ wurde den Schülern und deren Eltern das Projekt vorab vorgestellt. Bis dahin hatten die Schüler nur wenige Erfahrungen mit dem Pferd, zeigten sich jedoch sehr aufgeschlossen. Die Klasse ist eine recht heterogene Lerngruppe mit unterschiedlichen Voraussetzungen in den verschiedenen Entwicklungsbereichen. Durch die gemeinsame Begeisterung am Thema „Pferd“ entwickelte sich in den ersten Wochen eine harmonische Klassengemeinschaft. Vor allem die Entwicklung des Sozialverhaltens ist besonders zu erwähnen. Die Schüler lernten die Bedürfnisse des Pferdes kennen und (zum Beispiel „wo mag es geputzt/ gestreichelt werden?“, „Was mag es nicht?“) und erfüllten diese gemeinsam (zum Beispiel zu zweit auf einer Pferdeseite putzen). ... das Pferd begrüßen ... Ablauf des Projektes: In der ersten Schulwoche wurde das Unterrichtsthema zunächst in der Schule über Fotos des Pferdes „Tinto“ und des Pferdestalls eingeführt. In der zweiten Woche stand die gemeinsame Fahrt zum Pferdestall auf dem Programm. Gemeinsam wurde zunächst im Aufenthaltsraum der „Stundenplan für den Pferdestall“ anhand von Bildmaterial gelegt, so dass alle Schüler der Ablauf des Vormittags bewusst wurde und sie sich innerhalb des strukturierten Rahmens möglichst selbstständig orientieren konnten. Dieser sah folgendermaßen aus: das Pferd begrüßen das Pferd putzen das Pferd satteln das Pferd führen das Pferd reiten das Pferd füttern Um die einzelnen Handlungsschritte bewusst zu machen, stand die aktuelle Situation am Stundenplan immer an erster Stelle. Das heißt, wenn die Schüler das Pferd begrüßt hatten, wurde die Symbolkarte „Das Pferd begrüßen“ von den Schülern selbst abgenommen, so dass die Karte „Das Pferd putzen“ an oberster Stelle erschien. 28 ... das Pferd putzen ... ... das Pferd satteln ... Therapeutisches Reiten 21 / 2015 KINDER MIT PFERDEN STARK MACHEN Innerhalb des Projektes liefen die Besuche im Pferdestall immer nach der gleichen Struktur ab, so dass sich die Klasse in dem zunächst fremden Lernumfeld sicher bewegen konnte. Pferdestall ... Reflexion des Projektes: Im Rückblick auf die Unterrichtseinheit ist festzuhalten, dass die Eigenlesebücher für die Schüler einen zentralen Punkt innerhalb des Unterrichts einnahmen. Alle waren sehr motiviert und konzentriert an der Gestaltung des jeweiligen Buches beteiligt. ... das Pferd füttern. Erlebte und erlernte Inhalte wurden auf den jeweiligen Seiten beschrieben, wiederholt und gefestigt. Alle Schüler hatten die Möglichkeit auf ihren individuellen Lesarten Inhalte zu erlesen und diese festzuhalten. Durch die Präsenz der Bücher im Klassenraum wurden zahlreiche Leseanlässe geschaffen, da die Bücher bei Elternbesuchen bzw. unter den Schülern hervorgeholt und vorgelesen wurden. Durch das Binden der Bücher und die Mitnahme nach Hause zum Abschluss des Themas ist ein nachhaltiges Lernprodukt entstanden, das Inhalte fixiert und zum Nachschlagen einlädt. Durch die Verknüpfung der Lernorte Schule und Pferdestall wurde in der Arbeit mit den Schülern die Möglichkeit geschaffen, persönliche Werte zu vermitteln und diese durch die Gestaltung des Eigenlesebuchs nachhaltig erscheinen zu lassen. Die Schüler zeigten außerordentliche Motivation und konnten die Besuche im Pferdestall kaum abwarten. Die kreativ gestalteten Lesebücher spiegeln die Lernfortschritte wieder, die die Schüler durch ihre motivierte Arbeitshaltung erzielten. Fotos: Privat Herzlichen Glückwunsch Bernhard Ringbeck zum 65. Lebensjahr! ... das Pferd reiten ... Wir kennen und schätzen ihn als Lehrgangsleiter der ersten Stunde, als Buchautor und Autor zahlreicher Artikel zum Therapeutischen Reiten, als engagierten Mitstreiter für die Sache des DKThR, als langjährigen Kassenprüfer, der kein Blatt vor den Mund nimmt (Gott sei Dank!) und stets engagiert ist, für „sein“ Projekt: „Kinder mit Pferden stark machen“, das erste inklusive Projekt überhaupt mit dem Pferd für Kindergärten und Schulen. DANKE für so viel großartiges Engagement und weiterhin alles erdenklich Gute! ... das Pferd führen ... Die Bundesgeschäftsstelle des DKThR Foto: Foto Kaup 29
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