Gastbeitrag Beitragsreihe der Basler Papiermühle zur Buchstadt Basel Die Signets einiger Basler Humanistendrucker von Katrin Graf, Basler Papiermühle Buchdruckersignets waren bereits im Frühdruck gebräuchlich. Im Zeitalter des Humanismus verwendeten Basler Drucker sinnbildliche Signets in ihren Büchern, an deren Entstehung Künstler wie Hans Holbein d.J. und Urs Graf, aber auch Gelehrte wie Erasmus von Rotterdam und Andreas Alciatus beteiligt waren. Druckersignet Johannes Froben Zur Kennzeichnung ihrer Erzeugnisse verwendeten frühe Buchdrucker verrätselte Sinnbilder mit antiken Sujets – meist Götterbilder. Sie befinden sich in der Regel auf der ersten und/oder letzten Seite der Bücher. Die Bildideen stammen aus der griechischen und römischen Antike, manchmal auch aus der Bildersprache der fiktiven ägyptischen Hieroglyphen, die durch den erfolgreichen Liebesroman Der Traum des Polifilius (Hypnerotomachia Polifilii, 1499) verbreitet wurde. Die Entstehung solcher Signets ist eng verbunden mit derjenigen des frühesten Emblembüchleins, des Emblematum Libellus des Andreas Alciatus (1531). Mehrere Basler Druckerzeichen haben dort Eingang gefunden: Cratanders Göttin der Gelegenheit, Oporins Sänger Arion, ein mit Frobens Signet vergleichbarer Merkurstab sowie der Philosoph Harpokrates des Thomas Wolff. Ein Hermes am Dreiweg, wie ihn Herwagen als Signet führte, findet sich ebenfalls in Alciatis Erstausgabe, allerdings ist er nicht dreiköpfig wie im Druckersignet. Alciatus' Büchlein erfuhr in zahlreichen Auflagen, Übersetzungen und Erweiterungen eine enorme Verbreitung. Signets wurden oft mit Motti versehen, Zitaten aus antiken oder biblischen Texten, meist in Latein, manchmal auch in Griechisch oder Hebräisch, welche den lehr- und rätselhaften Sinn der Bilder kommentieren oder als Wahlsprüche auf das berufliche und persönliche Ethos der Druckerverleger anspielen. Diese anspruchsvolle Selbstdarstellung – eine frühe Form der Werbung – inszenierte die Zugehörigkeit der Buchdrucker zur Bildungs elite. In der Ausgabe seiner Adagia von 1525 widmet Erasmus dem Signet seines Druckerverlegers Aldus Manutius eine hochkomplexe, gelehrte Auslegung; sie etabliert Druckermarken als humanistische Kunstform. Johannes Froben Johannes Frobens Signet wurde vielleicht von Urs Graf entworfen. Der Merkurstab Caduceus galt als Attribut der Künste, der Beredsamkeit und des Handels. Die kunstvolle Verknotung der beiden Schlangen, «Knoten des Herkules» genannt, steht seit Plinius für Eintracht und Frieden, so auch im Traum des Polifilius und in der Sprichwortsammlung des Erasmus, den Adagia. Einzig- Druckersignet Andreas Cratander 13 14 Gastbeitrag artig ist die Darstellung des Vögelchens, das Erasmus als Taube deutete und mit Frobens Charakter in Verbindung brachte: Froben halte den Stab aufrecht, habe das Gemeinwohl im Sinn und weiche von der Einfachheit der Taube nicht ab. Die Klugheit der Schlangen werde eher im Signet ausgedrückt als in seinen Taten. Er sei reicher an Ruhm denn an Geld. Frobens Motti «Prudens simplicitas, amorque recti» («Kluge Einfalt und Liebe zum Rechten») und «Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben» (Matthäus 10,16) entsprechen Erasmus' Interpretation des Signets. Andreas Cratander Druckersignet Adam Petri Ab 1519 benutzte Andreas Cratander ein Signet mit der Göttin Occasio (Gelegenheit, Zufall, Glück), in deren Gestalt sich die Züge zweier antiker Gottheiten vereinen: der römischen Fortuna (Schicksal) auf der Weltkugel und des griechischen Kairos (Augenblick) mit dem Schermesser. Das lange Haar der Occasio bedeckt in der frühesten Fassung noch ihr Gesicht, ein Motiv, das in den späteren, von Holbein d.J. gestalteten Varianten aufgegeben wird. Der Hinterkopf – wenn sichtbar – ist kahl. Die noch heute gebräuchliche sprichwörtliche Wendung «die Gelegenheit beim Schopf packen» geht auf diese Vorstellung zurück. Auf die Flüchtigkeit einer guten Gelegenheit weisen überdies ihre Flügelfüsse sowie die Motti hin: «Brevis consulendi Occasio» («Die Gelegenheit zur Beratung ist kurz») ist eines davon. Adam Petri Das von Adam Petri seit 1523 verwendete Signet, dessen Entwurf manchmal Hans Holbein d.J. zugeschrieben wurde, zeigt eine von Wolken umgebene Hand, welche mit einem Hammer auf einen hochkant gestellten Stein klopft, aus dem Flammen schlagen, in die der Wind bläst. Es handelt sich um ein «redendes» Zeichen, das bildlich auf den Namen des Inhabers anspielt: «Adamas» (griech. «unbezwingbar») wurden seit Plinius besonders harte Steine oder Metalle genannt, so auch der Diamant, der Feuer und Eisen widersteht. Der Name «Adam Petri» wird demnach als «unbezwingbare Kraft des Steins» gedeutet. Die Hand aus der Wolke ermöglicht überdies eine weitere Interpretation nach Jeremia 23,29: «Ist nicht mein Wort wie ein Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?» Gelegentlich begleiten das Signet auch griechische und hebräische Bibelzitate. Johann Herwagen Druckersignet Johann Herwagen Die Druckermarke mit dem dreiköpfigen Hermes (oder Merkur) – Gott des Handels und der Rhetorik – wurde von Johann Herwagen seit 1531 geführt. Aus der Antike sind dreiköpfige Hermesstatuen als Wegweiser an Weggabelungen literarisch belegt; Bilder sind keine überliefert. Jedoch zeigt der Traum des Polifilius eine dreiköpfige Herme, und auch in den Adagien des Erasmus spielt der «triceps Mercurius» eine Rolle: Der Ausdruck bezeichne entweder unentschiedene und zweifelnde Leute Gastbeitrag 15 Johannes Oporin Johannes Oporins Signet, das er seit 1543 verwendete, zeigt den berühmten antiken Sänger Arion, der lorbeerbekränzt und Harfe spielend auf einem Delphin reitet. Spätere Fassungen stellen ihn stehend mit einer Geige dar. Nach einer Erzählung Herodots wurde Arion wegen seines Reichtums auf einer Schiffsreise von Mitreisenden mit dem Tod bedroht und stürzte sich deshalb, nach einem letzten Lied, in vollem Ornat in die Fluten. Die Erzählung schliesst mit der wunderbaren Errettung des Sängers durch den Delphin und der Bestrafung der Übeltäter. Bereits einige Jahre vor Oporin hatte der Wittenberger Musikdrucker Georg Rhaw Arion in seinem Signet geführt, das als Vorbild für die Basler Druckermarke gilt. In Alciatis Emblembuch erscheint Arions Bild unter dem Titel «Gegen die Geizigen». Oporins lateinische Motti «Das Schicksal findet einen Weg» und «Der Tugend ist kein Weg zu schwer» kommentieren die wunderbare Errettung des Sängers. Es handelt sich um Prophezeiungen aus Ovid und Vergil. Druckersignet Johannes Oporin Literatur oder aber besonders schlaue. «Ich stehe am Dreiweg» bedeute «Ich muss mich entscheiden». Herwagens Motto «Fata viam invenient» («Das Schicksal findet einen Weg»), das auch von Oporin verwendet wurde, überlässt aber dem Schicksal die Entscheidung. Die witzige Deutung des Signets durch Erasmus in einem Brief an Herwagen sei hier noch erwähnt: Er hoffe, der dreiköpfige Hermes sei ihm (Herwagen) günstig und möge ihm eine Abkürzung nach Plutopolis (der Stadt des Reichtums) zeigen. Alciatus, Andreas: Emblematum Libellus. Reprographischer Nachdruck der Originalausgabe, Paris 1542, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1987. Henkel, Arthur / Schöne, Albrecht: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Stuttgart, Weimar 1996 (19671). Wolkenhauer, Anja: Zu schwer für Apoll. Die Antike in humanistischen Druckerzeichen des 16. Jahrhunderts, Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2002. Basler Papiermühle – Schweizerisches Museum für Papier, Schrift und Druck Verteilt auf vier Stockwerke, bietet das Museum eine faszinierende Atmosphäre mit einer Mischung aus Ausstellung und Produktionswerkstätten. Als Besonderheit des Papiermuseums haben die Besucher Ge legenheit, sich in der «weissen» oder «schwarzen» Kunst zu versuchen. Das selbst geschöpfte Blatt Papier, eigene Versuche in der Handsetzerei und Schreibver suche mit Tinte und Federkiel gehören bei jedem Mu seumsbesuch dazu. www.papiermuseum.ch Basler Papiermühle, St. Alban-Tal 37, 4052 Basel 061 225 90 90, [email protected] Öffnungszeiten Di–Fr, So 11–17 Uhr; Sa 13–17 Uhr © Daniel Schvarcz
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