Präsentation von Prof. Dr. med. M. Weih

Nervenärztliche Gemeinschaftspraxis
Dr. Roth, Schmitt-Roth, Prof. Weih
Allersberger Str. 89
90461 Nürnberg
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F 0911 4719130
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Umgang mit Alkohol und Medikamenten
im Alter
27.10.2015 Betreuungsgerichtstag
CPH 13h-15:30 h Prof. Dr. med. M. Weih
Gliederung
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Einführung
Häufigkeiten
Alkohol
Medikamente
Behandlung
Besonderheiten der Therapie im Alter
Fazit
Workshop ! Fragen ? Pausen !
Nehmen
Suchterkrankungen
mit dem Alter ab oder zu?
• MEDIKAMENTE
NEHMEN ZU
Die meisten älteren Patienten mit
Substanzmissbrauch trinken nur
Alkohol
• Falsch
• Alkohol und
Medikamente
am häufigsten
Häufigkeiten
• Alkohol:
– Definitionsprobleme
– Abnahme mit Alter
– Regionale und kulturelle Unterschiede
– 2-4% „riskant“, 9-16% „problematisch“ (Gemeinde)
– 6,5% bei Hausarztpatienten > 75 Jahre
• Tranquilizer / Hypnotika
– Zunahme mit Alter
– Gesamtbev. 10-15% gelegentlich; 2% regelmäßig,
Alter >75: 9-15%
Alkohol allgemein
• Arabisch: „geistige Essenz“
• Kulturdroge und Suchtmittel
• In Lebensmitteln:
– Alkoholfreies Bier: 0,5 Vol. %
– Apfelsaft: 0,4 Vol. %
– Sauerkraut 0,5 Vol. %
• Wirkung:
– Stimulation, Enthemmung, Redseligkeit, Enthemmung
– Vasodilation, Wärmegefühl
– Kleinhirn, Schwindel, Übelkeit, Orientierungsstörung, Bewusstsein,
Atemdepression
• Toxisch auf:
– Leber, Knochenmark, Vitaminstoffwechsel
– ZNS
Frage: Vertragen ältere Menschen
Alkohol besser als jüngere?
• Falsch
Alkohol im Alter
• Bis 27% der Männer und 8% der Frauen
„riskant“;
• Abstinente nehmen zu
• Rückgang mit Alter durch red. Toleranz, aber
durch demografischen Wandel und med.
Fortschritte vermehrt
• Diagnose erschwert
• Demenzrisiko erhöht, weitere
Komplikationen, Pflegeheim früher
Alkohol im Alter: ABER
• Abstinente haben mehr Erkrankungen („sick
quitter“), sind einsamer, weniger aktiv
• Alkohol hat protektive Wirkungen (J-U)
• Risikoarmer oder moderater Konsum mit
höherer Lebensqualität verknüpft
Wie gehen Sie vor?
• 63-jähriger Patient, alleinelebend, wenig
Sozialkontakte
• Vor 10 Jahren Arbeitsplatzverlust wg. Alkohol
• Entgiftung, keine Langzeittherapie, Rückfall
• Miete nicht mehr bezahlt, Behördenschreiben und
Termine beim Jobcenter ignoriert
• Abgemagert, ungepflegt, Foetor
• Stimmung flach gehoben
• Fehlende Krankheitseinsicht; Gedächtnisstörungen,
Personenverkennungen
• Konfabulationen,
Nach: Th. Lorz; Betr. b. Psych. Erkr
Ältere Alkoholiker sind eine recht
einheitliche Patientengruppe
• Falsch
• Hauptgruppen
– Ältere Trinker
– Trinkende Ältere
Gruppen trinkender Älterer
Früher Beginn
Später Beginn
Gruppen trinkender Älterer
Früher Beginn
Später Beginn
Geschlecht
Männer
Frauen
Häufigkeit
2/3
1/3
Persönlichkeit
instabil
stabil
Wohnsituation
wechselnd
stabil
Alleinestehend
Familiär gebunden
Sozioök. Status
Niedrig
Höher
Bildungsniveau
Niedrig
Höher
Vermeidend
Problemlösend
Probleme mit Justiz
häufig
selten
Familiäre Alkoholprobleme
Häufig
selten
Langzeit
Nichtraucher
ausgeprägt
gering
Mäßig
Gut
Soziales Netzwerk
Konfliktverhalten
Raucher
Kognitive Störung
Adhärenz + Prognose
Suchtkriterien
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Craving
Kontrolle
Toleranz
Entzugssymptome
Einengung
Vernachlässigung
Mindestens drei
Laborwerte
• GGT
• MCV
• CDT
• Thrombozyten
• Gesamteiweiß
• Vitamin B12
Testverfahren
• AUDIT
– Audit-C
• Kurzfassung mit 3 Fragen ähnlich aussagekräftig
• CAGE
– Schon mal das Gefühl gehabt, dass Sie weniger
trinken sollten ? (cut down)
– Waren Sie schon mal ärgerlich, als Sie auf Alkohol
angesprochen wurden (annoyed)
– Schlechtes Gewissen / Schuldgefühle (guilty)
– Eye Opener (Kater, Gleichgewicht)
AUDIT-C
Behandlung Alkohol im Alter
• Prinzipiell nicht anders als bei anderen
• Entzugssyndrom abhängig von:
– Schweregrad der Alkoholerkrankung
– Komborbidität, Delirvorgeschichte
• Wichtig, v.a. b. Kachexie: Vitamin B1
• Motivierende Gesprächsführung
• Minimal und Kurzinterventionen
• Z.B. Kurzintervention Alkohol BÄK 2009
• Medikamentöse Optionen
Nikotin
• Natürliches
Insektizid+Toxin
• Stimuliert v.a.
Acetylcholinrezeptoren
• Psychostimulans
• Vasokonstriktion
• Appetitzügelnd
• Krebserregend
Nikotin
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Suchterzeugend nur im Zigarettenrauch
Physisch wie Alkohol, psychisch wie Kokain
Abhängigkeit nach wenigen Tagen/Zigaretten
Rückfallwahrscheinlichkeit über 95%
Nikotinentwöhnung
• Medikamentös:
– Nikotinpflaster
– Bupropion (v.a. bei komorbider Depression)
• Nichtmedikamentös:
– Kurzintervention mindestens 1x /Jahr:
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Identifikation des Rauchstatus / Menge
Identifikation der Änderungsbereitschaft
Wenn ja, ärztlicher Rat zum Rauchstopp
Beratungsintensität ggf. steigern
Tranquilizer und Schlaftabletten sind die
Medikamente, die von Älteren am häufigsten
missbraucht werden.
• Richtig
Suchterzeugende Medikamente
Bedeutung im Alter
• Benzodiazepine
– Anxiolytisch, sedierend, antikonvulsiv, hypnotisch
• Hypnotika (Zs: Zopiclon, Zolpidem)
• Opiate
• Stimulantien (Amphetamine, Ritalin)
•
Cannabinoide
•
Barbiturate
Missbrauch von
verschreibungspflichtigen
Medikamenten ist bei älteren
Frauen häufiger als bei Männern
• Richtig
Häufigkeiten
• Alkohol:
– Definitionsprobleme
– Abnahme mit Alter
– Regionale und kulturelle Unterschiede
– 2-4% „riskant“, 9-16% „problematisch“ (Gemeinde)
– 6,5% bei Hausarztpatienten > 75 Jahre
• Tranquilizer / Hypnotika
– Zunahme mit Alter
– Gesamtbev. 10-15% gelegentlich; 2% regelmäßig,
Alter >75: 9-15%
Benzodiazepine: Allgemein
• Binden an GABA, wichtigsten inhibitorischen
Neurotransmitter
• Seit 50 Jahren in Medizin, Valium zuerst
• Heute noch etwa 30 Substanzen in Gebrauch
Benzodiazepine
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Gesamtbevölkerung: 9-15% gel. Einnahme,
Bis 2% regelmäßige Einnahme
In Heimen und bei Frauen häufiger
meist Niedrigdosisabhängigkeit
Anxiolytische Wirkung lässt nicht nach
Toleranzentwicklung im Alter geringer
Meist Umwandlung in aktive Metaboliten, HWZ
lang, Ausnahme Lorazepam
Analgetika, Tranquilizer und Hypnotika
Benzodiazepine im Alter
• In Industriestaaten 10-15% gelegentlich, bis
2% dauerhafte Benzodiazepineinnahme
• Zahlen im Alter höher, Frauen und
Pflegheimeinwohner überwiegen
• Meist Niedrigdosisabhängigkeit
• Häufigkeit rückläufig, auf hohem Niveau
Hypnotika/Benzos im Alter
• Toleranz nach 3-4 Wochen; ca. 50% abhängig
• Gefahren:
– Stürze, Verkehrsunfälle, Depression, Apathie, Delir,
Demenz
• Sinnvoll: Quoten (z.B. 10x in 3 Wochen) oder
Wochenintervalle (2-4 Wochen, dann 2-4 W. n.)
o. Tagesintervalle (max. 3-4 v. 7 Tagen)
• Benzoentzug niemals abrupt:
– Stationär
– Ambulant über 10% des Einnahmezeitraums
Benzodiazepine im Alter
• Besonderheit: Verordnung per Rezept
• Unscharfe Grenze zwischen psychotroper
Wirkung, Entzugsvermeidung und Therapie
(Angst, Schlafstörung, „Entspannung“)
• Diagnosen beachten
• Oft fehlendes Problembewusstsein
• Meist k. Dosissteigerung, kein „drug seeking“
• Meist keine Euphorisierung, wenig Nebenwirk.
• Entzug schwer, Demenzrisiko erhöht
• Halbwertzeit u. Verteilung in Fett anders
Missbrauch rezeptflichtiger
Medikamente
• 30% aller Rezepte und 40% aller
rezeptfreien Medikamente werden an
ältere Menschen herausgegeben.
• 17% - 23% der Medikamente, die an
älterne Menschen herausgegeben
werden sind Benzodiazepine oder ZHynotika.
Faktoren, die zum
Substanzmissbrauch bei Älteren
beitragen
• Frühere Abhängigkeit
• Genetik / Familienanamnese
• Lebensereignisse
• Inaktivität / Pensionierung
• Allgemeine Verschlechterung der Gesundheit
• Laxer Umgang mit Rezepten
Fallbeispiel
• Enkelin bringt Großmutter wg. Kopfschmerzen
und red. Allgemeinzustand in die Praxis
– Medikamentenanamnese ergibt die Einnahme von
Zopiclon und Bromazepam über Hausarzt seit
vielen Jahren
– Ursprüngliche Indikation waren Schlafstörungen
und eine Panikattacke nach Verwitwung
• Wie gehen Sie vor?
Ambulanter Entzug 1
Ambulanter Entzug 2
• Haushaltsdosis
Ambulanter Entzug 3
• Umstellung auf Oxazepam
• Abdosierungsplan mit Erklärung von zu
erwartenden Symptomen
• Einräumen der Möglichkeit der
Kontaktaufnahme
Intervention und Behandlung
• Konfrontation funktioniert nicht
• Kurzinterventionen und Stärkung der
Motivation Mittel der Wahl
• Hospitalisierung, wenn nicht erfolgreich
Kurzinterventionen und motivierende
Gesprächsführung
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Feedback über Screeningergebnisse
Diskussion über Gründe des Trinkens / der Medikamenteneinnahme
Diskussion über Konsequenzen des Trinkens / Medikamentenein.
Diskussion über gute Gründe zu reduzieren / aufzuhören
Ziel definieren
Strategien entwickeln, um Ziel zu erreichen
Einverständnis in der Form eines Behandlungsvertrags anstreben.
Identifikation von Hindernissen.
Diskussion von Strategien, um Hindernisse zu überwinden
Zusammenfassung des Gesprächstermins
Fazit
• Sucht im Alter definitorisch, pharmakologisch,
historisch und epidemiologisch vielschichtig
• Alkohol abnehmend, Medikamente
zunehmend
• Strukturiertes Vorgehen
• Therapieergebnisse nicht schlechter als bei
jüngeren
• Motivations- und Zielklärung, enger Kontakt