1. WS 08/09

Roma III, WS 08/09,Politikwissenschaft
Vorbereitung
Bei diversen Erasmus-Infoveranstaltungen und auf der Webseite des IO wurden die meisten
Vorgänge erklärt und wichtige Infos genannt. Trotzdem musste ich öfter bei Kommilitonen
nachfragen, welches Formular wann wo ausgefüllt und abgegeben werden muss. Besonders
nützlich ist das „Handbuch für Erasmus Outgoings“ des IO. Fazit: Das Verfahren ist kompliziert,
aber es wird gut erklärt und mit ein Bisschen Mitdenken ist es machbar. Meine Planung wurde
erschwert, weil die Semesterdaten nicht online zu finden waren. So bin ich auf gut Glück am 1.10.
angekommen und habe nur eine Vorlesung verpasst.
Formalitäten
Offiziell muss man sich in Rom anmelden und bekommt dann einen „Codice fiscale“, den man öfter
zur Identifizierung braucht, z.B. für die Mensakarte. Man kann sich diesen Code allerdings auch im
Internet z.B. unter www.comuni.it/servizi/codfisc errechnen lassen. Bei einigen funktioniert der
nicht, wenn doch, spart man sich den Gang zur Behörde und das lange Warten dort.
Alles weitere wird unter europa.uniroma3.it/relint_nuovo/sito_2005/view.asp?id=227 recht
einfach und auch auf englisch erklärt. Die Leute im Erasmusbüro der Uni sind sehr hilfsbereit, der
Erasmusbeauftragte der Politikfakultät aber leider gleichzeitig Fakultätspräsident und daher für
Studenten nicht zu sprechen.
An- und Abreise
Hin- und Rückflug und die Heimreise zu Weihnachten habe ich bei Ryanair gebucht, weil die
Preise mit Abstand die günstigsten waren. Dafür konnte ich nur 15+10kg Gepäck mitnehmen und
musste vor dem Rückflug ein 10kg-Paket für 60€ nach Hause schicken. Von Lübeck musste ich in
London oder Bergamo umsteigen, von Bremen gibt es noch andere Verbindungen. Vom Flughafen
Ciampino gibt es einen Bus direkt zum Hauptbahnhof Termini für 5€, oder günstiger einen für
1,20€ zur U-Bahn-Endstation Anagnina. Letzteres ist zur Stoßzeit sogar schneller, weil der Bus in
der Innenstadt im Stau steht und die U-Bahn nicht!
Sprachkenntnisse
Mit einem Niveau von B1 waren meine Sprachkenntnisse zu Beginn eher überdurchschnittlich.
Das war sicherlich wichtig für das „Gelingen“ meines Auslandssemesters. Trotzdem war es nicht
einfach, den Vorlesungen zu folgen und je nach Autor relativ schwierig, die Fachliteratur zu
verstehen. Der kostenlose, recht anspruchsvolle Sprachkurs der Uni („geführtes Selbstlernen“ im
„Centro Linguistico di Ateneo“) auf Niveau B2 bestand aus einer Stunde Unterricht pro Woche und
viel Eigenarbeit mit Buch und Computer. Die Prüfung war dann aber wesentlich leichter als die
Übungen im Kurs und die Selbstlernstunden wurden nicht kontrolliert. Rückblickend hätte ich gerne
mehr aktiv für mein Italienisch getan, aber zumindest in der Grammatik habe ich durch den Kurs
kleine Fortschritte gemacht. Vokabular und flüssiges Sprechen konnte ich dagegen ohne große
Anstrengungen im täglichen Leben deutlich verbessern.
Die Universität
Angeblich ist die Uni Roma3 wesentlich besser organisiert als die viel größere Uni „La Sapienza“.
Trotzdem musste ich meine Ansprüche im Vergleich mit der Uni Bremen deutlich herunterschrauben, um meine Nerven nicht unnötig zu strapazieren: Die Internetseite der Uni enthält
größtenteils veraltete Informationen. Eine vorläufige Übersicht des Kursangebots findet man zu
Beginn des Semesters (ungefähr Anfang Oktober) nur in Schaukästen der jeweiligen Fakultät.
Diese liegen übrigens nicht alle auf einem Campus, sondern etwas verteilt im Stadtteil Ostiense.
Die einzelnen Standorte werden durch zwei kostenlose Buslinien (blau und orange) verbunden,
auf deren Fahrplan man sich jedoch nicht wirklich verlassen kann. Deswegen habe ich meistens
die Buslinie 23 genutzt, um zwischen meiner Fakultät, der Mensa und dem
Fremdsprachenzentrum hin- und herzufahren. Das Gebäude der Politikfakultät (in der via
Chiabrera) ist erst einige Jahre alt und angenehm schlicht funktional. Die Mikrofon- und BeamerAnlagen funktionierten meiner Erfahrung nach trotzdem selten. Im zweiten Stock gibt es einen
ordentlichen Computerraum und die Bibliothek im dritten Stock ist angeblich ganz gut ausgestattet
(ich habe sie nicht genutzt).
Im Vergleich mit dem Politikstudium in Bremen gibt es inhaltlich große Unterschiede: In Italien
beinhaltet das Politikstudium viel Jura und Geschichte. Ersteres finde ich im Nachhinein sehr
sinnvoll. Was mir weniger gefiel, war die insgesamt eher deskriptive inhaltliche Ausrichtung,
wodurch die wirklich politikwissenschaftliche Analyse zu kurz kommt. Die meisten Kurse verlangen
deutlich mehr Lektüre (2-3 Bücher, ausschließlich auf Italienisch), als ich es aus Bremen gewohnt
bin. Allerdings gab es diesbezüglich auch einige Unterschiede zwischen den einzelnen
Veranstaltungen. Die Bücher sind alle bei „Libropol“ (zwischen Mensa und Rektorat) erhältlich und
werden dort am Ende des Semesters auch gegen knapp die Hälfte des Preises zurückgenommen.
Wenn man nur Auszüge von Büchern braucht, kann man sich diese in einem Copyshop
(www.printland.it) ausdrucken lassen. Die Qualität der Vorlesungen (Seminare wurden nur
wenige angeboten, erforderten eine Hausarbeit auf Italienisch und passten nicht in meinen
Stundenplan) scheint mir sehr vom einzelnen Dozenten abzuhängen. Empfehlen kann ich Prof.
Romei und Prof. Carletti. Ersterer ist recht anspruchsvoll, erklärt aber sehr gut und beide sind in
ihren Materien sehr kompetent. Zudem hat Prof. Carletti viel Verständnis für die Probleme
ausländischer Studierender und hat als einzige meiner Dozenten eine ausführliche PowerpointPräsentation verwendet.
Anders als in Deutschland finden die neunzig-minütigen Lehrveranstaltungen drei mal die Woche
statt. Dafür enden fast alle vor Weihnachten, einige auch früher. Die Kurse für Bachelor (it.:
trienale) teilen sich meist in drei „Module“ à 3 ECTS auf, von denen man ein, zwei oder alle drei
belegen kann. Dadurch ist der Stundenplan am Semesterbeginn recht voll, man muss aber nicht
gleich alles ausführlich vor- und nachbereiten, weil dazu später im Semester noch mehr freie Zeit
zur Verfügung steht.
Ein Wort zur Mensa: Lecker! Sie heißt 45giri, ist in der Nähe der Jura-Fakultät, dient Abends als
Lounge, hat eine Außenterrasse und für 1,40€ bekommt man ein riesiges Brett mit drei Sorten
Pizza, Softdrink und Obst oder für 2€ ersten und zweiten Gang, Brot und Obst.
Prüfungen
Die Prüfungen finden an der Politikfakultät von Roma3 nach der Weihnachtspause statt. Meine
waren bis auf den Italienischkurs alle mündlich – eine interessante Erfahrung! Es gibt immer drei
Prüfungstermine, von denen man sich einen aussuchen kann und die Note beim darauf folgenden
auf Wunsch noch verbessern kann. Ich hatte Prüfungen vom 21.1.-7.2. Obwohl ich erst in letzter
Minute angefangen habe, intensiv zu lernen, bin ich mit meinen Ergebnissen sehr zufrieden.
Anfangs habe ich nur zu Hause gelernt, wie ich es aus Bremen gewohnt war. Nach der ersten
Prüfung habe ich auf Empfehlung italienischer Kommilitonen die Bibliothek ausprobiert und bin
dabei geblieben. Meiner Meinung nach bietet sie eine sehr gute Lernatmosphäre. Die meisten
Prüfer haben gegenüber Erasmusstudenten etwas Nachsicht, was die sprachlichen
Schwierigkeiten angeht. Einmal wurde ich sogar mit der Frage überrascht, ob ich die Prüfung auf
Englisch ablegen wolle. In „Internationale Organisationen“ (Prof. Carletti) haben wir Ausländer
sogar 9 ECTS für das Lektüre-Programm bekommen, für das die Italiener nur 6 ECTS erhielten.
Wohnung
Für viele Erasmusstudenten in Rom eines der größten Hindernisse, war die Wohnungssuche für
mich sehr einfach und erfolgreich. Das war wohl hauptsächlich Glück. Ich habe Anfang Juli im
Internet nach Studentenunterkünften in Rom gesucht und anfangs nur überteuerte oder schlecht
gelegene WG-Zimmer gefunden. Die Lösung hieß dann www.home4students.it : Eine Gruppe
junger Leute, die mittlerweile über 20 Wohnungen an hauptsächlich ausländische Studenten und
junge Italiener vermieten. Sie schickten mir ein paar Angebote per E-Mail und Fotos von der
Wohnung, die mich interessierte. Für die Reservierung zum 1.10. musste ich 500€ Kaution
überweisen. Ohne jegliche Dokumente schien mir das etwas riskant, aber in einem ErasmusForum fand ich einen positiven Beitrag über home4students, der mich beruhigte. Ich habe eine
Deutsche kennen gelernt, die noch mehr Geld für eine Wohnung überwiesen hat, die gar nicht
existierte! Eine Französin hat sich mit ihrem Mitbewohner gestritten und 500€ ihrer Kaution nicht
wiederbekommen, weil sie – wie in Rom üblich – keinen Mietvertrag hatte. Meine Vorsicht war also
berechtigt. Angesichts dieser Erzählungen war ich mit meiner Wahl bis auf zwei kleine Ärgernisse
sehr glücklich: Die Transportsicherung der Waschmaschine war bei der Installation nicht entfernt
worden und es gab keine Bettdecke. Viel Glück hatte ich auch mit meinen Mitbewohnern: Mein
ungarischer Zimmerkollege wurde einer meiner besten Freunde in diesem Semester und die
Mehrzahl der 7-10 anderen Mitbewohner (am Ende 1 Französin, 3 Italiener, 1 Iraner, 2 Deutsche)
war auch recht sympathisch. Nicht zuletzt war auch der Preis akzeptabel: 290€ inkl. Internet und
aller Nebenkosten für ein Bett im Doppelzimmer (Straße: Largo Strindberg) mit zwei Buslinien
quasi direkt zur Uni. Nur der Weg in die Innenstadt war tagsüber recht lang (35-50min zum
Bahnhof Termini) und die Busse haben leider keinen Fahrplan und fahren sehr unregelmäßig.
Dafür gab es einen Nachtbus aus der City bis fast vor die Haustür. Schwierig zu finden, aber für
Roma3-Studenten noch besser gelegen, wäre eine Wohnung in den Vierteln Garbatella oder
Ostiense.
ErasmusStudentsNetwork
Den Nachtbus habe ich bis Weihnachten sehr häufig benutzt, weil die Studenten der ErasmusInitiative von Roma3 mehrmals pro Woche gute und günstige Partys organisieren. Für eine
einmalige Gebühr von 5€ bekommt man die ESN-Mitgliedskarte und Einladungen via E-Mail und
Facebook. Neben vielen Partys organisieren die unglaublich engagierten Italiener von ESN auch
einen Filmclub, Stadtführungen, Ausflüge und mehrtägige Reisen in andere Teile Italiens. Auf der
Internetseite www.esnroma3.com gibt es noch andere Angebote, wie z.B. eine Wohnungsbörse.
Die ESN-Karte von Roma3 wird auch von ESN-ASE akzeptiert, der Erasmus-Initiative der anderen
Universitäten Roms (www.esn-roma.it).
Die Stadt Rom
Die Stadt Rom war für mich gleich nach der Sprache das wichtigste Argument, mein
Auslandssemester an der Roma3 zu studieren. Diese Stadt ist ein einziges riesiges Museum, das
beeindruckendste, das ich bisher gesehen habe. Ich könnte unendlich aufzählen, was man alles
sehen MUSS und noch länger, was man alles sehen sollte. Aber dazu gibt es Reiseführer. Was
mir besonders gefallen hat, waren Abende und Nächte auf den Straßen in Trastevere und um den
Campo de' fiori und die Möglichkeit, auf dem Weg zur Party und danach nach Hause spontan
Kirchen und andere Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Zur italienischen Küche brauche ich wohl
nichts zu sagen – und in Rom finden sich neben den eigenen auch noch die Spezialitäten aus
Norden und Süden.
Der größte Nachteil ist der Verkehr: Es gibt nur zwei U-Bahnlinien, die Busse sind unzuverlässig
und Fahrradfahren ist recht gefährlich und im Winter sehr nass. Ich habe auch kurz erwogen, mir
das schnellste römische Verkehrsmittel – eine alte Vespa (ab 300€) zu kaufen, aber die
Anmeldung soll teuer und sehr kompliziert sein.
Geld
Mein Leben in Rom war um einiges teurer als in Bremen. In Bezug auf die Mieten kann man das
sicherlich verallgemeinern, aber z.B. bei den Lebensmitteln gibt es große Preisunterschiede.
Einige Supermärkte sind fast so günstig wie deutsche Discounter. Das für Studenten reduzierte
Monatsticket für Bus und U-Bahn kostet mit 18€ kaum mehr, als das Semesterticket in Bremen.
Die Mehrkosten stammten bei mir aber hauptsächlich aus dem „dolce vita“: Getränke kosten in
Bars und Diskotheken 5-8€, der Eintritt (außer bei Erasmuspartys) 5-10€. In einer Pizzeria kann
man relativ günstig essen, im Restaurant gibt man aber schnell 20€ und mehr aus. Das ist es
meiner Meinung nach aber fast immer wert.
Mit meiner Visakarte der Comdirect konnte ich an allen Automaten kostenlos Bargeld abheben und
in größeren Supermärkten bezahlen. In kleinen Läden und Restaurants wird Kartenzahlung fast
nie akzeptiert.
Absolut unentbehrlich ist eine italienische Prepaidkarte fürs Handy. Die beliebteste ist „Wind“, auch
„TIM“, „Vodafone“ und „3“ sind recht häufig. Ich habe nach einem Vergleich der ausgesprochen
komplizierten Tarife „PosteMobile“ gewählt. 16Ct pro Minute und 12ct pro SMS sind ok. Einziger
Nachteil: Zum Aufladen musste ich am Postschalter oft lange Schlange stehen.
Fazit
Abschließend kann ich nur jedem raten, ein Auslandssemester an der Roma3 zu machen. Ich
hatte vor allem in den ersten drei Monaten enorm viel Spaß, habe unglaublich viele nette Leute
und eine wunderbare italienische Kultur kennen gelernt. Trotzdem habe ich am Ende durch kurzes
intensives Lernen gute Noten bekommen und auch inhaltlich einiges mitgenommen, was ich in
Bremen nicht gelernt hätte. Vielleicht würde mir Rom zu anstrengend, wenn ich dauerhaft dort
leben würde, aber für ein Erasmus-Semester war es die schönste Stadt, die ich mir vorstellen
kann.