ganz harmlos

Schweiz.
| Dienstag, 22. September 2015 | Seite 4
«Alles ganz harmlos»
In Nidwalden will ein linker Journalist aus Zürich die Demokratie retten. Was ist da los? Ortstermin im Hotel Engel
Von Samuel Tanner, Stans
Andreas Fagetti, Nationalratskandidat
für Nidwalden, sagt von sich, er wisse
nicht viel über den Kanton Nidwalden
und seine Einwohner. Er war mal hier
auf einer Schulreise, Jahrzehnte ist es
her, und in den vergangenen Wochen
hat er mit ungefähr zwanzig Leuten
geredet. Aber Fagetti geht es um grössere Dimensionen. Er will in Stans die
Demokratie retten.
In ihrer Ausgabe vom 3. September
inszenierte die linke Wochenzeitung
(WoZ) den «Kampf um Nidwalden» –
und ihren Redaktor und Kandidaten vor
dem Stanser Winkelried-Denkmal: Um
die stille Wahl von Peter Keller (Redaktor der Weltwoche, Mitglied der SVP) zu
verhindern, präsentierte sie Andreas
Fagetti, der für das Bündnis «Demokratie ermöglichen» antritt und die «Tyrannei der abnickenden Mehrheit» verhindern soll. Wahrscheinlich ist nie ein
Nationalratskandidat mit grösseren
Worten angekündigt worden.
Nun muss der Kanton Nidwalden
also irgendwie umgehen mit einem
Kandidaten aus Zürich, der sich als
«frende Fetzu» bezeichnet und bei dem
sich viele fragen, wie ernst er es meint –
und zudem mit dem Duell WoZ gegen
Weltwoche, in dem es um Demokratie
und Gewaltentrennung, kurz: um alles
gehen soll.
Föderale Verstimmung
Vorerst geht es um Bratkäse. Bei
einem gemeinsamen Fototermin hatte
Fagetti von Keller einen solchen
geschenkt bekommen – allerdings
konnte er sich nicht merken, wie man
ihn zubereitet. Nun ist Freitagabend,
Wahlpodium im Hotel Engel in Stans,
Der «frende Fetzu». andreas Fagetti,
55, Journalist der Woz. Foto Florian Bachmann
Der Einheimische. Peter Keller,
44, Journalist der Weltwoche. Foto Keystone
260 Leute, der Saal ist voll. Und der
Moderator fragt nach dem Bratkäse.
Andreas Fagetti sagt: «Ich ass den Käse
irgendwann einfach so, wie er war.» Der
Saal lacht.
Für den «frende Fetzu» hängt viel
von diesem Abend im «Engel» ab. Er
muss beweisen, dass die WoZ in ihren
«Kampf um Nidwalden» nicht die Spassguerilla geschickt hat. Im Vorfeld war
Fagetti gewarnt worden, er solle ja nicht
ans Podium kommen, es könnte «Ohrfeigen und Buhrufe» geben. Es waren
nicht die einzigen Vorboten föderaler
Verstimmung. In einem Interview beim
Schweizer Radio sagte Leo Amstutz,
Präsident der Nidwaldner Grünen: «Der
Herr Fagetti aus Zürich vergisst einfach,
dass sich die Nidwaldner nicht von aussen, und schon gar nicht von einem Zürcher, sagen lassen, was wir hier zu tun
haben.»
Und dann war da noch der Tweet
des Politgeografen Michael Hermann,
der Fagetti vorrechnete, mit seiner Kandidatur verhelfe er der SVP zu einem
um etwa 0,4 Prozent besseren Wähleranteil schweizweit.
«Die Welt hat sich verändert!»
Fagetti sagt am Anfang des Podiums: «Selbstverständlich meine ich es
ernst. Ich will ja die Bevölkerung von
Nidwalden nicht verulken!» Sein Problem ist, dass die Nidwaldner hinter
diesen Satz kein Ausrufezeichen setzen,
sondern ein Fragezeichen.
Und deshalb führt Andreas Fagetti
die Diskussion zur Weltpolitik. Als Peter
Keller, der Bisherige, der Jodler, der
Anzugträger, die Flüchtlingskrise mit
den Sozialkosten der Aargauer
Gemeinde Aarburg in einen Zusammenhang bringt, da sagt Fagetti, der «frende
Fetzu», der Mann mit Béret und Bart:
«Wir brauchen einen neuen Flüchtlingsbegriff! Die Welt hat sich verändert!»
Andreas Fagetti erklärt die Flüchtlingskrise mit einem Besuch in der türkischen Provinz Hakkari, die Folgen des
Nationalbankentscheids mit der Deindustrialisierung in Grossbritannien
und Nidwalden mit den Zuständen im
St. Galler Rheintal der 60er-Jahre. Peter
Keller charakterisiert seinen Kanton mit
einer Geschichte aus dem Jodelklub.
Das ist der Unterschied.
Keller verteidigt den Steuerwettbewerb, Fagetti stellt ihn infrage. Keller
will eine zweite Röhre am Gotthard,
Fagetti nicht. Keller will keinen Mindestlohn, Fagetti schon. Aber darum geht es
nicht. In einem kleinen Kanton wie Nidwalden sind die Nationalratswahlen
Personenwahlen – wenn einer aus
Zürich kandidiert, sowieso. Und so
haben sie hier im «Engel» die Wahl zwischen zwei Männern, die ein bisschen
wirken wie Maskottchen der politischen
Pole – und ihrer Arbeitgeber.
In der WoZ hat alles Platz, vom Porträt einer Frau mit Asperger-Syndrom
bis zum Modell der regionalen Vertragslandwirtschaft. Ihre Journalisten lassen
sich im Zweifel leiten von grossen Utopien. In der aktuellen Ausgabe der Weltwoche kommt in neun Artikeln das Wort
«Flüchtlinge» vor, in zwölf das Wort
«EU». Ihre Journalisten lassen sich im
Zweifel leiten von grosser Empörung.
Die WoZ ist archaischer, die Weltwoche
macht Ernst.
An den Stehtischchen im «Engel»
diskutieren zwei Planeten nebeneinander her. Wenn Keller keine Fehler
macht, gewinnt er. Fagetti muss mehr
riskieren. Er nennt die Politik zweimal
«verlogen», er bezeichnet das finanzielle Aushungern, das die Bürgerlichen
Sparpolitik nennen, als Bulimie – und
ein paar Sätze später einen EU-Beitritt
als falsch. Als es um die Währungspolitik geht, sagt er, er habe da nur grob den
Durchblick.
Peter Keller wird am Tag nach dem
Podium ins Telefon sagen: «Herr Fagetti
ist eine politische Blackbox. Und Demokratie ist ja schön und gut. Aber wäre
ich irgendein schnüsiger CVPler, hätte
die WoZ wohl kein Problem mit einer
stillen Wahl.»
Fagettis Fan
Andreas Fagetti schafft es, dass die
Leute im «Engel» nicht lachen, sondern
nachdenken. Auf dem Papier ist seine
Kandidatur ein PR-Gag der WoZ, aber
hier auf der Bühne füllt er sie mit Leben.
Fagetti war Schulabbrecher, Fabrikarbeiter, Bauhandlanger und Lokaljournalist, er lebte im Rheintal und in Russland, er ist Sohn eines Lehrers aus dem
Bergell und einer Österreicherin – und
inzwischen dreifacher Vater.
Den einfachen Leuten, die Fagetti
vertreten will, ist wichtig, dass man sie
nicht hochnimmt. Seine Biografie wirkt
in dem Zusammenhang wie ein Versprechen.
Ohrfeigen und Buhrufe gibt es
keine. Als Andreas Fagetti vom Podium
steigt, sagt er: «Alles ganz harmlos.
Viele Leute reagieren sowieso sehr
zurückhaltend auf mich.» Dann kommt
ein Nidwaldner nach vorne und sagt
ihm: «Hervorragend! Gut, dass einer
Gegensteuer gibt!» Fagetti kennt den
Mann nicht, und er sieht aus, als würde
er der Szene nicht ganz trauen. Dann
verschwindet der Fan im Saal. Es war
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