JURYBERICHT KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM WANDMALEREI IM GUNDELDINGERQUARTIER Allgemeiner, anonymer Wettbewerb mit Vorauswahl Die Kunstkreditkommission realisiert ein Pilotprojekt zur Kunst im öffentlichen Raum in Zusammenarbeit mit der Stadtentwicklung Gundeli Plus der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung und des Planungsamts. Der Prozess verfolgt insgesamt das Ziel, qualitativ hochwertige künstlerische Arbeiten zu realisieren, die zu einer Auseinandersetzung der Bevölkerung mit ihrer Wohnumgebung beitragen. Die Vermittlung an die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers ist deshalb integraler Teil des Prozesses. In einem ersten Verfahren wurde ein Projektvorschlag gesucht, der auf einer grossflächigen Wand mit guter Sichtbarkeit Prägnanz schafft und für das Quartier eine Signalwirkung und Orientierung entfalten kann. Als Perimeter wurde die Westwand der Liegenschaft an der Gundeldingerstrasse 133 ausgewählt. Die Ecke Gundeldingerstrasse/Achilles Bischoff-Strasse bildet eine Schwellensituation, die einen Übergang von der stark befahrenen Verkehrsachse zum beruhigten Innenhof mit Spiel- und Aufenthaltsqualität bildet. Die Wandmalerei soll mindestens fünf Jahre am Ort verbleiben. Es bewarben sich 47 Künstlerinnen und Künstler aus der Region Basel mit einer Projektidee. Aufgrund der anonym eingereichten Dossiers wurden von der Jury sechs Projekte zur Weiterbearbeitung empfohlen. In einer Machbarkeitsüberprüfung (gewählte Technik, Material, Verkehrssicherheit, Budget, Realisationsvermögen) wurden zwei Projekte ausgeschieden. Die verbleibenden vier Projekte wurden der Quartierbevölkerung am 28.1.2016 vorgestellt. Die Publikumsvoten flossen in die Diskussion an der Schlusssitzung der Jury vom 29.1.2016 ein. Die Organisation des Verfahrens erfolgte durch den Kunstkredit. Die Bewertung der Unterlagen durch das eingesetzte Beurteilungsgremium. Jury Kunstkreditkommission Basel-Stadt Stefan Hecker, Allreal AG, Vertreter Eigentümer der Liegenschaft Olivier Wyss und Isabelle Stebler, Kantons- und Stadtentwicklung Basel-Stadt, Vertreter Stadtentwicklung Gundeli Plus Gabriele Frank, Quartierkoordination Gundeldingen Lars Wolf, Vertreter aus dem Quartier Machbarkeitsprüfung vom 4. Dezember 2015 In der Machbarkeitsüberprüfung wurden folgende zwei Projekte am 4. Dezember 2015 aus dem Verfahren ausgeschieden: FERDINAND FACKLAM MOOS Die Schattenbildung des Baumes an der Fassade des Gebäudes, die Farben der Jahreszeiten sowie Moos (Flechten) inspirierten den Künstler bei der Motivfindung. Aus Oxidationsstufen von Kupfer hat er drei Farbtöne gewählt. Diese drei Farben, die er mit Aluschablonen in drei durch Algorithmen generierten Strukturschichten an die Wand bringen will, versetzt er zusätzlich mit Kupferpulver. Durch die Oxidation der Beimischung soll sich das Gesamtbild kontinuierlich und über die Jahre farblich verändern. Aufgrund der vorliegenden Offerten sieht die Jury die Realisierbarkeit des Projekts innerhalb des zur Verfügung stehenden Budgetrahmens nicht gewährleistet. Es wird eine Entschädigung von CHF 2'500 aus dem Kunstkredit gesprochen. DIE ZELLE PLATO “Die Zelle“ sieht mit ihrem Projektvorschlag PLATO ein kollaboratives und partizipatives Projekt vor. Die Wand der Liegenschaft an der Achilles BischoffStrasse fungiert dabei vorwiegend als Fläche zur Etablierung einer signetähnlichen Wandmalerei, welche auf ein jährlich stattfindendes „Tellerfest“ hinweisen soll. Sie wird in einem Grauton grundiert, worauf Tellerformen in phosphoreszierendem Weiss aufgetragen werden. Im Hinterhof, beim Brunnen, sollen über fünf Jahre hinweg Tellerfeste stattfinden. Ein Wettbewerb, der die am schönsten angerichteten Teller prämiert, soll die Anwohner zum Mitmachen animieren. Aufgrund der vorliegenden Offerten sieht die Jury die Realisierbarkeit des Projekts innerhalb des zur Verfügung stehenden Budgetrahmens nicht gewährleistet. Es wird eine Entschädigung von CHF 2'500 aus dem Kunstkredit gesprochen. 2 JU RY B E R IC HT KU NST K R E D IT BAS E L - STA DT Jurierung vom 29. Januar 2016 Folgende vier Projekte wurden der Quartierbevölkerung am 28. Januar 2016 vorgestellt und von der Jury am 29. Januar 2016 abschliessend beurteilt: ANDREA HILDBRAND WACHHUND 4053 Andrea Hildbrand verarbeitet in ihrem Projektvorschlag „Wachhund 4053“ Versatzstücke aus dem Quartier; der Entwurf gliedert sich in einen Vorderund Hintergrund. Für ihr Hauptmotiv, den monströs vergrösserten, aber vom Typus her kleinen, kläffenden Hund, liess sie sich unter anderem von der Jugendkultur im „Gundeli“ inspirieren. Einige der Jungen trügen ihre Postleitzahl mit Stolz als Marke für ihr Quartier und drückten damit eine Ortsverbundenheit aus. Der Wachhund, der zwar kräftig bellt, aber auch klein und liebenswert ist, steht in diesem Sinne für die Identifikation mit der Umgebung und könnte als ein Erkennungszeichen oder Maskottchen funktionieren. Für den rasterartig aufgebauten Hintergrund suchte Andrea Hildbrand in dem städtebaulich ebenso rasterartig aufgebauten Quartier nach charakteristischen Merkmalen, aus denen sie selbst Symbole ableitete. Sie liess sich dabei fast ohne Vorbehalte inspirieren und erstellte eine beeindruckende Sammlung an Identifikationszeichen, welche sie dem bellenden Hund als Raster in grauer Farbe hinterlegt. Andrea Hildbrands Vorschlag wird vor allem für seine klare Zeichensetzung und Zugänglichkeit gewürdigt. Die Figur des charmant-gefährlichen kleinen Hundes hätte das Potenzial, eine Identifikationsfigur für das Quartier zu werden. Sie sei leicht verständlich und könne deshalb unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ansprechen. Der Aspekt der Verteidigung und Begrenzung wird unterschiedlich gedeutet. Seine aggressive und abweisende Seite wird sowohl in der Publikumsdiskussion als auch von der Jury kritisch diskutiert. Die Gestaltung des Hintergrunds überzeugt die Jury nicht. In der Findung der unterschiedlichen Symbole zeige sich zwar die Vielseitigkeit des Quartiers, gestalterisch sei sie jedoch zu wenig akzentuiert und verbinde sich kaum mit dem Hund. Auch überzeugt der eher grafisch-illustrative Ansatz der Arbeit ästhetisch nicht. Es wird eine Entschädigung von CHF 2'500 aus dem Kunstkredit gesprochen. 3 JU RY B E R IC HT KU NST K R E D IT BAS E L - STA DT CLARE KENNY SITE UNSEEN Clare Kennys Vorschlag „Site Unseen“ ist eine mittels Malerei umgesetzte dreidimensionale Collage in den Farben Orange, Weiss und Blau. Sie setzt sich aus fotografisch gesammelten Fassadenversatzstücken der Liegenschaft an der Gundeldingerstrasse 311 und der Umgebung der Achilles Bischoff-Strasse zusammen. Ausgehend von diesen Aufnahmen fertigte die Künstlerin Abzüge, die sie auf der Rückseite mit einem Orange besprühte, wie es die Sonnenstoren an der Frontseite der Gundeldingerstrasse 311 aufweisen. In einem weiteren Schritt wurden diese Vorlagen in dreidimensionale Objekte gefaltet und kaleidoskopartig wieder zusammengefügt. Viele Einzelbilder setzen sich zu einem Ganzen zusammen. Faszinierend an diesem Formen- und Farbenspiel ist dabei die Lust, aus Volumen Flächen und daraus wiederum neue, fiktionale Körper entstehen zu lassen. Alltägliche Ansichten werden analysiert, seziert und neu komponiert. Das Zusammenkommen faktischer Gegebenheiten zu fiktional Komponiertem sorgt für einen frischen Blick auf einen bekannten Ort, den man (so) noch nie gesehen hat. Clare Kennys Projektvorschlag wird für seine Farbigkeit, Frische und künstlerische Qualität gelobt. Allgemein wird der sowohl ästhetisch wie auch inhaltlich kohärenten Arbeit eine Langlebigkeit attestiert. Die Jury ist überzeugt, dass das Projekt mit unaufdringlichem Ortsbezug an dieser Stelle des Gundeldingerquartiers zu einem positiven Erlebnis beitragen wird. Die leichte Augentäuschung und der mögliche Wiederekennungseffekt in Teilen der Fassade bieten den Passanten ein Wahrnehmungsspiel an und werfen zugleich der Kunst eigene Fragen auf. Das Projekt wird zur Ausführung empfohlen. Für die Ausführung (Erarbeitung, Realisation und Honorar) stehen CHF 35'000 aus dem Kunstkredit zur Verfügung. 4 JU RY B E R IC HT KU NST K R E D IT BAS E L - STA DT GARRETT NELSON DEAR CLAUDE, 2014 Mit der Arbeit „Dear Claude, 2014“ bietet Garrett Nelson den Anwohnern und Passantinnen der Achilles Bischoff-Strasse eine poetische Begegnung mit Kunst an. Sie sieht vor, einen sechszeiligen, einem Brief ähnlichen Text auf die Wand zu malen. Präzis gesetzt, passt sich die Zeilenhöhe derjenigen der Stockwerke an, die Sockelzone bleibt ausgespart, der Grund der schwarzen Schrift erscheint in einem hellen Rosa. Der Inhalt des Textes kombiniert Referenzen zur Poesie des 20. Jahrhunderts mit einer imaginierten Liebesbeziehung zwischen den beiden Künstlern Claude Monet und Francis Picabia, je wichtige Vertreter der Kunst vor und nach der Jahrhundertwende. Es geht um Liebe, Einsamkeit, Verzweiflung, Verlust und Sehnsucht. Empfindungen, die jeden betreffen und dennoch etwas Singuläres, sehr Persönliches ansprechen. Man kann sich fragen, wer die beiden sind, die hier in einem Briefwechsel stehen und welche Beziehung sie zueinander haben. „Dear Claude, 2014“ lädt aber auch ein, die Erzählung der eigenen Geschichte anzufangen und sich zu fragen, was sie bedeutet und an wen sie sich richtet. Garrett Nelsons Vorschlag wird für seine hohe künstlerische Qualität und konzeptionelle Vielschichtigkeit gewürdigt. Er regt aber auch zu kontroversen Diskussionen an. Dass der Entwurf einerseits das Persönliche, Singuläre, darüber hinaus jedoch auch Gesellschaftliches anzusprechen vermag, wird als wertvolle und wichtige Eigenschaft für Kunst im öffentlichen Raum anerkannt. Das Medium Sprache und insbesondere die Wahl der englischen Sprache wird in der Jurydebatte einerseits als universell zugänglich, andererseits als Schwelle eingeschätzt. Kritisch angemerkt wird die vorausgesetzte Bereitschaft, sich auf die sehr anspruchsvolle Arbeit einzulassen. Es wird bezweifelt, ob „Dear Claude, 2014“ an der vorgesehenen Stelle im Stadtraum richtig platziert wäre und in ihrer Reichhaltigkeit geschätzt würde. Es wird eine Entschädigung von CHF 2'500 aus dem Kunstkredit gesprochen. 5 JU RY B E R IC HT KU NST K R E D IT BAS E L - STA DT CHRISTIAN SCHOCH QUICK RESPONSE Das grosse Wandbild „Quick Response“ von Christian Schoch ist ein ganzflächiges Ornament, das aus einem einzigen, formal und farblich gestalteten QR-Code modular aufgebaut ist. Die Allover-Struktur auf der Wand lässt an Azulejo- oder arabische Keramikfassaden denken, es verbindet sich darin jedoch Ornament und konkrete Information. Beim Vorbeigehen lassen sich die Codes via Smartphone mit einem der vielen kostenlosen QR-Code-Scanner blitzschnell aufschlüsseln und entziffern. Vermittelt werden auf diese Weise, via Website eines Quartiervereins, Neuigkeiten aus dem Gundeldingerquartier: aktuelle Informationen zum Gemüsemarkt, BVB-Mitteilungen, Veranstaltungs- und Konzerthinweise, Artikel in Zeitungen und vieles mehr. Der Code wird in drei verschiedenen Grössen – jeweils um 90 Grad gedreht – an die Fassade gemalt. Dies ermöglicht das Scannen aus unterschiedlichen Entfernungen und Winkeln zur Wand. Die Farbgebung besteht aus einem leuchtenden Gelbgrün, einem dunkeln Blauviolett und einem Türkiston. Die Jury lobt an dem von Christian Schoch vorgeschlagenen Projekt seinen Ortsbezug und seine leichte und spielerische Zugänglichkeit. Die Verbindung von Ornamentik und Code-Strukturen aus der Computertechnologie wird als interessant bezeichnet. Es wird aber auch darauf verwiesen, dass der nicht kommerzielle Gebrauch der Technologie bereits wieder an Attraktivität verliert. Allgemein wird bedauert, dass die ästhetische Wirkung in der Ausarbeitung der ersten Projektidee eher verloren als gewonnen habe. Die zweite Ebene der Wandgestaltung, die Verlinkung zu einer von einem Quartierverein betriebenen Homepage mit unterschiedlichen Informationen zu Angeboten und Veranstaltungen im Gundeli, wird gewürdigt. Aber es wird bezweifelt, dass Anwohner und Passanten ein grosses Interesse daran hätten, die Quartierzeitung via QR-Code über ein Kunstprojekt zu lesen. Es wird eine Entschädigung von CHF 2'500 aus dem Kunstkredit gesprochen. Impressum Herausgeber Präsidialdepartement Basel-Stadt Abteilung Kultur Kunstkredit Basel-Stadt Text Katharina Dunst Februar 2016 Bezugsquelle (PDF-Dokument) kultur.bs.ch 6 JU RY B E R IC HT KU NST K R E D IT BAS E L - STA DT
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