Projektmappe (Deutsch)

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INHALT
DIE SERIE
3
HAUPTFIGUREN
6
DAS VERHÄLTNIS DER VIER ZUEINANDER
11
NEBENFIGUREN
13
PILOT
16
WEITERE FOLGEN
20
DIE STAFFEL
22
MIDLIFECRISIS
23
BAND UND MUSIK IN DER SERIE
25
FFL Film- und Fernseh-Labor Ludwigsburg GmbH & Co. KG
Ansprechpartner: Matthias Drescher
Hoferstrasse 20
71636 Ludwigsburg
fon: 07141 48884 - 33
fax: 07141 48884 - 24
[email protected]
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DIE SERIE
VIER FREUNDE stecken tief in der Midlifecrisis. Doch das lassen
die Männer sich vom Leben nicht bieten und gründen eine
Band. Schließlich waren sie früher mit 16 die coolsten Säue und
wildesten Rocker.
Denken sie.
“Crisis?
What Crisis?“
Supertramp
Die Mittvierziger GUIDO, AXEL, BENNI und DIRK haben Träume gehabt von
einem erfüllenden Leben: Freiheit, große Liebe, Selbstverwirklichung, Geld,
tolle Kinder – forever young! Doch es sind Träume geblieben. Die Leben der
vier Freunde sind sehr unterschiedlich verlaufen: vom reichen Busunternehmer
bis zum kellnernden, arbeitslosen Professor; vom sich an Problemjugendlichen aufreibenden Sozialarbeiter bis zum mobbinggestählten Kundenbetreuer – doch sie eint das gleiche Problem.
Nichts ist so, wie es sein sollte: Man ist gefangen in Zwängen; Ehe heißt zusammenraufen oder Scheidung (alle Abgründe inbegriffen); man sucht Selbstbestätigung in Statussymbolen, die man vor 30 Jahren nur peinlich fand; man
hat Schulden oder aber kann das Geldausgeben nicht genießen vor lauter
Streß; die Kinder tanzen einem auf der Nase rum oder man kämpft darum,
sie überhaupt sehen zu dürfen; man hat mittlerweile einige Macken im Verhalten, der Körper muckt und der Tod der Eltern zeigt einem erschütternd,
daß man auch nicht ewig leben wird.
“It’s better to burn
out than to fade
away“
Neil Young
Die vier lecken jedoch nicht Wunden. Wer keine Träume mehr hat, ist tot!
Zur Wiederbelebung der legendären Band ihrer Jugend gehen sie in eine
leerstehende Fabriketage. Dort richten sie sich einen Probenraum ein, der zur
Parallelwelt wird. Sie schaffen sich einen Fluchtpunkt für all ihre ungelebten
Träume vom wilden Rockstarsein, Sich-ausleben und Auf-die-Kacke-hauen.
Hier entsteht ein Ort für alles, wofür sie von ihren Frauen nur dumme Kommentare einstecken müßten: Torwand, Carrerabahn, westernmäßiger Schießstand, Elektrospielereien u.v.m. Ein Reservat männlicher Sehnsucht und ewiger Jugend. Sie treffen sich heimlich, denn diese Welt lassen sie sich nicht
kaputtmachen. „Wann ist ein Mann ein Mann?“ (Grönemeyer). Hier.
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Als Band kann man sich so richtig ausleben. Doch wer wollen unsere vier eigentlich sein? Die coolen Britpopper? Die fledermausfressenden Todesmetaller? Metrosexuelle Glamrocker oder Blingblingrapper, die vor Kraft, Potenz
und Goldkettchen kaum laufen können? Spielerisch probieren sie alles aus.
Doch die Bandfindung ist nicht nur eine witzige Reise durch die Popgeschichte, untergründig spiegelt sie die Unsicherheit der Männer wieder: Wie sieht
man sich selbst, wie wollte man immer sein – und warum sehen die anderen
das nicht in einem?!
Die vier spüren Defizite in ihrem Leben und denken, daß sie diese durch die
Band kompensieren können.
Dieser Urlaub vom Ich hält nicht ewig, denn die Männer beschränken das
phantasievoll-spielerische, anarchische Ausleben ihrer Träume auf ihr Refugium. Anschließend steigen sie wieder ins Auto, fahren das Altglas zum
Container und ärgern sich über den dauerrasenmähenden Nachbarn. Die
Spannung zwischen den beiden Welten – zwischen Probenraum einerseits
und bürgerlichem Familien- und Berufsleben andererseits – steigt. So wie man
nicht immer zum Lachen in den Keller gehen kann, kann man sein wahres Leben nicht nur in einem Probenraum führen. Zwei Stunden heimlich Rock’n’Roll
machen Spaß, lösen aber kein einziges Problem in der echten Welt da draußen. Die Männer realisieren, daß sie ihr bisheriges Leben ändern müssen,
wenn sie sich nicht dauerhaft belügen wollen. Haben sie den Mut?
Auch die Frauen, die Familie, selbst die Arbeitskollegen spüren, daß die vier
irgendein Geheimnis haben. Die Musiker jedoch halten dicht, was ihr Umfeld
noch mißtrauischer und neugieriger macht. Was steckt dahinter? Affäre, Beförderung, Krankheit oder Lottogewinn? Einfach so – ohne Erklärung – verändert man sich nicht! Die Leute um die Band herum wollen mehr wissen.
Wie bisher geht es nicht weiter. Und so beginnen die vier, Konsequenzen in
ihrem „echten“ Leben zu ziehen. Sie verhalten sich unangepaßter, witziger,
rebellischer. Doch den Rockern schlägt Widerstand entgegen. Das Leben ist
kein Gitarrensolo.
Wie soll es weitergehen? Man kann ja nicht wie die Stones in ihren HochZeiten durch die Welt ziehen – umjubelte Auftritte, zertrümmerte Hotelzimmer
und Groupiegelage. Oder doch? Darf man, muß man sogar sein bisheriges
Leben und alles Erreichte zertrümmern wie The Who die Gitarren?
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Guido, Axel, Benni und Dirk sind hin- und hergerissen zwischen Freiheitstrieb
und der Furcht vor den Konsequenzen.
„Altmetall“ zeigt vier Männer zwischen Stagediving und Kater, zwischen
Krise und Neuanfang, zwischen Trümmern und Träumen, zwischen verlorener
Jugend und Jetztzeit. Vier Männer, die vom Leben ihre Träume zurückfordern.
„Altmetall“ ist die Geschichte einer großen Männerfreundschaft. Hat man
noch die gleichen Gemeinsamkeiten wie damals? Oder ist seitdem zuviel
passiert? Zerstreiten sich die Männer über dem Revival, oder entsteht hier
etwas wundervolles Neues?
Ist alles schon vorbei, oder geht’s jetzt erst richtig los?
EINE SERIE FÜR ALLE, DIE MAL WILD WAREN, WILD SIND ODER
VIELLEICHT GERN NOCH WILD WERDEN WOLLEN.
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HAUPTFIGUREN
AXEL, Busunternehmer (45)
“I thought you died
alone, a long long
time ago
- Oh no, not me
I never lost
control
You‘re face to face
With The Man Who
Sold The World
David Bowie, The Man Who
Sold The World
Axel ist ein Macher. Klug hat er den kleinen Fahrdienst des Vaters zu einem
florierenden Busunternehmern ausgebaut: Klassenfahrten, Städtereisen und
Kaffeefahrten. Er hat einen Riecher dafür, was die Leute wollen und womit
sich Geld verdienen läßt. Werbung geht er offensiv an, so wie er auch aggressiv über Geld verhandelt. Axel ist der klare Patriarch im Unternehmen;
die Leute spuren; Fahrer und Reinigungskräfte wissen, wann sie einen von ihm
drüber kriegen.
Wenn es sein muß, trickst Axel auch mal an Steuer, Arbeitsrecht und Sicherheitsbestimmungen vorbei. Kriminell würde er so etwas nie nennen, eher, daß
er sich nicht vom Staat gängeln läßt.
Der 45jährige ist ein Alphatier: laut und selbstgewiß, handfest, entscheidungsstark und – schnell. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund. Es ist wie
es ist. Trotz einer gewissen Gestreßtheit ist er eigentlich fröhlich und ständig
am scherzen. Der Humor ist eher robust. Sein gesundes Ego, seine scheinbare Dickfelligkeit verdecken dabei seine Sensibilität und Empfindlichkeit. Zwei
Dinge, die er sich in seinem Bereich, in seiner Position nicht zu zeigen traut.
Axel ist eitel und nicht in der Lage, Kritik irgendwelcher Art annehmen zu
können. Der leicht untersetzte, um so kräftiger gebaute Mann fürchtet stets,
man könnte ihn unterschätzen, nicht ernst nehmen. Im Austeilen ist er definitiv
besser als im Einstecken. Axel nimmt vieles persönlich und vergißt nichts (außer den eigenen Hochzeitstag).
Seit 18 Jahren schon ist er mit CARMEN verheiratet. Beide haben einen gemeinsamen Sohn, den 15jährigen LEON . Mittlerweile haben Carmen und
Axel sich einigermaßen auseinandergelebt, ihre Leidenschaft ist längst schon
abgekühlt. Zumindest die füreinander. Axel sucht nebenbei Affären zur
Selbstbestätigung, meist mit viel Jüngeren. Neben teuren Autos und Uhren
hat er vor einiger Zeit das Kochen für sich entdeckt, um sich zu profilieren.
Erstmal geht es um die teure Hightechküche und das ebensolche Zubehör.
Axel kocht nur die hochambitionierten Rezepte, um Gäste zu beeindrucken.
Die einfachen Alltagsgerichte soll seine Frau machen. Am Haushalt beteiligt
er sich nicht.
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Nicht nur des Kochens wegen bekommt Axel zunehmend eine Wampe; auch
hat er es mit der Bandscheibe.
Zunehmend stellt er sich trotz all seines materiellen Erfolgs die Frage: Was
habe ich eigentlich mein ganzes Leben lang gemacht? Wird irgend etwas
von mir bleiben?
GUIDO, Privatdozent & Kneipier (46)
“I am the egg-man,
they are the
egg-men,
I am the walrus,
goo goo a‘ joob.”
The Beatles,
I am the walrus
Seit Jahren schon befindet sich der Germanist in der Warteschleife auf eine
ordentliche Professur. Damit er seine Lehrberechtigung derweil nicht verliert,
hält er an der Uni Vorlesungen ab, die zwar nicht vergütet werden, aber eine
immense Vorbereitungszeit verschlingen. Kurz gesagt gehört er zum Uniprekariat – die Spülkräfte der Mensa verdienen mehr als er. Viel zu spät hat
Guido realisiert, daß die erstrebte akademische Karriere ein Holzweg sein
könnte. Aber etwas anderes hat er nie gemacht. Wohin sollte er denn jetzt
in der freien Wirtschaft wechseln? Schnell bekommt er auf dem Arbeitsamt
von der fassungslosen Betreuerin („Sie bekommen keinen Cent für Ihre Vorlesungen?“) gesagt, daß er heillos überqualifiziert ist. Auf Lehrer umzuschulen verbietet ihm ein merkwürdiger Stolz bzw. auch eigene Erfahrungen der
Schulzeit. Guido hat Lehrer immer als arme Wichte und gescheiterte Existenzen mit Mundgeruch angesehen.
Da einzelne Buchbesprechungen in Zeitungen und Fachaufsätze in Zeitschriften nicht ausreichen, die monatlichen Fixkosten auch nur annähernd reinzubekommen, sucht er Zuflucht in vereinzelten Stipendien, Hartz IV und Kellnern
in seiner alten Stammkneipe (in die sich sicher keine Studenten oder Professoren verirren). Auch seine Freundin unterstützt ihn von Zeit zu Zeit, obwohl
ihm dies unangenehm ist. Seit langem schon ist er mit VERONICA zusammen,
deren biologische Uhr mittlerweile bedrohlich laut tickt. Gerne würde er eine
richtige Familie gründen, ein Kind aufziehen – aber in dieser Lebenssituation?
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Mit Grimm sieht der ewige Nachwuchswissenschaftler wie jüngere Doktoranden, die zwar fachlich nicht besonders gut sind, sich aber blendend vermarkten können, die frei werdenden Juniorprofessuren ergattern und flott an
ihm vorbeiziehen. Sie beherrschen die Klaviatur des akademischen Betriebs
einfach besser.
Guido hat einen scharfen, bisweilen zynischen Humor. Der geborene Zweifler, sowohl an sich als auch an der Welt. Intellektueller und Pessimist. Seine
ewige Kneipenjobberei hält ihn aber ganz gut in der Balance zu seinen
düsteren Gedanken und staubigen Büchern. Die lange Tresenzeit hat ihn
schlagfertig und trinkfest gemacht. Und er kennt die Leute, es besteht nicht
die Gefahr, im Elfenbeinturm der Wissenschaft verloren zu gehen. Dennoch
suhlt er sich in späten, einsamen Stunden einmal zu oft im eigenen Schicksal.
BENNI, Sozialarbeiter (47)
“Well you can tear
a plane in the
falling rain,
I drive a rolls
royce, Cos it‘s
good for my voice,
But you won‘t fool
the children of the
revolution!”
T-Rex
Children of the Revolution
Benni strahlt einen unerschütterlichen Optimismus aus. Schon immer war er
ein unternehmungslustiger und geselliger Gutelaunetyp. Das Leben ist das,
was man draus macht, sagte er sich. Doch aus dem Idealisten ist ein Pragmatiker geworden. Eine bessere Welt wollte er, der auf jeder Demo krakeelend
und mit glühendem Herzen vorneweg lief. Alles wollte er anders machen:
Gerechter, lebendiger, liebevoller, ökologischer und phantasievoller sollte
die Welt werden. Benni wollte was mit Menschen machen, Benni wurde Sozialarbeiter.
Klar gefällt ihm sein Beruf, der eine Berufung ist; als Streetworker hat er so
viele Möglichkeiten. Wenn nicht permanent Gelder und Stunden seiner Stelle gekürzt würden. Die Lebensbedingungen und Bildungschancen „seiner“
Kinder und Jugendlichen werden immer dürftiger. Immer wieder erschreckt
ihn zudem, was für ignorante Eltern manche Kinder haben. Benni realisiert
schmerzhaft, daß seine Arbeit auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein
ist, Sisyphusarbeit. Alleine kann er die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen
nicht ausbügeln. Das zermürbt.
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Bennis Mittel ist die Sprache, der Appell an die Vernunft und das Mitgefühl,
gewaltfreie Deeskalation. Nicht selten braucht er übermenschliche Selbstbeherrschung, um dies durchzuziehen.
Doch zunehmend nerven ihn die immergleichen Sprüche der Testosteronbomber, der Präpotenten, dieser grenzdebilen Halbstarken. Wieso müssen
die permanent so laut sein, Toilettentüren eintreten und überall hinspucken?
Warum verschwenden sie nicht mal einen Gedanken an die eigene Zukunft,
wenn ihnen offensichtlich schon ihre Umwelt am Arsch vorbeigeht? Doch er
schluckt diese bösen Gedanken. Noch.
Verschwendet Benni eigentlich Gedanken an seine Zukunft? Kaum. Viel zu
schicksalsergeben fügt er sich den Zumutungen einer Arbeit, den freiwilligen
Überstunden, ohne die alles zusammenbrechen würde. Die Mutter Theresa
des Neubauviertels. Das Geld ist knapp, doch Benni versucht seine finanziellen Sorgen zu verdrängen. Er weiß, im sozialen Bereich wird gern als erstes
gekürzt.
Eine Scheidung hat er hinter sich; Benni zahlt kräftig Unterhalt und sieht seine
13jährige Tochter LUISA doch kaum. Jetzt ist er mit YVONNE (28) zusammen.
Sie hat die 7jährige Tochter EMILY mitgebracht, gemeinsam haben sie noch
FERDINAND (3) gezeugt. Doch auch seiner jetzigen Patchworkfamilie kann er
nicht die Aufmerksamkeit widmen, wie er vielleicht wollte. Bei allem Kampf
für das Gute in der Welt besteht die Gefahr, daß Benni sich selbst vergißt.
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DIRK, Sachbearbeiter (45)
“I am a patient
boy,
I wait, I wait,
I wait, I wait,
My time is like
water down a
drain.”
Fugazi, Waiting Room
Dirk arbeitet in der Filiale einer großen Krankenkasse. Eigentlich ein extrem
krisensicherer Job.
Die ersten Folgen werden wir nicht den Dirk kennenlernen, den seine Freunde
seit Jahrzehnten kennen. Wir können anfangs nur ahnen, wie er bisher – bis
heute! – war. Den normalen Dirk hat‘s aus der Spur geworfen.
Denn der Auszug seiner Frau, die zu einem schicken Werber zieht, der auf
den ersten Blick so viel interessanter wirkt als Dirk, versetzt ihm einen Schlag.
Nicht nur, weil er merkt, daß er seine Frau trotz aller eingeschlichenen Routine immer noch liebt; nicht nur, weil das Erscheinen des Neuen eine ungeheure Kränkung darstellt; sondern vor allem, weil Dirk auf einmal unbarmherzig
gespiegelt bekommt, was ihm zu fehlen scheint: Erfolg und Selbstverwirklichung in einem coolen Job; fettes Einkommen; ein trainierter Körper; stylishe
Klamotten; Frechheit im Auftreten; spontanes, begeisternd-mitreißendes, von
jeglichem Zweifel ungetrübtes Verhalten; ein gepflegter Oldtimersportwagen;
ergo: ein kurz vor dem Platzen stehendes Ego.
Dirk beginnt sich selbst zu verachten. Denkt, daß alles falsch gelaufen ist,
was im Leben nur falsch laufen kann. Denn Dirk hat realisiert, daß seine
Frau ihn verlassen hat, weil man mit ihm nichts mehr erleben konnte. Weil
das Leben mit ihm in Routine und Lieblosigkeit erstarrt war. Obwohl ihm die
anderen permanent mit Engelszungen zureden, glaubt er nicht, daß man das
Ruder noch mal rumreißen kann im Leben.
Und so sehen wir ihn die ersten Folgen als wandelnden Kleiderständer, als
lebende Leiche, als gitarrespielende Salzsäule. Bis…
Bis Dirk bei einer Bandprobe eine Nahtoderfahrung der besonderen
Art ereilt.
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DAS VERHÄLTNIS DER
VIER ZUEINANDER
EINERSEITS sind die vier, die aus der gleichen mittelgroßen Stadt
stammen, alte Freunde. Man kennt sich seit Schulzeiten und hat
eine Menge gemeinsam durchgemacht. Andererseits haben die
vier unterschiedliche Wege ins Leben eingeschlagen – beruflich,
privat. Und auch die Charaktere, Macken, Weltanschauungen
haben sich weiter ausgeprägt. Früher hatte man die gleichen
Gegner und die gleichen Ziele. Man machte alles gemeinsam.
Heute sind die vier nicht mehr ganz so unbeschwert.
Guido neidet Axel seinen Reichtum, findet ihn aber völlig geistlos. Axel neidet Dirks feste Arbeitszeiten und Risikolosigkeit, findet aber, daß er etwas
lahmarschig und feige geworden ist. Benni stört Axels rabiater Umgang mit
seinen Busfahrern, den er asozial findet, allerdings traut er sich nicht, was zu
sagen, weil er auch nichts zwischen ihnen zerstören will.
Immer wieder gibt es jahrzehntealte Mechanismen, die die vier manchmal
lieben und manchmal hassen. Es ist eingespielt zwischen ihnen. Obwohl
jeder aus dem Stegreif über jeden der anderen ein halbe Stunde herziehen
könnte, würden sie von keinem Außenstehenden was auf ihre Freunde kommen lassen. Man liebt die anderen wohl auch wegen ihrer nervigen Seiten
und Schwächen.
Die Rollen der Kindheit und Jugend sind stets präsent. Der Magnet der Gruppe, derjenige, der die vier zusammenhält, ist unbestritten der kommunikative
Machertyp Axel. Der früher dickliche Junge aus einfachen Verhältnissen hat
es allen beweisen wollen. Was er geschafft hat. Nur kann er in der Freundschaft nicht als der Kontrolltyp auftreten, der er in der Firma ist. Er muß lernen, Zweifel und Schwächen auch auszusprechen.
Guido hingegen, dem von klein auf alles zuflog, und auf dessen Erfolge in
Schule und bei Mädchen Axel immer neidisch guckte, hat nie einen solchen
Biß entwickelt.
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Benni war früher der Radikalste und Kompromißloseste der Vier. Mit ihm gab
es keine halben Sachen, der pure Idealist, der den anderen keine halben
Sachen durchgehen ließ. Immer auf Konfrontation gebürstet. Zu ihm blickte
man auf, sein Wort zählte.
Dirk war der Checker, der Bescheidwisser, der Mann mit dem exquisitesten
Musikgeschmack und den durchgedrehtesten Ideen. Zuhause bei ihm war alles so verrückt und unbürgerlich, daß die Freunde ihn um seine andersartigen
Eltern beneideten. Dirk jedoch schwankte stets zwischen Scham und Stolz.
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NEBENFIGUREN
CARMEN, Frau von Axel (44)
“Who‘s gonna tell
you when it‘s too
late
who‘s gonna tell
you things are so
great
you can‘t go on
thinking nothing‘s
wrong
who‘s gonna drive
you home tonight”
Über die Jahre hat Carmen sich von ihrem Mann emanzipiert. Da Axel sie
nie im Betrieb haben wollte (und sie das Busunternehmen auch langweilt), hat
sie sich ihr eigenes Betätigungsfeld aufgebaut. Carmen ist auf dem Selbsterfahrungstrip. Sehr regelmäßig trifft sie sich mit anderen Frauen. Außer daß
sie über ihre Männer ablästern, nehmen sie teil an Kursen in Italienisch oder
Seidenmalerei, besuchen Ausstellungseröffnungen und Opern, unternehmen
Städtereisen etc. Es wurmt Carmen, daß Axel so gar nichts mit ihren Interessen anfangen kann und zudem als Busunternehmer so ein Reisemuffel ist.
Carmen sieht Axels Entwicklung kritisch. Sie mäkelt an seinem wachsenden
Bauch, am schütterer werdenden Haar, seinem schlechten Kleiderstil und seinem Benehmen. Erotisch findet sie ihn schon längst nicht mehr, was sie ihn
deutlich spüren läßt. In Auseinandersetzungen versucht sie immer wieder,
Sohn Leon auf ihre Seite zu ziehen, was diesen allerdings gehörig nervt.
The Cars, DriveSold The
LEON, beider Sohn (15)
Im Gegensatz zu seinem Vater Axel macht sich der sensible und verletzliche
Leon viele Gedanken über die Welt. Aus Umweltschutzgründen ist er voll
gegen die CO2-schleudernden Busse seines Vaters. Leon ist zudem gegen
Arbeiten, Karriere und Leistungsdenken an sich und kapselt sich gegen Erwachsenenwelt und Schule gleichermaßen ab. Natürlich ist es Provokation,
wenn er seinem Vater auf fordernde Fragen nach der Zukunft entgegenknallt,
daß er hartzen gehen oder eine Strandbar in Goa aufmachen werde. Doch
momentan ist es ihm ernst mit dem Aussteigen, denn Leon fühlt sich von seinem Vater nicht im geringsten verstanden.
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Leon kifft nicht nur viel, sondern dealt auch etwas, aus Imagegründen und
weil das Geld Unabhängigkeit verleiht. Besondere Freude empfindet er bei
Mutproben und Scheißebauen jeglicher Couleur, auch kleinere Ladendiebstähle und mutwillige Sachbeschädigung stehen hoch im Kurs.
VERONICA, Guidos Freundin (40)
Veronica ist bodenständig, hat einen trockenen Humor und ein großes Herz.
Viel wichtiger als Materielles sind ihr ihre Freunde und Spaß im Leben. Durch
ihre eigene Krankengymnastikpraxis hat sie ein sicheres Einkommen, mit dem
sie den größeren Teil des gemeinsamen Haushalts bestreitet. Veronica hat
kein Problem damit, die Ernährerin zu sein, da sie nicht in alten Geschlechtsrollenbildern verhaftet ist. Sie sieht, wie Guido sich abstrampelt zwischen Uni
und Kneipe.
Die Krankengymnastin bietet noch diverse Kurse wie Pilates an und sieht
dementsprechend durchtrainiert und begehrenswert auch für Guidos Freunde
aus. Doch sie will nur ihn. Obwohl sie immer sehr verständnisvoll für Guidos
spezielle Situation war, will sie auf einen Lebenstraum nicht verzichten: Ein
Kind. Ob Guido will oder nicht.
Auch die anderen drei Männer waren früher mal hinter Veronica her. Als Guido mit ihr zusammenkam beerdigten sie als gute Freunde ihre Ambitionen.
Doch in letzter Zeit muß Axel wieder an sie denken. Er spürt ihre Trauer, daß
sie gerne ein Kind hätte und malt sich manchmal in dunklen Ehestunden aus,
wie es wäre, wenn er mit Veronica zusammengekommen wäre. Keine seiner
Affären hat ihr Format.
15
YVONNE, Bennis Freundin (28)
Die 19 Jahre jüngere Frau ist ein absolutes Familientier. Sie hat eine Drittelstelle in der Buchhaltung einer Firma für Hydrauliksysteme, sieht dies aber
als reinen Geldjob. Wichtig sind ihr Zeit für die Familie, Unternehmungen,
Geselligkeit und Geborgenheit. Unheimlich phantasievoll dekoriert sie das
Haus gemeinsam mit den Kindern, bastelt, schmückt. Daneben kümmert sie
sich noch rührend um die Pflege ihrer Oma.
Yvonne versteht immer weniger, daß Benni sich einerseits so aufopfern kann
für fremde, von der Bahn geratene Jugendliche, aber dann zu wenig Zeit für
die eigene Familie hat. Benni selbst ist dies auch bewußt. Er hat regelmäßig
ein schlechtes Gewissen, wenn sie am Wochenende Familienprogramm machen. Yvonne spürt Bennis Überforderung, läßt diese aber nicht als Entschuldigung gelten.
16
PILOT
MIT LEEREM GESICHTSAUSDRUCK, schon fertig fürs Büro,
frühstückt Dirk äußerlich unbeeindruckt, während seine Frau
Tanja durch die Wohnung wirbelt. Genauer: Seine Ex.
“Ha! Ha! Said the
clown
Is it bringing you
down
That you‘ve lost
your chance?”
Gemeinsam mit ihrem neuen Typen (stylisher Werbemensch) trägt sie ihre
wichtigsten Sachen raus. Demütigende Sprüche ignorierend fokussiert sich
Dirk auf die Baumarktbeilage der Zeitung.
Manfred Mann, Ha! Ha! Said
the Clown
Währenddessen hält Guido eine Probevorlesung in Germanistik: überraschend, witzig, lehrreich. Nicht nur die Studenten sind angetan, sondern auch
Guidos Freundin Veronica, die überzeugt ist, daß Guido die ausgeschriebene
Professur schon in der Tasche hat. Beschwingt gehen sie gemeinsam essen.
Im Bus braucht es guten Willen, um das Rumgeprolle der Jugendlichen nicht
persönlich zu nehmen. Direkt beim Betreten der Krankenkassenfiliale kriegt
Dirk wieder einen blöden Spruch vom Chef reingedrückt. Um 10.17 Uhr
platzt der Kragen: Dirk schreit eine unverschämte, dumme Versicherte an und
schmeißt hin.
In der Teamsitzung bringt Benni die erneuten Kürzungen der Stadt zur Sprache. Seine 1363 Überstunden – und Benni notiert nicht jede – wird er vermutlich nie abfeiern können. Neben den knappen Finanzen und fehlendem
Personal plagt sie auch akuter Platzmangel. Sie würden gerne Jugenddiscos
anbieten. Als Benni einen 15jährigen freundlich ermahnt, drinnen nicht zu
rauchen, macht sich dieser nur lustig über ihn.
Axel hat sich einen viel zu protzigen, unseriösen Wagen zugelegt, den er
jetzt durch die Stadt spazierenfährt. Er lädt Dirk ein, der teilnahmslos die
Tage bis zur Rente ausrechnet. Als Axel ihm sein Smartphone mit Rechner
hinhält, wird Dirk bewußt, daß sein Arbeitsleben auch ganz schnell beendet
sein könnte wegen seines Abgangs vorhin. Doch auch Hartz IV soll ihm jetzt
egal sein. Irritiert blickt Axel ihn an.
Es stört Yvonne, daß ihr Freund Benni so fahrig ist. Ein gutes Essen kann er
nicht genießen, Sohn Ferdinand (3) hört er nur halb zu und im Bett ist auch
länger nichts gelaufen. Benni hat permanent die Arbeit im Kopf. Yvonne geht
ihn an, ob es ihm gedankt werde, von den Jugendlichen, von der Stadt? Jesus
vom Jugendtreff! Benni antwortet nicht. Ihm brennt etwas auf der Seele, mit
dem er aber nicht rausrücken will.
17
Der Professor in spe des Vormittags geht nun seinem Geldverdienst nach
und zapft Axel ein Bier. Ihm gegenüber äußert er – selbstironisch verpackt,
aber dennoch ernst – seine Sorgen, wieder nicht genommen zu werden. Er
war zwar spitze, erwidert er auf Axels Nachfrage, aber ihm fehlten wohl
die richtigen Kontakte, Karrieretricks und auch Ellenbogen. Unbeeindruckt
macht Axel die Rechnung auf: Wieviel Bücher mußt du für so eine Vorlesung
gelesen haben? Wie lange brauchst du pro Buch? Was ergäbe das für einen Stundenlohn? Ohne zu antworten schenkt Guido sich und Axel einen
Schnaps ein. Axel bietet ihm an: Fahr für mich! Doch dies weist Guido von
sich, er komme gut zurecht. Außerdem hieße die Entscheidung, Busfahrer zu
werden, auch endgültig Abschied von der Uni zu nehmen. Axel: „Wie lange
machst du schon deine Vorlesungen für umme?“ – Noch ein Schnaps…
Ein süßes Mädel Anfang 20 kommt herein. Ungeahnt elanvoll schwingt Axel
sich augenzwinkernd vom Tresen und wirft Guido einen zu großen Schein
hin. Soll dieser sich freuen oder ärgern?
Dirk starrt in sein halbleeres Wohnzimmer und trinkt.
Veronica liegt mit Guido im Bett. Dieser kann die Sorgen bei ihr fallenlassen
und sich über den guten Auftritt des Morgens freuen. Doch da kommt seine
Freundin auf das Dauerthema Kind – die Zeit läuft der 40jährigen davon!
Eigentlich will Guido auch, aber noch nicht jetzt. Er muß Sicherheiten haben,
er will ein Kind ernähren können und zwar nicht durch einen Kneipenjob.
Veronica kneift die Lippen zusammen.
Genußvoll lenkt Axel seinen Wagen über die leere, nächtliche Landstraße,
während die junge Frau ihren Kopf in seinem Schoß hat. In einem Moment
höchsten Glücks schließt er die Augen, merkt sofort seinen Fehler, als der
Wagen ausreißt – zu spät! Von schnurgrader Straße rauscht er ab ins Gebüsch. Axel hat Angst, daß die Affäre auffliegt. Er ruft die Freunde zu nächtlicher Stunde als Alibi herbei – mehr vor seiner Frau als vor der Polizei (das
Mädel schickt er mit einem Taxi weg). Sie seien gemeinsam auf Tour gewesen
und dann habe etwas ihren Weg gekreuzt - ein Igel! – Wildschwein! – Hase!
– Känguruh! – besoffener Anhalter! Die später hinzugerufene Polizei staunt,
wie fröhlich eine nüchterne Runde sein kann, die gerade einen Unfall mit
schwerem Blechschaden hatte.
18
Am nächsten Morgen: Axel ist zu Hause glimpflich davongekommen und
prahlt schon wieder mit den Ereignissen der letzten Nacht, bis ihm klar wird,
daß Dirk gerade verlassen wurde. Der pragmatische Busunternehmer schaltet
um und motiviert den Freund: Er solle sich krankschreiben lassen, „irgendwas
mit Psycho oder Burnout oder so, das paßt schon“. Dirk nickt die Pläne ab,
wirkt aber nur wie ein depressiver Frotteewaschlappen. Axel macht zig Vorschläge, um ihn abzulenken – Motorradausflug, Essen, Puff … - aber nichts
schlägt an. Ratlos und etwas besorgt läßt er Dirk zurück.
Carmen taucht auf einmal nacheinander bei Guido, Benni und Dirk auf, um
sie zu verhören. Sie traut nicht der Unfallschilderung ihres Mannes. Doch die
drei (selbst der geistig abwesende Dirk!) sind auf dem Quivive und ahnen die
Gefahr, die Axel droht. Perfekt schildern sie trotz inquisitorischer Nachfragen
die schnell gestrickte Unfall-Legende. – Fürs erste gibt Carmen klein bei, aber
sie traut dem Braten nicht…
Die andern kennen schon die Situation, daß Axel sich und die andern reinreitet und dann wieder aus dem Schlamassel gebracht werden muß.
Benni bittet Guido um Rat. Er führt ihn in eine große Halle in einem alten
Industriekomplex. Benni hat sie von seinem Vater geerbt. Bisher hat er sie
vor seiner Freundin verheimlicht, da er überlegt, sie kostenlos als Jugendtreffpunkt zur Verfügung zu stellen. Könnte man hier nicht tolle Jugenddiscos
organisieren? Nur hat Benni die Ahnung, daß Manuela ihm den Vogel zeigen könnte. Guido nickt: möglich. Er schreitet die Halle ab. „Weißt du noch,
unser erster Gig?“ Langsam entstehen Geräusche von lärmenden, vorfreudig
wartenden Jugendlichen; Bilder eines verrauchten, schummrigen Jugendzentrums mit ein paar Discostrahlern; die vier betreten als 17jährige die Bühne,
nervös und doch mit wie angeborenen megacoolen Posen; Flaumbärtigen
Mofafahrern stehen die Münder offen und Mädchen mit toupierten Haaren
kriegen glasige Augen, als die ersten Akkorde ertönen…
Benni und Guido kommen ins Schwärmen, erzählen sich aberwitzige Episoden – wer weiß denn, ob alles so passiert ist? Und ja: Sie haben die Instrumente noch wohlgehütet auf dem Speicher.
Axel hat die beiden in die Kneipe bestellt, da sie gemeinsam etwas tun müssen: Er macht sich Sorgen um Dirk, hat Angst, daß er sich was tut. Wie kann
man seine Lebenslust wieder wecken? Fällt ihnen was ein, wie man seine Frau
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wieder zurückbekommt? Oder zur Not ne andere? Guido fragt Axel, ob er
sich erinnere, wie Dirk früher auf der Bühne abgegangen ist. – „Klar. Wie
kommst du da jetzt drauf?“ Guido und Benni blicken sich an: „Wir haben nen
Probenraum.“ Einem verständnislosen Blick folgt ein immer feister werdendes
Grinsen Axels, ein Luftgitarrensprung und ein ebensolches Solo auf der
Theke liegend.
In einer visionären Vorblende (Musikvideo wie wüster Konzertmitschnitt) sehen wir die vier reunited als Band aufspielen. Es geht ab.
Zurück in der Realität: Axel, Guido und Benni tollen durch die leere Halle
und planen begeistert, was man wie einrichten und mit welchen Stücken die
Band beginnen wird. Bandnamen werden im Dutzend ersonnen. Nur Dirk
steht stocksteif mit regloser Miene daneben.
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WEITERE FOLGEN
TROTZ SCHÜTZENHILFE VON GUIDO fliegt die Affäre von Axel
auf. Überraschenderweise weiß seine Frau auch von früheren
Affären Axels und will jetzt die Scheidung.
Muß Axel sein Busunternehmen aufgeben? Seinen 15jährigen Sohn scheint
dies völlig unbeteiligt zu lassen, solange der Alte rechtzeitig mit dem Taschengeld rüberkommt. Axel kriegt raus, daß Leon nicht nur heftig Haschisch
raucht, sondern auch im Jugendtreff dealt. Axel unterstellt „Toleranzarsch“
Benni, daß dieser die ganze Zeit davon wußte.
Veronica setzt Guido die Pistole auf die Brust. Sie war bei der Frauenärztin
und weiß, daß sie nicht mehr ewig Zeit für ein Kind hat. Guido jedoch hat
wieder eine Absage auf seine Bewerbung bekommen. Er trägt den Druck in
die Bandproben und macht einen selbstzerstörerischen Stunt, der ihm eine
Gehirnerschütterung einträgt.
Dirk droht noch immer die Kündigung, da er absolut demotiviert durch den
Alltag schlurft. (Auch die Proben absolviert er stocksteif mit geringstmöglicher
Bewegung.) Guido und Axel überlegen, ob man mit einem Gig seine Ex zurückgewinnen könnte. Irgendwie müssen sie ihn wieder unter die Lebenden
kriegen. Benni hingegen bekommt Druck von seiner Freundin, da er endlich
um das Sorgerecht seiner Tochter kämpfen soll, die er seit Monaten nicht
gesehen hat. Doch Benni hat Angst vor einem Gerichtsverfahren und hofft
auf die gütliche Einigung. Zudem merkt er, daß seine Exfrau seine Tochter
regelrecht gegen ihn aufhetzt und hat insgeheim keine Lust und Kraft mehr,
sich auch privat einer solchen Baustelle zu widmen. Doch Kapitulation wird
Yvonne ihm schwerlich durchgehen lassen.
Bei einer eher uninspirierten Probe wechseln Axel, Guido und Benni schnell
zum Biertrinken, während der depressiv-abwesende Dirk noch an einer Akkordfolge übt. Verschüttetes Bier und ein defektes Kabel führen zum Stromschlag, der ihn kurz eine Nahtoderfahrung machen läßt. Bilder seiner letzten
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langweiligen Lebensjahre ziehen an ihm vorbei. Und auf einmal fährt ihm die
alte Protesthymne seiner Jugend regelrecht in die Glieder. Wie von Jimi Hendrix‘ Geist besessen legt Dirk ein furioses Solo hin und zertrümmert Gitarre
und Verstärker vor den staunenden Augen seiner Freunde. Das irre Flackern
in seinen Augen beunruhigt sie. Wird er dem neuen Freund seiner Frau was
antun? Oder auf der Arbeit endgültig durchdrehen? Sie versuchen, seine explosive Energie zu kontrollieren und so Dirk selbst vor dem Schlimmsten
zu behüten.
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DIE STAFFEL
DIE FAMILIÄREN PROBLEME der Freunde spitzen sich zu: Axels
Ehe steht kurz vor dem Exitus. Aus Rachegründen jagt ihm Carmen
von der Steuerprüfung bis zum Zoll (Schwarzarbeit) immer neue
Zumutungen in den Betrieb. Dirk gewinnt auf spektakuläre Weise
seine Frau zurück, nur um sie dann zum Teufel zu jagen.
“Na na na na na
La ba da ba ba life
Na na na na na“
Opus, Life is life
Seine berufliche Karriere steht auf Messers Schneide, denn immer stärker
setzt er durch Rock’n’Roll-Benehmen seine Anstellung bei der Krankenkasse
aufs Spiel. Guidos so vernünftige, in sich ruhende Freundin Veronica setzt
zunehmend verrücktere Druckmittel ein, um ein Kind zu bekommen. Irgendwann nimmt sie sogar in Kauf, dafür den Partner zu wechseln. Guido verabschiedet sich schweren Herzens von seiner Unikarriere und steigt bei Axel
als Busfahrer ein. Er freundet sich mit einem Exiliraner an, der auch Professor
war. Auf einmal kann Guido ganz im Jetzt ruhen. Die Getriebenheit hat ein
Ende. Doch Axel als Chef ist unerträglich. Und als Guido von der nächsten
Ausschreibung hört, zieht es ihn wieder in die Hörsäle des Landes. Bennis
familiäre Patchworkkonstruktion wird ihn zunehmend zerreißen. Problemjugendliche werden ihn zu kriminellem Aktionen treiben.
Einerseits wird die Freundschaft der vier Männer weiter gefestigt, andererseits werden sich durch die Band neue Konflikte ergeben. Wer hat das Sagen? In welche Richtung geht man? Bleibt es ein privates Projekt oder sucht
man den öffentlichen Auftritt? Wie sieht der aus und wer hat Schuld an der
ersten großen Blamage? Wie geht man mit Bekanntheit um? Verrät man sich
und die anderen für die 15 Minuten Ruhm?
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MIDLIFECRISIS
MAN KAUFT SICH EINEN PORSCHE, obwohl die Bandscheibe
laut „Nein!“ schreit; man färbt sich die Haare und sucht sich eine
20 Jahre jüngere Geliebte; oder man beginnt aus dem Nichts mit
dem Marathontraining – reife Möglichkeiten, sich Sinnfragen des
eigenen Lebens zu stellen.
“Tanz den Burnout
Tanz das Syndrom
Immer was Neues
Kennt man schon.“
Die Sterne, Depressionen
aus der HOElle
Um die 40 hat man ungefähr die Hälfte seines Lebens erreicht. Zeit für eine
Zwischenbilanz: Wie sieht mein Leben aus?
Und schon ist das Bierfaß der Pandora geöffnet: Der Körper ist nicht mehr
der, der er mit achtzehn mal war; aus Liebe wurde Ehe oder Scheidung; der
Alltag ist gefangen in Routinen; Zumutungen durch die Arbeit, debile Chefs,
Sachzwänge und Zahlungsverpflichtungen allenthalben; Verrücktheiten versagt man sich schon länger; die ersten Menschen um einen herum sterben…
Kurz: „Was hat dich bloß so ruiniert?“ (Die Sterne).
Was hatte man sich nicht alles vom Leben und der Liebe erträumt, was wollte
man nicht alles machen und werden? Und jetzt ist die Zukunft Vergangenheit
- ohne je Gegenwart gewesen zu sein. Oder? Früher hatte man ein mehrfaches seiner Lebenszeit noch vor sich. Man konnte in den Tag leben, man war
wild, man war dagegen (gegen was auch immer). Man war Idealist. Man
würde alles anders machen als seine Eltern, und jetzt ist man so wie beide
zusammen und die Großtante gleich mit.
Aber gesetzt den Fall, man hat all seine Ziele erreicht? Vergiß es. Auch Erfolg
schützt einen nicht vor der Krise. Es ist die klassische Zwickmühle: Schafft
man nicht, was man sich vorgenommen hatte – Krise. Erlangt man aber alles,
merkt man, daß man ja noch das halbe Leben vor sich hat – auch Krise.
Ausweglos.
Es sei denn, man tritt den ganzen Scheiß auf den Haufen! Sex and Drugs
and Rock’n’Roll! Mit feuchten Augen verklärt man die großartigen - ach was:
heroischen – Momente in Jugendzentren und Proberäumen. Die Zeit der wilden Partys. Man war unsterblich. (Der wichtigste Faktor der Mythenbildung
ist immer die eigene Erinnerung.)
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“I’m feeling, like
I’m almost sixteen
again“
The Buzzcocks, Sixteen
again
Doch längst blockieren einem nicht mehr ungesunde Mengen von Pubertätshormonen wichtige Hirnzentren. Revolte findet mit angezogener Handbremse
statt, Stagediving mit Berufsunfähigkeitsversicherung. Vereinzelte - zum Teil
auch sehr dumme - Ausbrüche gibt es trotz oder grade deswegen. Doch
diese große Egalhaltung der Jugend, dieses grandiose Leckt-mich-alle-malam-Arsch, läßt sich bei den meisten nur noch momentweise erzeugen, unter
Aufbietung aller ihrer Kräfte.
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BAND UND MUSIK
IN DER SERIE
UNSERE HELDEN KENNEN EINE MENGE MUSIK, und das ist
ihr Problem.
“I won‘t take no
prisoners, won‘t
spare no lives
Nobody‘s putting up
a fight
I got my bell, I‘m
gonna take you to
hell
I‘m gonna get ya,
satan get ya”
AC/DC, Hells Bells
“In einer Baracke
in Kaderschnacke,
da UeBt die Kapelle
der Feuerwehr.
Sie machen viele
Stunden Radetzkymarsch
und fUEnf Kisten
Warsteiner leer.“
Zoff, Sauerland
Denn wie wollen sie sein? Drei Akkorde schrammeln, das schüttere Haar
schütteln und „I am an Antichrist“ (Sex Pistols, Anarchy in the UK) brüllen?
Klar ist das reizvoll, aber ist die Peinlichkeit des Klischees nicht schon vorgezeichnet? Oder will man es grade deshalb zitieren und lustvoll auskosten?
Geht man nach dem, was grade angesagt ist oder nach dem, was seiner
Meinung nach die beste Musik je war? Die Musik der Jugend? Der Studienzeit? Will man die großen Kracher nachspielen oder seine exquisiten Kenntnisse ausleben? Brachialer Stadionrock à la Megadeth oder doch eher das
ironische, synthetisch kühle Kraftwerkcover?
Im Zweifelsfalle probiert man alles aus. Die Band wird in einem ewigen Werden und Vergehen sein: Ewig werden die Musiker streiten und ausprobieren
können, wie sie sein wollen, wer sie sein wollen. Und eigentlich geht es
immer um ihr echtes Leben – das mit Familie, Beruf und Eigenheim. Ängste,
Sehnsüchte, Selbstbetrug. Vor allem geht es um die Freundschaft der
drei Männer.
Musikalisch wird vieles möglich sein, da das Suchen nach der richtigen Musik
und dem richtigen Stil auf lustvolle Weise die jeweilige Identitätssuche der
einzelnen Bandmitglieder reflektiert. Dabei soll das musikalische Spektrum
nicht ein Best-of-was-weiß-ich abbilden. Die einzelnen Stile oder Lieder sollen
immer aus den aktuellen Konflikten oder Sehnsüchten der Figuren entstehen
und so ein erzählerisches Mittel sein, um die Handlung weiterzutreiben. Musik in der Serie ordnet sich immer der Handlung und dem Thema unter. Anstatt ständig Musik zu spielen, sollen die einzelnen Stücke dramaturgisch geschickt eingesetzt werden. – Manche Lieder wird man als Zuschauer kennen,
manche erst kennenlernen. Wir begeben uns mit ihnen auf eine Reise in die
echte oder behauptete Vergangenheit der Figuren, lassen uns überraschen
auf ihrer Suche nach neuen Rollen – als Band und im Leben.
Die Lieder können manchmal großartig und hinreißend sein, manchmal wird
unsere Band sich aber auch an einzelnen Liedern überheben. Das Scheitern
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kann grandios werden oder jämmerlich und peinlich. Je nachdem. Musik ist
Teil der Geschichte. Manchmal erzählt der abgebrochene Auftritt mehr als
der makellose.
Das Ziel der Band ist es nicht immer, genau wie ihre Vorbilder zu klingen. Ein
gutes Cover ist auch immer eine Interpretation, eine Anverwandlung. Dazu
kann gehören, daß man Lieder gegen den Strich bürstet und so etwas Neues, Überraschendes, Berührendes schafft. Mal klingt nur Zorn durch, wenn
Schmusekitsch als Death Metal gespielt wird, mal ist es aber hochkomisch
(siehe z. B. Señor Coconut, der Kraftwerk-Klassiker als Cha Cha Cha spielt,
oder Paul Ankas Version von „Smells like teen spirit“), mal einfach nur schön,
wie es zum Beispiel Nouvelle Vague mit ihren New Wave-Covern beweist
(„Love Will Tear Us Apart“). Toll wäre es, wenn die neuen Versionen musikalisch für sich stehen können.
Man klicke sich durch die Weiten von Youtube, diesen unerschöpflichen Fankosmos: Jedes bekanntere Lied (fast egal welcher Szene) lebt nicht nur in der
Originalversion, sondern auch in Livevariationen, Skandalauftritten, bizarren
Neuinterpretationen als Hommage oder Parodie. Wer was wie spielt läßt
einen immer wieder mit offenem Mund – staunend, gerührt oder von Lachen
geschüttelt - zurück.
Das Sprechen und Streiten über Musik, das Einstudieren der Lieder, das Ausdenken von Outfits und Bühnenauftreten (reglos cool? Bombastshow? Skandalperformance? Glamour + Tanzchoreographie?) werden ebensoviel erzählen wie die kleinen und großen Eitelkeiten, Streitereien und Hahnenkämpfe.
Jeder hat seine eigenen Vorstellungen von der perfekten Band, und die muß
er gegen drei andere dauerhaft durchsetzen.
Auch wenn es lange keine Auftritte vor Publikum geben wird, werden sie
schon ganz früh ins Auge gefaßt („Ich kenn da wen, ich kann da was organisieren“). Diese werden aus den unterschiedlichsten Gründen (Angst vor der
eigenen Courage, Hochstapler als Veranstalter, Streit über das Programm,
Lampenfieber, persönliche Verhinderungsgründe u.v.m.) immer wieder vorher
scheitern, bis man irgendwann als Zuschauer denkt, daß da nie was draus
wird. Der Nichtauftritt als Running Gag, als konstituierendes Element der Serie. Bis die Band dann – große Überraschung! - doch in die Öffentlichkeit tritt.
Und bald schon die nächste Überraschung: Wider Erwarten kommt es zum
Erfolg. Entweder dem kleinen, lokalen oder dem großen im Netz.
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Als Stilmittel der Serie wird es immer wieder imaginierte Auftritte oder auch
Musikvideos geben, die das (Wunsch-)Selbstbild der Band reflektieren. Diese
Videos können einen raueren, unfertigen Charakter haben und sich ästhetisch
quer durch die Jahrzehnte bedienen – vom BBC-Studio-Auftritt Mitte der 60er
bis zum überkandidelten 80er-Video oder dem Rock-am-Ring-Auftritt ist alles
drin. Diese Clips können als Imagination der vier durchaus etwas Handgemachtes haben…
Aber wie heißt die Band? Darüber besteht noch Streit. So wie vor 30 Jahren
wird sich der Name ziemlich oft ändern, die ganze Staffel hindurch.
“I said a hip hop,
The hippie to the
hippie
The hip hip a hop,
and you don‘t stop,
a rock it
To the bang bang
boogie, say up jump
the boogie,
To the rhythm of
the boogie, the
beat.”
Sugar Hill Gang, Rappers
Delight
FFL Film- und Fernseh-Labor Ludwigsburg GmbH & Co. KG
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