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Der Run auf Schrebergärten an der Ostsee | Manuskript
Der Run auf Schrebergärten an der Ostsee
Bericht: Annett Glatz, Christine Schönfeld
Gartenspartenidylle auf Rügen. Hier ist der Kleingarten noch etwas wert.
Ich weiß, dass Gärten schon weggegangen sind für 34.000.
Und das ist Sperrmüll ohne Ende
Bittere Gartenrealität dagegen in Eisleben:
Kann man nur noch verschenken, das will doch keiner mehr kaufen.
Noch lebt die Gartenanlage Bergfrieden am Rande der Stadt, doch immer mehr Parzellen
finden keine neuen Besitzer. König der Lauben ist Andreas Dümmler. Er ist Chef über 48
Kleingartenvereine im Verband MANSFELDER LAND- EISLEBEN und sieht die Entwicklung
mit großer Sorge.
Andres Dümmler, Verband der Gartenfreunde Mansfelder Land - Eisleben e. V.
Es ist nicht so , dass der Garten nur leer fällt ist eine wirtschaftliche und finanzielle Belastung
der Mitglieder, weil die Freiflächen, so sagt es auch das Bundeskleingartengesetz aus, zählen
zu den Gemeinschaftsflächen und die Gemeinschaftsflächen sind durch die Mitglieder zu
finanzieren.
Hinzu kommt, wer geht, muss seinen Garten zurückbauen und das kostet circa 3.000 Euro.
Geld, das die meisten Pächter, oft Rentner oder Arbeitslose nicht haben.
Andreas Dümmler
Das ist ein alleinstehender Herr, der gibt seinen Garten nicht ab, kommt seinen
Zahlungsverpflichtungen nach hier und wartet, dass er stirbt, dann braucht er den Garten
nicht zurückzubauen.
Tod auf Raten: Dümmler organisiert Gartenfeste, Wintergrillen, Ausfahrten, um die Leute
bei der Scholle zu halten- umsonst: inzwischen stehen über 36 % der Kleingärten leer in
Eisleben. Der Bergbau ist tot im Mansfelder Land und Eisleben hat seit der Wende über
10.000 Einwohner verloren. Wer soll da in die Kleingärten ziehen?
Das haben sich nach der Wende die Kleingärtner auf Rügen ebenfalls gefragt. Immer mehr
Einheimische gaben ihre Gärten auf, vor allem dort, wo die Ostsee nicht direkt in
Sichtweite liegt. Wie hier in Bergen. Dass Klaus Falk von der Sparte Freundschaft trotzdem
keine Sorgen mit Leerstand hat, liegt daran, dass er auch auswärtige Laubenpieper wie
Rolf Böhm aufgenommen hat.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Klaus Falk, Kleingartensparte „Freundschaft“, Bergen
Müsstest mal Deine Hecke ein bisschen rasieren. Ja – aber weißte- hier sind immer die Käfer
dran und die ziehen sich so fest und ich weiß nicht, die saugen das aus. Und die tun mir leid.
Na noch ist die Hecke nicht zu hoch. Wenn die alle hier verwelkt sind, dann geh ich hier ran.
Der geduldige Gartenchef hat seit Anfang der 90-er Jahre seine Tore auch für Nichtrüganer
geöffnet wie für den Rentner aus Berlin. Ein Schrebergarten an der Ostsee – besser geht’s
für den Hauptstädter nicht.
Rolf Böhm, Kleingärtner aus Berlin
Och ich bin gerne hier oben. Ich versuche immer soviel Zeit wie möglich hier oben zu sein.
Und genießen Sie auch die Ostsee? / Ja , ich bin Schwimmer. Sobald nichts zu tun ist, dann
ab ins Meer. Keine Frage. Und die kleingärtnerischen Pflichten?/ Na die versuch ich so gut
wie möglich einzuhalten.
Na da gibt’s natürlich immer ein paar Probleme.
Klar gibt’s Probleme mit der Gartenpflege, wenn man hunderte Kilometer weit weg
wohnt. Damit die Kleingartenidylle nicht darunter leidet, kann man hier eine Art
Pflegevertrag mit einheimischen Nachbarn abschließen, die dann die Gärten der Externen
in Schuss halten.
Karin Wölbeling, KGV „Freundschaft“ Bergen
Weil: Das geht nicht, wenn wir hier durchgehen und viele Mitglieder regen sich dann auch
auf, wie verwahrlost die Gärten aussehen und da merkt man ja sofort, die nutzen ja nur die
Gärten vom Prinzip her, um hier Urlaub zu machen und sich das Geld zu sparen fürs Hotel.
Auch 12 Kilometer weiter in Lauterbach springt in der Not ein hilfreicher Rüganer ein.
Denn hier sind sogar 30 der 68 voll besetzten Gärten in auswärtiger Hand.
Falk Mauersberger, Kleingärtner aus Sachsen
Ja die sächsische Fahne ist gehisst. Hier auf Rügen. Wo kommen sie her? / Ich bin aus
Zschopau im Erzgebirge. wir haben ja als Familie den Garten und die Eltern sind im Prinzip
das ganze Sommerhalbjahr hier und wenn ich dann Urlaub hab, dann tauschen wir halt.
Dann fahren sie ins Erzgebirge und ich bin dann hier.
Dass sich Sachsen, Thüringer oder Berliner für gerademal mal rund 200 Euro im Jahr
Urlaubsglück im Gartenverein erkaufen, das gibt’s im Ostseebad Sellin nicht. Dafür sorgt
auch Angelika Kaiser, die Vorsitzende der Sparte „Frieden“ .
Angelika Kaiser, Kleingartensparte „Frieden“, Rügen
Wir wollen unsere Gärten auch als Kleingärten erhalten und nicht als
Wochenendgrundstücke oder als Datschen. Sondern so wie als Dauergrünanlage eingetragen
und das wollen wir auch erhalten.
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Denn dauerhaftes Wohnen ist gesetzlich eigentlich nicht erlaubt- doch was heißt das schon
genau? Wer’s übertreibt, dem drohen höhere Abgaben, am Ende sogar der Verlust des
Kleingartenstatus. Streng sein, fällt natürlich leicht, wenn die Anlage nahe am Meer liegt
und auf der Warteliste auch genug Einheimische stehen.
Hier in der Anlage Landwehr Süd in Eisleben wartet man nur noch aufs Ende.
Andreas Dümmler
44 Kleingärten stehen hier zum Abriss aufgrund der geringen Auslastungszahlen. Das heißt,
alles was Sie hier sehen, geht über kurz oder lang aufn Container. Als erstes sind die Zäune
dran und dann nachher kommen die Lauben dran und dann sind die Gehölze dran und das
muss ja alles raus.
Zwischen Unkraut und Ruinen harrt Familie Böhme noch aus.
Klaus Böhme, Kleingärtner
Ich habe schon mit allen gewettet, ich habe gesagt; wer hält länger durch- die Anlage oder
ich- ich hab die Wette gewonnen, ich halt wahrscheinlich länger durch. Und wenn ich dann
noch höre, dass wir’s abreißen müssen, wo soll das Geld herkommen- das Geld, was wir
haben, das brauchen wir für die Beerdigung.
Hohe Abrisskosten, Pacht für leeres Land- Andreas Dümmler will einen Rettungsschirm für
seine Gärten. Er hat der Stadt viele Konzepte auf den Tisch gelegt, denn ohne deren
finanzielle Hilfe wird es nicht gehen.
Andres Dümmler
Der Gesamtfreistand, der jetzt zum Abriss kommen müsste im gesamten Verbandsgebiet
liegt ungefähr bei 2 Millionen.- Wie wollen Sie das stemmen?- Gar nicht.
Von der Anlage Landwehr Süd wird in 2 Jahren nichts mehr zu sehen sein und dann? Sieht
es so aus wie hier.
Andreas Dümmler
Hier haben wir die Einfahrt zur Kleingartensparte „Einigkeit“. Das bleibt am Ende übrig, wenn
eine Gartenanlage verschwinden muss.
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