User Experience. Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?

User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Diplomarbeit
im Fachgebiet Human Computer Interaction
vorgelegt von:
Studienbereich:
Erstgutachter:
Zweitgutachter:
Jamal Mohsen
Informatik
Prof. Dr. Karl-Heinz Rödiger
Prof. Dr. Frieder Nake
© 2015
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich allen Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern danken, die zum Gelingen dieser Diplomarbeit beigetragen haben.
Mein herzlicher Dank gilt Herrn Prof. Dr. Karl-Heinz Rödiger für seine wertvollen
Ratschläge, Anregungen und die freundliche Hilfsbereitschaft, die er mir entgegenbrachte, und für die Chance, mich mit einem spannenden und interessanten Thema
auseinanderzusetzen.
Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Frieder Nake für die freundliche Zusage, das
Zweitgutachten dieser Arbeit zu übernehmen.
Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei meinen Freunden, die mich ermutigten
und aufbauten, wenn die Motivation sank.
Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, die mir mein Studium ermöglicht und
mich in all meinen Entscheidungen unterstützt hat.
© Jamal Mohsen
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Zusammenfassung
Inhalt dieser Arbeit ist die Thematik der User Experience mit dem Fokus auf der Frage, ob sie eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns darstellt. Nach einem generellen
Überblick über das Thema User Experience und über das Ziel der Arbeit in Kapitel 1 wird in Kapitel 2 das Thema Interaktionsdesign vorgestellt. Hierbei werde ich
auf die Gestaltung der Benutzungsschnittstelle, die Interaktionselemente, die Einund Ausgabemedien sowie auf eine Definition der Leitideen des Interaktionsdesigns
eingehen. Im darauf folgenden Kapitel 3 stelle ich das Hauptthema User Experience
vor. Da Usability-Aspekte in der User Experience eine Rolle spielen, möchte ich die
beiden Themen einander gegenüberstellen. Außerdem möchte ich die Einflussfaktoren auf die User Experience diskutieren. Anschließend gehe ich in Kapitel 4 auf die
theoretischen Ausführungen zum Aspekt der User Experience ein. Darüber hinaus
werde ich die Kriterien der User Experience nach verschiedenen Wissenschaftlern
darstellen. Das fünfte Kapitel umfasst die verschiedenen Elemente, die für die Gestaltung einer erfolgreichen User Experience eines Produktes berücksichtigt werden
müssen. Es wird das Fünf-Elemente-Modell von Garrett präsentiert. Darin wird ausführlich erklärt, was das Modell ist und wie man es in der Praxis benutzen kann.
Danach wird in Kapitel 6 die Frage im Titel der Arbeit beantwortet. Dafür wird das
Thema User Experience mit vier anderen Disziplinen, die mit User Experience zu
tun haben, verglichen. Das siebte Kapitel umfasst einige Gestaltungsprozesse und
Methoden der User Experience. Außerdem werden die Evaluationstechniken für die
User Experience, insbesondere der sogenannte AttrakDiff2-Fragebogen, diskutiert.
Schlussendlich wird in Kapitel 9 eine Zusammenfassung und eine mögliche zukünftige Arbeit dargestellt.
© Jamal Mohsen
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
IV
1 Einleitung
1
2 Interaktionsdesign
3
2.1
Gestaltung der Benutzungschnittstelle . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1.1
Ablauf einer Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.1.1.1
„Human action cycle“ von Norman
. . . . . . . . .
4
2.1.1.2
Design-Prinzipien von Norman . . . . . . . . . . . .
6
Interaktionsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.1.2
2.2
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.2.1
Tastatur und Maus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2.2.2
Touch und Multitouch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
2.3
Interaktionsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
2.4
Interaktionselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.4.1
Anordnung von Interaktionselementen . . . . . . . . . . . . .
15
Leitideen des Interaktionsdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2.5
Ein- und Ausgabemedien
3 User Experience und Usability
19
3.1
Usability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
3.2
User Experience
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
3.2.1
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
3.2.2
Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
3.3
User Experience vs. Usability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
3.4
Einflussfaktoren auf die User Experience . . . . . . . . . . . . . . . .
28
3.4.1
Einfluss der Situation auf die User Experience . . . . . . . . .
28
3.4.1.1
Soziales Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
3.4.1.2
Physisches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Einfluss der Zeit auf die User Experience . . . . . . . . . . .
30
3.4.2
4 Qualitätskriterien für User Experience
4.1
33
Theoretische Ausführungen zum Aspekt von User Experience . . . .
33
4.1.1
Goal Mode und Action Mode . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
4.2
Kriterien nach Hassenzahl et al. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
4.3
Kriterien nach Overbeeke et al. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
© Jamal Mohsen
I
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Inhaltsverzeichnis
4.4
Kriterien nach Jordan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
4.5
Kriterien nach Norman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
4.6
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
5.1
Strategieebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
5.1.1
Strategie definieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
5.1.2
Produktziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
5.1.2.1
Produktinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
5.1.2.2
Identifizierung der Produktziele . . . . . . . . . . .
46
Nutzerbedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
5.1.3.1
Benutzergruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
5.1.3.2
Kano-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Umfangsebene
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
5.2.1
Umfang definieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
5.2.2
Definition der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
5.2.3
Funktionsspezifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
5.2.4
Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
Strukturebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
5.3.1
Struktur definieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
5.3.2
Interaktionsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
5.3.3
Informationsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
Rasterebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
5.4.1
Definition des Rasters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
5.4.2
Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
5.4.3
Navigationsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
5.4.4
Informationsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
Oberflächenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
5.5.1
Definition der Oberfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
5.5.2
Einsatz der Sinne zur positiven Gestaltung von User Experience 68
5.1.3
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
42
5.5.2.1
Sehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
5.5.2.2
Hören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
5.5.2.3
Geschmack und Geruch . . . . . . . . . . . . . . . .
69
5.5.2.4
Berührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
5.5.3
Beurteilung des visuellen Designs . . . . . . . . . . . . . . . .
70
5.5.4
Techniken der visuellen Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . .
71
5.5.4.1
Farbkontraste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
5.5.4.2
Farbpaletten und Typografie . . . . . . . . . . . . .
72
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
© Jamal Mohsen
II
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Inhaltsverzeichnis
6 User Experience eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
75
6.1
User Experience ist dynamisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
6.2
CUE-Modell nach Thüring und Minge . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
6.3
Stellt User Experience eine Neuerung dar? . . . . . . . . . . . . . . .
79
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
81
7.1
Methode nach Hull und Reid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
7.2
Gestaltungsprozess nach Karat und Karat . . . . . . . . . . . . . . .
82
7.3
Methode nach Dix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
7.4
Ermittlung von Hauptmerkmalen des Produktes mittels Laddering .
83
7.5
AttrakDiff2: Ein Fragebogen misst UX . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
7.5.1
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
7.5.2
AttrakDiff2 nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
7.5.3
Ergebnisdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
8 Zusammenfassung und zukünftige Arbeit
89
9 Literaturverzeichnis
91
9.1
Bücher und Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
9.2
Online-Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
Eidesstattliche Erklärung
97
© Jamal Mohsen
III
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
2.1
Unterseite der Maus [Engelbart/English 1968]. . . . . . . . . . . . .
12
2.2
Minimalgrößen für berührbare Elemente [Moser 2012]. . . . . . . . .
13
2.3
Auswahl von Daten [Moser 2012]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.4
Die wichtigsten Elemente einer Webseite [Moser 2012]. . . . . . . . .
15
2.5
Wirkungsbereichsbeispiel [Moser 2012]. . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
2.6
Abhängigkeitsbeispiel [Moser 2012]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2.7
Leserichtung des Dialogs [Moser 2012]. . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
3.1
Nutzungsrahmen für die Usability nach ISO 9241-11 [Herczeg 2009].
21
3.2
Ansatzpunkte von Usability und User Experience [Geis 2010]. . . . .
26
3.3
Einfluss der Zeit nach dem Kano-Modell [Moser 2012]. . . . . . . . .
31
4.1
Produktcharaktere [Reeps 2004]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
4.2
Goal Mode und Action Mode nach Hassenzahl in [Stein 2010]. . . . .
35
4.3
Hierarchy of Consumer Needs in Human Factors ([Reeps 2004], S. 30). 38
4.4
Die drei Ebenen der Wahrnehmungsverarbeitung ([Gersch 2009], S.
28).
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
5.1
Die fünf Ebenen der User Experience nach Garrett [2012]. . . . . . .
43
5.2
Die Komponenten der Strategieebene [Garrett 2012]. . . . . . . . . .
44
5.3
Die wichtigen Phasen des Ideen-Filters [Moser 2012]. . . . . . . . . .
45
5.4
Benutzergruppierung-Beispiel [Garrett 2012]. . . . . . . . . . . . . .
48
5.5
Die Komponenten der Umfangsebene [Garrett 2012]. . . . . . . . . .
51
5.6
Beispiele der Beziehung zwischen den strategischen Zielen und den
Anforderungen [Garrett 2012]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
5.7
Die Komponenten der Strukturebene [Garrett 2012]. . . . . . . . . .
57
5.8
Der Von-oben-nach-unten-Ansatz (oben) und der Von-unten-nachoben-Ansatz (unten) ([Garrett 2012], S.90). . . . . . . . . . . . . . .
60
Die Komponenten der Rasterebene [Garrett 2012]. . . . . . . . . . .
62
5.10 Ein Beispiel der globalen Navigation [Garrett 2012]. . . . . . . . . .
65
5.11 Ein Beispiel der lokalen Navigation [Garrett 2012]. . . . . . . . . . .
66
5.12 Die Komponente der Oberflächenebene [Garrett 2012]. . . . . . . . .
68
5.13 Ein Beispiel der Farbkontraste [Garrett 2012]. . . . . . . . . . . . . .
71
5.9
© Jamal Mohsen
IV
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Abbildungsverzeichnis
6.1
Das User Experience Lifecycle Model ([Thüring/Minge 2014], S. 48).
75
6.2
Das CUE-Modell ([Thüring/Minge 2014], S. 46). . . . . . . . . . . .
77
6.3
Eigenschaften und Zusammenspiel der Disziplinen ([Reeps 2004], S.
48).
7.1
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
die Ableitung von persönlichen Werten aus Produkteigenschaften
[Reeps 2004]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
7.2
Online-Version des AttrakDiff-Fragebogens (Quelle: www.attrakdiff.de). 86
7.3
Portfoliodarstellung des Projekttyps „Vergleich Produkt A - Produkt
B“ (Quelle: www.attrakdiff.de). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
© Jamal Mohsen
88
V
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
1 Einleitung
1 Einleitung
In den vergangenen Jahrzehnten traten interaktive Systeme praktisch in allen Bereichen menschlicher Aktivitäten auf. Es wird daher immer wichtiger, Produkte zu
gestalten, die einfach, effektiv und angenehm sind und in vielen Fällen Spaß bei
der Benutzung machen. Seit dem Beginn der 1980er Jahre ist die Interaktion zwischen Mensch und Computer (MCI) ein wichtiges Forschungsgebiet, welches mit der
Zeit immer weiter gewachsen ist. Es wurden viele Leitideen, Ansätze, Theorien und
Methoden erstellt, um diese Interaktion zu unterstützten.
Bisher lag die Usability (die Gebrauchstauglichkeit) im Zentrum der Aufmerksamkeit der Designer, es wurde also immer versucht, interaktive Produkte, mit denen der
Benutzer seine Ziele auf möglichst effiziente, effektive und zufriedenstellende Art erreichen kann, zu gestalten. Benutzer freuten sich früher über ein gebrauchstaugliches
Produkt. Dementsprechend reichte Usability aus, diese Rolle zu spielen.
Heutzutage sind die Benutzer nicht mehr überrascht, wenn ein interaktives Produkt
gebrauchstauglich ist, sondern sie sind negativ überrascht, wenn das Produkt schwer
zu bedienen ist (siehe Kapitel 4.4). Außerdem reicht es nicht mehr aus, interaktive
Produkte nur nach Effektivität und Effizienz zu gestalten, sondern es wird zur Zeit
immer mehr über sogenannte „hedonische“ Qualitätsaspekte wie die Motivation, Stimulation, Identität oder das generellen Wohlbefinden des Benutzers diskutiert. User
Experience, was auf deutsch soviel wie „Benutzungserlebnis“ bedeutet, beschäftigt
sich mit diesen neuen Aspekten, aber auch mit klassischen Problemen der Usability
und des Designs.
Die User Experience ist ein relativ junger Ansatz und ein wichtiges Thema bei der
Entwicklung von interaktiven Produkten. Da sie ein multidisziplinäres Forschungsgebiet ist, tritt sie stark in Bereiche wie Marketing, Psychologie, Soziologie, Computerwissenschaft, Grafikdesign und Informationstechnologie ein. Als Begriff wurde
sie von Donald Norman geprägt (siehe Kapitel 3.2.1).
Die User Experience ist ein ganzheitlicher Ansatz, der alle Erlebnisse des Benutzers
bei der Verwendung eines Produktes umfasst. Diese Erlebnisse fangen beim Kauf
des Produktes an und gehen über den Gebrauch bis hin zum Upgrade und Support
[Wagner 2012]. Das Benutzungserlebnis ist ein wichtiges Thema in der MenschComputer-Interaktion. Es spielt bei der Produktentwicklung eine wichtige Rolle,
© Jamal Mohsen
1
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
1 Einleitung
weil einige dieser Produkte einen so hohen Grad technischen Fortschritts erreicht
haben, dass ihre gute Gebrauchstauglichkeit nicht mehr ausreichend ist, um mit
anderen Produkten zu konkurrieren. Deswegen ist die Suche nach neuen potentiellen
Wettbewerbsvorteilen von Bedeutung. Die User Experience bietet eine Möglichkeit
dazu.
Ziel der Arbeit ist die Diskussion, ob die User Experience eine neue Leitidee des
Interaktionsdesigns darstellt. Um dieses Ziel zu erreichen, wird diese neue Thematik
in verschiedenen Facetten vorgestellt. Es werden die wichtigsten Kriterien, Modelle,
Methoden und Evaluationstechniken der User Experience präsentiert.
Eine Anmerkung zur Nutzung der Geschlechtsform:
Für die bessere Lesbarkeit der Arbeit verwende ich nur eine Form von Personenbezeichnungen. Hier möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass sowohl die weibliche als
auch die männliche Form gemeint ist.
© Jamal Mohsen
2
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
2 Interaktionsdesign
Interaktionsdesign ist ein „Interdisziplinäres Gebiet, vor allem aus Informatik und
Design entwickelt, das sich mit der Gestaltung multimedialer, interaktiver Systeme
und dort insbesondere mit der Gestaltung der Benutzungsschnittstelle beschäftigt“
([Herczeg 2007], S. 261).
2.1 Gestaltung der Benutzungschnittstelle
Eine Benutzungsschnittstelle ist das Bindeglied, das die Interaktion zwischen Benutzer und Anwendungsprogramm ermöglicht und den Austausch von Informationen
steuert [Schneider 1997]. Ein Benutzer verwendet die Benutzungsschnittstelle, weil
er bestimmte Ziele hat und vom System erwartet, dass es ihm dabei hilft, diese zu
erreichen [Moser 2012]. Zum Beispiel möchte er ein Dokument drucken, einen Text
schreiben oder wissen, wie viel Einwohner es in einer Stadt gibt.
Die Aufgabe des Interaktionsdesigns ist es, eine Benutzungsschnittstelle zu gestalten, mit der ein Benutzer seine Ziele auf eine möglichst effiziente, effektive und
zufriedenstellende Art erreichen kann [Moser 2012].
In der Gestaltung der Benutzungsschnittstelle (Seite der Entwickler) werden im ersten Schritt die Funktionsblöcke, die in den Anforderungen zusammengehören, definiert. In diesem Fall werden beispielsweise die Eingabeformulare, Datenlisten oder
Suchmasken identifiziert. Dann werden diese Blöcke auf verschiedene Eingabemasken verteilt. Danach werden die Funktionsblöcke in einem zweiten Schritte ausgearbeitet. Dazu werden die passenden Interaktionselemente zum Eingeben, Auswählen
oder Anzeigen von Informationen auf dem Bildschirm ausgewählt.
Die Entwicklung eines guten Interaktionsdesigns ist eine schwere und komplexe Aufgabe. Normalerweise besteht sie aus mehreren Iterationen. Deswegen ist es empfehlenswert, bis die Ideen eine gewisse Stabilität erreicht haben, mit Prototypen (z.B
mit Papier) zu arbeiten. Mit Papier (Prototypen) können wir die Benutzungsschnittstellen einfacher anpassen oder ausarbeiten und deutlich schneller erstellen als mit
echtem Programmcode oder in einem elektronischen Medium. Die Arbeit mit Prototypen hat viele Vorteile. Wir können zum Beispiel bereits früh Usability-Tests
© Jamal Mohsen
3
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
durchführen; wir können damit sogar mehrere Lösungsmöglichkeiten finden [Moser
2012].
2.1.1 Ablauf einer Interaktion
Der Ablauf einer Interaktion zwischen einem Benutzer und einem interaktiven Produkt passiert immer in der gleiche Methode. Der Benutzer hat bestimmte Ziele und
möchte sie mithilfe des Produkts erreichen. Normalerweise muss er mehrere Schritte
ausführen, um an das Ziel zu gelangen: Der Benutzer führt den ersten Handlungsschritt (Aktion) aus und wartet auf die Reaktion des Systems. Verändert sich der
Systemzustand, nimmt er diese Veränderung wahr. Dann interpretiert er diese und
bewertet die Ergebnisse anhand der Ziele. Hier kommt die Frage: Hat er seine Ziele erreicht? Wenn ja, dann ist er fertig, und die Interaktion war erfolgreich. Wenn
nein, wiederholt er diesen Prozess (nächsten Schritt ausführen, Status interpretieren,
Ergebnisse bewerten) so lange, bis seine Ziele erreicht werden [Moser 2012].
Meistens können in der Praxis bei diesem Prozess Probleme auftreten. Dies ist der
Fall, wenn der Benutzer nicht weiß, wie er fortfahren kann, oder wenn er auch nicht
weiß, ob er seinen Zielen näher gekommen ist, oder er muss noch was tun.
Nievergelt [Nievergelt 1983] hat dazu vier einfache Fragen gestellt, die diese Probleme
jederzeit überprüfbar machen können. Diese Fragen werden als „4 Ws“ bekannt und
später „Nievergelt’sche Fragen“ genannt.
- Wo bin ich? (was zeigt mir der Bildschirm?, aktueller Systemzustand, aktuelle
Objekte)
- Was kann ich hier tun? (mögliche Operationen, Befehle, Interaktionselemente)
- Wie kam ich hierher? (vielleicht habe ich eine falsche Taste gedrückt oder eine
falsche Operation ausgeführt)
- Wohin kann ich sonst noch gehen? (was sind die alternativen Handlungsfelder?)
Diese Fragen entscheiden über den Erfolg bzw. Misserfolg der Interaktion mit der
Software. Wenn der Anwender jederzeit in der Lage ist, sich diese Fragen zu beantworten, dann reden wir von erfolgreicher Interaktion (vgl. [Nievergelt 1983]).
2.1.1.1 „Human action cycle“ von Norman
Norman [Norman 1988], der amerikanische Psychologe, hat für den Ablauf der
Interaktion zwischen Menschen und technischen Geräten sieben Schritte unterschieden:
© Jamal Mohsen
4
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
1- Das Ziel formulieren
2- Die Intention (Absicht) formulieren
3- Eine Handlung spezifizieren
4- Eine Handlung ausführen
5- Den Systemzustand wahrnehmen
6- Den Systemzustand interpretieren
7- Das Ergebnis auswerten (Vergleich des erreichten Zustands mit den Zielen)
Das Modell des „Human action cycle“ besteht aus diesen sieben Schritten, welche in
drei Phasen unterteilt sind. Dabei gehören die Stufen 2 bis 4 zur Ausführungsphase
und die Stufen 5 bis 7 zur Auswertungsphase.
Die Zielformulierungsphase
Am Anfang jeder Interaktion wird ein Ziel definiert, welches erreicht werden soll:
Der Benutzer überlegt sich, was er mit Unterstützung eines interaktiven Systems
machen möchte. Zum Beispiel möchte er eine Seite drucken oder eine Abbildung
scannen.
Die Ausführungsphase
Nachdem der Benutzer gewisse Ziele formuliert hat, ist eine Handlungsintention
entstanden. Der Benutzer muss bestimmte technische Geräte oder Computersysteme
und ihre wichtigsten Funktionen kennen, um zu wissen, welche Aktivitäten für ihn
zur Verfügung stehen.
Nachdem der Benutzer sich für ein Computersystem oder ein technisches Gerät
entschieden hat, plant er eine logische Sequenz von Handlungsschritten, mit welchen
das Ziel erreicht werden soll. Anschließend beginnt er diese auszuführen.
Die Auswertungsphase
Wenn die Ausführungsphase fertig ist, also die geplanten Aktionen durchgeführt
sind, reagiert das System aufgrund der Aktionen; der Systemzustand wird geändert.
Der Benutzer bekommt eine Rückmeldung dieser Veränderung. Der Benutzer nimmt
diese Rückmeldung wahr. Anschließend interpretiert er diesen neuen Zustand. Und
schließlich wird dieser vom Benutzer bewertet, das heißt, mit dem gewünschten Ziel
verglichen.
Dieser Ablauf (drei Phasen) wiederholt sich so lange, bis die Ziele erreicht wurden.
© Jamal Mohsen
5
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
Norman hat in der Ausführungsphase und auch in der Auswertungsphase verschiedene Klüfte festgestellt:
Kluft der Ausführung
In der Phase der Ausführung kann es zu Problem kommen, dass der Benutzer vor
der Schwierigkeit steht, seine Intention mit den realisierbaren, physischen Aktionen
umzusetzen. Beispielsweise dann, wenn der Benutzer nicht weiß, welche Aktionen
er ausführen muss, um seine Ziele zu erreichen. Oder wenn das System selbst diese
notwendigen Aktionen nicht bietet. Dieses Problem wird von Norman unter dem
Begriff Kluft der Ausführung zusammengefasst.
Kluft der Auswertung
In der Auswertungsphase kann das Problem auftreten, wenn der Benutzer den Systemzustand nicht so erfassen kann, wie es notwendig wäre. Gleichzeitig liefert das
System kein ausreichendes Feedback. Es stellt sich immer die Frage, wird der Systemzustand richtig interpretiert? Wurde das gewünschte Ziel erreicht? Norman fasst
diese Probleme unter dem Begriff Kluft der Auswertung zusammen.
2.1.1.2 Design-Prinzipien von Norman
Um die Klüfte bei der Ausführung und der Auswertung zu überwinden, stellt
Norman zu seinem Modell sechs Designprinzipien vor [Norman 2005]:
Sichtbarkeit
Die relevanten Teile der Software sollen zum richtigen Zeitpunkt für den Benutzer
deutlich und gut sichtbar sein. Damit er stets deutlich erkennen kann, wo er sich
befindet, welche Möglichkeiten er hat und wie er fortfahren kann.
Aktion und Wirkung
In der Interaktion soll jedes Element klar erkennbar sein, wie und wofür es benutzt
wird. Zum Beispiel können benannte Buttons sehr hilfreich sein.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
Feedback
Das System soll nach jeder ausgeführten (im Erfolgs- wie auch im Misserfolgsfall)
Aktion unmittelbare Informationen ausgeben.
Einschränkungen
Das System soll nur zulässige und sinnvolle Optionen ermöglichen. Alle anderen
sollen vom System ausgeblendet oder gesperrt werden, damit das System den
Benutzer bei seiner Zielerreichung unterstützen kann.
Konsistenz
Gleiche oder ähnliche Aufgaben und Interaktionen sollen mit gleichen oder ähnlichen Objekten, Elementen und Operationen durchgeführt werden können, um die
Erlernbarkeit zu verbessern.
Affordance
Die Übersetzung des Begriffs Affordance ist Angebot zur Nutzung. Damit meint Norman, dass bestimmte Interaktionselemente ein Angebot für eine bestimmte Nutzung
darstellen sollen.
2.1.2 Interaktionsstile
Nach Shneiderman [Moser 2012] gibt es vier wichtige Interaktionsstile für die Manipulation von Objekten an der Benutzungsschnittstelle:
- Menüauswahl
- Formulareingabe
- Direkte Manipulation
- Sprachsteuerung
Ein geeigneter Interaktionsstil muss für jedes Softwareprodukt gewählt werden.
Dabei spielen die vorhandenen Ein- und Ausgabemedien, das Umfeld und die
Aufgabe eine wesentliche Rolle.
Menüauswahl
In Softwareprodukten mit Menüauswahl liest der Benutzer eine Liste von Einträgen
oder Befehlen und wählt den für die Erledigung der Aufgabe passenden aus.
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
Die Liste von Befehlen muss gut strukturiert und beschriftet werden, damit der
Benutzer in wenigen Schritten mit geringem Merk- und Lernaufwand seine Ziele
erreichen kann. Drop-Down-Menüs ist ein relevantes Beispiel. Sie werden oft
benutzt, um nicht zu viel Bildschirmfläche zu verbrauchen. Menüauswahl hat wie
andere Interaktionsstile Vor- und Nachteile:
Vorteile:
- Schnelle Erlernbarkeit.
- Passt sehr gut für Anfänger und Fortgeschrittene.
- Man braucht nicht so viele Tasten zu drücken.
- Man kann schnell eine Entscheidung treffen, weil alle Auswahlmöglichkeiten auf
einmal angezeigt werden.
- Man kann lexikalische Eingabefehler durch vorgegebene Befehle vermeiden.
Nachteile:
- Kann den Benutzer verlangsamen, wenn er mehrere Listen durchlaufen muss, um
eine Entscheidung zu treffen.
- Skaliert sehr schlecht bei vielen Einträgen.
- Braucht viel Platz auf dem Bildschirm und ist insbesondere für kleine Anzeigen
nicht geeignet.
- Die Darstellungsgeschwindigkeit muss sehr hoch sein.
Formulareingabe
Beim Interaktionsstil der Formulareingabe besteht die Benutzungsschnittstelle aus
Feldbeschriftungen und den dazugehörigen Eingabefeldern. Wenn Daten eingegeben
werden müssen, passt die Menüauswahl eigentlich nicht zu dieser Aufgabe, weil
sie teilweise beschränkt ist, die Formulareingabe ist dann eher angemessen. Das
Ausfüllen der Formulare wird in der Regel mit der Tastatur erfüllt. Der Benutzer
kann dabei den Cursor zwischen den Feldern mit der TAB-Taste (geht auch
mit der Maus) bewegen und mit der Eingabetaste (Enter-Taste) das Formular
absenden. Der Benutzer muss die Feldbeschriftungen gut verstehen und mit den
Fehlermeldungen gut umgehen können. Formulare spielen heute noch eine wichtige
Rolle bei der Dateneingabe.
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
Vorteile:
- Die Dateneingabe ist effizient und einfach.
- Benötigt nicht viel Training und ist schnell zu erlernen.
- Feldbeschriftungen geben gute Unterstützung und dienen als Hinweise, die den
Benutzer durch das Formular führen können.
Nachteile:
- Verbraucht Bildschirmfläche (benötigt viel Platz auf dem Bildschirm).
Direkte Manipulation
Unter direkter Manipulation wird die grafische Darstellung von Objekten und Funktionen des Anwendungsprogramms verstanden. Die Manipulation von Objekten
erfolgt direkt am Objekt selbst. Bei dieser Art von Interaktion sind die Fehlermöglichkeiten sehr hoch. Deswegen sollten alle Funktionen rückgängig gemacht werden
können. Die Voraussetzung für die direkte Manipulation ist die Verfügbarkeit eines
Zeigegeräts (Maus) zur Anwahl von Objekten.
Vorteile:
- Schnell zu erlernen.
- Keine oder wenige Gedächtnisbelastungen.
- Alle Objekte und Tätigkeiten werden visuell klar auf dem Bildschirm repräsentiert.
- Einfache Fehlervermeidung durch das direkte Anzeigen von Ergebnissen - Fördert
die Exploration.
Nachteile:
- Schwer und aufwändig zu programmieren.
- Passt nicht gut für kleine Anzeigen.
- Passt nicht gut für Experten.
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
Sprachsteuerung
Sprachsteuerung kann entweder durch natürliche Sprache oder eine Befehlssprache
geschehen. Da Natürliche Sprachen nicht erlernt werden müssen, haben sich in
letzter Zeit viele Forscher und Entwickler im Bereich NLP1 damit beschäftigt, dass
Computer natürliche Sprachen gut verstehen und auf beliebige natürlichsprachliche
Sätze richtig antworten können. Trotzdem ist es noch immer sehr aufwändig für
Computer, sie zu verstehen. Befehlssprachen hingegen sind für die Verständigung
mit dem Computer einfach, haben eine feste Struktur und reduzierte Gruppen von
Befehlen. Die Vorteile und Nachteile der Befehlssprachen sind:
Vorteile:
- Flexibel für Experten.
- Erfordern keine speziellen Eingabegeräte.
Nachteile:
- Schwache Fehlerbehandlung und hohe Fehlermöglichkeiten.
- Erfordern hohen Lernaufwand, viel Training und ein gutes Gedächtnis.
- Passen für Anfänger nicht gut.
2.2 Ein- und Ausgabemedien
Die Ein- und Ausgabemedien spielen die Rolle des Konverters zwischen einem Menschen und einem Computer. Eingabegeräte übersetzen die Aktionen des Menschen
in eine Form, welche für den Computer verständlich ist. Umgekehrt wandeln Ausgabemedien die Reaktion des Computers in eine für Menschen verständliche Form
um.
Die Auswahl der geeigneten Ein- und Ausgabegeräte hängt von verschiedenen Faktoren ab. Moser äußerte: „Jedes Medium hat Vorteile und Nachteile. Seine Wahl
muss auf die Aufgabe abgestimmt werden“ ([Moser 2012], S. 132).
Bei der Wahl eines passenden Eingabegeräts spielen das Design und die Funktion des
Geräts sowie die äußeren Umstände eine entscheidende Rolle [Preim/Dachselt 2010].
Beispielsweise wäre für das Informationsterminal an einem Bahnhof wahrscheinlich
eine Touchscreeneingabe und eine vandalismussichere Tastatur eine gute Lösung.
Und für kleine mobile Geräte wäre eine Stifteingabe am besten geeignet.
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Natural Language Processing
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
2.2.1 Tastatur und Maus
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Eingabegeräten entwickelt worden.
Trotzdem sind Tastatur und Maus immer noch die Standard-Eingabegeräte. Sie
sind weltweit die am meisten verwendeten Eingabegeräte. An erster Stelle kommt
die Tastatur, gefolgt von der Maus [Moser 2012]. Alle modernen Firmen, wie z. B.
Apple und Microsoft, haben ihre Betriebssysteme für diese Eingabegeräte optimiert.
Die Tastatur
Die Tastatur ist das Standard-Eingabegerät, um alphabetische und numerische
Daten einzugeben. Die heutigen Rechnertastaturen ähneln sehr den im 19. Jahrhundert entstehenden Schreibmaschinen. Das heute verbreitete Tastatur-Layout
geht auf den Herausgeber und Erfinder Christopher L. Sholes zurück, der etwa im
Jahr 1870 die erste erfolgreiche Schreibmaschine entwickelte [Preim/Dachselt 2010].
Die bekanntesten heutigen Tastatur-Layouts werden QWERTZ bzw. QWERTY
genannt. Sie haben ihre Namen von der Reihenfolge der Buchstaben in der obersten
Buchstabenzeile.
Die Maus
Die Maus ist das Zeigegerät, das weltweit am weitesten verbreitet ist und genutzt
wird.
In den 1960er Jahren wurde sie als billige Alternative zu Stiften entwickelt. Im
Vergleich zu einem Stift war sie im Allgemeinen weniger umständlich und ermüdend
zu bedienen [Engelbart/ English 1968]. Dieses Zeigegerät konnte damals durch zwei
Räder, die sich an der Unterseite der Maus befanden, in x- und y-Richtung vorund zurückbewegt werden (Abbildung 2.1). Die Bewegung der Maus erfolgt mit
der Hand durch das Verschieben des Geräts auf dem Schreibtisch oder auf einer
entsprechenden Unterlage, so dass ein Cursor auf dem Bildschirm gesteuert wird.
Die Aufgabe der Maus ist es, Elemente oder Regionen einer Benutzungsschnittstelle
zu selektieren, zu aktivieren bzw. zu manipulieren.
Im Laufe der Jahre wurde die Funktionalität sowie das Aussehen der Maus stark
verbessert. Die Ergonomie führte zur Veränderung der äußeren Form des Geräts,
sodass man die Maus gut und bequem anfassen kann [Preim und Dachselt 2010].
Die Anzahl der Maustaten und ihre Anordnung haben sich auch im Laufe der Zeit
immer weiter verändert. Heutzutage hat jede Maus mindestens zwei Mausknöpfe.
Die linke Maustaste ist nötig, um ein Element auf der Benutzerschnittstelle zu selektieren oder einen Befehl auszulösen. Durch das Drücken der rechten Maustaste
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2 Interaktionsdesign
Abbildung 2.1: Unterseite der Maus [Engelbart/English 1968].
kann der Benutzer ein kontextabhängiges Menü, welches verschiedene Befehle zu
gewählten Objekten hat, aktivieren.
Der Mauszeiger ist normalerweise ein Pfeil. Aber er verwandelt sich in eine andere
Form (z. B. in eine Hand oder ein Fadenkreuz ), um anzuzeigen, dass an dieser
Stelle eine spezielle Funktion ausgeführt werden kann. Zum Beispiel ändert er sein
Aussehen innerhalb eines Textfeldes, um dem Benutzer anzuzeigen, dass er einen
Cursor setzen oder einen Abschnitt auswählen kann.
Es ist auch möglich, dass ein Interaktionselement seine Form oder seine Farbe ändert,
sobald sich der Mauszeiger über ihm befindet. Dies ist der Fall, wenn dieses Objekt
mit der Maus geklickt werden kann. Dieses Verhalten des Elements wird HoverEffekt genannt.
Eine andere Besonderheit heißt Tooltips: Sie sind Hilfetexte, die angezeigt werden,
wenn der Mauszeiger für einige Sekunden über einem Element platziert wird.
2.2.2 Touch und Multitouch
Touchscreens haben eine Revolution in der Technologiewelt ausgelöst. In den letzten
Jahren wurden bereits fast alle neuen Bildschirme mit Multitouch-Funktionen ausgerüstet. Wir können beispielsweise Smartphones oder Tablet-PCs von Touchscreens
nicht mehr trennen. Auch werden Computer- und Laptopbildschirme immer mehr
mit Touch-Funktionen ausgestattet.
Touchscreens sind Bildschirme, welche eine besondere berührungsempfindliche Oberfläche besitzen. Unter Berührung versteht man, dass ein physischer Kontakt der Finger mit der Oberfläche hergestellt werden muss. Das Erkennungssystem kann die berührten Punkte ermitteln [Dorau 2011]. Im Vergleich zur Maus kann ein Multitouch-
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User Experience
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2 Interaktionsdesign
Screen mehrere Berührungspunkte gleichzeitig erkennen. So kann man zum Beispiel
ein Bild mit zwei Fingern vergrößern, verkleinern oder auch umdrehen.
Die direkte Manipulation spielt eine wichtige Rolle bei einem Touch-Bildschirm.
Das heißt, dass der Benutzer die am Bildschirm angezeigten Objekte mit dem
Finger direkt tippen, verschieben, drehen oder mehrere auswählen kann.
Sollen alle Interaktionen rückgängig gemacht werden können?
Mit der Maus kann der Benutzer von Tooltips und Hover-Effekten profitieren.
Er kann vor dem Auslösen wissen, was passiert, wenn er ein Element anklickt.
Touch-Bildschirme haben zum Einen diese Besonderheit nicht, und zum Anderen
ist die Selektionsgenauigkeit gering, weil die Fingerkuppe relativ groß ist (im
Vergleich zum pixelgenau platzierten Mauszeiger). Deswegen macht es Sinn, wenn
alle Interaktionen rückgängig gemacht werden können, um die Fehlermöglichkeiten
zu vermindern [Moser 2012].
Minimale Elementgrößen
Abbildung 2.2: Minimalgrößen für berührbare Elemente [Moser 2012].
Wenn der Benutzer ein Objekt berühren möchte, wird oft das ganze Objekt mit der
Fingerkuppe überdeckt. Es kann auch sein, dass der Benutzer ein anderes Objekt
falsch selektiert, falls es keinen genügenden Abstand zwischen den Objekten gibt oder
sie zu klein sind. Die Minimalgröße eines Objekts sowie der Abstand zwischen den
Objekten wurden im Jahr 2006 in einer empirischen Studie untersucht [Parhi/Karlson/Bederson 2006]. Bei der Studie kam zusammenfassend heraus, dass beim Erstellen der Interaktionselemente fünf Grundregeln berücksichtigt werden müssen:
1- Die Größe der normalen Objekte soll mindestens 9 mm sein.
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
2- Die wichtigen Objekte sollen größer als die normalen Objekte (größer als 9 mm)
sein.
3- In Ausnahmefällen kann die Größe des Objekts mindestens 15mm betragen.
4- Die Objekte sollen ausreichende Abstände voneinander haben, um die Treffsicherheit zu verbessern.
5- Die Minimalgröße des visuellen Teils eines Objekts soll mindestens 4,2 mm betragen. Sonst kann der Benutzer dieses Element nicht berühren.
2.3 Interaktionsmuster
„Interaktionsmuster sind Bausteine des Designs, die modular kombiniert werden
können. Dies spart Zeit, schafft Konsistenz und steigert die Qualität“ ([Moser 2012],
S. 138). Wenn wir verschiedene Arten von Anwendungsprogrammen ansehen, stellen
wir fest, dass die Interaktionen, die in dieser Software genutzt werden, sich bis zu einem gewissen Grad ziemlich ähnlich sind, obwohl sie sehr unterschiedliche Aufgaben
und Ziele haben. Bei Videoprogrammen muss der Benutzer Videos, die er anschauen
möchte, aus einer Liste auswählen. Genauso muss er bei Buchhaltungsprogrammen
Berichte, die er ausdrucken möchte, aus einer Liste auswählen. Die beiden Systeme sind sehr unterschiedlich in ihren Aufgaben und Zielen, trotzdem haben sie eine
ähnliche Lösung für diese Interaktion: Auswahl der Elemente aus einer Liste. Die Lösung dieser Interaktion wurde mit der Zeit immer weiter optimiert und am Ende als
Standardlösung benutzt. Die Standardlösung dieser Interaktion und auch die Lösungen anderer ähnlicher Problemstellungen werden als Interaktionsmuster bezeichnet
[Moser 2012].
Interaktionsmuster haben unterschiedliche Stufen der Komplexität. Für einfache Interaktionen, wie z. B. das Ausführen eines Befehls, werden in der Regel fertige Interaktionselemente wie der Button, das Kontextmenü oder die Toolbar benutzt.
Komplexe Interaktionsmuster sind oft eine Kombination aus mehreren einfachen
Mustern. Die Manipulation von Daten kann beispielsweise mit Hilfe von mehreren
Standardlösungen wie Kopieren, Einfügen, Undo oder Redo erledigt werden.
Beim Aufbauen eines Interaktionsdesigns sind Interaktionsmuster sehr hilfreich. Einerseits können sie die Arbeit des Designers erleichtern, weil er nicht ständig etwas
Neues erfinden muss. Andererseits können sie dem Benutzer helfen, da er solche
Abläufe oder Applikationen in anderen Softwareprodukten bereits verwendet hat
[Moser 2012].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
2.4 Interaktionselemente
Interaktionselemente sind alle Elemente, mit denen der Benutzer interagieren kann.
Es gibt eine große Vielfalt an Interaktionselementen, wobei jedes Element seinen
eigenen Verwendungszweck hat. Für die Auswahl von Daten stehen die Check-Box,
die List-Box, der Radio-Button oder das Drop-Down-Menü zur Verfügung (Abbildung 2.3). Bei der Entwicklung einer Plattform wie Windows oder Android werden
für viele Interaktionsmuster fertige Interaktionselemente eingesetzt. Das liegt daran,
dass die fertigen Interaktionselemente einerseits gut getestet sind und andererseits
einen großen Funktionsumfang haben.
Abbildung 2.3: Auswahl von Daten [Moser 2012].
2.4.1 Anordnung von Interaktionselementen
1. Funktionsblöcke anordnen
Abbildung 2.4: Die wichtigsten Elemente einer Webseite [Moser 2012].
Beim Erstellen einer Benutzungsschnittstelle oder einer Webseite sollen die wichtigen
Funktionsblöcke (Suchmasken, Navigation, Toolbars oder Menüleisten) so angeordnet werden, wie sie gesucht werden. Sie sollen sich möglichst immer am gleichen Ort
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
befinden. Das Suchfeld befindet sich beispielsweise in vielen Webseiten oben rechts
(vgl. Abbildung 2.4). Die dem Benutzer vertraute Anordnung spart viel Zeit und
senkt den Lernaufwand einer neuen Software oder Webseite.
2. Den Wirkungsbereich aufzeigen
Jedes Interaktionselement hat seinen eigenen Verwendungszweck. Es gibt beispielsweise Buttons für die Eingabe, für die Bestätigung oder für das Löschen von Daten.
Der Wirkungsbereich jedes Interaktionselements soll für den Benutzer klar sein. Dies
ist besonders wichtig, wenn es auf einer Benutzungsschnittstelle mehrere ähnliche
Elemente gibt. In Abbildung 2.5 gibt es zwei Löschen-Buttons. Also soll für den
Anwender eindeutig sein, welcher Button auf den einzelnen Eintrag und welcher auf
den ganzen Datensatz wirkt.
Abbildung 2.5: Wirkungsbereichsbeispiel [Moser 2012].
3. Elemente gruppieren
Nach Miller [1956] kann der Mensch gleichzeitig höchstens 7 ± 2 Elemente in seinem
Kurzzeitgedächtnis erfassen. Das heißt, der Benutzer kann bis zu sieben Elemente
auf einen Blick bemerken. Jedes weiteres Element muss einzeln durchgesehen
werden. Dies ist deutlich umständlicher und braucht mehr Zeit. Deswegen sollen je
fünf bis maximal neun Elemente unter einem Titel gruppiert werden. In diesem Fall
sollen die Benutzer anstatt n Elemente nur log(n) durchsuchen [Moser 2012].
4. Abhängigkeiten anzeigen
In einigen Fällen hängen Interaktionselemente von anderen Elementen ab. Diese
Abhängigkeiten sollen für den Benutzer deutlich sichtbar sein: Beispielsweise ist in
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
Abbildung 2.6: Abhängigkeitsbeispiel [Moser 2012].
Abbildung 2.6 für den Benutzer klar, dass die Radio-Buttons von der Checkbox
abhängen. Und sie werden nur dann aktiv, wenn die Checkbox ausgewählt ist.
5. Die natürliche Leserichtung unterstützen
Wenn wir ein Dokument lesen möchten, fangen wir oben links an und enden unten
rechts. Interaktionselemente müssen diese Leserichtung berücksichtigen. Der Ablauf
einer Interaktion soll oben links anfangen und unten rechts enden (Abbildung 2.7).
Falls die Software für Sprachen, die eine andere Leserichtung haben, entwickelt wird,
soll dies im Design angepasst werden.
Abbildung 2.7: Leserichtung des Dialogs [Moser 2012].
2.5 Leitideen des Interaktionsdesigns
Innerhalb des Entwicklungsprozesses eines interaktiven Produkts treten spezifische
Probleme auf. Um eine Lösung für diese Probleme zu finden, verfolgen Interaktionsdesigner bestimmte Leitideen oder Methoden.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
2 Interaktionsdesign
Die Lösungen, welche diese Leitideen anbieten, sind immer benutzerzentriert [Göldner 2014]. Sie gehen davon aus, dass der Benutzer mit seinen Aufgaben, Zielen und
Eigenschaften in den Mittelpunkt gestellt werden muss, was bedeutet, dass der Interaktionsdesigner bei jedem Schritt der Produktentwicklung an den Benutzer denken
soll.
Die Gestaltung früher Prototypen wie beispielsweise interaktive Demos oder Bedienteile sind ein wichtiger Teil des Designprozesses [Göldner 2014]. Damit kann der
Interaktionsdesigner sein Konzept mit Hilfe von Benutzern auf seine Benutzbarkeit
überprüfen.
Der Designprozess eines Produkts erfolgt normalerweise in sechs aufeinanderfolgenden Phasen [Moser 2012]. Diese Phasen oder Schritte variieren je nach Benutzerfeedback und Häufigkeit der Iterationsstufen.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
3 User Experience und Usability
In der Literatur gibt es keinen einheitlichen Begriff für User Experience, und jeder
Autor oder Wissenschaftler benutzt seinen eigenen Begriff. Bis jetzt finden sich viele
Begriffe im Zusammenhang mit der User Experience, wie beispielsweise joy of use,
emotional design, emotional experience und pleasurable design (für weitere analog
benutzbare Begriffe siehe [Reeps 2004], S. 5). In dieser Arbeit werde ich den Begriff
User Experience benutzen.
Da viele Wissenschaftler User Experience (UX) als eine Erweiterung des traditionellen Usability-Konzept sehen, möchte ich in Kapitel 3.1 einen Überblick über das
Thema Usability geben. In Kapitel 3.2 werde ich die Bedeutung von User Experience vorstellen, damit der Leser darin einen guten Einblick hat. Im Anschluss werde
ich in Kapitel 3.3 die beiden Themen (Usability und User Experience) vergleichen.
Abschließend möchte ich in Kapitel 4.4 die Einflussfaktoren auf die User Experience
darstellen.
3.1 Usability
Der Begriff Usability lässt sich übersetzen mit Benutzungsfreundlichkeit oder
Gebrauchstauglichkeit (Leo Deutsch-Englisch Wörterbuch). In [Lessiak 2007] wurde
der Term Benutzerfreundlichkeit als die Übersetzung des Begriffs Usability nicht
akzeptiert, weil die Benutzung dieses Begriffs in der deutschen Werbung seiner
inhaltlichen, geeigneten Bedeutung entführt wurde. Deswegen wird die Nutzung
des Terms Gebrauchstauglichkeit empfohlen. In dieser Arbeit werde ich die beiden
Terme Usabiliy und Gebrauchstauglichkeit benutzen. Doch was meint dies genau?
Was ist Usability?
Gebrauchstauglichkeit ist ein Qualitätsmerkmal eines Systems oder Softwareprodukts, mit dem der Benutzer seine Aufgabe erledigen und seine Ziele auf eine möglichst effiziente, effektive und zufriedenstellende Art erreichen kann. Genauer haben
Nielsen und Loranger es wie folgt definiert:
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
„Usability ist ein Qualitätsmerkmal, wie einfach etwas zu bedienen ist. Es geht
genauer darum, wie schnell Menschen die Benutzung eines Gegenstandes erlernen
können, wie effizient sie während seiner Benutzung sind, wie leicht sie sich diese
merken können, wie fehleranfällig der Gegenstand ist und wie er den Nutzern gefällt.
Wenn die Nutzer einen Gegenstand weder nutzen möchten noch können, bräuchte
er eigentlich gar nicht zu existieren“ ([Nielsen/Loranger 2006], S. xvi).
Um ein Produkt als gebrauchstauglich zu bezeichnen, muss es gewisse Eigenschaften
erfüllen. Diese Eigenschaften werden in der Norm ISO 9241 beschrieben; sie wurde im
Rahmen der International Standards Organisation (ISO) entwickelt, um Qualitätsrichtlinien zur Sicherstellung der Ergonomie interaktiver Systeme zu beschreiben.
Sie wurde erstmals mit dem Titel „Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten“ genannt. Im Jahr 2006 wurde sie in „Ergonomie der
Mensch-System-Interaktion“ geändert, um die Büroarbeiten zu organisieren und die
darauf bestehenden Einschränkungen auszuschließen [Rampel 2007].
Die ISO Norm 9241 gliedert sich in insgesamt 17 Abschnitte, wobei sich die Abschnitte 1 bis 9 primär auf hardware-ergonomische Aspekte und die Abschnitte 10
bis 17 auf software-ergonomische Aspekte konzentrieren [Gotthartsleitner/Eberle/Stary 2009].
Bezogen auf diese Arbeit sind die Abschnitte 10 und 11 interessant. Im Abschnitt
11 wird Gebrauchstauglichkeit folgendermaßen definiert:
„das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten
Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und
zufriedenstellend zu erreichen“ ([Herczeg 2009], S. 160).
Die wiederholte Benutzung des Wortes bestimmt zeigt, dass es in der Praxis keine
generell gültigen Normen gibt, mit denen man eine hohe Usability erreichen kann.
Die Elemente dieser Definition führen zu Fragen nach den wichtigen Aspekten bei
der Entwicklung eines interaktiven Produktes: Für welche Art von Benutzer würde
man das Produkt entwickeln und was ist ihr Vorwissen? Wie alt sind sie? Wird die
Software auf einem Computer oder auf einem mobilen Gerät benutzt?
Die in einer frühen Phase einer Entwicklungsperiode genauen Antworten auf diese
Fragen führen später zur hohen Gebrauchstauglichkeit des entwickelten Produktes.
In anderen Worten sollen die richtigen Antworten zur effektiven, effizienten und
zufriedenstellenden Gestaltung des interaktiven Produktes führen [Lessiak 2007].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
Basiskriterien der Usability
Nach der obigen Definition (ISO 9241-11) gibt es drei Leitkriterien oder Maße für
die Gebrauchstauglichkeit der Software: Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit. Die
drei Leitkriterien werden in einem Benutzungsrahmen gestellt (Abbildung 3.1).
- Effektivität heißt, dass die vorliegenden Ziele des Benutzers vollständig, korrekt
und genau erreicht werden.
- Effizienz bedeutet, dass die erreichte Genauigkeit und Vollständigkeit bei der Zielerledigung möglichst mit weniger Schritte bzw. mit einem vertretbaren Aufwand
erfüllt wird.
- Zufriedenheit bedeutet, dass die Anwendung des Produkts frei von Beeinträchtigungen ist und bei dem Benutzer positive Reaktionen auslöst [Herczeg 2009].
Die Leitkriterien hängen voneinander ab. Das bedeutet, dass es ohne Effektivität
keine Effizienz gibt, und ohne Effizienz gibt es keine Zufriedenheit.
Abbildung 3.1: Nutzungsrahmen für die Usability nach ISO 9241-11 [Herczeg 2009].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
Abbildung 3.1 zeigt, dass die Nutzung des Produktes im Nutzungskontext die drei
Leitkriterien reflektiert; die Leitkriterien geben den Grad an, in dem die gewünschten
Ziele effektiv, effizient und zufrieden erreicht werden.
Der letzte Punkt, die Zufriedenheit also die positive Reaktion des Benutzers
gegenüber dem interaktiven Produkt, geht schon ein bisschen in Richtung der User
Experience. Später wird dieses Thema noch ausführlicher behandelt.
Grundsätze der Dialoggestaltung
Die Grundsätze der Dialoggestaltung beziehen sich auf die Interaktion des Benutzers
mit dem Softwareprodukt. Im Rahmen der Standardisierung wurden solche Grundsätze in der ISO 9241 Teil 10 (veraltet, da seit 2006 ersetzt durch Teil 110) beschrieben. Obwohl diese Grundsätze oder Kriterien voneinander abhängig sind, lassen sie
sich aber genug differenzieren, so dass sie eine wichtige Rolle bei der Analyse und
Evaluation von Benutzungsschnittstellen spielen.
Nach ISO 9241-110 werden folgende Dialogkriterien genannt (vgl. [Herczeg 2009]
und [Triebe/Wittstock 1998]):
1- Aufgabenangemessenheit
Als aufgabenangemessen wird ein interaktives System bezeichnet, welches den Benutzer hilft, ohne Belastung durch spezielle Eigenschaften seine Aufgaben effektiv
und effizient also vollständig, korrekt und mit einem günstigen Verhältnis von
Aufwand und Ergebnis zu erledigen. Dieser Grundsatz stützt die beide Leitkriterien
Effektivität und Effizienz im Bezug auf die Erledigung von Aufgaben.
2- Selbstbeschreibungsfähigkeit
Ein interaktives System wird als selbstbeschreibungsfähig klassifiziert, wenn der
Benutzer den Systemzustand jederzeit erfassen kann. Das heißt, dass er jederzeit
nachvollziehen kann, wo oder an welcher Stelle des Programms er sich befindet.
Darüber hinaus muss das System ausreichende Rückmeldungen und Erläuterungen,
welche für den Benutzer verständlich sind, unmittelbar oder auf Anfrage liefern. Bei
der Gestaltung von Erläuterungen und Rückmeldungen müssen verschiedene Sachen
beachtet werden. Zum Beispiel müssen sie an die Vorkenntnisse des Benutzers
angepasst werden.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
3- Erwartungskonformität
Ein interaktives System muss so gestaltet sein, dass es einerseits den Erwartungen des Benutzers entspricht und andererseits auch eindeutig für ihn ist. Dies
ist beispielsweise der Fall, wenn der Benutzer jederzeit in einer einheitlichen
Form die Möglichkeit hat, den Systemzustand zu ändern. Oder auch, wenn die
Dialogschritte und die Wirkung der ähnlichen Aufgaben immer einheitlich sind.
Wenn ein Computersystem so gestaltet ist, dann entspricht es dem Kriterium der
Erwartungskonformität.
4- Lernförderlichkeit
Lernförderlichkeit eines interaktiven Systems liegt vor, wenn das System den
Benutzer beim Erlernen der Systemfunktionen anleitet und unterstützt. Ein
Beispiel dafür wäre, wenn die Lernstrategien wie Lernen am Beispiel innerhalb des
Dialogablaufs verwendet werden.
5- Steuerbarkeit
Ein interaktives System ist steuerbar, wenn der Benutzer in der Lage ist, es zu
kontrollieren (nicht das System den Benutzer kontrolliert). Das bedeutet, dass der
Benutzer die Richtung und die Geschwindigkeit des Dialogablaufs beeinflussen
kann. Eine Undo-Funktion einer Software wäre ein relevantes Beispiel.
6- Fehlertoleranz
Ein interaktives System ist fehlertolerant, wenn es den Benutzer unterstützt,
einerseits die Benutzungsfehler zu vermeiden, zum Beispiel durch deutlich verständliche Sicherheitsabfragen, andererseits im Fehlerfall, die gemachten Fehler
mit keinem oder minimalem Korrekturaufwand aufzuheben. Bietet ein interaktives
System zum Beispiel eine Korrekturfunktion von Eingaben, so ist dies im Sinne der
Fehlertoleranz.
7- Individualisierbarkeit
Ein interaktives System muss sich sowohl auf die individuellen Fähigkeiten und
Vorlieben des Benutzers als auch auf die Erfordernisse der Aufgabe einstellen lassen
können. Die Möglichkeit zur Änderung der Schriftfarbe und der Schriftart bietet ein
gutes Beispiel für die Individualisierbarkeit.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
3.2 User Experience
„User experience encompasses all aspects of the end-user’s interaction with the company, its services, and its products“ ([Norman/Nielsen 2010]).
3.2.1 Überblick
Geschichtlich war schon in den 1970er Jahren der erste Auftritt der Bezeichnung User
Experience (deutsch Benutzungserlebnis) „für die praktischen Erfahrungen und Erlebnisse bei der Benutzung eines interaktiven Systems“ ([Jetter 2006], S. 3). Danach
hat Donald Norman im Jahr 1993 User Experience als Begriff geprägt; er bezeichnete
seine berufliche Stellung bei Apple mit User Experience Architect. Da Norman eine
Stellung innerhalb der Human-Computer-Interaction (HCI) Gemeinschaft besitzt,
verbreitete sich der Begriff sehr schnell [Knemeyer/Svoboda 2005]. Donald Norman
verdeutlichte 1998 seine Motivation zur Erfindung des Begriffs User Experience in
einer Mail Konversation mit Peter Merholz.
Donald Norman:
„I invented the term because I thought human interface and usability were to narrow.
I wanted to cover all aspects of the persons experience with the system including
industrial design, graphics, the interface, the physical interaction and the manual.
Since then, the term has spread widely. So much, so that it is starting to lose its
meaning“ [Jordans 2008].
Ausgehend von dieser Mail ist es zu erahnen, dass es hier um einen mehrschichtigen Begriff geht. Auch Hans-Christian Jetter äußerte, dass die Bedeutung der User
Experience nicht nur mit der „Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit bei der Benutzung von Anwendungen“ einzuschränken ist, sondern sie beinhaltet noch wichtige
Merkmale wie die hedonische und emotionale Qualität (emotionale Reaktionen des
Benutzers), die eine wichtige Rolle spielen, den Umgang des Benutzers mit dem
Produkt als angenehm zu bezeichnen ([Jetter 2006], S. 4).
3.2.2 Definition
In der Literatur gibt es zahlreiche Definitionen der User Experience. Nach Hassenzahl et al. wurde die User Experience definiert als „all aspects of the user’s experience
when interacting with the product, service, environment or facility. [...] It includes
all aspects of usability and desirability of a product, system or service from the user’s
perspective“ ([Hassenzahl/Burmester/Koller 2008], S. 78).
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
Neben der Usability wird in dieser Definition über ein neues Konzept, die desirability
gesprochen. Das hat zur Folge, dass Usability allein nicht ausreicht, um als Produkt
im Massenmarkt zu bestehen. In anderen Worten gesagt: Alleine macht Usability
kein Produkt wünschenswert.
Ein Beispiel ist der Titel der Gestaltungsziele des UX-Teams von OpenOffice.org2
Usability, Productivity and Enjoyment. Auch hier ist Usability nicht das gesamte
Ziel, sondern eine von drei Konzepten oder Zielen. Die selbe Perspektive kann man in
der Erklärung von Nokia klar sehen: „[mobility] is about the delivery of personalized
experiences, which add value and pleasure to daily lives“ ([Hassenzahl/Burmester/Koller 2008], S. 78).
Im Jahr 2010 wurde User Experience in der ISO 9241-2103 folgendermaßen genormt:
„Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder
der erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung
resultieren“.
Anmerkung 1:
User Experience umfasst sämtliche Emotionen, Vorstellungen, Vorlieben, Wahrnehmungen, physiologischen und psychologischen Reaktionen, Verhaltensweisen und
Leistungen, die sich vor, während und nach der Nutzung ergeben.
Anmerkung 2:
User Experience ist ein Folge des Markenbilds, der Darstellung, Funktionalität,
Systemleistung, des interaktiven Verhaltens und der Unterstützungsmöglichkeiten
des interaktiven Systems, des psychischen und physischen Zustands des Benutzers
aufgrund seiner Erfahrungen, Einstellungen, Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit
sowie des Nutzungskontextes.
Anmerkung 3:
Die Gebrauchstauglichkeit kann, sofern sie unter dem Blickwinkel der persönlichen
Ziele des Benutzers interpretiert wird, die Art der typischerweise mit der User Experience verbundenen Wahrnehmungen und emotionalen Aspekte umfassen. Kriterien
der Gebrauchstauglichkeit können angewendet werden, um Aspekte der User Experience zu beurteilen.
2
3
[Geis 2010].
https://www.openoffice.org/ux/
Die Nachfolgenorm der ISO 13407 zur benutzerzentrierten Gestaltung.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
Im Allgemeinen bedeutet das, dass User Experience die subjektiven Empfindungen
und Reaktionen eines Benutzers, die vor, während und nach der Nutzung eines interaktiven Produkts entstehen, bezeichnet. Dies sind (nach der ersten Anmerkung)
insbesondere Emotionen, Vorstellungen, Vorlieben, Wahrnehmungen und physiologische und psychologische Reaktionen,die aus der tatsächlichen und/oder der erwarteten Benutzung eines Produkts hervorgehen. Die zweite Anmerkung zählt die
Faktoren, die diese Reaktionen beeinflussen können, auf. Im Anschluss wird Usability nach der dritten Anmerkung als ein Aspekt von User Experience dargestellt.
3.3 User Experience vs. Usability
Meist wird über die Begriffe Benutzungserlebnis und Gebrauchstauglichkeit gleichzeitig gesprochen, da die beiden Begriffe eng verbunden sind. Dennoch kann man
zwischen den beiden Begriffen leicht unterscheiden.
Um den Unterschied zwischen der Gebrauchstauglichkeit und dem Benutzungserlebnis zu erklären, werde ich zunächst eine kurze Einleitung voranstellen. Die Interaktion zwischen einem Benutzer und einem Dienst oder Produkt erfolgt in drei Phasen
(Abbildung 3.2):
Abbildung 3.2: Ansatzpunkte von Usability und User Experience [Geis 2010].
1- Phase vor der Nutzung: Beinhaltet die Erwartungen des Benutzers von einem
Produkt. Hierbei spielen Aspekte wie Design und Marke eine wichtige Rolle.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
2- Phase während der Nutzung: Diese Phase bezeichnet die Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Produkt, die der Benutzer während der Nutzung gemacht hat. In
dieser Phase können sowohl aufgabenorientierte Aspekte wie Aufgabenangemessenheit, Erlernbarkeit und Steuerbarkeit, als auch nicht-aufgabenorientierte Aspekte
wie Freude auftreten.
3- Phase nach der Nutzung: Bezeichnet die vom Benutzer nach der Nutzung des
Produkts gemachten Reflexionen. Diese Phase beinhaltet emotionale Aspekte wie
Zufriedenheit, Glück oder Enttäuschung.
Ausgehend von dieser Einleitung können wir sagen, dass die Gebrauchstauglichkeit
nur in der zweiten Phase relevant ist. Außerdem beschreibt sie nur einen Teilbereich
der Phase während der Nutzung, die aufgabenorientierte Aspekte beinhaltet. Das
Benutzungserlebnis umfasst hingegen als gesamtes Erlebnis (Experience) alle drei
Phasen. Es geht über den bloßen Umgang mit dem Produkt hinaus. Es befasst
sich auch mit den emotionalen Aspekten, die vor, während und nach der Nutzung
auftreten [Müller 2013].
Ein wichtiger Unterschied zwischen der Gebrauchstauglichkeit und dem Benutzungserlebnis ist, dass bei der Gebrauchstauglichkeit die aufgabenbezogenen Aspekte
wie die Bedienbarkeit und die Erlernbarkeit im Mittelpunkt stehen. Das ist ein
großer Unterschied im Vergleich zur User Experience, bei der nicht aufgabenbezogene Aspekte wie Spaß, Freude und Schönheit in den Vordergrund treten (siehe
Kapitel 4.1.1 und Kapitel 4.2).
Ein weiterer Unterschied zwischen der Gebrauchstauglichkeit und dem Benutzungserlebnis ist die Subjektivität des Benutzungserlebnisses bzw. die Objektivität der
Gebrauchstauglichkeit: Da Usability ursprünglich aus der Arbeitswissenschaft entstand, legt sie großen Wert auf Objektivität. User Experience hingegen legt großen
Wert auf Subjektivität bzw. wahrgenommene Qualität. Nach Hassenzahl/Burmester/Koller [2008] ist Subjektivität eine wichtige Charakteristik des Benutzungserlebnisses, weil sie die zukünftige Nutzung des Produkts bestimmt. Das heißt, dass die
wahrgenommene Qualität (die Subjektivität) bestimmt, ob der Benutzer ein Produkt ansprechend oder interessant findet und es in Zukunft gerne benutzen würde.
Ein wichtiges Ziel der Gebrauchstauglichkeit ist es, Einschränkungen aufzuheben
und Stress zu minimieren. Das führt aber nicht unbedingt zu Zufriedenheit oder
positiven Erlebnissen. User Experience hingegen ist darauf ausgerichtet, Erlebnisse
positiv zu gestalten. Hassenzahl et al. konstatieren: „Das Fehlen von Usability führt
zwar zur Unzufriedenheit, aber ihre Anwesenheit nicht zur Zufriedenheit, sondern
nur zu einem neutralen Zustand“ ([Hassenzahl/Burmester/Koller 2008], S. 79).
Das Erreichen von Zufriedenheit bzw. eines positiven Zustands des Benutzers wird
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
durch andere Aspekte, wie Joy of Use generiert.
Das Benutzungserlebnis lässt sich schwieriger messen als die Gebrauchstauglichkeit:
User Experience basiert auf subjektiven Emotionen und Gefühlen des Benutzers,
die schwer zu messen sind. Für Usability gibt es verschiedene Kriterien, welche die
Evaluierung der Benutzungsschnittstelle ermöglichen. Für eine gute und erfolgreiche
Benutzung eines Produkts spielt Usability eine wesentliche Rolle. Für den kommerziellen Erfolg eines Produkts steht das Benutzungserlebnis dieses Produkts im Vordergrund. Außerdem ist es nach Meinung einiger Wissenschaftler erlaubt, die Kosten
der Gebrauchstauglichkeit durch das Benutzungserlebnis zu ersetzen [Reeps 2004].
Z. B. könnte der Entwickler ein paar Schritte (Schnittstellen) hinzufügen, und so
das System oder das Softwareprodukt komplexer machen, um ein Ziel zu erreichen.
Dies kann aber wiederum den Grundsätzen der Gebrauchstauglichkeit widersprechen, denn das Produkt soll der Aufgabe angemessen sein, denn das Ziel soll mit
wenigen Schritten und so wenig Aufwand wie möglich erreicht werden. Andererseits
kann das aber auch Vorteile haben. Die Neugier des Benutzers könnte stimuliert
werden, das Produkt tiefer gehend zu entdecken und weiter zu benutzen.
Anhand der in diesem Kapitel besprochenen Informationen können wir meiner Meinung nach nicht sagen, dass User Experience und Usability als Konzepte oder Themen vergleichbares Gewicht besitzen. Usability ist vielmehr eine Voraussetzung bzw.
ein Bestandteil der User Experience. Ohne Usability können wir keine User Experience erlangen, weil es unmöglich ist, dass Benutzer Spaß, Freude und Zufriedenheit
an einem nicht gebrauchstauglichen Produkt haben (siehe Kapitel 4.4).
3.4 Einflussfaktoren auf die User Experience
Die gesamte User Experience ist eine Gruppe von mehreren Erlebnissen, die vor,
während und nach der Nutzung eines interaktiven Produkts entstehen. Es gibt verschiedene Faktoren, die jedes einzelne von diesen Erlebnissen beeinflussen.
3.4.1 Einfluss der Situation auf die User Experience
Die Situation des Benutzers hat großen Einfluss auf das Erlebnis, das der Benutzer
mit dem Produkt hat. Wenn der Benutzer seine Ziele mit Hilfe eines interaktiven
Produkts erreichen möchte, wird er es in einem gewissen Nutzungskontext verwenden. Die Situation beschreibt den Zeitpunkt, zu dem der Benutzer das Produkt
angewendet hat. Die Erwartungen des Benutzers sind von dieser Situation abhängig
(in Kapitel 3.4.2 wird das Thema Erwartungen genauer behandelt). Ein relevantes
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
Beispiel ist das Mobiltelefon: Wenn es in der Freizeit benutzt wird, hat der Benutzer andere Erwartungen und Ziele, als wenn es für das Geschäft verwendet wird. In
der Freizeit wird es meistens benutzt, um Freunde zu kontaktieren, Musik zu hören, Spiele zu spielen usw., während für das Geschäft die Benutzung ausschließlich
von den Anforderungen der Arbeit abhängig ist, wie z.B. Kunden anzurufen oder
E-Mails zu lesen oder zu schreiben. Darüber hinaus kann die Benutzung des Produkts oder des Systems im falschen Nutzungskontext Ärger oder sogar Frustration
beim Benutzer erzeugen (siehe Kapitel 3.4.1.1). Deswegen sehen wir, dass die Erwartungen und die Ziele des Benutzers an das selbe Produkt sehr unterschiedlich sein
können, wenn es in unterschiedlichen Situationen verwendet wird [Moser 2012]. Das
hat zur Folge, dass wir bei der Gestaltung des Produkts den Nutzungskontext berücksichtigen müssen. Wenn wir den Nutzungskontext verstehen, können wir besser
verstehen, was der Benutzer erwartet.
3.4.1.1 Soziales Umfeld
Bei der Entwicklung eines Softwareprodukts muss das soziale Umfeld, in dem das
Produkt verwendet wird, bewusst sein, weil es das Benutzungserlebnis stark beeinflussen kann [Moser 2012]. Beispielsweise bieten viele Systeme eine Vorschau des
Inhalts der eingegangenen Nachricht auf dem Bildschirm. Einerseits kann dies für
den Benutzer sehr hilfreich sein, wenn er z.B. zu Hause ist. Anderseits kann das
zu peinlichen Situationen führen, wenn er z.B. in einem Meeting eine private Nachricht bekommt. Deswegen müssen die Bedürfnisse des Benutzers (Sicherheit oder
Privatsphäre) berücksichtigt werden.
3.4.1.2 Physisches Umfeld
Wie schon in Kapitel 2.2 erwähnt, erfolgt die Interaktion mit einem Softwareprodukt
durch die Ein- und Ausgabemedien (Tastatur, Maus, Bildschirm usw.). Hier ist es
wichtig zu sagen, dass wir bei der Gestaltung der Benutzungsschnittstelle nicht nur
die vorhandenen Medien berücksichtigen müssen, sondern auch das physische Umfeld. Die Benutzungsschnittstelle eines Softwareprodukts muss mit dem physischen
Umfeld kompatibel sein. Wenn wir beispielsweise ein per Touchscreen bedientes Softwareprodukt für ein Unternehmen entwickeln, und die Mitarbeiter die Software mit
Handschuhen verwenden sollen, dann müssen wir wahrscheinlich die Elemente des
Softwareprodukts ein wenig größer machen, so dass sie mit Handschuhen bedient
werden können. Ein weiteres Beispiel ist, wenn der Bildschirm in schlechten Lichtverhältnissen steht. Dann müssen wir hellere Farbkontraste verwenden, damit der
Mitarbeiter besser ablesen kann [Moser 2012].
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
Ausgehend von diesen Beispielen müssen wir bei der Gestaltung eines Softwareprodukts das physische Umfeld kennen. Sonst wird das Produkt von Kunden oder
Benutzern abgelehnt, was am Ende zu schlechter User Experience führt.
3.4.2 Einfluss der Zeit auf die User Experience
Die Erfahrung des Benutzers mit einem Produkt variiert mit jeder Nutzung. Sie ist
das aus den persönlichen Erlebnissen des Benutzers resultierende Wissen. Gleichzeitig kann dieses Wissen aus berichteten Erlebnissen einer anderen Person gesammelt
werden. Die Erfahrungen des Benutzers haben große Wirkung auf dessen Entscheidungen oder Erwartungen. Durch dieses Wissen kann er besser berechnen, wie hoch
der Preis des erwünschten Produkts sein darf, welche Funktionen es haben kann,
was als nächstes auf dem Markt kommen kann usw. [Moser 2012].
Bei jedem Kontakt mit einem interaktiven Produkt hat der Anwender ein Erlebnis,
das sich unmöglich wiederholen kann. Es „kann sich zwar in einer ähnlichen Form
wiederholen, doch dasselbe Erlebnis wird es nie zweimal geben“ ([Moser 2012], S.
6). Das ist so, weil sich - wie schon erwähnt - seine Erfahrung nach jedem Kontakt
mit dem Produkt ansammelt oder verändert.
Die Erlebnisse, welche der Benutzer mit einem Produkt hat, beginnen sogar vor
der tatsächlichen Nutzung des Produkts. Sie beginnen beispielsweise, wenn er die
Werbung des gewünschten Produkts im Fernsehen oder in der Zeitung gesehen hat.
Danach folgen weitere Erlebnisse, wie z.B. der Besuch des Geschäfts, Vorabklärungen
oder Preisvergleiche. Am Ende stehen der Kauf, das Auspacken und die Nutzung
des Produkts. Weitere mögliche Kontakte, die Erlebnisse beim Benutzer erzeugen,
sind ein Besuch der Website, der vorhandene Lieferservice oder ein Anruf beim
Support.
Hier ist wichtig zu wissen, dass jedes dieser Erlebnisse einen Teil zum gesamten Benutzungserlebnis beiträgt. In einem Unternehmen sind meist verschiedene Personen
aus verschiedenen Abteilungen, wie Marketing-, Support- oder Entwicklungsabteilung, für die Gestaltung dieser Erlebnisse verantwortlich. Für den Benutzer gibt es
jedoch nur das Produkt. Er will wahrscheinlich nicht wissen, dass sein neu gekauftes
Softwareprodukt keine Online-Aktivierung besitzt und dass er es nicht nutzen kann,
weil sich die Leute in der IT-Abteilung und die Leute in der Entwicklungsabteilung missverstanden haben [Moser 2012]. Schon ein einziges negatives Erlebnis kann
Ärger oder Frustration beim Benutzer über das gesamte Produkt verursachen; im
Resultat besteht die Gefahr, dass das Produkt abgelehnt wird. Um diese Erlebnisse
allesamt positiv zu gestalten, müssen die User-Experience-Designer die Erwartungen
des Benutzers erkennen.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
Mit dem Thema Erwartungen hat sich Noriaki Kano, Professor an der Universität
Tokio, intensiv beschäftigt. Er hat Ende der 1970er Jahre ein Modell entwickelt, das
später nach ihm Kano-Modell genannt wurde. Dieses Modell stellt eine Methode dar,
um den Einfluss der Benutzeranforderungen auf seine Zufriedenheit zu bestimmen.
Das Modell unterscheidet zwischen drei verschiedenen Arten von Erwartungen: Die
Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen [Moser 2012].
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Überblick zu diesem Thema geben, da
ich den Einfluss der Zeit auf die Erwartungen behandeln möchte. Das Kano-Modell
wird dann in Kapitel 5.1.3.2 genau erklärt.
Abbildung 3.3: Einfluss der Zeit nach dem Kano-Modell [Moser 2012].
Die erste Art von Features sind die Basisfeatures. Sie sind grundlegend und selbstverständlich, sodass sie vom Benutzer implizit erwartet werden. Sind sie vorhanden,
führt dies nicht unbedingt zu Zufriedenheit. Sind sie hingegen nicht vorhanden, führt
das zu Unzufriedenheit. Zum Beispiel muss ein Auto voll fahrbereit sein; mit einem
Mobiltelefon muss man telefonieren können.
Die Leistungsfeatures sind diejenigen Produkteigenschaften, die der Kunde bewusst
kauft. Die Erfüllung dieser Anforderungen führt zum Profimodell des Produkts im
Gegensatz zum Einsteigermodell. Diese Features sind normalerweise der Grund für
den Kunden, das Produkt zu kaufen.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
3 User Experience und Usability
Die Begeisterungsfeatures sind die Produktmerkmale, die vom Benutzer nicht erwartet werden. Sie spielen eine wichtige Rolle für die Konkurrenz des Produkts mit
ähnlichen Produkten.
Die Erwartungen des Benutzers an ein Produkt verändern sich im Laufe der Zeit, weil
sich die Technik kontinuierlich entwickelt und die Produkte immer weiter verbessert
werden. Das bedeutet, dass die Begeisterungsmerkmale eines Produkts nach einer
bestimmten Zeit zu den Leistungsmerkmalen gehören. Diese wiederum werden später
Basismerkmale (vgl. Abbildung 3.3).
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
4 Qualitätskriterien für User Experience
Da die Definition von User Experience sich von Wissenschaftler zu Wissenschaftler unterscheidet, möchte ich in diesem Kapitel die verschiedenen Qualitätskriterien
der User Experience darstellen. Zuerst möchte ich in Kapitel 4.1 die theoretischen
Ausführungen zum Aspekt von User Experience verdeutlichen. Danach möchte ich
in den Kapiteln 4.2 bis 4.5 anhand von vier Sichtweisen der Thematik die unterschiedlichen Kriterien der User Experience diskutieren. Abschließend möchte ich in
Kapitel 4.6 eine kleine Zusammenfassung darstellen.
4.1 Theoretische Ausführungen zum Aspekt von User
Experience
Damit man die Erfolgschancen bei der Gestaltung einer positiven User Experience
gewährleisten oder erhöhen kann, muss man Erkenntnisse sowohl aus der Informatik
als auch aus anderen Fachgebieten, wie Psychologie und Marketing, gleichermaßen
berücksichtigen. Im Folgenden möchte ich auf die psychologischen Theorien der User
Experience von Hassenzahl eingehen, welche Reeps [2004] in ihrer Masterarbeit wiedergibt.
4.1.1 Goal Mode und Action Mode
Ehe ich Goal Mode und Action Mode erkläre, möchte ich zunächst eine kurze Einleitung voranstellen. Durch die Gestaltung eines interaktiven Produkts weisen wir
diesem Produkt bestimmte Features zu, welche einen gewissen Charakter vermitteln
sollen [Reeps 2004]. Bei der Interaktion des Benutzers mit dem Produkt wird ein
subjektives Charakterbild erzeugt. Die Features des Produkts sowie die persönlichen Erwartungen des Benutzers beeinflussen die Erzeugung dieses Bildes stark. Die
Übereinstimmung dieses Produktcharakters mit der Intention des Designers ist kein
Muss, weil er nicht alle persönlichen Erwartungen des einzelnen Benutzers wissen
kann.
In der Realität gibt es verschiedene Produktattribute oder Produktqualitäten, die
einen Einfluss auf den Charakter des Produkts haben. Hassenzahl differenziert die
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
Qualitäten eines Produkts in zwei Unterkategorien: die pragmatischen (oder ergonomischen) und die hedonischen4 Qualitäten. Die pragmatischen Qualitäten beschreiben die Funktionalität des Produkts. Wenn diese Qualitäten sehr stark sind, wird das
Produkt vom Benutzer als gut funktionierendes Produkt betrachtet [Reeps 2004].
Hingegen repräsentieren die hedonischen Qualitäten den Unterschied von User Experience zur Gebrauchstauglichkeit. Die hedonischen Qualitäten sind das wichtigste
bestimmende Merkmal für die User Experience, weil sie das Vergnügen oder die
Freude an einem Produkt repräsentieren.
Hassenzahl unterteilt die hedonischen Qualitäten wiederum in drei Unterkategorien:
Stimulation, Identifikation und Evocation [Reeps 2004].
1- Stimulation: Von jedem Produkt wird erwartet, dass dieses neue Erkenntnisse,
Eindrücke, Möglichkeiten oder Einblicke vermittelt, damit sich der Benutzer weiterentwickeln kann. Die Stimulation aufgrund aufregender oder neuer Funktionalitäten,
Inhalte oder Interaktionsstile kann die Motivation und die Aufmerksamkeit erhöhen,
was in der Folge bei Problemen zu neuen Lösungsansätzen führen kann.
2- Identifikation: Das Produkt entspricht der Darstellung des Selbst im sozialen
Leben. Insofern muss das Produkt den Benutzer darin unterstützen, seine Individualität auszudrücken bzw. seine Identität zu vermitteln.
3- Evocation: Das Produkt muss Erinnerungen wachrufen, die dem Benutzer wichtig sind.
Obwohl die pragmatischen und die hedonischen Qualitäten unabhängig voneinander
sind, bilden sie zusammen den Charakter des Produkts.
Wenn die pragmatischen Qualitäten stark sind, dann wird das Produkt als ACTProdukt bezeichnet. Wenn die hedonischen Qualitäten andererseits überwiegen, wird
das Produkt als SELF-Produkt bezeichnet (siehe Abbildung 4.1). ACT-Produkte
sind aufgabenorientierte Produkte. Der Benutzer sieht sie als Mittel zum Erreichen
seines Ziels. Wenn dieses Ziel wegfällt oder sich ändert, wird das Produkt als nutzlos
angesehen und hat keinen Wert mehr. Im Vergleich zu den ACT-Produkten bleiben
die SELF-Produkte auch bei Wegfall oder Veränderung des Ziels interessant, weil sie
beim Benutzer einen persönlichen Wert erlangen [Reeps 2004]. Bei der Gestaltung
des Produkts muss der User-Experience-Designer die beiden Bereiche (ACT- und
SELF-Produkte) berücksichtigen.
Hassenzahl teilt die beiden Aspekte in Goal Mode und Action Mode, damit man
sie besser unterscheiden kann [Reeps 2004]. Goal Mode bedeutet, dass der Benutzer
4
Das englisches Wort hedonic bedeutet Lust und stammt aus dem Griechischen. Als hedonisch wird
eine Bewertungsmethode bezeichnet, die ein Objekt nach seinen inneren und äußeren Werten
bewertet.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
Abbildung 4.1: Produktcharaktere [Reeps 2004].
mit voller Konzentration und Aufmerksamkeit ein Hauptziel verfolgt (vgl. Abbildung
4.2). In diesem Fall sieht er das Produkt (bzw. die Technologie) nur als Mittel zum
Zweck, so dass Effektivität und Effizienz eine wesentliche Rolle spielen.
Im Vergleich zum Goal Mode spielen beim Action Mode Effektivität und Effizienz
keine Rolle, sondern die Aktivität steht im Vordergrund. Hier sind Anregungen aus
allen Richtungen erwünscht (vgl. Abbildung 4.2).
Abbildung 4.2: Goal Mode und Action Mode nach Hassenzahl in [Stein 2010].
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
Der Goal Mode und der Action Mode sind von der Nutzungssituation abhängig.
Die aktuelle Situation bestimmt, welcher der beiden Modi für den Benutzer wichtig
ist. Bei der Gestaltung der User Experience ist es wünschenswert, dass das Produkt
die Überführung des Benutzers vom Action Mode in den Goal Mode ermöglicht, so
dass das Produkt dem Benutzer immer neue Ziele bietet, wenn er sein aktuelles Ziel
erledigt hat.
4.2 Kriterien nach Hassenzahl et al.
Um gefällige User Experience konstruieren zu können, versuchten Wissenschaftler
gewisse Kriterien zu identifizieren. Hassenzahl et al. [Reeps 2004] finden, dass ein
Teil der Kriterien für User Experience mit den klassischen Kriterien der Usability übereinstimmt. Ein anderer Teil ist aber auch widersprüchlich. Deswegen differenzieren Hassenzahl et al. die ergonomische Qualität und die hedonische Qualität
[Reeps 2004]. Die ergonomische Qualität hat einen Aufgabenbezug und umfasst die
Kriterien der Usability wie Nutzbarkeit, Kontrollmöglichkeit und Einfachheit. Die
hedonische Qualität hat hingegen keinen Aufgabenbezug und beinhaltet Aspekte
wie Neuheit, Originalität, Schönheit eines Softwareprodukts und Freude bei der Benutzung. In einer Studie bemerkten Hassenzahl und al., dass einerseits die beiden
Qualitätsaspekte die gleiche Rolle in Bezug auf die Attraktion des Benutzers zu den
getesteten Softwareprodukten spielen und andererseits sieht der Benutzer, dass die
beiden Qualitätsaspekte unabhängig voneinander sind.
Hassenzahl ist der Meinung [Reeps 2004], dass der Spaß einen großen Einfluss auf
die Nutzung eines Produktes hat. Aber allein reicht das nicht. Wenn ein Produkt als
gebrauchstauglich bezeichnet wird, hilft der Spaß, die Nutzungsdauer zu erhöhen.
Ist das System oder das Produkt hingegen unbenutzbar, hat der zusätzliche Spaß
keine Wirkung auf das Nutzungsverhalten.
In seiner Studie versuchte Hassenzahl, die wichtigen Kriterien, die zum Spaß bzw.
zur positiven User Experience führen, zu identifizieren. An dieser Stelle sollen die
emotionalen Ergebnisse der Nutzung eines Systems konzeptualisiert werden. Er hat
auch festgestellt, dass die Neugier durch den optimalen Grad der Komplexität eines
Systems stimuliert werden kann. Wenn das System zu komplex ist, so ist der Benutzer überfordert. Wenn das System aber zu einfach ist, dann fühlt sich der Benutzer
gelangweilt [Reeps 2004].
Obwohl Hassenzahl die ergonomische Qualität und die hedonische Qualität unabhängig voneinander sieht, weist er in seiner Studie darauf hin, dass die fehlende
ergonomische Qualität durch die vermehrte hedonische Qualität - und umgekehrt ersetzt werden kann. Bei der Gestaltung einer Webseite oder eines Softwaresystems
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
sollen die beiden Qualitätsaspekte berücksichtigt werden. Wenn aber aus irgendeinem Grund ein Aspekt davon nicht behandelt werden kann, dann schlägt Hassenzahl
vor, dass wir uns nur auf die Maximierung eines Qualitätsaspekts, der vom Produktziel und vom Aufgabenkontext abhängig ist, konzentrieren sollen [Reeps 2004].
In Konklusion hat Hassenzahl die Kriterien der Gebrauchstauglichkeit erweitert, so
dass Freude und Nutzerzufriedenheit im Vordergrund stehen. Dabei soll das Produkt
überraschend, auffallend, besonders, beeindruckend, aufregend und interessant sein.
Hassenzahl äußerte in ([Reeps 2006], S. 17): „Being both usable and interesting, a
software system might be regarded as appealing and as a consequence the user may
enjoy using it“.
4.3 Kriterien nach Overbeeke et al.
Overbeeke et al. bezeichnen User Experience als eine Verschmelzung von Ästhetik
und Usability. Sie sind der Meinung, dass bei der Gestaltung eines Produktes nicht
nur auf die optischen Merkmale - und dass das Produkt ein schönes Aussehen oder
eine schöne Oberfläche hat - fokussiert werden muss, sondern der Fokus soll auf die
Gestaltung schön funktionierender Produkte gerichtet werden. Ihr Ausgangspunkt
ist, dass der Benutzer nur an den Erfahrungen und Herausforderungen bei der Nutzung eines Produkts interessiert ist, und nicht am Produkt selbst. Aus diesem Grund
ist es für Overbeeke et al. möglich, dass der Benutzer ein Produkt favorisiert, das nur
wenige Kriterien der klassischen Usability erfüllt, weil es aufregend, auffallend und
überraschend ist. Um ein Produkt im Sinne von User Experience zu gestalten, haben
Overbeeke et al. bestimmte Voraussetzungen und Regeln aufgestellt, wie beispielsweise, dass die ästhetische Interaktion mit dem Produkt mehrere Sinne stimulieren
muss [Reeps 2004].
4.4 Kriterien nach Jordan
Jordan bemerkte, dass die Benutzer sich früher über ein gebrauchstaugliches Produkt freuten. Anschließend reichte Usability aus, diese Rolle zu spielen bzw.
Pleasure5 zu erfüllen. Heutzutage sind die Benutzer nicht mehr überrascht, wenn
ein interaktives Produkt gebrauchstauglich ist, sondern sie sind negativ überrascht,
wenn das Produkt schwer zu bedienen ist [Reeps, 2004].
5
Pleasure bei Jordan ist einen analog verwendeten Begriff zu User Experience.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
Jordan sieht User Experience als ganzheitlichen Ansatz, in dem Usability eine wesentliche Rolle spielt. Nach Jordan ist die Gebrauchstauglichkeit eine Grundvoraussetzung für gute User Experience [Reeps 2004]. Das bedeutet, um gute User
Experience zu erlangen, muss zuerst die Gebrauchstauglichkeit erreicht werden.
Jordan erklärte seine Sichtweise in Anlehnung an die Bedürfnispyramide des Psychologen Abraham Maslow, in der er eine Hierarchie der Benutzerbedürfnisse präsentiert
(Abbildung 4.3) [Reeps 2004]. Abbildung 4.3 zeigt, dass das übergeordnete Bedürfnis erfüllt wird, wenn das untergeordnete Bedürfnis schon befriedigt ist. Also die
Funktionalität eines Produktes ist die Grundlage, damit die Usability erst Bedeutung erlangt. Gleichzeitig ist die Erfüllung der Usability die Voraussetzung, damit
das Bedürfnis nach pleasure in die Diskussion kommt. Aus diesem Grund ist User
Experience keine Alternative zu Usability, wie es zum Beispiel bei Hassenzahl der
Fall ist (siehe Kapitel 4.2).
Abbildung 4.3: Hierarchy of Consumer Needs in Human Factors ([Reeps 2004], S.
30).
Jordan sieht, dass die Freude bei der Benutzung eines Softwareproduktes durch drei
mit dem Produkt verbundene Faktoren oder Leistungen entstehen: Die praktischen,
die emotionalen und die hedonischen Leistungen. Praktische Leistungen helfen bei
der Entstehung der Freude, wenn die Aufgabe effektiv und effizient erledigt wird.
Emotionale Leistungen erklären, wie ein Produkt die Stimmungslage des Benutzers
beeinflusst. Wenn zum Beispiel der Benutzer ein Produkt interessant oder aufregend findet, dann führt dies zum positiven Gefühl bei ihm. Die hedonischen Leistungen beschreiben die ästhetische und sensorische Freude, die bei der Benutzung
des Produktes entsteht. Dies ist der Fall, wenn der Benutzer ein Produkt als schön
empfindet.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
Bei der Gestaltung der User Experience differenziert Jordan zwei Arten von pleasure: Die need pleasures und die pleasures of appreciation. Die need pleasure entsteht,
wenn sich der Zustand des Menschen von Unzufriedenheit zu Zufriedenheit ändert,
wie zum Beispiel beim Trinken von Wasser, wenn man Durst hat. Die pleasures of
appreciation sind unabhängig vom derzeitigen Grad der Zufriedenheit. Sie entstehen,
wenn eine Person etwas macht, was einerseits den Zustand der Unzufriedenheit eliminiert, und andererseits eine Quelle positiver, erfreulicher Gefühle ist. Eine solche
Quelle ist nach Jordan die Grundlage von User Experience [Reeps 2004].
4.5 Kriterien nach Norman
Anhand seiner Forschung entwickelte Norman eine Drei-Level-Theorie. Der Kerngedanke seiner Studie besteht in der Feststellung, dass das menschliche Gehirn drei
Ebenen der Informations- oder Wahrnehmungsverarbeitung hat, die er Visceral Level, Behavioral Level und Reflective Level nennt. Jede dieser drei Ebenen erfordert
einen unterschiedlichen Designstil. Um ein erfolgreiches Design zu gestalten, dürfen
die Designer keine dieser drei Ebenen vernachlässigen. Visceral Design beschäftigt
sich mit dem Erscheinungsbild des Produkts. Behavioral Design beschäftigt sich
mit der Freude und Effektivität des Gebrauchs. Reflective Design beschäftigt sich
mit dem Selbstverständnis, der eigenen Befriedigung oder den Erinnerungen.
Visceral Design
Visceral Design beschreibt den kognitiven Einfluss eines Produkts auf den Betrachter
(Benutzer). Hier geht es um schnelle und spontane Urteile von Menschen über ein
Objekt (Produkt). Wenn wir etwas als „schön“ bezeichnen, kommt dieses schnelle
Urteil aus der Visceral-Ebene. Fangen wir an, nachzudenken, gelangen wir auf die
nächste Ebene (Behavioral-Ebene).
Das Visceral Design beschäftigt sich mit biologischen Prozessen und beschreibt die
Reaktionen bei der Wahrnehmung, die auf der unterbewussten Ebene existieren.
Diese Designrichtung ist in der Werbung oder bei Kinderspielzeug von großer Bedeutung [Ross 2004].
Das Visceral Design hängt nicht von der Kultur ab, weil hier nur biologische
Prozesse und Reaktionen die Wahrnehmung beeinflussen. Das bedeutet, dass die
Wirkung des Visceral Designs überall ähnlich ist [Ross 2004].
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
Behavioral Design
In der zweiten Designrichtung stehen die Freude und die Effektivität der Benutzung
im Zentrum der Aufmerksamkeit. Hier spielt das Aussehen des Produkts keine Rolle
mehr, sondern die Funktionalität. Wenn wir ein gutes Design schaffen möchten,
sollte das Behavioral Design von Anfang an ein wichtiger Teil dieses Prozesses sein.
Das bedeutet, dass wir zu Beginn die Bedürfnisse des Benutzers kennen müssen. Die
Problematik ist hier, dass der Benutzer seine Bedürfnisse nicht genau ausdrücken
bzw. artikulieren kann (vgl. [Ross 2004]). In Kapitel 5.1.3 werde ich genau erklären,
wie man diese Bedürfnisse erheben kann.
In diesem Bereich ist es wichtig, dass das Produkt nicht nur gebrauchstauglich,
sondern auch verständlich sein muss [Ross 2004]. Hier spielen Kriterien der Usability
wie Erlernbarkeit und Aufgabenangemessenheit eine wichtige Rolle.
Reflective Design
Hierbei handelt es sich um die Bedeutung des Produkts und seine Verwendung.
Diese Designrichtung lässt den Benutzer nachdenken, ob das Produkt zu ihm passt.
Hier werden Erinnerungen wachgerufen, welche dem Benutzer ermöglichen, seine
Situation zu interpretieren, zu begründen, oder auch mit vergangenen Situationen
zu vergleichen. Auf dieser Stufe findet der stärkste Einfluss der Variablen Erfahrung,
Kultur und Erziehung statt [Gersch 2009].
Abbildung 4.4: Die drei Ebenen der Wahrnehmungsverarbeitung ([Gersch 2009], S.
28).
Abbildung 4.4 zeigt, dass die drei Ebenen der Wahrnehmungsverarbeitung voneinander abhängig sind. Durch die Sinnesorgane ermöglicht das Visceral Level dem
Betrachter, eine schnelle Entscheidung zu fällen, ob das betrachtete Objekt gut oder
schlecht, sicher oder gefährlich ist, und schickt die entsprechenden Signale zum motorischen System (zu den Muskeln). In diesem Moment beginnt ein affektiver Prozess. Dieser Prozess kann von Kontrollsignalen des Behavioral Level gehemmt oder
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
4 Qualitätskriterien für User Experience
gefördert werden. Die Prozesse des Behavioral Level können wiederum von Kontrollsignalen des Reflective Level gehemmt oder gefördert werden. Das Reflective Level
hat keine direkte Kontrolle über das sensorische und motorische System, sondern es
versucht, das Behavioral Level zu beeinflussen.
Nach Norman [Gersch 2009] gibt es verschiedene Faktoren bzw. Voreinstellungen,
die die Wahrnehmung des Visceral Levels unbewusst positiv oder negativ beeinflussen können. Beispielsweise können Aspekte wie „warme und angenehm beleuchtete
Orte“, „harmonische Musik und Geräusche“ oder „beruhigende Geräusche, einfache
Melodien und Rhythmen“ zu positiven Gefühlswahrnehmungen führen. Anderenfalls können Aspekte wie „schiefe Töne“, „plötzliche, unerwartete laute Geräusche“
oder „sehr helles Licht oder Dunkelheit“ die negativen Wahrnehmungen steigern.
Diese Voreinstellungen können uns helfen, dem Benutzer ein Produkt in angenehmer Situation zu bieten. Im Allgemein können wir sagen, dass der Benutzer kleine
Probleme oder Fehler ignorieren kann, solange ihm das Produkt Spaß und Freude
anbietet.
4.6 Zusammenfassung
Die in diesem Kapitel dargestellten Kriterien der verschiedenen Forschungsgruppen
ähneln sich in vielen Punkten und gehen teilweise ineinander über. Zusammengefasst
gibt es sowohl viele schon bekannte Kriterien aus Usability und Design als auch einige neue Kriterien. In diesem Bereich wird klar, dass die User-Experience-Kriterien
tatsächlich eine Verschmelzung von Design- und Usability-Kriterien sind. Darüber
hinaus soll der Fokus auf Kriterien wie Individualisierbarkeit, Motivationsförderung,
Neuheit, Freude bei der Benutzung oder Situationsabhängigkeit gerichtet werden.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene
Modell von Garrett)
Häufig werde ich in diesem Kapitel auf das Buch „Die Elemente der User Experience“ von Garrett [2012] zurückgreifen. Er bietet einen guten Überblick über die
Thematik der User Experience und beleuchtet umfassend die verschiedenen Elemente, die für die Gestaltung guter User Experience eines Produktes berücksichtigt
werden müssen.
Die meisten Beispiele aus Garretts Buch stammen aus dem Webbereich, trotzdem
können wir die in diesem Buch besprochenen Themen, Methoden und Grundsätze
auf alle Typen von Softwareprodukte anwenden.
Obwohl ich mich in meiner Arbeit nur für interaktive Produkte interessiere, möchte
ich hier darauf hinweisen, dass das Thema User Experience auf verschiedene Produkte übertragbar ist, egal ob diese Produkte digital sind oder nicht. Das fängt
z. B. mit Automobilen an, geht weiter über Tablets und Smartphones bis hin zu
Produktsoftware und Websites.
Jesse James Garrett hat ein Fünf-Elemente-Modell entwickelt (Abbildung 5.1). Darin erklärt er ausführlich, was das Modell ist und wie man es in der Praxis benutzen
kann. Das Modell besteht aus fünf Ebenen, jede Ebene beinhaltet die wichtigen
Konzepte oder Bereiche, die mit der User Experience zu tun haben. Die Behandlung
dieser Elemente spielt eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung einer optimalen
User Experience. Diese Ebenen sind:
1- Oberfläche
2- Raster
3- Struktur
4- Umfang
5- Strategie
Der Aufbau dieser Ebenen erfolgt von unten nach oben. Gleichzeitig sind sie voneinander abhängig: Die übergeordnete Ebene hängt von der untergeordneten Ebene
ab. So ist die Oberfläche vom Raster abhängig. Gleichzeitig hängt das Raster von
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
der Struktur ab, diese wiederum vom Umfang, und dieser ist schließlich von der
Strategie abhängig.
Abbildung 5.1: Die fünf Ebenen der User Experience nach Garrett [2012].
Beim Aufbau dieser Ebenen müssen die richtigen Entscheidungen getroffen werden.
Jede Entscheidung muss zur darunter liegenden und zur darüber liegenden Ebenen
passen. Sonst wird das Projekt zu einer Deadline nicht fertig, was mehr Zeit und
Geld kostet. In der Praxis ist es empfehlenswert, dass die Arbeit auf der nächsten
Ebene bereits beginnt, bevor sie auf der vorherigen Ebene fertig ist [Garrett 2012].
5.1 Strategieebene
Bevor man mit der Gestaltung eines Produkts oder einer Website anfängt, muss
man die Strategie klar und deutlich machen.
5.1.1 Strategie definieren
Um eine erfolgreiche User Experience zu gestalten, muss zuerst eine eindeutige Strategie vorhanden sein. Nach Garrett liegt der Misserfolg vieler Produkte nicht nur
deren User Experience, sondern an der falschen Strategie. Eine klare Strategie bedeutet, dass sie einerseits den Erwartungen des Benutzers an das Produkt entspricht
und andererseits den Erwartungen des Unternehmens. Die Strategieebene ist das
erste Element von Garretts Modell. Sie besteht aus den Produktzielen und den Nutzerbedürfnissen (Abbildung 5.2).
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5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Abbildung 5.2: Die Komponenten der Strategieebene [Garrett 2012].
5.1.2 Produktziele
5.1.2.1 Produktinnovation
„Damit aus einer Idee eine Produktinnovation wird,muss sie den Innovationstrichter
erfolgreich durchlaufen. Dabei werden unpassende Ideen gefiltert und passende Ideen
bis zur Produktreife ausgearbeitet“ ([Moser 2012], S. 34).
Jede Erfindung oder Innovation fängt mit einer Idee an. Aber nicht jede Idee kann
in der Realität umgesetzt werden. Als erstes muss die Idee geprüft werden, ob sie
zu einem erfolgreichen Produkt führen kann (vgl. Abbildung 5.3).
Erfolgreiches Produkt bedeutet, dass es gewisse Kriterien erfüllen muss. Moser hat
diese Kriterien in folgenden Punkten zusammengefasst [Moser 2012]:
1- Die Idee soll technisch möglich sein. Die zur Produktion benötigten Materialien
müssen vorhanden sein.
2- Das Produkt soll aus der wirtschaftlicher Sicht realisierbar sein. Der erwartete Gewinn des Produkts soll höher als die Produktionskosten (Forschungs- und Entwicklungskosten) sein. Außerdem soll das Produkt nicht mehr personelle oder finanzielle
Ressourcen erfordern, als wir zur Verfügung haben.
3- Das Produkt soll unsere Geschäftsziele unterstützen. Das Produkt soll dabei helfen, unsere Ziele zu erreichen.
4- Das Produkt soll aus rechtlicher Sicht realisierbar sein. Bevor wir beginnen, irgendeine Idee zu verwirklichen, müssen wir zunächst überprüfen, ob es gesetzliche
Rahmenbedingungen gibt, die verhindern, dass das Produkt auf den Markt kommen kann. Relevantes Beispiele sind Datenschutzbestimmungen, Patentrechte, oder
benötigte Zertifikate.
5- Das Produkt soll zeitlich realisierbar sein. Es soll die Möglichkeit bestehen, das
Produkt zu einer Deadline fertigzustellen. Dies ist der Fall, wenn wir z. B. eine
Produktsoftware oder eine Website für ein Marktereignis entwickeln möchten.
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6- Das Produkt soll aus organisatorischer Sicht realisierbar sein. Wir sollten sowohl
das nötige Know-how als auch die nötigen Ressourcen haben.
Nachdem wir alle diese Punkte behandelt haben, bleiben die Ideen übrig, welche
die größten Möglichkeiten haben, auf dem Markt erfolgreich zu sein. Um das zu
erreichen, sollten wir die verschiedenen Risiken bewerten, Gespräche mit allen Stakeholdern führen und unsere Zielgruppe analysieren. Darüber hinaus sollten wir die
wichtigsten Merkmale und Funktionen des Produkts identifizieren. Dadurch können
wir den Rahmen des Produkts festlegen (vgl. Kapitel 5.2).
Abbildung 5.3: Die wichtigen Phasen des Ideen-Filters [Moser 2012].
Um ein Produkt zu einem bestimmten Marktereignis zu entwickeln, z. B. für eine
Neueröffnung oder den Saisonstart, ist es nach Moser besser, wenn wir eine sogenannte Roadmap entwickeln. Eine solche Roadmap sollte die wichtigsten Termine
beinhalten. Wann soll das Produkt fertig sein? Welche Produkte sollen als nächstes
entwickelt werden? Welche Funktionen sollen sie beinhalten?
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5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Einerseits hilft die Roadmap den Benutzern, da sie absehen können, was auf den
Markt kommen könnte (beispielsweise können sie spekulieren, wie das iPhone 7
aussehen könnte), andererseits hilft die Roadmap dem Projektteam, da es einen
eindeutigen Plan besitzt [Moser 2012].
5.1.2.2 Identifizierung der Produktziele
Wenn wir eine eindeutige Strategie definieren möchten, sollten wir ganz zu Anfang
genau beschreiben, was wir vom Produkt wollen. Sobald unsere eigenen Ziele für
das Produkt klar sind, halten wir die Waage zwischen diesen und den Bedürfnissen
des Benutzers. In jedem Unternehmen und in jedem Projekt gibt es eine Menge
Ideen und Vorstellungen von den Zielen des Produkts. Diese Vorstellungen sind
selten in expliziter Form vorhanden und bleiben meistens nur in den Köpfen der
Produktentwickler. Deswegen können sie in der Realität sehr unterschiedlich sein
[Garrett 2012].
Beim Gespräch über interne strategische Ziele benutzen viele Leute gerne Begriffe
wie „Business Drivers“ und „Geschäftsziele“. In [Garrett 2012] wird der Begriff Produktziele bevorzugt, weil dem Autor die beiden anderen Begriffe einerseits als zu
weit (wenn es darum geht, was das Produkt erreichen soll) und andererseits als zu
eng (nicht alle internen Ziele sind Geschäftsziele) erscheinen.
Produktziele können sowohl sehr allgemein, als auch sehr spezifisch sein.
- Allgemeine Ziele: Ein Produkt soll beispielsweise dem Unternehmen helfen, Geld
zu verdienen, oder die Arbeitszeit zu minimieren und dadurch Geld zu sparen.
- Spezifische Ziele sind zum Beispiel die Befriedigung der Bedürfnisse des Benutzers (zum Beispiel das anzeigen der Lesebestätigung bei einem Chat-Tool).
Um eine erfolgreiche User Experience zu gestalten, muss zwischen den allgemeinen
und den spezifischen Zielen ein Ausgleich gefunden werden [Garrett 2012].
Ein weiterer Faktor, der sehr wichtig ist, wenn wir unsere Produktziele formulieren
möchten, ist die Markenidentität. Die Markenidentität umfasst „diejenigen raumzeitlich gleichartigen Merkmale der Marke, die aus Sicht der internen Zielgruppen
in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen“ ([Burmann/Blinda/Nitschke 2003], S. 16). Wenn über die Marke gesprochen wird, fallen uns sofort andere
Begriffe wie Logo, Typografie usw. auf (in Kapitel 5.5 - Oberflächenebene - werden
die visuellen Aspekte ausführlich behandelt). Die Markenidentität spielt eine wichtige Rolle einerseits für die Verstärkung der Kundenbindung, und andererseits für
die Wertsteigerung des Unternehmens. Sie liefert dem Benutzer einen Eindruck des
Unternehmens [Garrett 2012].
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5.1.3 Nutzerbedürfnisse
Bei der Entwicklung eines Produkts gelten die Nutzerbedürfnisse als die Sachen oder
Merkmale, die von außen an das Produkt kommen.
Um die Bedürfnisse unserer Benutzer zu erkennen, müssen wir zuerst wissen, wer
sie eigentlich sind und was sie möchten oder erwarten. Wenn wir glauben, dass wir
unsere Produkte für Leute (Benutzer) gestalten, die genau so sind wie wir, ist dies
total falsch und führt meist zum Scheitern dieser Produkte [Garrett 2012].
In der Realität können die Bedürfnisse der Benutzer sehr unterschiedlich sein. Daher
sind sie nicht einfach zu bestimmen. Wenn wir beispielsweise eine Produktsoftware
für die interne Benutzung innerhalb einer Firma entwickeln möchten, müssen wir
die verschiedenen Ansprüche berücksichtigen. Würde man diese Software für den
Massenmarkt gestalten, stiegen diese Ansprüche rasant.
In der Praxis müssen wir als ersten Schritt wissen, welche Gruppe von Benutzern
wir ansprechen möchten. Sobald wir diese Gruppe definiert haben, können wir ihre
Bedürfnisse, Erwartungen und Ziele genau bestimmen: Dies erfolgt am meistens
durch Befragungen und durch die Beobachtung von Reaktionen [Garrett 2012].
Bei einer Gruppe von Benutzern, die sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben, erklärt
Garrett, wie wir uns mit dieser Gruppe verhalten sollen:
5.1.3.1 Benutzergruppierung
Die Benutzergruppierung hilft uns dabei, die Bedürfnisse der Benutzer besser zu
verstehen und zu bearbeiten. Dazu teilen wir unsere Benutzer in kleine Gruppen
auf, wobei die Benutzer jeder Gruppe gemeinsame Bedürfnisse und Merkmale haben
(vgl. Abbildung 5.4).
Die Gruppierung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Normalerweise benutzen
Forscher dafür sogenannte demografische Kriterien wie Alter, Geschlecht, Einkommen usw. [Garrett 2012]. Diese Kriterien können sehr spezifisch sein, wie zum Beispiel ein ausgebildeter Mann zwischen 30 und 35, der verheiratet ist und Kinder hat,
sie können aber auch sehr allgemein sein (Mann zwischen 20 und 45).
Ein weiteres Kriterium ist die Psychografie. Damit können wir die Ansichten der Benutzer zum Produkt beschreiben. In vielen Fällen sind Psychografie und Demografie
eng miteinander verbunden. Zum Beispiel haben Personen, die derselben Alterskategorie angehören, den selben Wohnort und das selbe Einkommen haben, ähnliche
Gewohnheiten. Dies ist jedoch nicht der Fall bei allen Menschen, die demografisch
identisch sind (vgl. [Garrett 2012]). Ein relevantes Beispiel dafür ist, wenn man an
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5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Abbildung 5.4: Benutzergruppierung-Beispiel [Garrett 2012].
seine Kommilitonen denkt (diese haben in der selben Altersgruppe sehr unterschiedliche Gewohnheiten).
Bei der Benutzergruppierung ist sehr wichtig, die unterschiedlichen Bedürfnisse der
Gruppen aufzuzeigen. Außerdem zeigt sich manchmal, dass diese Bedürfnisse im
Gegensatz zueinander stehen [Garrett 2012]. Wenn wir zum Beispiel ein Softwareprodukt für zwei Gruppen entwickeln möchten, wobei die Benutzer der ersten
Gruppe Anfänger sind, die der anderen Experten, sollten wir die Software für die
Anfänger wahrscheinlich so einstellen, dass die Interaktion mit einfachen Schritten
beginnt und die langsam abläuft. Die Experten (zweite Gruppe) hingegen sehen das
als Zeitverschwendung und möchten direkt zur Hauptfunktion gelangen.
In der Praxis ist es schwer, zwei Gruppen (zum Beispiel Anfänger und Experten)
gleichzeitig zu befriedigen. Deswegen macht es Sinn, sich nur auf eine Gruppe zu
konzentrieren. Wenn wir aber beide befriedigen möchten, sollten wir bei der Gestaltung des Softwareprodukts zwei Funktionen zur Verfügung stellen [Garrett 2012].
Unsere Entscheidung auf dieser Ebene beeinflusst den ganzen Prozess der User Experience.
5.1.3.2 Kano-Analyse
Eine Kano-Analyse hilft uns dabei, zu erkennen, welche Merkmale des Produkts
positive oder negative Emotionen erzeugen können. Um eine gute User Experience
zu bieten, sollte das Produkt die Erwartungen des Benutzers erfüllen oder in vielen
Fällen übertreffen. Manche Merkmale des Produkts werden vom Benutzer nicht
erwartet, können aber dennoch negative Emotionen wecken, wenn sie fehlen. Andere
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Merkmale werden nicht erwartet, können den Benutzer aber trotzdem stimulieren,
das Produkt weiter zu verwenden und sie zu entdecken, wenn sie vorhanden sind.
Und es gibt Merkmale, von deren Erfüllungsgrad die Zufriedenheit des Benutzers
abhängt [Moser 2012].
Das Kano-Modell ist die Grundlage der Kano-Analyse. Das Kano-Modell dient
dazu, die Nutzerbedürfnisse oder die Nutzerwünsche zu analysieren. Damit können
wir die Zufriedenheit des Benutzers messen. Das Modell unterscheidet folgende fünf
Arten von Produktmerkmalen [Moser 2012]:
1- Basis-Merkmale
Diese Merkmale sind grundlegend und selbstverständlich. Sie werden vom Benutzer indirekt erwartet. Sie werden ihm erst bewusst, wenn sie fehlen. Wenn
die Basis-Merkmale nicht vorhanden sind bzw. die Erwartungen des Benutzers
nicht erfüllt werden, entsteht Unzufriedenheit, und es werden negative Emotionen
geweckt. Wenn sie hingegen vorhanden sind, also die Erwartungen des Benutzers
erfüllt werden, entsteht keine Zufriedenheit, sondern nur ein neutraler Zustand.
In diesem Fall werden keine positiven Emotionen geweckt. Ein Beispiel dafür
sind die Basis-Merkmale eines Autos wie das Radio, die Rückspiegel oder die
Sicherheitsausstattung.
2- Leistungs-Merkmale
Diese Merkmale des Produkts sind dem Benutzer bewusst. Sie können sowohl positive Emotionen bei ihm hervorrufen, wenn sie vorhanden sind bzw. die Erwartungen
erfüllt werden, als auch negative Emotionen, wenn sie nicht vorhanden sind bzw.
die Erwartungen nicht erfüllt werden. Die Zufriedenheit des Benutzers hängt vom
Ausmaß der Erfüllung dieser Merkmale ab. Ein relevantes Beispiel hierfür sind die
Leistungs-Merkmale eines Autos, wie der Verbrauch oder die Beschleunigung.
3- Begeisterungs-Merkmale
Diejenigen Merkmale, die vom Benutzer nicht unbedingt erwartet werden. Wenn sie
vorhanden sind bzw. die Erwartungen des Benutzers hinsichtlich dieser Merkmale
übertroffen werden, werden beim Benutzer sehr positive Emotionen erweckt. Beim
Fehlen dieser Merkmale werden die Erwartungen des Benutzers nicht übertroffen.
Es wird aber keine Unzufriedenheit beim Benutzer hervorgerufen. Es ist wichtig
zu sagen, dass sich fehlende Basis-Merkmale nicht durch Begeisterungs-Merkmale
kompensieren lassen. Eine nicht erwartete Sonderausstattung eines Autos oder ein
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besonderes Design sind gute Beispiele.
4- Unerhebliche Merkmale
Diejenigen Merkmale, deren Fehlen oder Vorhandensein den Benutzer nicht beeinflusst. Sie führen weder zur Zufriedenheit noch zur Unzufriedenheit des Benutzers.
In diesem Sinne wirken z. B. für eine bestimmte Menschen das Schiebedach und
das Automatikgetriebe eines Autos.
5- Ablehnungs-Merkmale
Sind diese Merkmale vorhanden, führt das zur Unzufriedenheit des Benutzers. Sind
sie nicht vorhanden, führt dies aber nicht zur Zufriedenheit. Ein Beispiel in diesem
Sinne wäre ein Auto, das einen Unfallschaden oder Rostflecken hat.
Anhand dieser fünf Gruppen können wir einfacher die richtigen Entscheidungen für
die sinnvollen Merkmale des Produkts treffen. Darüber hinaus können wir wissen,
welche Merkmale welche emotionalen Reaktionen beim Benutzer erzeugen. Zentral
für eine gelungene User Experience ist es, dass das Produkt beim Anwender möglichst positive Emotionen entstehen lässt und negative verhindert.
Es gibt verschiedene Techniken für die Durchführung einer Kano-Analyse. Oft wird
sie durch ein strukturiertes Interview oder durch eine schriftliche Befragung erledigt.
Zu diesem Zweck müssen wir Menschen aus verschiedenen Gruppen kontaktieren.
Dann können wir einen Fragebogen mit einer Liste möglicher Merkmale des Produkts
aufstellen. Danach können wir anhand dieser Liste die verschiedenen Benutzergruppen nach ihren emotionalen Reaktionen fragen. Zum Schluss werden die Ergebnisse
statistisch bewertet [Moser 2012].
Die wichtige Rolle der Kano-Analyse besteht darin, dass sie uns ermöglicht, die
Erwartungen des Benutzers besser kennen zu lernen. Jede der fünf Kategorien hilft
uns dabei, die Produktmerkmale aus der Sicht des Benutzers zu priorisieren.
5.2 Umfangsebene
Sobald wir unsere Produktziele und die Bedürfnisse unserer Benutzer an das Produkt
bestimmt haben, können wir nun planen, wie wir diese erfüllen können.
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5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
5.2.1 Umfang definieren
Der Umfang ist die zweite Ebene des Fünf-Ebenen-Modells. Hier geht es weiter um
abstrakte Themen. In dieser Ebene definieren wir den Rahmen unseres Projekts.
Dieser Prozess hat viele Vorteile. Er hilft uns, als Team während der Arbeit am
Produkt (Projekt) ein gemeinsames Ziel zu haben. Durch die Definition unserer
Anforderungen können wir unseren Designprozess genau beschreiben. Ein weiterer
Vorteil liegt darin, dass wir bei der Definition unserer Anforderungen wissen können,
welche Möglichkeiten wir haben und was uns zur Verfügung steht [Garrett 2012].
Abbildung 5.5: Die Komponenten der Umfangsebene [Garrett 2012].
Warum müssen wir die Anforderungen definieren?
Nach Garrett [2012] gibt es zwei wichtige Gründe, die Anforderungen zu definieren.
Der erste Grund liegt darin, dass wir genau wissen müssen, was wir eigentlich entwickeln. Obwohl das ganz einfach und selbstverständlich erscheint, meint Garrett, dass
dies in der Praxis zu den meisten Problemen führt. Wenn wir unsere Ziele deutlich
aussprechen, hat das zur Folge, dass jedes Team-Mitglied weiß, welche Aufgaben
es hat und wann sie fertig sein müssen. So bekommen alle Team-Mitglieder eine
konkrete Vorstellung von der Form des fertigen Produkts.
Die vorherige Definition unserer Anforderungen hilft uns dabei, die verschiedenen
Punkte und Aufgaben effizienter zu verteilen. Wenn jeder alle Punkte (Aufgaben),
an denen er arbeiten soll, vor sich hat, kann er wahrscheinlich die Relation zwischen
diesen Punkten (Anforderungen) klar sehen [Garrett 2012].
Der zweite Grund der Definition der Anforderungen liegt darin, dass wir wissen müssen, was wir nicht entwickeln. Garrett ist der Meinung, dass nicht alle tollen und
wunderschönen Funktionen und Features zu unseren Produktzielen und Nutzerbedürfnissen passen. Bei der Entwicklung eines Produkts tauchen immer neue Ideen
und anschließend neue mögliche Produktfeatures auf. Die vorherige Definition der
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Anforderungen lässt uns besser entscheiden, ob diese Features zu unseren strategischen Zielen passen oder nicht. Darüber hinaus empfiehlt Garrett, dass wir diese
neuen Features notieren. Wenn dies momentan nicht zu unserer Arbeitpasst, kann
es sein, dass es in der nächsten Phase unseres Plans passen würde.
5.2.2 Definition der Anforderungen
Wenn wir an die Anforderungen denken, denken wir sofort an die Beschreibung jeder
einzelnen Eigenschaft, die in dem Produkt enthalten sein muss. Diese Beschreibung
ist von den Subtasks abhängig. Wenn es zum Beispiel um die Implementierung eines
sehr komplexen Subtasks geht, könnte diese Beschreibung sehr detailliert sein. Die
Anforderungsarten sind normalerweise unterschiedlich zueinander. Es gibt Anforderungen, die nur für ein gewisses Feature gelten. Andere Anforderungen hingegen
gelten für das ganze Produkt. Ein relevantes Beispiel hierfür ist die Markenidentität
eines Produkts [Garrett 2012].
Nach Garrett können wir die Definition der Anforderungen am besten sowohl von
den Stakeholdern als auch von den Benutzern bekommen. Wenn wir mit den Benutzern arbeiten möchten, gibt es verschiedene Techniken, um deren Wünsche und
Anforderungen herauszufinden. Somit können wir erfahren, was sie im fertigen Produkt sehen möchten, welche Funktionen, welche Form usw. sie gerne hätten. Wenn
wir mit den Stakeholdern arbeiten möchten, können wir mit ihnen innerhalb unserer
Organisation besprechen, was in Ihrem Produkt vorhanden sein muss.
Egal ob die Quelle der Anforderungsdefinition die Stakeholder oder die Benutzer
sind, unterteilen sich die Anforderungen in drei Kategorien [Garrett 2012]:
1- Was wünschen sich die Benutzer explizit? Dies sind die offensichtlichen Funktionen, welche die Benutzer gerne haben möchten. Es geht hier um ganz klare Ideen
und Features, die die Anwender in dem fertigen Produkt gerne enthalten sehen
möchten.
2- Was möchten die Benutzer wirklich? Wenn die Benutzer das Produkt untersuchen (zum Beispiel durch den Usability-Test), stellen sie manchmal fest, dass sie
mit einigen Funktionen oder mit dem ganzen Produkt Schwierigkeiten haben. In
vielen Fällen stellen sie sich eine Lösung dafür vor. Wenn wir als Entwickler diese
Ideen (Lösungen) untersuchen, können wir wahrscheinlich zu neuen Anforderungen
kommen.
3- Die Funktionen, die die Benutzer wünschen, obwohl sie gar nichts von ihnen
wissen: Diese Ideen oder Funktionen kommen meist aus Brainstorming-Sitzungen.
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5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Um diese Anforderungen zu verwirklichen, gibt es in der Praxis verschiedene Techniken, wie zum Beispiel die sogenannten Personas. Sie sind fiktive Benutzer, trotzdem
können sie in der Realität existieren, weil sie spezifische Eigenschaften besitzen. Dazu
gibt es ein sogenanntes Szenario. Es erzählt eine kleine Geschichte, die beschreibt,
wie diese fiktiven Benutzer ihre Bedürfnisse befriedigen können [Meseberg 2011].
Damit können wir auf Anforderungen kommen, die wir befriedigen müssen.
5.2.3 Funktionsspezifikationen
Funktionsspezifikationen, oder funktionale Anforderungen, stammen aus dem
Softwareentwicklungsbereich. Einige Organisationen unterscheiden zwischen diesen
beiden Begriffen. Mit den Anforderungen wird am Anfang des Projekts bezeichnet,
was die Produktsoftware machen soll, mit den Spezifikationen wird am Ende des
Projekts beschreiben, was die Produktsoftware machen kann [Garrett 2012]. In
dieser Arbeit sind mit dem Begriff Funktionsspezifikationen die Anforderungen an
die Inhalte gemeint.
Warum ist die Beschreibung der Funktionsspezifikationen wichtig?
Die Funktionsspezifikationen beschreiben die Funktionen des Produkts aus der Sicht
des Benutzers. Eine Funktionsspezifikation hilft uns, unsere Softwares oder Produkte, die wir benutzen möchten, zu planen [Delmonte 2013a].
Das Schreiben einer Funktionsspezifikation hat viele Vorteile: Mit einer natürlichen
Sprache kann man viel mehr schneller schreiben als in einer Programmiersprache,
somit kann man viel Zeit sparen. Außerdem können wir die Beschreibung (sie ist
in einer natürlichen Sprache) besser bearbeiten. Man kann beispielsweise einen
Abschnitt (eine Spezifikation) hinzufügen oder löschen, ohne jemand anderen zu
verärgern. Ein weiterer Vorteil für die Beschreibung des Softwareprodukts in einer
Funktionsspezifikation liegt darin, dass man bei der Kommunikation mit den
Team-Mitgliedern und allen anderen betroffenen Personen viel Zeit sparen kann;
man braucht die Funktionsspezifikationen nur einmal zu schreiben, dann können
alle Beteiligten sie problemlos lesen und verstehen [Delmonte 2013a]. Diese Vorteile
gelten nicht nur für die Beschreibung der funktionalen Anforderungen, sondern für
die gesamten Anforderungen.
Wie sollen die Funktionsspezifikationen geschrieben werden?
Oft bleiben die Funktionsspezifikationen nach dem Schreiben in einem Regal oder
in einem Ordner, ohne dass jemand Lust hat, sie zu lesen. Nach Maurizio Delmon-
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Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
te [2013b] ist in diesem Fall der Verfasser schuld. Die Frage ist hier, wie wir die
Funktionsspezifikationen formulieren sollen.
Obwohl nicht alle Projekte die selbe Komplexität oder Größe besitzen, existieren
allgemeine Regeln, welche bei der Beschreibung aller Arten von Anforderungen
gültig sind (vgl. [Delmonte 2013b] und [Garrett 2012]):
1- Man muss in klarer und einfacher Sprache schreiben
Damit die Funktionsspezifikationen beim Lesen verständlich und interessant sind,
darf man keine förmliche Sprache benutzen, sondern Umgangssprache. Wenn ein
Satz lang und kompliziert ist, ist es besser, diesen Satz in zwei oder auch drei Sätze
aufzuteilen.
2- Man muss amüsant schreiben
Ein typisches Beispiel ist, dass man einen Musternamen (Spitznamen) oder den
wirklichen Namen des Benutzers anstatt nur Benutzer verwendet, wenn über
die Benutzer gesprochen wird. Man kann auch den Leser mit ironischen oder
humoristischen Passagen involvieren.
3- Man muss spezifisch schreiben
Das bedeutet, dass man die Anforderungen genau beschreiben muss, so dass man
keinen großen Raum für die Interpretationen lässt. Wenn es nicht viele mögliche
Interpretationen gibt, können wir feststellen, dass diese Anforderung befriedigt ist.
4- Man muss eine subjektive Ausdrucksweise vermeiden
Subjektive Ausdrucksweise kann am meisten zu Zweideutigkeit und in der Folge zur
Fehlbehandlung der Anforderungen führen. Ein Beispiel, solcher subjektiver Ausdrucksweise:
Das fertige Produkt soll ein cooles Design haben.
In diesem Fall lässt sich die subjektive Qualität cool schwer verwirklichen. Jeder
kann sich unter cool etwas ganz anderes vorstellen.
Mit der quantitativen Definition der Anforderungen (zumindest einiger Anforderungen) können wir besser überprüfen, ob diese Anforderungen erfüllt werden. Wenn
wir zum Beispiel schreiben, dass das System hohe Performance haben soll, ist das
Erfolgskriterium unklar. Wenn wir stattdessen schreiben würden, dass das System
den Zugriff von 500 Benutzern gleichzeitig ermöglichen soll, können wir das später
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5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
einfach messen. Ermöglicht das fertige Produkt nur den Zugriff für 10 Benutzer
gleichzeitig, dann ist klar, dass diese Anforderung nicht erfüllt ist.
5- Man muss positiv schreiben
Die fünfte Regel ist das positive Schreiben. Das bedeutet, dass man schreiben muss,
was das System kann, und möglichst vermeiden sollte zu schreiben, was das System
nicht kann.
Besser wäre zum Beispiel, wenn man anstatt
„Der Benutzer kann in unserem System keine Kinderbücher kaufen.“
schreibt:
„Wenn der Benutzer ein Kinderbuch kaufen möchte, leitet ihn das System zu der
Seite mit den Kinderbüchern weiter.“
6- Man muss eine überpräzise Schreibweise vermeiden
Die Funktionsspezifikationen sollen von Menschen und nicht von Computer gelesen
werden. Aus diesem Grund sollen sie lieber nicht so präzise wie ein langweiliges
technisches Handbuch sein.
5.2.4 Inhaltliche Anforderungen
Wie bereits am Anfang dieses Kapitels erwähnt, basiert das Fünf-Elemente-Modell
von Garrett auf den Webbereich, auch wenn die Möglichkeit besteht, es auf andere
Produkte zu übertragen. In diesem Kapitel stammen auch meine Beispiele aus dem
Webbereich.
Die Typen des Inhalts einer Internetseite können sehr unterschiedlich sein. Wenn
zum Beispiel von den Inhalten einer Website die Rede ist, denken wir sofort an
Texte. Texte allein reichen aber für eine gute Seite nicht aus. Sie muss multimediale Inhalte wie Fotos, Videos oder Infografiken enthalten. In einigen Fällen kann es
sein, dass eine Menge von unterschiedlichen Inhaltstypen (Text, Bild, Video, etc.)
nur eine Anforderung erfüllt. Diese verschiedenen Arten von Inhalten müssen aber
alle den gleichen Anforderungen entsprechen. Ein Inhaltselement kann beispielsweise aus einem Text mit einem Bild oder einem Video bestehen. Der Umfang jedes
Inhaltselements hat große Wirkung auf unsere User-Experience-Entscheidungen. Im
allgemeinen meint Garrett, dass unsere inhaltlichen Anforderungen Größenschätzungen des Umfangs, wie z. B. Pixelabmessungen für Bilder, oder wie viele Wörter
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5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
der Text ungefähr haben soll, beinhalten sollen. Die Planung dieser Inhaltselemente
hilft uns, intelligente Entscheidungen zu treffen [Garrett 2012].
In der Praxis findet Garrett, dass wir so frühzeitig wie möglich die Verantwortlichkeiten für die wichtigen Inhaltselemente verteilen müssen. Machen wir das nicht, weist
unsere Webseite am Ende wahrscheinlich verschiedene auf Lücken, was zu schlechter User Experience führt. Ein wichtiger Teil ist außerdem die Pflege der Inhalte.
Wenn wir die Inhalte unserer Website (oder unseres Produkts) nicht aktualisieren,
bekommen wir mit der Zeit eine Website, die die Nutzerbedürfnisse weniger oder
nicht mehr erfüllt.
Wenn unsere Website Informationen für unterschiedliche Gruppen von Benutzern
bietet, ist es sinnvoll zu wissen, welche Personen in den Gruppen sind, um die Inhalte
besser zu präsentieren. Informationen für Schüler brauchen einen anderen Ansatz als
Informationen für deren Lehrer. Möchten wir die Informationen für beiden anbieten,
müssen wir an einen dritten Ansatz denken [Garrett 2012]. Wenn wir diese Sachen
früh erkennen, können wir die User Experience besser gestalten.
Abbildung 5.6: Beispiele der Beziehung zwischen den strategischen Zielen und den
Anforderungen [Garrett 2012].
Garrett äußert, dass die Sammlung von Ideen für die Anforderungen nicht schwer
ist, sondern dass jeder, der ein Produkt verwendet, nach gewisser Zeit eine Vorstellung oder eine Idee bekommt für eine neue Funktion oder für die Verbesserung der
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existierenden Funktionen. Es ist schwer zu wissen, welche Funktionen am besten zu
unserem Umfang passen.
Die Strategie ist die Grundlage, wenn wir uns für die Anforderungen entscheiden
müssen (weil der Umfang darauf aufbaut). Manchmal erfüllt jedes strategisches Ziel
mehrere Anforderungen (siehe Abbildung 5.6 links) und manchmal führt eine Anforderung zu mehreren strategischen Zielen (siehe Abbildung 5.6 rechts).
Zum Schluss ist auch zu sagen, dass nicht alle Anforderungen erfüllt werden können.
Manchmal gibt es technische Hindernisse. Es gibt zum Beispiel keine Möglichkeit, die
Dinge im Web berühren zu können, obwohl sich die Benutzer dies gerne wünschen.
Andererseits können wir manchmal einige Inhalte nicht umsetzen, weil sie mehr
Personal oder mehr Geld benötigen würden [Garrett 2012].
5.3 Strukturebene
Die dritte Ebene des Garrett-Modells ist die Strukturebene. In dieser Ebene gehen
wir von den abstrakten Themen und Ansätzen, welche in der Strategie- und Umfangsebene enthalten sind, zu den konkreten Faktoren über. Wir werden hier eine
konzeptuelle Struktur für das Produkt entwickeln.
5.3.1 Struktur definieren
Wie ich bereits erwähnt habe, kommen wir auf dieser Ebene zu den konkreten Faktoren, die die User Experience beeinflussen. Die Anforderungen alleine schaffen noch
keinen Überblick, wie sie zusammenpassen. Die Struktur gibt diesen Anforderungen
eine Form: Wie passen die Teile des Produkts zusammen? Wie verhalten sie sich im
Zusammenspiel? Das Interaktionsdesign und die Informationsarchitektur bilden die
Strukturebene.
Abbildung 5.7: Die Komponenten der Strukturebene [Garrett 2012].
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5.3.2 Interaktionsdesign
Da ich das Thema Interaktionsdesign bereits in Kapitel 2 ausführlich behandelt
habe, möchte ich es in diesem Kapitel innerhalb des Garrett-Modells erklären. Darüber hinaus möchte ich erklären, wie das Interaktionsdesign unsere User Experience
bestimmt.
Bei der grundlegenden Rolle des Interaktionsdesigns geht es darum, den Benutzer
zu verstehen, wie er denkt, wie er sich verhält und was er braucht, um seine
Aufgaben mit Hilfe des Produkts besser erledigen zu können. Wenn wir all diese
Sachen in der Struktur des Produkts berücksichtigen, erzeugen wir eine gute und
erfolgreiche User Experience für unsere Benutzer.
Konzeptuelle Modelle
Das konzeptuelle Modell beschreibt das Verhalten oder den Eindruck des Benutzers, wenn er mit den Komponenten des interaktiven Produkts interagiert. Um die
Entscheidungen des Designs unseres Produkts besser und konsistenter zu treffen,
müssen wir zuerst unser konzeptuelles Modell kennen. Wenn wir z. B. eine Website
haben, ist es unwichtig, ob unsere Inhaltskomponente ein Objekt oder einen Ort
bezeichnet, wichtiger ist es, dass diese Komponente immer die selbe Funktion hat.
Sonst verhält sich unsere Website inkonsistent, indem die selbe Komponente mal ein
Objekt und mal einen Ort bezeichnet [Garrett 2012].
Das konzeptuelle Modell kann das Produkt als Ganzes oder nur ein Element des
Produkts bezeichnen. Als Beispiel stellt Jesse James Garrett die Website von Slate
dar. Slate ist eine englische Online-Nachrichten-Website. Als sie erstmals online ging,
war ihr konzeptuelles Modell genauso wie ein echtes Magazin, so dass jede Seite
eine Seitenzahl, eine vorherige und eine nachfolgende Seite hatte, und der Leser die
Seiten durch eine Bedienfunktion umblättern konnte. Slate stellte aber fest, dass
dieses konzeptuelle Modell nicht ideal war. Deswegen verzichteten sie später darauf
[Garrett 2012].
In der Praxis stehen für eine Komponente des interaktiven Produkts mehrere konzeptuelle Modelle zur Verfügung. Z. B. gibt es beim Online-Verkauf zwei unterschiedliche konzeptuelle Modelle. Die erste Form funktioniert wie ein Einkaufsladen,
so dass der Warenkorb einen Behälter darstellt, den der Käufer verwenden kann,
um die gewünschten Produkte zu kaufen. Dieses Aufgabe wird erfüllt mit Hilfe
von Funktionen wie Legen (die Produkte in den Warenkorb legen) und Herausnehmen (die Produkte aus dem Warenkorb herausnehmen). Die zweite Form stammt
ebenfalls aus der realen Welt und funktioniert wie ein Katalog. Dadurch wird der
gewöhnliche Warenkorb durch bestimmte Funktionen ersetzt [Garrett 2012].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Um eine erfolgreiche User Experience zu gestalten, ist es nach Garrett empfehlenswert, dass wir dem Benutzer nicht mitteilen, welches konzeptuelle Modell wir wählen
möchten. Die Kommunikation mit dem Benutzer über unser konzeptuelles Modell
muss nicht explizit sein, weil diese Kommunikation dem Benutzer nicht hilft, sie
kann ihn in einigen Fällen sogar verwirren. Wir müssen das am besten funktionierende konzeptuelle Modell auswählen, solange dieses sowohl den Bedürfnissen des
Benutzers als auch seinen Erwartungen entspricht [Garrett 2012]. Wenn es in mancher Hinsicht den Erwartungen des Benutzers nicht entspricht, kann es den Benutzer
meiner Meinung nach auch stimulieren, es zu entdecken. In der Folge erzeugt es eine
gute User Experience.
5.3.3 Informationsarchitektur
Definition
Die zweite Hauptkomponente der Strukturebene ist die Informationsarchitektur. Sie
beschreibt die kognitive Verarbeitung der Informationen. Insbesondere bezeichnet sie
sowohl die Struktur der dargebotenen Informationen, als auch die Gestaltung dieser
Struktur. Obwohl die Informationsarchitektur als Konzept neu ist, ist sie in der Praxis sehr alt. Schon lange versuchten Menschen, die zu vermittelnden Informationen
so zu strukturieren und zu gestalten, dass sie für andere Menschen verständlich und
nutzbar sind (vgl. [Garrett 2012] und [Wolf 2010]).
Informationsarchitektur spielt eine wichtige Rolle sowohl für funktionsorientierte
Produkte (z. B. ein Handy) als auch für informationsorientierte Produkte (z. B. für
eine Website, die nur Informationen darstellt).
Struktur des Inhalts
Wenn wir ein informationsorientiertes Produkt haben, stellt sich die Frage, wie die
Informationen strukturiert werden sollen, um die User Experience beim Benutzer
positiv zu beeinflussen.
Das Ziel der Informationsarchitektur im Webbereich ist nicht nur, Informationen
zu strukturieren, sie ist auch stark verbunden mit dem Bereich der Gestaltung der
Systeme, die es dem Benutzer ermöglichen, diese Informationen effizienter und effektiver zu finden. Darüber hinaus sorgt sie für die Navigation, die den Benutzern
hilft, typische Informationen auf der Website zu finden [Garrett 2012].
Wie in allen Bereichen treten in der Informationsarchitektur verschiedene Probleme
auf. Um diese Probleme zu überwinden, verwenden wir Klassifizierungssysteme, die
die Inhalte der Website und die Nutzerbedürfnisse berücksichtigen. Um ein solches
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
System aufzubauen, haben wir zwei Methoden oder Ansätze: Der Von-unten-nachoben-Ansatz und der Von-oben-nach-unten-Ansatz [Garrett 2012].
1- Von-unten-nach-oben-Ansatz Basiert auf den Überlegungen auf der Umfangsebene (Inhalte und Funktionalität). Bei diesem Ansatz benutzen wir Kategorien und Unterkategorien. Als ersten Schritt analysieren wir die Inhalte und die
funktionalen Anforderungen. Dann gruppieren wir die Komponenten in logische Kategorien. Danach gruppieren wir diese Gruppe wiederum in Kategorien auf einer
höheren Ebene. So bekommen wir eine Hierarchie oder eine Struktur, die unsere
Produktziele und Nutzerbedürfnisse erfüllt (Abbildung 5.8).
2- Von-oben-nach-unten-Ansatz
Basiert auf den Überlegungen auf der Strategie-
ebene (Produktziele und Nutzerbedürfnisse). Als ersten Schritt sammeln wir die am
weitesten möglichen Ziele, die wir erreichen möchten und verwirklichen können. Diese beinhalten die möglichen Inhalts- und Funktionskategorien. Dann unterteilen wir
diese Gruppe in Unterkategorien. So haben wir eine Struktur, welche die inhaltlichen
und funktionalen Anforderungen umfasst (Abbildung 5.8).
Abbildung 5.8: Der Von-oben-nach-unten-Ansatz (oben) und der Von-unten-nachoben-Ansatz (unten) ([Garrett 2012], S.90).
Beide Ansätze sind wichtig und keiner ist besser als der andere: Bei dem Vonunten-nach-oben-Ansatz haben wir eine Struktur, die alle Inhalte widerspiegelt.
Diese Struktur ist aber unflexibel, wenn wir andere Inhalte hinzufügen oder ändern möchten. Andererseits ist der Von-oben-nach-unten-Ansatz flexibel für solche
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Änderungen. Er hat aber den Nachteil, dass wir beim Aufbau einer solchen Struktur eine Architektur bekommen, in der wir manchmal wichtige Inhalte übersehen
[Garrett 2012].
Viele Leute sehen als Qualitätsmerkmal einer Webseite die Anzahl der Klicks oder
die Anzahl der Schritte, die notwendig sind, damit der Benutzer seine Aufgabe erreicht. Deswegen legen sie sich auf der Ebene der Architektur auf eine bestimmte
Anzahl von Kategorien fest. Garrett ist der Meinung, dass wir die Anzahl der Kategorien in einem Abschnitt der Architektur nicht bestimmen müssen. Es ist für den
Benutzer wichtiger, dass jeder Schritt sinnvoll ist. Für ihn sind neun einfache und
sinnvolle Schritte besser als fünf komplexe Schritte [Garrett 2012].
Ein wichtiges Merkmal einer effektiven Architektur ist, dass sie für Hinzufügungen
und Änderungen flexibel ist. Wenn wir z. B. eine Website haben, müssen wir sie mit
der Zeit immer aktualisieren: Neue Themen hinzufügen, alte löschen, neue Anforderungen definieren usw. In den meisten Fällen meint Garrett, dass die Änderungen an
unsere Struktur angepasst werden sollten, bevor wir an eine neue Struktur denken.
Die Hauptidee bei der Gestaltung der gesamten User Experience, einschließlich der
Struktur der Website bzw. des Produkts ist, dass wir die Anforderungen und Ziele
des Benutzers kennen. Außerdem ist es nach Garrett [2012] wichtig, dass wir an
eine Überarbeitung unserer Struktur denken müssen, wenn die Ziele der Website
geändert oder neu definiert werden.
5.4 Rasterebene
In der Strukturebene haben wir allen Anforderungen, die aus den strategischen Zielen abgeleitet wurden, eine Form gegeben. Auf dieser Ebene möchten wir diese Form
noch besser formulieren. Die Rasterebene besteht aus den Aspekten des Navigations, Inteface- und Informationsdesigns. Diese Elemente sind sehr eng miteinander verbunden.
5.4.1 Definition des Rasters
Die vorige Ebene umfasst das Interaktionsdesign und die Informationsarchitektur,
die eine wichtige Rolle spielen, die Funktionalität unserer Website zu definieren. In
der Rasterebene bestimmen wir die Form dieser Funktionalität. Insbesondere werden
wir uns hier auf die Elemente der einzelnen Seiten konzentrieren.
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Wenn wir dem Benutzer ermöglichen, einen anderen Ort anzusteuern, handelt es sich
um ein Navigationsdesign. Mithilfe des Navigationsdesigns kann der Benutzer unsere
Struktur, die wir mithilfe der Informationsarchitektur aufgebaut haben, erkennen.
Abbildung 5.9: Die Komponenten der Rasterebene [Garrett 2012].
Auf der Funktionsseite besteht das Raster aus dem Interfacedesign (Abbildung 5.9).
Da das Interfacedesign innerhalb des Garrett-Modells eine Rolle spielt und mein
Rechercheschwerpunkt nicht auf dieser Disziplin liegt, werde ich an dieser Stelle
nur einen kurzen Überblick geben, der die Beziehung des Interfacedesigns mit dem
Interaktionsdesign innerhalb unserer Gestaltung der User Experience erklärt.
Interfacedesign beschäftigt sich mit der Gestaltung von Benutzungsoberflächen zwischen dem Benutzer und der Maschine (dem Produkt). Wenn der Benutzer irgendetwas mit dem Produkt machen möchte, dann fällt diese Aufgabe in das Gebiet
des Interfacedesigns. Der Benutzer kann anhand des Interface (Schnittstelle) mit den
Funktionen des Produkts, die wir in der zweiten Ebene in der Spezifikation definiert,
und in der dritten Ebene im Interaktionsdesign strukturiert haben, interagieren.
Die wichtigstee Aufgabe des Interfacedesigns ist die Auswahl der geeigneten
Interface-Elemente (wie Eingabefelder und Schaltflächen) für jede Aufgabe und deren Anordnung auf dem Bildschirm [Garrett 2012]. Bei der Gestaltung einer Benutzungsoberfläche müssen wir die schon existierenden Konventionen berücksichtigen.
5.4.2 Konvention
Wenn wir eine Benutzungsschnittstelle oder eine Webseite erstellen möchten, befinden sich normalerweise die generell verwendeten Interaktionselemente wie Suchmasken, Navigation, Toolbars oder Menüleisten am gleichen Ort. Diese Anordnung wird
im Laufe der Zeit Standard [Moser 2012]. Zum Beispiel befindet sich das Logo einer
Website meistens oben links und die Suchmaske oben rechts (siehe Kapitel 2.4.1).
Das Ziel der Rasterebene ist das Verfeinern der Form der Website, welche wir in
der Strukturebene bekommen haben. Dabei müssen die vorhandenen Konventionen
(zum Beispiel das Logo oben links) berücksichtigt werden, weil dies das Vertrauen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
des Benutzers in unser Produkt unterstützt. Wenn der Benutzer beispielsweise zwei
Websites besuchen möchte, Von denen ihm die erste schon vertraut ist, die andere
Website jedoch für ihn neu ist, ist Garrett der Meinung, dass sich der Benutzer
schnell an die neue Website gewöhnen kann, und dass er sie als vertrautes Produkt
annimmt, wenn sie mit der anderen, bereits vertrauten Website konsistent ist und
sich an die wichtigsten Konventionen hält.
Tatsächlich folgen fast alle Produkte, mit denen Menschen interagieren, zu einem
gewissen Maße Konventionen. Z. B. befinden sich bei allen Auto-Herstellern die
wichtigsten Interaktionselemente (Hupe, Schaltgetriebe, ...) am gleichen Ort.
Die Tastatur-Designs von Telefonen sind ebenfalls ein wichtiges Beispiel für den
Sinn von Konventionen. Die Drei-mal-vier-Anordnung der Ziffern wird als Standard bezeichnet, trotzdem gibt es in diesem Bereich viele Experimente, die andere
Tastatur-Designs, wie die Zwei-mal-sechs- oder Vier-mal-drei-Anordnung ausprobieren [Garrett 2012].
In der Realität benötigt der Benutzer nur ein paar Sekunden mehr, wenn er einen
Anruf mit einem nicht standardgemäßen Telefon tätigt. Diese paar Sekunden sind
aber für den Benutzer sehr wichtig. Sie können die Ursache sein, dass der Benutzer äußerst unzufrieden wird und eine negative User Experience bei ihm erzeugt
wird[Garrett 2012].
Tatsächlich geschieht es in einigen Fällen, dass sich Konventionen von einem Produkt auf ein anderes übertragen. Z. B. wurde die Drei-mal-vier-Ziffernanordnung
des Tastaturlayouts von Telefonen zum Standard für andere Produkte, wie Fernbedienungen und Mikrowellen [Garrett 2012]. Die Wichtigkeit dieses einheitlichen
Standards bei unterschiedlichen Geräten liegt darin, dass sich der Anwender leicht
daran gewöhnen kann.
Das bedeutet aber nicht, dass wir bei der Gestaltung unserer Benutzungsoberfläche den bestehenden Konventionen hundertprozentig folgen müssen. Nach Garrett
können wir von diesen Konventionen nur dann abweichen, wenn diese Abweichung
sinnvoll ist. Die positive User Experience basiert darauf, dass es für jede Abweichung
einen klaren Grund gibt [Garrett 2012].
5.4.3 Navigationsdesign
Das Navigationsdesign spielt für jede Website eine wesentliche Rolle. Gleichzeitig
ist die Navigation auch für jedes nicht informationsorientierte Produkt oder für
Produkte, die gar keine Websites sind, sehr wichtig. Wenn die gesamte Funktionalität des Softwareprodukts nicht in eine einzige Benutzungsoberfläche gepackt ist,
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
braucht der Benutzer unbedingt Navigationselemente, die ihm helfen, sich besser in
der Software zu orientieren [Garrett 2012].
Navigationsdesign muss drei Ziele erfüllen
Die Ziele der Navigation jeder Website oder jedes Softwareprodukts, das aus mehreren Benutzungsoberflächen besteht, kann man eigentlich auf die Beantwortung
von drei Fragen reduzieren: Wo bin ich? Woher komme ich? Und wohin kann ich
gehen? (vgl. [Garrett 2012] und [Dilthey 2000]).
1- Wohin kann ich gehen?
Der Benutzer muss die Fähigkeit haben, von seiner Position zu einer anderen zu
gelangen. Im Allgemein muss man nicht jede Seite oder jede Benutzungsoberfläche mit allen anderen verknüpfen. Die Navigationselemente müssen so gestaltet
werden, dass sie das Verhalten des Benutzers vereinfachen. Meist ist es praktikabel und sinnvoll, dass die oberste Seite der Struktur (Startseite) immer erreichbar ist.
2- Woher komme ich?
Bei einer Website beantwortet der Browser diese Frage durch die ZurückSchaltfläche. Es ist sehr wichtig, dass wir in unsere Produkten solche Elemente
einfügen. Wenn wir auf den Zurück-Link verzichten, können wir nie wissen, woher
der Benutzer gekommen ist. In diesem Fall sollten wir lieber Links wie Zurück zur
Hauptseite hinzufügen. Außerdem muss das Navigationsdesign so gestaltet sein, dass
es die Relation zwischen den verschiedenen Navigationselementen verdeutlicht. Wir
müssen nicht nur eine Linkliste erstellen, sondern wir müssen auch die Beziehung
zwischen diesen Links erklären: Welcher ist wichtiger als die anderen? Was sind die
Unterschiede zwischen ihnen? Was sind die Gemeinsamkeiten? Diese Informationen
ermöglichen dem Benutzer, die Auswahlmöglichkeiten besser zu erkennen.
3- Wo bin ich?
Das Navigationsdesign muss so gestaltet sein, dass es dem Benutzer die Relation
zwischen den gesamten Inhalten der Website (oder des Produkts) und der momentan
besuchten Seite vermittelt. Eine auffallend platzierte Überschrift kann z. B. dem
Benutzer kommunizieren, wo er sich gerade befindet. Wenn wir dem Benutzer diese
Relation vermitteln können, kann er besser verstehen, welche Auswahlmöglichkeiten
ihm zur Verfügung stehen, um seine Ziele zu erreichen.
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Als Verbot bzw. Tabu können wir hier erwähnen, dass keine Seite oder Benutzungsoberfläche ohne Navigationselemente gestaltet werden darf. Andererseits müssen wir
vermeiden, eine Seite zu erstellen, zu der wir im normalen Ablauf nicht zurückkehren
können.
Manche Leute sind der Meinung, dass der Benutzer sich auf einer Website genau wie
in einem echten Läden verhält: Er behält eine kleine Karte in seinem Gedächtnis und
weiß genau, was die wichtigen und möglichen Schritte (Wege) sind; andere glauben,
dass der Benutzer die Struktur der Website sofort nach seinem Besuch vergisst und
dass er kein Wissen von einer Website zur anderen mitnimmt [Garrett 2012].
Da es bis jetzt keine Studie gibt, die das abschließend klärt, ist es sinnvoll, dass
die Gestaltung der gesamten User Experience, einschließlich der Struktur und der
Navigation, darauf basiert, dass der Benutzer kein Wissen über die Struktur in
seinem Kopf bemerkt [Garrett 2012].
Beispiele für Navigationssysteme
In der Praxis besitzen die meisten Websites mehrere Navigationssysteme, mit denen
der Benutzer seine Bedürfnisse und Ziele auf unterschiedliche Weise erfüllen kann.
Gute Beispiele sind die globale Navigation und die lokale Navigation [Garrett 2012]:
1- Globale Navigation
Sie ermöglicht dem Benutzer, zum großen Umfang des Softwareprodukts oder der
Website zu gelangen. Das bedeutet nicht, dass sich auf jeder Benutzungsoberfläche
oder auf jeder Seite eine globale Navigationbefinden muss, obwohl diese Idee sinnvoll
ist. In Garrett [2012] wird der Begriff persistent verwendet, um Navigationselemente
zu beschreiben, die auf sämtlichen Seiten erscheinen. Hier ist es wichtig zu sagen,
dass persistente Navigationselemente nicht unbedingt global sein müssen. Mithilfe
der globalen Navigation kann der Benutzer die Website von einem Ende zum anderen
bewegen (siehe Abbildung 5.10). Anders gesagt, mit einer globalen Navigation kann
der Benutzer überall hin gelangen. Ein relevantes Beispiel globaler Navigation sind
die Navigationsleisten, welche Links zu allen Hauptteilen einer Website beinhalten.
Abbildung 5.10: Ein Beispiel der globalen Navigation [Garrett 2012].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
2- Lokale Navigation
Im Vergleich zur globalen Navigation gibt die lokale Navigation dem Benutzer nur
die Möglichkeit, die in der Struktur benachbarten Seiten zu erreichen. In der Struktur
befindet sich eine Eltern-Kind-Relation. Die lokale Navigation bietet dem Benutzer
Zugang sowohl zur übergeordneten Eltern-Seite, als auch zu den untergeordneten
Kind-Seiten zu gelangen (Abbildung 5.11).
Neben der globalen und der lokalen Navigation existieren noch andere Arten von
Navigationssystemen, etwa die kontextuelle und die ergänzende Navigation. Alle ermöglichen dem Benutzer, auf verschiedene Art und Weise erfolgreich auf der Website
zu navigieren.
Abbildung 5.11: Ein Beispiel der lokalen Navigation [Garrett 2012].
5.4.4 Informationsdesign
„Informationsdesign ist die Kunst, Informationen so aufzuarbeiten, dass sie von Menschen effizient und effektiv genutzt werden können“ (Nach Robert e. Horn in [Moser 2012], S. 172). Die Aufgabe des Informationsdesigns ist die Präsentation und
Organisation der Informationen, sodass sie für den Anwender gut benutzbar und
verständlich sind [Garrett 2012].
Es gibt verschiedene Arten von Informationsdesigns. Deswegen muss der Designer
die Entscheidung treffen, welche Art der Präsentation am besten zu den Informationen passt. Er muss beispielsweise entscheiden, ob ein Balkendiagramm oder ein
Kreisdiagramm besser für seine Präsentation der Informationen geeignet ist.
In einigen Fällen ist es die Aufgabe des Informationsdesigns, die Informationen zu
gruppieren und/oder anzuordnen [Garrett 2012]:
Wenn wir z. B. diese Liste von Informationen haben:
Name
Straße
Telefon
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Vorname
Postleitzahl
E-Mail
Straße/Hausnummer
Geburtsdatum
wäre es besser, wenn wir diese Liste so gruppieren und anordnen:
- Persönliche Daten
Vorname
Name
Geburtsdatum
- Adresse
Straße/Hausnummer
Postleitzahl
Ort
- Weitere Angaben
Telefon
E-Mail
Die Grundidee bei dieser Gruppierung und Anordnung der Informationsteile ist, dass
sie die Bedürfnisse und die Ziele des Benutzers unterstützen [Garrett 2012].
Informationsdesign spielt beim Interaktionsdesign eine Rolle: Bei der Interaktion
mit einem Softwareprodukt soll das System dem Benutzer manchmal Informationen
vermitteln. Fehlermeldungen sind ein relevantes Beispiel [Garrett 2012].
Eine weitere Aufgabe des Informationsdesigns ist die Ausschilderung. Diese Idee ist
von der realen Welt abgeleitet und ermöglicht es dem Benutzer, zu wissen, wo er sich
befindet und wohin er gehen kann. Auf Parkplätzen gibt es z. B. Ausschilderungen
mit einer Zahl oder einem Buchstaben, die den Menschen helfen, sich zu erinnern,
wo sie ihre Fahrzeuge geparkt haben.
Auf einer Website oder in einem Softwareprodukt erfolgt diese Ausschilderung durch
bestimmte Beschriftungssysteme oder Symbole, die dem Benutzer ein mentales Bild
liefern, wo er ist und wohin er gehen kann [Garrett 2012].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
5.5 Oberflächenebene
Die letzte Ebene des Fünf-Ebenen-Modells ist die Oberflächenebene. Auf dieser Ebene konzentrieren wir uns auf das sensorische Design, weil dies dem Benutzer als erstes
auffällt.
5.5.1 Definition der Oberfläche
Die Oberflächenebene besteht nur aus einer Komponente: Dem sensorischen Design.
Das fertige Design fasst Funktion, Inhalt und Ästhetik der Website zusammen. Auf
der Rasterebene haben wir uns mit der Anordnung der Interaktionselemente sowie
mit der Gruppierung und dem Arrangement der Informationselemente beschäftigt.
Auf der Oberflächenebene steht das visuelle Design im Mittelpunkt. So richten wir
den Fokus auf eine erfolgreiche visuelle Anordnung und Präsentation dieser Elemente.
Abbildung 5.12: Die Komponente der Oberflächenebene [Garrett 2012].
5.5.2 Einsatz der Sinne zur positiven Gestaltung von User Experience
Die Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen) sind unser Tor zur Welt.
Durch sie können wir mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen interagieren.
Um eine zufriedenstellende und erfolgreiche Interaktion mit einem Produkt zu haben, und um anschließend eine optimale User Experience zu entwickeln, müssen wir
uns bei der Gestaltung unseres Produkts auf eine sinnvolle Nutzung der Sinne konzentrieren. Jeder unserer Sinne spielt eine Rolle, wenn wir mit einem Produkt in
Kontakt kommen. Das hängt von verschiedenen Dingen ab: vom Produkt selbst und/oder von der Situation. Wenn man z. B. ein T-Shirt kaufen möchte, kann in der
Realität sowohl das visuelle Design als auch die Berührung eine Rolle spielen. Beim
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
Online-Kauf hingegen spielt nur das visuelle Design eine Rolle. Im Folgenden möchte ich den Einfluss der Sinne auf die gesamte User Experience behandeln [Garrett
2012]:
5.5.2.1 Sehen
„Das visuelle Design ist das Erste, was der Kunde von einem Produkt sieht. Es beeinfl
usst die subjektiv wahrgenommene Qualität, lange bevor andere Produktqualitäten
zum Tragen kommen.“ ([Moser 2012], S. 218). Visuelles Design spielt bei jedem Produkt eine wichtige Rolle. Seine grundlegende Aufgabe ist die grafische Gestaltung einer Benutzungsschnittstelle. Deswegen konzentrieren sich User-Experience-Designer
darauf, wie das visuelles Design die gesamte User Experience beeinflusst.
Es ist bekannt, dass nicht alle Anwender den selben Geschmack und die selbe ästhetische Wahrnehmung haben. Deswegen sind die Auffassungen, was ein visuell ansprechendes und cooles Design ist, sehr unterschiedlich. Garrett [2012] ist der Meinung,
dass unsere Designentscheidungen nicht unbedingt kompatibel mit dem sein müssen,
was für alle Benutzer ästhetisch ansprechend und cool erscheint. Stattdessen müssen diese Entscheidungen an die Entscheidungen auf der darunter liegenden Ebene
angepasst werden, weil unsere visuellen Designideen am Schluss gut funktionieren
müssen.
5.5.2.2 Hören
Geräusche spielen bei vielen Produkten eine wichtige Rolle. Sie können uns bei vielen
Produkten Informationen vermitteln. Z. B. gibt es bei einem Auto besondere Töne,
die uns informieren, dass das Licht noch nicht ausgeschaltet ist, die Tür offen ist
oder der Sicherheitsgurt noch nicht angelegt ist. Außerdem geben Geräusche einigen
Produkten eine Art von Persönlichkeit. Z. B. erkennen alle Benutzer die Töne eines
iPhones oder eines Samsung Galaxy, wenn der Bildschirm ge- oder entsperrt wird.
Ebenso ist der Ton der virtuellen Tastatur vertraut.
5.5.2.3 Geschmack und Geruch
Im Bereich Mensch-Maschine-Interaktion legen User-Experience-Designer weder
Wert auf Geruch noch auf Geschmack. Doch gibt es einige Gerüche, die beim Benutzer ein gutes Gefühl hinterlassen. Z. B. ist der Geruch eines neuen Autos (viele
neue Produkte haben ihren eigenen Geruch) bei vielen Leuten beliebt. Die UserExperience-Designer haben sich für diesen Geruch jedoch nicht bewusst entschieden,
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Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
der Geruch stammt von den bei der Produktion verwendeten Materialien [Garrett
2012].
5.5.2.4 Berührung
Berührung spielt im Bereich des Industriedesigns eine Rolle. In dieser Domäne beschäftigen sich Industriedesigner als erstes mit der physischen Erfahrung des Benutzers mit den greifbaren Produkten. Die physische Produkterfahrung beinhaltet
verschiedene Elemente: Soll das Produkt rund oder viereckig sein? Sollen die verwendeten Materialien aus Metall oder Plastik bestehen? Nicht zu vergessen, dass
einige Produkte, wie Mobiltelefone oder auch Videospiele, mit dem Benutzer über
der Vibration interagieren [Garrett 2012].
Da nur das visuelle Design bei jedem Produkt eine Rolle spielt, möchte ich mich im
weiteren Verlauf dieses Kapitels darauf konzentrieren.
5.5.3 Beurteilung des visuellen Designs
Wenn wir das visuelle Design bewerten möchten, sollten wir dem Blick des Benutzers
folgen. Wir müssen ganz einfach wissen, wohin der Benutzer zuerst hinsieht. Was
fällt ihm auf? Welche Elemente erwecken seine Aufmerksamkeit?
Um diese Fragen zu beantworten, benutzen Forscher sogenannte EyetrackingSysteme, mit denen sie alle Punkte auf dem Bildschirm, die die Testpersonen betrachten, erkennen können. Sie können feststellen, wohin der erste Blick der Testpersonen geht, wie sich deren Blick auf der Website bewegt und welche die dominanten
Elemente sind.
Anstatt dieser komplexen Eyetracking-Systeme reicht in vielen Fällen eine Befragung
aus, um diese Informationen zu liefern. Wir können den Benutzer oder auch uns
selbst fragen, wohin unsere Aufmerksamkeit auf der Webseite als erstes hingeht,
können die dominanten Seitenelemente in der Reihenfolge benennen usw.
Garrett hat in seinem Buch verschiedene Tricks vorgestellt, um das dominante oder
auffallendste Element der Website bestimmen zu können. Z. B. können wir die Website vom weitem (vom Ende des Raums) betrachten. Oder wir können unsere Augen
stark zusammenkneifen, so dass wir die einzelnen Elemente nicht mehr sehen [Garrett 2012].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
5.5.4 Techniken der visuellen Gestaltung
Um die Aufmerksamkeit der Benutzer zu wecken und auf bestimmte Elemente der
Benutzungsschnittstelle zu lenken, stehen viele effektive visuelle Techniken zur Verfügung, die von User-Experience-Designern verwendet werden, um die Form der
Website zu verbessern.
5.5.4.1 Farbkontraste
Der Kontrast spielt bei der visuellen Gestaltung einer Website oder eines Produkts
eine wesentliche Rolle. Ohne Kontrast können wir die Interaktionselemente nicht
voneinander unterscheiden: Der Benutzer nimmt die Website als grau wahr. Er sieht
hin und her, ohne eine einzelne auffallende Komponente zu finden. Der Kontrast
hilft uns als Designer, die Aufmerksamkeit des Benutzers auf die wichtigen Elemente
der Webseite zu lenken. Andererseits hilft er dem Benutzer, die Relation zwischen
den verschiedenen Aspekten und den Navigationselementen der Website zu finden
[Garrett 2012].
Die Menschen sind so auf die Welt gekommen, dass ihre Aufmerksamkeit sich auf die
unterschiedlichsten Elemente richtet. Wir können von diesem instinktiven Verhalten
profitieren. Dazu müssen wir die grundlegenden Elemente auffallend gestalten. Wir
können beispielsweise die Elemente, die der Benutzer benötigt, mit einer anderen
Farbe markieren.
Abbildung 5.13 zeigt, dass das Design ohne Kontrast grau oder neutral wirkt (links)
und dass es mit Kontrast (rechts) auf den Betrachter anziehend wirkt und für Schlüsselelemente verwendet werden kann.
Hier ist es bedeutsam, darauf hinzuweisen, dass der übermäßige Einsatz von Kontrasten zu überladenem Design führen kann.
Abbildung 5.13: Ein Beispiel der Farbkontraste [Garrett 2012].
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User Experience
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5.5.4.2 Farbpaletten und Typografie
Farben haben einen großen Einfluss auf jedes Softwareprodukt, insbesondere auf
seine Ästhetik und Usability. Außerdem spielen sie eine wesentliche Rolle bei der
Vermittlung einer Markenidentität. In der Realität sehen wir, dass manche Marken
eine starke Verbindung mit bestimmten Farben haben. Wir können nicht an eine
Firma denken, ohne automatisch an ihre Farbe zu denken. Um ihre Marke im Kopf
der Leute zu verankern, benutzen beispielsweise Coca-Cola und Kodak seit Jahren
die selbe Farbe (Rot, Gelb) [Garrett 2012].
Eigentlich steht diesen Unternehmen eine breite Farbpalette zur Verfügung, die in
allen Materialien verwendet wird. Die Grundfarben der Marke sind normalerweise
nur ein Teil dieser Farbpalette. In der Regel werden die Farben so ausgesucht, dass
sie einerseits nicht miteinander konkurrieren und andererseits gut zusammenpassen
[Garrett 2012].
Es ist empfehlenswert, dass unsere Farbpalette ausschließlich die universell verwendbaren Farben beinhaltet. Oft sollten wir kräftigere und hellere Farben für die Vordergrundelemente verwenden, auf die wir die Aufmerksamkeit des Benutzers lenken
möchten. Dunkle Farben werden in den meisten Fällen für den Hintergrund des
Designs benutzt. Das bedeutet, dass für unauffällige Designelemente dunkle Farben
verwendet werden müssen. Die so ausgewählte Farbpalette hilft uns, bessere gestalterische Entscheidungen zu treffen, sodass wir nur aus einer geringeren Anzahl von
Farben auswählen müssen [Garrett 2012].
Ein weiteres Merkmal der Markenidentität ist die Typografie. Aufgabe der Typografie ist die Gestaltung der Texte, um einen visuellen Stil zu vermitteln. Die Typografie ist für einige Unternehmen von großer Bedeutung, wenn sie ihre Markenidentität
kommunizieren möchten [Garrett 2012]. Ein relevantes Beispiel ist die Marke Volkswagen oder die Marke Deutsche Bahn. Typografie kann sehr hilfreich und effektiv
für die Darstellung unserer Identität sein. Deshalb entwickeln manche Unternehmen
sogar ihre eigene Schrift. Im allgemeinen haben die Texte nicht nur auf die Markenidentität, sondern auch auf Benutzungsschnittstellen der Softwareprodukte eine
grundlegende Wirkung.
Die Auswahl der geeigneten Schriftart ist sehr wichtig. Garrett [2012] empfiehlt,
keine verschnörkelte Schrift zu wählen wenn wir dem Leser auf einer Webseite einen
Fließtext (größeren Text) anbieten möchten„ weil dadurch die Augen der Benutzer
schnell ermüden. Wir sollten ganz einfach klare Schriftarten wie Times oder Arial
verwenden.
Andererseits eignen sich Schriftauszeichnungen (fett, kursiv) für die Überschriften
oder für die Navigationselemente. Die Hauptidee bei der Auswahl geeigneter Schrif-
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
ten ist, dass sie mit unseren Zielen kompatibel ist. Wir sollten dem Benutzer ein gutes
Design anbieten, in dem alle Schriften gut zusammenpassen. Andererseits sollten wir
ihn nicht durch unnötige oder viele unterschiedliche Schriftarten und Schriftgrößen
verwirren . Unterschiedliche Schriften sollten wir nur benutzen, um die Unterschiede
zwischen Elementen aufzuzeigen [Garrett 2012].
Es existieren zwei unterschiedliche Arten der Typografie: Die Makro- und die Mikrotypografie. Die Makrotypografie befasst sich mit dem Einfluss des gesamten Textlayouts. Die Mikrotypografie befasst sich hingegen mit der Wirkung des einzelne
Zeichens [Moser 2012].
5.6 Zusammenfassung
Wie bereits erwähnt, können wir stets dieselben Elemente der User Experience auf
ein anderes Produkt übertragen, egal wie komplex dieses Produkt ist. Es ist sehr
wichtig, für jedes Projekt zu wissen, wie wir diese Elemente in der Praxis umsetzen
können.
Wenn wir das von Garrett entwickelte Fünf-Ebenen-Modell betrachten, entsteht vielleicht das Gefühl, dass wir sowohl ein großes Team mit vielen ausgebildeten Spezialisten benötigen, als auch viel Zeit, um ein solches Modell zu entwickeln. Nach Garrett
[2012] ist das jedoch kein Muss. Aufgrund seiner Erfahrung ist er der Meinung, dass
ein kleines Team manchmal bessere Ergebnisse als ein großes Team erreicht. Der
Grund dafür liegt darin, dass ein kleines Team leichter einen gemeinsamen Blick auf
die gesamte User Experience werfen kann. Bei einem größeren Team ist es besser,
wenn sich jedes Mitglied oder jede kleine Gruppe nur auf einen Teil der gesamten
User Experience konzentriert.
Eine gelungene User Experience anhand des Fünf-Ebenen-Modells basiert darauf,
Lösungen für eine große Anzahl kleiner Probleme zu finden. Es gibt zwei Voraussetzungen für eine erfolgreiche User Experience [Garrett 2012]:
1- Wir müssen das Problem richtig verstehen
Wenn wir beispielsweise in unserem Design ein Problem mit einem großen schwarzen
Button haben, müssen wir genau wissen, ob das ein Oberflächen-Problem ist (dann
sollte der Button z. B. ein bisschen kleiner sein oder eine andere Farbe haben), oder
ob es ein Raster-Problem ist (dann sollte sich der Button z. B. an einem anderen
Ort auf der Webseite befinden),oder ob es ein Struktur-Problem ist (dann sollte der
Button z. B. eine andere Funktion ausführen).
© Jamal Mohsen
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User Experience
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5 Elemente Der User Experience (Fünf-Ebene Modell von Garrett)
2- Wir müssen die Konsequenzen der Problemlösung verstehen
Wie bereits erwähnt, sind die fünf Ebenen voneinander abhängig. Jede Entscheidung muss zu den darunter liegenden und zu den darüber liegenden Ebenen passen.
Beispielsweise ist es wichtig, dass unser Interaktionsdesign gut strukturiert ist, noch
wichtiger ist es jedoch, dass das Design die Entscheidungen auf den anderen Ebenen
unterstützt und die Bedürfnisse der Benutzer erfüllt.
Ein wichtiges Ergebnis des Modells von Garrett ist meiner Meinung nach, dass es
deutlich zeigt, dass die Gestaltung einer erfolgreichen User Experience den Zusammenschluss von Wissen aus verschiedenen Disziplinen (Interaktionsdesign, Informationsarchitektur, Navigationsdesign und Informationsdesign) erfordert.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
6 User Experience eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
6 User Experience eine neue Leitidee des
Interaktionsdesigns?
6.1 User Experience ist dynamisch
Das „User Experience Lifecycle Model“ ContinUE (Continuous User Experience)
ist ein Modell, das die verschiedenen Phasen der gesamten User Experience darstellt. Darüber hinaus adressiert dieses Modell die wichtigsten temporalen UserExperience-Aspekte, welche die verschiedenen Phasen beeinflussen.
Abbildung 6.1: Das User Experience Lifecycle Model ([Thüring/Minge 2014], S. 48).
Abbildung 6.1 zeigt, dass das Modell aus sechs Phasen besteht. Die „gestrichelten“
Phasen (Repetitive-Use- und Re-Use-Phase) sind optionale Zusätze. Sie werden
nur bei wiederholter Nutzung des Produkts betrachtet. Die Phasen sind nach
[Thüring/Minge 2014]:
Pre-Use-Phase
Wie bereits erwähnt, ist die User Experience bzw. das Benutzungserlebnis die
Summe von mehreren kleinen Erlebnissen, wobei ein Teil davon vor der eigentlichen
Nutzung stattfindet. Mit anderen Worten bedeutet das, dass jeder Benutzer seine
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
6 User Experience eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
eigenen Erwartungen hat, bevor er mit einem Produkt oder System im physischen
Sinne interagiert. Diese Erwartungen können sowohl negativ, wie z.B. Angst, als
auch positiv, wie z.B. Hoffnung, sein. Sie basieren auf verschiedenen Faktoren, wie
beispielsweise früheren Erfahrungen oder bestimmten Persönlichkeitseigenschaften
des einzelnen Benutzers. Wenn negative Erwartungen die positiven dominieren,
kommt es unter Umständen nie zu einem tatsächlichen Versuch, das Produkt zu
benutzen. Dann wird das Produkt abgelehnt. Das heißt, dass die weiteren Phasen
des Modells nicht durchgeführt werden können.
Use/Experience-Phase
Diese Phase beschreibt die eigentliche Nutzung des Produkts. Nach Abbildung
6.1 (was auch mit dem CUE-Modell (Kapitel 6.2) übereinstimmt) wird diese
Nutzung (Interaktion) von Eigenschaften des Benutzers beeinflusst, wie z.B.
seinem Vorwissen, seinen Vorlieben oder Erfahrungen, von Produktmerkmalen
(aufgabenbezogene und nicht-aufgabenbezogene Qualitäten) und vom Kontext (z.B.
Umgebung, Zeitdruck).
Post-Use-Phase
Diese Phase erfolgt nach der Interaktion zwischen dem Benutzer und dem Produkt.
Hier reflektiert der Benutzer das angetroffene Erlebnis und bewertet die unmittelbaren Folgen der Interaktion. Die Bewertung des Produkts oder des Systems wird von
Faktoren beeinflusst wie beispielsweise dem Grad der Erfüllung von Erwartungen.
Repetitive-Use-Phase
Diese Phase ist ein optionaler Zusatz, falls das System mehrmals verwendet wird.
Dann werden die ersten drei Phasen mehrmals wiederholt. Das bedeutet, dass sich
die Einflussfaktoren der Use/Experience-Phase (der Nutzer, das Produkt und der
Kontext) über die Zeit massiv verändern können. Zum Beispiel verändern sich die
Fähigkeiten und Erfahrungen des Benutzers durch die wiederholte Nutzung des
Produkts. Beispielsweise verlieren Usability-Probleme ihre Bedeutung, wenn der
Benutzer lernt, mit ihnen umzugehen.
Past-Use-Phase
In dieser Phase beurteilt der Benutzer sowohl das Produkt oder das System als
auch sein Erlebnis (Experience) als Ganzes. Diese Evaluation kann positiv oder
negativ sein. Sie entscheidet, ob der Eintritt in die letzte Phase möglich ist. Das
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
6 User Experience eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
bedeutet, dass diese Phase die Produktloyalität beeinflusst, also ob der Benutzer
eine neue Version des Produkts kaufen möchte.
Re-Use-Phase
Mit Re-Use oder Wiederbenutzung ist die Wiederverwendung eines ähnlichen Systems oder einer neuen Version des Produkts gemeint, nicht die Wiederverwendung
des Systems oder des Produkts selbst. Die Grundlage des Übergangs in diese Phase ist eine positive Evaluation der Past-Use-Phase. Während die Pre-Use- und die
Post-Use-Phase nur das eigentliche Erlebnis bewerten, beurteilen die Past-Use- und
die Re-Use-Phase das Erlebnis im Allgemeinen.
6.2 CUE-Modell nach Thüring und Minge
Damit man sich für ein technisches Produkt (z.B. ein Handy) interessiert, muss
das Produkt einerseits durch hohe Usability und anderseits durch seine ästhetische
Gestaltung überzeugen. Wenn eine dieser beiden Eigenschaften entfällt, kann das zu
Frustration oder Desinteresse und in der Folge zur Ablehnung des Produkts führen.
Ein Beispiel dafür ist, wenn wir ein Produkt haben, dessen Oberfläche den Benutzer
nicht motiviert, es zu nutzen oder wenn sich dieses Produkt nur schwer bedienen
lässt.
Das Components-of-User-Experience-Modell (CUE-Modell) [Thüring/Minge 2014]
beschreibt, welche Komponenten am Entstehen der User Experience beteiligt sind.
Abbildung 6.2: Das CUE-Modell ([Thüring/Minge 2014], S. 46).
Abbildung 6.2 zeigt, dass sich verschiedene Elemente an der Gestaltung des ganzheitlichen Benutzungserlebnisses des Benutzers beteiligen. Interaktionsmerkmale
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
6 User Experience eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
wie Erlernbarkeit, Aufgabenangemessenheit, Fehlertoleranz sowie der Einfluss der
Ästhetik des Produkts auf die Nutzung sind von drei Dingen abhängig [Thüring/Minge 2014]:
1- Produkteigenschaften: Wenn wir über die Features des Produkts sprechen, unterscheiden wir zwischen den aufgabenbezogenen Eigenschaften und der Form des Produkts (Sieht das Produkt anspruchsvoll aus? Ist seine Farbe Interessant? Usw.).
2- Kontext: Hier geht es um das physikalische und soziale Umfeld, in dem das Produkt verwendet wird (siehe Kapitel 3.4.1).
3- Eigenschaften des Benutzers: Hier ist es wichtig zu wissen, wer das Produkt
benutzen wird und was seine Fähigkeiten, Vorlieben oder Erfahrungen sind.
Diese drei Faktoren bilden zusammen die Interaktionsmerkmale, die später vom
Benutzer als positiv oder negativ empfunden werden. In diesem Sinne zeigt das
CUE-Modell, dass die positiven und negativen Reaktionen des Benutzers durch
die Wahrnehmung aufgabenbezogener und nicht aufgabenbezogener Qualitäten
dargestellt werden.
Nach ([Thüring/Minge 2014], S. 47) bedeutet der Begriff Wahrnehmung „nicht nur
die perzeptive Erfassung, sondern auch das Erkennen und spontane Bewerten der
Produkteigenschaften, die sich in Form von Interaktionsmerkmalen zeigen“. Diese
spontane Bewertung ist sehr stark mit den emotionalen Reaktionen, die während der
Interaktion zwischen dem Benutzer und dem Produkt ausgelöst werden, verbunden.
Im CUE-Modell bilden die Wahrnehmung (aufgabenbezogene und nicht aufgabenbezogene Qualitäten) und die Emotionen, die während der Nutzung des Produkts
ausgelöst werden, zusammen das Gesamturteil, das einige wichtige Faktoren
bestimmt, wie z.B. ob der Benutzer eine neue Version dieses Produkts erwartet und
ggf. kaufen wird oder ob das Produkt sehr oft verwendet wird [Thüring/Minge 2014].
Die emotionalen Reaktionen spielen im CUE-Modell eine zentrale Rolle. Einerseits
befinden sich die Emotionen in der zentralen Position der Abbildung 6.2; andererseits verbinden sie die Wahrnehmung aufgabenbezogener und nicht aufgabenbezogener Qualitäten durch die bidirektionalen Pfeile. Bidirektionale Pfeile bedeuten, dass
beide Arten der Wahrnehmung von Produktmerkmalen die emotionalen Reaktionen
wecken. Diese können aber für die Wahrnehmung rückwirkend sein. Bei der Interaktion mit einem Softwareprodukt wäre dies beispielsweise der Fall, wenn der Benutzer
ein Problem mit einem bestimmten Knopf hat. Dann werden bei ihm negative Emotionen geweckt. Diese Emotionen können später auf alle ähnlichen Knöpfe wirken,
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
6 User Experience eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
so dass sich der Benutzer bei ihnen immer vorsichtig verhält. Andererseits stellen die
Emotionen im CUE-Modell eine Beziehung zwischen der Wahrnehmung aufgabenbezogener und nicht aufgabenbezogener Qualitäten her. An diesem Bezug liegt es
nach [Tractinsky/Katz/Ikar 2000], dass die ansprechende Gestaltung eines Produkts
seine Usability verbessert. Der Grund dafür ist nach [Tractinsky/Katz/Ikar 2000],
dass die ästhetisch ansprechende Gestaltung als „Hallo Effekt“ wirkt.
6.3 Stellt User Experience eine Neuerung dar?
Wenn wir die User-Experience-Aspekte betrachten, bemerken wir, dass viele dieser
Aspekte schon bekannt sind. Hier ist die Frage, ob User Experience eine Neuerung
darstellt, und ob sie schon in einer anderen Disziplin oder in einer anderen Leitidee
des Interaktionsdesigns existiert.
Um diese Frage zu beantworten, möchte ich zunächst User Experience mit vier anderen Disziplinen, die mit User Experience zu tun haben, vergleichen. Gleichzeitig
möchte ich darauf hinweisen, dass einige schon existierte Leitideen des Interaktionsdesigns, wie User Centred Design und Emotional Design, bei der Gestaltung einer
optimalen User Experience eine Rolle spielen.
Die vier ausgewählten Disziplinen sind: Usability Engineering, Software Engineering,
Screen Design sowie Brand Design. Sie spielen für die User Experience (laut ihrer
Zieldefinition) eine Rolle und sind in der Abbildung 6.3 dargestellt.
Abbildung 6.3: Eigenschaften und Zusammenspiel der Disziplinen ([Reeps 2004], S.
48).
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
6 User Experience eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
In Abbildung 6.3 werden die Ziele jeder Disziplin repräsentiert sowie in Relation zueinander gesetzt. Usability Engineering und Software Engineering sind durch Usability miteinander verbunden. Screen Design ist eng sowohl mit Usability Engineering
als auch mit Brand Design verbunden. Diese drei Disziplinen sind durch das User
Centred Design miteinander verknüpft.
Wenn wir das Drei-Level-Modell von Norman in Kapitel 4.5 betrachten, wissen wir,
dass die in Abbildung 6.3 dargestellten Disziplinen nur einen Bestandteil der User
Experience ausmachen. Für die Gestaltung einer gelungenen User Experience ist
das Zusammenspiel aller Disziplinen sehr wichtig, weil es gemäß Normans Modell
(in Kapitel 4.5) bedeutsam ist, die drei Level (visceral, behavioral und reflective) zu
berücksichtigen.
Wie bereits in Kapitel 3.1 erwähnt, werden die Ziele des Usability Engineering in
den Abschnitten 110 und 11 in der Norm ISO 9241 dargestellt. Sie legen den Schwerpunkt dabei insbesondere auf den Behavioral Level. Das Ziel des Screen Designs ist
es, ein Produkt mit attraktiver Erscheinung zu gestalten. Dabei wird der Visceral
Level angesprochen. Brand Design hat als Ziel das Reflective Design [Reeps 2004].
Abschließend kann man sagen, dass keine der Disziplinen des User Centred Designs alle drei Levels unterstützt, sondern dass jede Disziplin nur einen Level als
Ziel verfolgt. Deswegen erscheint es sinnvoll, dass wir bei der Gestaltung der User
Experience die Kriterien dieser Disziplinen miteinander verknüpfen.
Das ist aber nach dem Garrett-Modell in Kapitel 5 nicht ausreichend, weil bei der
Gestaltung einer herausragenden User Experience die Koordination von vielen Bereichen, wie beispielsweise Interaktionsdesign, Navigationsdesign, Informationsarchitektur, Marketing, Kundenservice und Produktmanagement erreicht werden muss.
Wie bereits in Kapitel 4.4 erwähnt, ist Usability das Basis-Kriterium bzw. die
Grundvoraussetzung für eine positive User Experience. Darüber hinaus brauchen
wir Genauigkeit in der Evaluation, wenn wir die User Experience beim Benutzer
untersuchen möchten. Meiner Meinung nach erklärt das die Verteilung der anderen Leitideen des Interaktionsdesigns, welche ein gebrauchstaugliches Produkt als
Ziel haben, in der User Experience. Um eine positive User Experience gestalten
zu können, brauchen wir zwar zunächst Usability (um die Gebrauchstauglichkeit
des Produkts zu sichern), aber danach brauchen wir überwiegend ästhetische und
Design-Fähigkeiten.
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und
Evaluationstechniken der User Experience
In den Kapiteln 7.1 bis 7.3 möchte ich einige Gestaltungsprozesse und Methoden
der User Experience vorstellen, welche uns helfen können, die Erfolgschancen der
Entwicklung eines Produkts im Hinblick auf die User Experience zu gewährleisten
oder zu erhöhen. Im Allgemein ähneln die Prozesse und Methoden der Gestaltung
einer optimalen User Experience den Methoden der Gestaltung bekannter Usability,
mit einigen Änderungen und Anpassungen. Einige Forschungsgruppen haben jedoch
für die Gestaltung guter User Experience mit Fachleuten aus anderen Fachgebieten
zusammengearbeitet. In Kapitel 7.4 möchte ich eine Befragungstechnik darstellen,
die zur Ermittlung von Haupteigenschaften des Produkts sehr nützlich sein kann.
Anschließend möchte ich in Kapitel 7.5 die Evaluationstechnik „AttrakDiff2“ präsentieren.
7.1 Methode nach Hull und Reid
Kern dieser Methode ist es, dem Benutzer zu ermöglichen, sein eigenes Erlebnis zu
konstruieren. Die Herangehensweise ist folgende:
Die Benutzer der Zielgruppe nehmen als wichtige und aktive Teampartner an der
Produktgestaltung teil. Ihre Funktion ist nicht nur, die Rolle als Testperson oder
Informant (Evaluator) zu spielen. Beim Entwicklungsprozess unterstützen die professionellen Designer und andere Mitarbeiter die Benutzer dabei, ihre Bedürfnisse,
Ideen oder Vorschläge auszudrücken. Die Entwickler sind verantwortlich dafür, diese Ideen zu realisieren und zu prüfen, ob sie machbar sind. Diese Methode war in
vielen Projekten sehr erfolgreich. Die Störung durch den Benutzer bei der Produktgestaltung (wenn der Benutzer nach einer Aktivität nochmals hinterfragt) kann die
Kreativität der Entwickler wecken [Reeps 2004].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
7.2 Gestaltungsprozess nach Karat und Karat
Am Anfang dieses Prozesses sollten wir die Zielgruppe definieren. Die Bedürfnisse
und Wünsche der Zielgruppe können durch Interviews sowohl mit der Zielgruppe selbst als auch mit den Bezugspersonen der Zielgruppe ermittelt werden. Dann
vergleichen wir in Benutzertests die Konzept-Prototypen mit schon bestehenden
State-of-the-Art-Produkten. Das Ergebnis dieses Vergleichs ermöglicht uns, ein Designkonzept zu erarbeiten. Anschließend können wir die Zufriedenheit der Benutzer
durch die Auswertung von Videoaufnahmen der Tests ermitteln, sowie durch Fragebögen und Messungen der Mausaktivität (hier wird gezählt, wie oft sich die Maus
über einem selektierbaren Objekt befindet und wie oft dieses Objekt angeklickt wird)
[Reeps 2004]. Diese Methode ähnelt den klassischen Methoden zur Gestaltung eines
Produkts, die schon im Usability Engineering und im Software Engineering bekannt
sind, und die von vielen Entwicklern bevorzugt werden.
7.3 Methode nach Dix
Eine andere Methode zur Gestaltung eines Produkts unter Berücksichtigung von
User Experience hat Dix vorgeschlagen. Sie ist eine abstrakte Methode, die sehr
hilfreich sein kann, um das Ziel des Produkts oder Projekts unter die Lupe zu nehmen. Diese Methode bzw. dieser Prozess besteht aus zwei Hauptphasen:
- Deconstruction: Dies ist die erste Phase der Methode. Damit ist gemeint, dass
ein bestehendes Produkt analysiert wird, um die Kernpunkte des Erlebnisses zu
verstehen, sowie die Materie und die Funktionalität dieses Produkts.
- Reconstruction: In dieser Phase wird das Produkt rekonstruiert. Die Rekonstruktion kann auch in einem neuen Medium erfolgen. Ein wichtiger Punkt dieser
Phase ist, dass wir bei der Reproduktion der Produktoberfläche die Kernpunkte des
Erlebnisses beachten müssen und nicht nur die Oberfläche.
Wenn nur das Erlebnis rekonstruiert wird, dann haben wir ein neues Produkt,
das dem Original nachempfunden ist, es muss ihm jedoch nicht in jedem Punkt
entsprechen [Ross 2004].
Eine Hauptmerkmal dieser drei Methoden ist, dass die Benutzer und ihre Bedürfnisse
im Vordergrund stehen, und nicht die Bedürfnisse der Hersteller des Produkts. Das
ist deutlich zu sehen, sowohl durch Interviews und Videobeobachtungen (Karat und
Karat), als auch durch aktive Mitarbeit der Benutzer (Hull und Reid).
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
7.4 Ermittlung von Hauptmerkmalen des Produktes mittels
Laddering
Laddering ist eine von Jordan entwickelte Interview-Methode, welche ursprünglich
aus dem Marketing kommt. Diese Methode ermöglicht uns, die Zusammenhänge
zwischen den Produkteigenschaften und den Vorlieben und Eigenschaften von Benutzern herzustellen. Der Ablauf dieser Interview-Methode ist folgender:
Der Interviewer bittet den Befragten, eine Eigenschaft des Produkts zu nennen, die
er besonders positiv oder negativ findet. Der Befragte gibt eine Antwort, danach
fragt ihm der Interviewer nach der Begründung dieser Antwort. Der Interviewer
wiederholt diesen Prozess, indem er immer wieder „warum“ fragt, bis der Befragte
keine begründete Antwort mehr findet. Hier geht der Interviewer oder der Testleiter
davon aus, dass er einen für den Befragten grundsätzlichen Wert herausgefunden
hat. Dieser Prozess ist iterativ. Der Interviewer fragt den Teilnehmer nach einer
weiteren für ihn positiven oder negativen Produkteingenschaft, und wiederholt den
Prozess von Anfang an. Das Interview ist zu Ende, sobald der Befragte keine weitere
positive oder negative Eigenschaft nennen kann (vgl. [Reeps 2004]). Im Folgenden ist
der Verlauf einer Befragung am Beispiel einer Stereoanlage zitiert, um die Methode
zu erklären:
Investigator: Please tell me something that you don’t like about this product.
Participant: I don’t like the colour.
Investigator: Why don’t you like the colour?
Participant: I don’t like black on stereos.
Investigator: Why don’t you like black-coloured stereos?
Participant: All stereos are black.
Investigator: Why is it a bad thing that this is the same colour as other stereos?
Participant: Because it’s boring. I want my stereo to be different.
Investigator: Why do you want to have a stereo that is different from others?
Participant: I wanna be able to choose something that expresses my own tastes.
Investigator: Why do you want to be able to express your own tastes?
Participant: I want to be an individual, not just go along with the crowd.
Investigator: Why don’t you want to be an individual?
Participant: I just do.
© Jamal Mohsen
([Reeps 2004], S. 166).
83
User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
Abbildung 7.1: die Ableitung von persönlichen Werten aus Produkteigenschaften
[Reeps 2004].
Abbildung 7.1 zeigt eine Folge von Werten, die aus der Befragung abgeleitet sind.
Hier können wir aus dem Detail der Farbe einer Stereoanlage das Bedürfnis des Teilnehmers nach Individualität ableiten. Dies kann für den Produzenten sehr hilfreich
sein, um seine Kunden durch die Befriedigung ihrer Bedürfnisse (hier: die Anlage in
einer anderen Farbe anzubieten) an sich zu binden.
Diese Befragungstechnik hat wie alle anderen Techniken auch Nachteile. Ein wichtiger Nachteil ist der Zeitfaktor. Eine solche Befragung kann lange dauern, um die
Haupteigenschaften des Produkts mit Hilfe der Zielgruppe zu ermitteln. Einerseits
kann das Interview nur mit einem Teilnehmer durchgeführt werden, andererseits ist
die Anwesenheit des Interviewers (des Testleiters) notwendig. Außerdem kann es
sein, dass sich der Befragte unter Druck gesetzt fühlt, wenn er immer wieder eine
Begründung für seine Antwort geben muss. Hier besteht die Gefahr, dass das Interview in eine andere Richtung abgleitet, was zu falschen Eigenschaften im Design
führen kann (vgl. [Reeps 2004]).
7.5 AttrakDiff2: Ein Fragebogen misst UX
7.5.1 Überblick
AttrakDiff2 ist ein von Hassenzahl und seinen Kollegen entwickelter Fragebogen, der
uns hilft, die Qualität eines Produkts zu messen bzw. zu evaluieren.
Wie schon in den Kapiteln 4.1.1 und 4.2 erwähnt, teilt Hassenzahl die Produktqualitäten in pragmatische und hedonische Qualitäten ein. Die pragmatische Qualität
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
bezieht sich auf die aufgabenorientierten Aspekte und beinhaltet die Funktionalität
(Nützlichkeit) und ihre Bedienbarkeit (Benutzbarkeit). Im Gegensatz dazu bezieht
sich die hedonische Qualität auf die nicht aufgabenorientierten Aspekte wie Neuheit, Originalität und Schönheit eines Softwareprodukts sowie auf die Freude bei
der Benutzung.
Der Fragebogen (AttrakDiff2) selber unterscheidet zwischen vier Bereichen [Hassenzahl/Burmester/Koller 2003]:
1- Pragmatische Qualität (PQ): Umfasst die Kriterien der Usability wie Nutzbarkeit, Erwartungskonformität, Selbstbeschreibungsfähigkeit und Lernförderlichkeit.
2- Hedonische Qualität - Stimulation (HQS): Beschreibt, ob das System oder
Produkt fähig ist, das Bedürfnis des Benutzers nach Wachstum und neuen Kenntnissen zu befriedigen. Relevante Produktaspekte sind Kreativität, Originalität und
Herausforderung.
3- Hedonische Qualität - Identität (HQI): Beschreibt, ob das Produkt den
Benutzer dabei unterstützt, seine Individualität auszudrücken. Relevante Produktattribute sind „verbindend“ oder „fachmännisch“.
4- Attraktivität (ATT): Bedeutet, dass das Produkt im Allgemeinen als positiv
oder negativ bewertet wird. Zum Beispiel ist das Produkt gut, attraktiv oder
angenehm.
Der Fragebogen besteht aus 28 entgegengesetzten Adjektivpaaren, so dass zu jedem
der vier genannten Bereiche (PQ, HQS, HQI und ATT) sieben Adjektivpaare gehören. Diese Adjektivpaare stellen jeweils extreme Gegensätze dar, zwischen denen sich
eine siebenstufige Skala für die Bewertungsabstufung befindet. Hier handelt es sich
um Adjektivpaare wie angenehm - unangenehm, hässlich - schön oder sympathisch
- unsympathisch (vgl. Abbildung 7.2).
7.5.2 AttrakDiff2 nutzen
Der AttrakDiff2-Fragebogen ist bei der „User Experience Design GmbH“6 im Internet frei verfügbar7 . Die Anwendung des Fragebogens erfolgt in Form einer Onlinebefragung.
6
7
http://www.uidesign.de/
http://www.attrakdiff.de/
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
Abbildung 7.2: Online-Version
des
www.attrakdiff.de).
AttrakDiff-Fragebogens
(Quelle:
Die Verwendung des AttrakDiff2-Fragebogens ist nicht kompliziert. Als erster
Schritt muss sich der Verantwortliche auf der Webseite anmelden. Danach ist
eine Projektanmeldung erforderlich, um AttrakDiff2 nutzen zu können, bzw. um
die User-Experience-Qualität von Produkten messen zu können. Es werden drei
Projektmöglichkeiten angeboten:
1- Einzelauswertung
Beim Projekttyp „Einzelauswertung“ können die Untersuchungsteilnehmer das
Produkt nur einmal bewerten. So kann der Entwickler messen, welche pragmatische
oder hedonische Qualität sein Produkt besitzt, und im Resultat stellt er fest, ob
sein Produkt begehrt, neutral oder überflüssig ist.
2- Vergleich vorher - nachher
Beim Vorher-nachher-Vergleich kann der Entwickler ein Produkt von den gleichen
oder unterschiedlichen Untersuchungsteilnehmern zu unterschiedlichen Zeitpunkten
beurteilen lassen. Er kann beispielsweise eine neue, überarbeitete Version seines
Produkts mit der alten vergleichen, oder er kann zwischen der Beurteilung des
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
„ersten Eindrucks“ des Produkts und der Beurteilung nach einer bestimmten
Verwendungsdauer vergleichen und somit feststellen, ob das Produkt für die
Kunden noch interessant ist.
3- Vergleich Produkt A - Produkt B
Dieser Projekttyp ermöglicht dem Entwickler, zwei verschiedene Produkte von den
gleichen oder unterschiedlichen Untersuchungsteilnehmern beurteilen zu lassen und
dann miteinander zu vergleichen. Damit kann er feststellen, wo jedes Produkt seine
Stärken und Schwächen hat.
Nachdem der Verantwortliche einen der drei Projekttypen ausgewählt hat, muss er
im nächsten Schritt die Kenndaten für das Projekt festlegen, z.B. die Laufzeit der
Studie, die Anzahl der Testpersonen oder den Namen des zu testenden Produkts.
Außerdem kann der Verantwortliche auswählen, ob seine Studie mit festgelegten
Testpersonen, welche ihre Zugangsdaten (ein persönliches Kennwort und der Link
zur Untersuchung) per Mail direkt über die Webseite bekommen, oder anonym (z.B.
Websurvey) durchgeführt werden soll.
Der AttrakDiff2-Fragebogen besteht - wie bereits erwähnt - aus 28 bipolaren Konstrukten, welche in drei Umfrageseiten aufgeteilt sind, von denen eine beispielhaft
der Abbildung 7.2 zu entnehmen ist.
Sobald der Verantwortliche die Kenndaten für das Projekt festgelegt hat, können
die Testpersonen das zu untersuchende Produkt online beurteilen.
7.5.3 Ergebnisdarstellung
Die Auswertung des AttrakDiff2-Fragebogens erfolgt automatisch. Die Ergebnisse
können auch im Laufe der Untersuchung abgerufen werden. Sie werden als PDFDokument präsentiert und in drei grafischen Darstellungen zur Verfügung gestellt
[Hassenzahl/Burmester/Koller 2003]:
- Einordnung des Produktes durch eine Portfoliodarstellung
- Diagramm der Skalenmittelwerte
- Attributprofil
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
7 Gestaltungsprozesse, Methoden und Evaluationstechniken der User Experience
Die Portfoliodarstellung liefert eine Zusammenfassung der Ergebnisse für die hedonische und pragmatische Qualität. Vertikal befindet sich die Ausprägung der hedonischen Qualität (unten = geringe Ausprägung). In der Horizontalen ist die Ausprägung der pragmatischen Qualität eingezeichnet (links = geringe Ausprägung).
Die Portfoliodarstellung (das Diagramm) ist in neun Sektoren unterteilt, wie beispielsweise selbstorientiert, handlungsorientiert, zu selbstorientiert, zu handlungsorientiert, überflüssig oder begehrt, so dass das zu testende Produkt in einem oder
in mehreren dieser Sektoren liegt (vgl. Abbildung 7.3).
Abbildung 7.3: Portfoliodarstellung des Projekttyps „Vergleich Produkt A - Produkt
B“ (Quelle: www.attrakdiff.de).
Abbildung 7.3 zeigt zwei Untersuchungsprodukte A und B. Jedes Produkt wird in
Form eines Rechteckes (Konfidenzrechteck) eingeordnet. Je kleiner das Rechteck,
desto eindeutiger sind die Beurteilungen der Untersuchungsteilnehmer und desto
besser ist es [Hassenzahl/Burmester/Koller 2003]. Außerdem zeigt die Abbildung,
dass sich die beiden Produkte signifikant in Bezug auf die pragmatische Qualität
unterscheiden, weil die Konfidenzrechtecke in der Horizontalen nicht zu einer Überlappung kommen. In Bezug auf die hedonische Qualität überlappen sich die beiden
Konfidenzrechtecke in der Vertikalen, was bedeutet, dass der Unterschied zwischen
den beiden Produkten A und B nicht signifikant ist [Hassenzahl/Burmester/Koller
2003].
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
8 Zusammenfassung und zukünftige Arbeit
8 Zusammenfassung und zukünftige Arbeit
Im Rahmen dieser Arbeit wurden mehrere Modelle zur Gestaltung von Produkten
unter besonderer Berücksichtigung von User-Experience-Aspekten präsentiert. Bisher gibt es kein einzelnes, erfolgreiches Modell, um eine optimale User Experience
zu gestalten. Außer dem Fünf-Ebenen-Modell von Garrett geben die anderen Modelle keine Ideen, wie sie in der Realität umgesetzt werden können. In dieser Arbeit
konnten nur die einzelnen Elemente bzw. Kriterien der User Experience vorgestellt
werden. Es konnten auch nur Hinweise gegeben werden, wie ein erfolgreiches Produkt
im Sinne der User Experience gestaltet werden soll, ohne zu wissen, wie wir diese
Hinweise in der Realität verwirklichen können. Diesbezüglich weisen Hassenzahl et
al. (in Kapitel 4.2) beispielsweise darauf hin, dass das Produkt einen optionalen
Grad von Komplexität besitzen soll, um Neugier beim Benutzer stimulieren zu können. Die Methode, um solche Hinweise oder Ideen in der Praxis umzusetzen, sollte
in weiteren Recherchen oder Untersuchungen identifiziert werden.
Nach [Reeps 2004] ist es ein Problem, dass sich nicht alle Projekte mit der Gestaltung und mit der Untersuchung der User Experience beschäftigen. Deswegen
werden meistens verschiedene Aspekte und Blickwinkel der User Experience vermischt. Im Allgemein wird immer darauf abgezielt, ein Produkt mit positiver User
Experience zu gestalten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, einerseits ein
gutes Verständnis von User Experience zu haben, und andererseits eine erfolgreiche
Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen, die an der User Experience beteiligt
sind, sicherzustellen.
In dieser Arbeit wurden auch verschiedene Disziplinen genannt, welche sowohl gemeinsame Ziele besitzen, als auch im Zusammenspiel eine erfolgreiche User Experience ermöglichen. Das bleibt aber nur theoretisch. Für die Zukunft sollte eine Methode überlegt werden, wie diese Theorie in die Realität umgesetzt werden kann.
Am Ende möchte ich auch darauf hinweisen, dass die User Experience nicht für alle
interaktiven Produkte wichtig ist. Die Gestaltung eines Produkts im Sinne der User
Experience ist einerseits aufwändig und braucht andererseits viel Zeit und verschiedene Erkenntnisse aus anderen Fachgebieten, was im Resultat bedeutet, dass die
Gestaltung bzw. Entwicklung des Produkts viel Geld kostet. Deswegen sollten wir
bei der Gestaltung von Produkten, deren gute Gebrauchstauglichkeit für den Benutzer im Vordergrund steht, auf die User Experience verzichten. Ein relevantes Beispiel
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
8 Zusammenfassung und zukünftige Arbeit
sind Produkte wie Fahrkartenautomaten oder Bankautomaten. Die User Experience
ist für Produkte von Bedeutung, die in Konkurrenz mit anderen Produkte stehen.
Viele Produkte und Anwendungen können für lange Zeit erfolgreich konkurrenzfähig
bleiben, wenn sie ihren Benutzern nachhaltig ein positives Erlebnis bieten können.
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
9 Literaturverzeichnis
9 Literaturverzeichnis
9.1 Bücher und Zeitschriften
[Burmann/Blinda/Nitschke 2003]
Burmann C., L. Blinda und A. Nitschke, Konzeptionelle Grundlagen des identitätsbasierten Markenmanagements, Arbeitspapier Nr. 1, Universität Bremen 2003.
[Blythe/Overbeeke/Monk/Wright 2003]
Blythe, M. A., K. Overbeeke, A. F. Monk, and P. C. Wright: Funology - From
Usability to Enjoyment. Kluwer Academic Publishers, Amsterdam 2003.
[Cooper/Reimann/Cronin 2007]
Cooper, A., R. Reimann, and D. Cronin: About Face. The Essentials of Interaction
Design. Wiley, Indianapolis 2007.
[Dilthey 2000]
Dilthey, A. (Red.), eBook: Die Webdesign-Referenz, Universität Kassel 2000.
[Dorau 2011]
Dorau, R.: Emotionales Interaktionsdesign: Gesten und Mimik interaktiver Systeme,
Springer Verlag, Berlin 2011.
[Engelbart/English 1968]
Engelbart, D. and W. English: A research center for augmenting human intellect,
AFIPS Conference Proceedings 33 (1968), pp. 395-410.
[Garrett 2012]
Garrett, J. J., Die Elemente der User Experience: Anwenderzentriertes (Web)Design, 2. Auflage, Addison Wesley, München 2012.
© Jamal Mohsen
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
9 Literaturverzeichnis
[Gersch 2009]
Gersch, P., Unverwechselbare Merkorte - Beschreibungssystem zur mehrdimensionalen Ausstellungsgestaltung, Dissertation, Universität Duisburg-Essen 2009.
[Gotthartsleitner/Eberle/Stary 2009]
Gotthartsleitner, H., P. Eberle und C. Stary, Zur Verschränkung von User Experience und Usability Engineering: Merkmale, Prinzipien und Vorgehensmodelle,
Zeitschrift für Arbeitswissenschaft 63 (2009), S. 193-211.
[Göldner, 2014]
Göldner , R., Der Mehrwert des Interaction Design in der Werbung, Masterarbeit,
Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Hildesheim 2014.
[Hassenzahl/Burmester/Koller 2003]
Hassenzahl, M., M. Burmester und F. Koller: AttrakDiff: Ein Fragebogen zur
Messung wahrgenommener hedonischer und pragmatischer Qualität. In: Mensch
und Computer 2003: Interaktion in Bewegung, Teubner Verlag, Stuttgart 2003, S.
187-196.
[Hassenzahl/Burmester/Koller 2008]
Hassenzahl, M., M. Burmester und F. Koller: Der User Experience (UX) auf
der Spur: zum Einsatz von www.attrakdiff.de. In: Braun, H., S. Diefenbach, M.
Hassenzahl, S. Koller, M. Peissner, und K. Röse (Hrsg.): Usability Professionals
2008, Stuttgart 2008, S. 78-82.
[Herczeg 2007]
Herczeg, M., Einführung in die Medieninformatik, Oldenbourg Verlag, München
2007.
[Herczeg 2009]
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User Experience
Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
Eidesstattliche Erklärung
Eidesstattliche Erklärung
Ich, Jamal Mohsen, versichere hiermit, dass ich meine Diplomarbeit mit dem Thema
User Experience - Eine neue Leitidee des Interaktionsdesigns?
selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel
benutzt habe, wobei ich alle wörtlichen und sinngemäßen Zitate als solche gekennzeichnet habe. Die Arbeit wurde bisher keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt
und auch nicht veröffentlicht.
Bremen, den 22. Juni 2015
Jamal Mohsen
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